Entscheidungsdatum
16.08.2019Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VwGVG §33Text
Das Verwaltungsgericht Wien
I. fasst durch seinen Richter Mag. Dr. Kienast über den Antrag des Dr. A. B. vom 18.12.2018 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 33 VwGVG den
BESCHLUSS:
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG stattgegeben.
und
II. e r k e n n t
IM NAMEN DER REPUBLIK
durch seinen Richter Mag. Dr. Kienast über die Beschwerde des Dr. A. B. vom 18.12.2018 gegen den Bescheid des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer vom 11.10.2018, Zl. ..., betreffend Streichung aus der Ärzteliste zu Recht:
Der bekämpfte Bescheid wird wegen Unzuständigkeit des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer ersatzlos behoben.
III. Gegen den Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig; gegen das Erkenntnis ist sie gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Begründung
A.) Wiedereinsetzungsantrag:
1. Der Antragsteller begehrt die Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist, weil er der Rechtsmittelbelehrung des Bescheids des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer gefolgt sei, das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) jedoch seine Beschwerde mit Beschluss vom 11.12.2018, W170 2210811-1/2E, wegen Unzuständigkeit des BVwG zurückgewiesen habe. Dieser Beschluss sei dem Antragsteller am 12.12.2018 zugestellt worden, weshalb der Wiedereinsetzungsantrag vom 18.12.2018 rechtzeitig sei.
2. Aufgrund der unbedenklichen Aktenlage steht folgender Sachverhalt fest:
Der Bescheid des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer vom 11.10.2018, ..., enthält folgende Rechtsmittelbelehrung: „Gegen diesen Bescheid kann das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden. Die Beschwerde ist innerhalb von 4 Wochen ab Zustellung des Bescheides bei der Österreichischen Ärztekammer einzubringen. Sie hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Beschwerde-Antrag zu enthalten (§ 9 Abs. 1 VwGVG).“
Gegen diesen am 19.10.2018 zugestellten Bescheid erhob der Antragsteller Beschwerde an das BVwG, die er am 16.11.2018 bei der Österreichischen Ärztekammer einbrachte.
Der Präsident der Österreichischen Ärztekammer legte am 3.12.2018 den Verwaltungsakt und die Beschwerde dem BVwG vor, wo sie am 7.12.2018 einlangten.
Mit Beschluss vom 11.12.2018, W170 2210811-1/2E, (zugestellt am 12.12.2018) wies das BVwG die Beschwerde des Antragstellers wegen Unzuständigkeit des BVwG zurück.
Mit an den Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer adressiertem (und dort am selben Tag einlangenden) Schriftsatz vom 18.12.2018 beantragte der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist, führte er die Beschwerde aus und verband diese mit dem Antrag auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung.
Mit Note vom 21.12.2018 (eingelangt bei der Österreichischen Ärztekammer am 9.1.2019) übermittelte das BVwG den Verwaltungsakt der Österreichischen Ärztekammer zurück.
Mit E-Mail vom 24.1.2019 ersuchte das BVwG die Österreichische Ärztekammer um dringende Übermittlung des Verwaltungsaktes, weil der Antragsteller mit Schriftsatz vom 22.1.2019 Revision gegen den Zurückweisungsbeschluss erhoben habe, die er mit einem Antrag auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung verbunden hatte.
Mit Beschluss vom 24.1.2019 erkannte das BVwG dieser (ordentlichen) Revision die aufschiebende Wirkung nicht zu.
Mit Note vom 8.2.2019 trat das BVwG das Verfahren an das Verwaltungsgericht Wien ab.
3. a) Der Präsident der Österreichischen Ärztekammer hat (wohl wegen der Anforderung des Verwaltungsaktes, in dem der Wiedereinsetzungsantrag bereits einlag, durch das BVwG am 24.1.2019) nicht über den Wiedereinsetzungsantrag entschieden; nach Abtretung des Verfahrens an das Verwaltungsgericht Wien ist nun dieses gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist zuständig.
b) Nach § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein Verschulden der Partei an der Versäumung der Frist hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Der Antragsteller versäumte die Frist zur Erhebung der Beschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht ohne Verschulden; er hielt sich an die Rechtsmittelbelehrung jenes Bescheides, den er in Beschwerde zog. Es war zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung (auch für mit den einschlägigen Materien vertraute Rechtsanwälte) keineswegs erkennbar, dass die Rechtsmittelbelehrung nicht zutrifft und das BVwG zur Entscheidung über die Beschwerde nicht zuständig wäre.
c) Nach § 33 Abs. 3 VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung bei Fristversäumung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.
Das Ereignis, das den Antragsteller an der fristgerechten Erhebung der Beschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht hinderte, fiel mit Zustellung des seine Beschwerde zurückweisenden Beschlusses des BVwG am 12.12.2018 weg; er erlangte damit Kenntnis davon, dass – entgegen der Rechtsmittelbelehrung – nicht das BVwG, sondern das Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung über seine Beschwerde zuständig ist und daher die Beschwerde an dieses zu richten war. Der Antragsteller brachte seinen Wiedereinsetzungsantrag innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses des BVwG (12.12.2018) beim Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer ein (18.12.2018).
d) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher zu bewilligen.
4. Die ordentliche Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
B.) Beschwerde:
1. Verfahrensgang:
a) Mit Bescheid vom 11.10.2018 verfügte der Präsident der Österreichischen Ärztekammer – unter einem aussprechend, dass der Beschwerdeführer nicht über die gemäß § 4 Abs. 2 Z. 3 des Ärztegesetzes 1998 (ÄrzteG 1998) zur Erfüllung der ärztlichen Berufspflichten erforderliche gesundheitliche Eignung verfüge und daher die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes gemäß § 59 Abs. 1 Z. 1 ÄrzteG 1998 erloschen sei – die Streichung des Beschwerdeführers aus der Ärzteliste. In der Rechtsmittelbelehrung wies er auf die Möglichkeit einer Beschwerde an das BVwG hin. Der Präsident schloss die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aufgrund zwingender öffentlicher Interessen und bestehender Gefahr im Verzug gemäß § 13 Abs 2 VwGVG iVm. § 64 Abs 2 AVG aus.
Mit Schriftsatz vom 15.11.2018 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das BVwG und verband sie mit dem Antrag, ihr aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
b) Mit Beschluss vom 11.12.2018 wies das BVwG die Beschwerde wegen eigener Unzuständigkeit zurück, erklärte aber eine Revision an den VwGH für zulässig, weil es an Judikatur des VwGH zur Zuständigkeit in Verfahren nach § 117c Abs. 1 ÄrzteG 1998 fehle und die Zuständigkeit des BVwG oder des örtlich zuständigen Landesverwaltungsgerichtes nicht offenkundig sei.
Diesen Beschluss des BVwG zog der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 22.01.2019 in (ordentliche) Revision und beantragte die Zuerkennung aufschiebender Wirkung.
Mit Beschluss vom 24.01.2019 erkannte das BVwG der (ordentlichen) Revision die aufschiebende Wirkung nicht zu.
c) Mit Schriftsatz vom 18.12.2018 brachte der Beschwerdeführer beim Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer (I.) einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (wegen Versäumung der Beschwerdefrist) ein, führte er die Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien gegen den Bescheid des belangten Präsidenten vom 10.10.2018 aus (II.) und (III.) beantragte, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Mit Note vom 08.02.2019 trat das BVwG das Verfahren an das Verwaltungsgericht Wien ab und übermittelte die bezughabenden Akten, die am 13.02.2019 beim Verwaltungsgericht Wien einlangten.
d) Mit Beschluss vom 19.02.2019 beantragte das Verwaltungsgericht Wien beim VfGH, dieser möge folgende Teile des ÄrzteG 1998, BGBl. I 1998/169, als verfassungswidrig aufheben:
„1. in § 59 Abs. 3 Z. 1 (diese Bestimmung idF. der Novelle BGBl. I 2015/56) die Zeichenfolge ‚1 und‘,
2. in § 117c Abs. 1 Z. 6 (diese Bestimmung idF. der Novelle BGBl. I 2015/56) die Zeichenfolge ‚1 und‘,
3. § 195f Abs. 1 (diese Bestimmung idF. der Novelle BGBl. I 2009/144) sowie
4. in § 59 Abs. 2 dritter Satz (diese Bestimmung idF. der Novelle BGBl. I 2010/61) zweimal die Wortfolgen ‚gesundheitlichen Eignung oder‘.“
Dieser Antrag des Verwaltungsgerichts Wien langte am 23.2.2019 beim VfGH ein.
Am 25.2.2019 begann beim VfGH die „Herbst-Session“, in der der VfGH mit Erkenntnis vom 13.3.2019, G 242/2018-16 u.a., über Anträge des BVwG und des VwGH gemäß Art 140 B-VG
– § 27 Abs. 10,
– die Wort- und Zeichenfolge „1 und“ in § 59 Abs. 3 Z 1,
– § 59 Abs. 3 Z 2,
– die Wort- und Zeichenfolge „1 und“ und „2“, „§ 4 Abs. 2 oder“ und „Eintragung in die oder“ in § 117c Abs. 1 Z 6 und
– die Wort- und Zeichenfolge „10 und“ in § 125 Abs. 4 ÄrzteG 1998, BGBl. I Nr. 169, jeweils idF BGBl. I Nr. 56/2015
als verfassungswidrig aufhob; dabei sprach er auch aus, dass gemäß Art 140 Abs. 5 dritter und vierter Satz B-VG die Aufhebung mit Ablauf des 31.8.2020 in Kraft tritt und frühere gesetzliche Bestimmungen gemäß Art 140 Abs. 6 erster Satz B-VG nicht wieder in Kraft treten.
e) Mit Beschluss vom 26.6.2019, G 47/2019-9, wies der VfGH den Antrag des Verwaltungsgerichts Wien zurück. Er begründete seine Entscheidung hinsichtlich der angefochtenen Wort- und Zeichenfolgen „1 und“ in § 59 Abs. 3 Z 1 und § 117c Abs. 1 Z 6 ÄrzteG 1998 damit, dass diese wegen der im Erkenntnis vom 13.3.2019, G 242/2018-16 u.a., gesetzten Frist für das Wirksamwerden der Aufhebung verfassungsrechtlich unangreifbar seien und daher der diesbezügliche Antrag mangels eines tauglichen Prüfungsgegenstandes als unzulässig zurückzuweisen sei. Hingegen war der Antrag des Verwaltungsgerichts Wien wegen rechtskräftig entschiedenen Sache als unzulässig zurückzuweisen, soweit er sich auf § 195f Abs. 1 ÄrzteG 1998 bezog, weil der VfGH im bereits zitierten Erkenntnis diesbezüglich keine Verfassungswidrigkeit erkannt und jenen Antrag abgewiesen hatte. Soweit sich der Antrag des Verwaltungsgerichts Wien auf § 59 Abs. 2 ÄrzteG 1998 bezog, wies ihn der VfGH mangels Präjudizialität zurück.
2. Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
a) Folgender Sachverhalt ist für das Erkenntnis maßgebend; er gründet im Verwaltungs- und im Beschwerdeakt und ist unstrittig:
Mit Beschluss vom 19.02.2019 beantragte das Verwaltungsgericht Wien beim VfGH, dieser möge folgende Teile des ÄrzteG 1998, BGBl. I 1998/169, als verfassungswidrig aufheben:
„1. in § 59 Abs. 3 Z. 1 (diese Bestimmung idF. der Novelle BGBl. I 2015/56) die Zeichenfolge ‚1 und‘,
2. in § 117c Abs. 1 Z. 6 (diese Bestimmung idF. der Novelle BGBl. I 2015/56) die Zeichenfolge ‚1 und‘,
3. § 195f Abs. 1 (diese Bestimmung idF. der Novelle BGBl. I 2009/144) sowie
4. in § 59 Abs. 2 dritter Satz (diese Bestimmung idF. der Novelle BGBl. I 2010/61) zweimal die Wortfolgen ‚gesundheitlichen Eignung oder‘.“
Dieser Antrag des Verwaltungsgerichts Wien langte am 23.2.2019 beim VfGH ein.
Am 25.2.2019 begann beim VfGH die „Herbst-Session“, in der der VfGH mit Erkenntnis vom 13.3.2019, G 242/2018-16 u.a., über Anträge des BVwG und des VwGH gemäß Art 140 B-VG unter anderem die Wort- und Zeichenfolge „1 und“ in § 59 Abs. 3 Z 1 und in § 117c Abs. 1 Z 6 ÄrzteG 1998, BGBl. I Nr. 169, jeweils idF BGBl. I Nr. 56/2015 als verfassungswidrig aufhob; dabei sprach er auch aus, dass gemäß Art 140 Abs. 5 dritter und vierter Satz B-VG die Aufhebung mit Ablauf des 31.8.2020 in Kraft tritt und frühere gesetzliche Bestimmungen gemäß Art 140 Abs. 6 erster Satz B-VG nicht wieder in Kraft treten.
Mit Beschluss vom 26.6.2019, G 47/2019-9, wies der VfGH den Antrag des Verwaltungsgerichts Wien hinsichtlich der angefochtenen Wort- und Zeichenfolgen „1 und“ in § 59 Abs. 3 Z 1 und § 117c Abs. 1 Z 6 ÄrzteG 1998 mit der Begründung zurück, dass diese wegen der im Erkenntnis vom 13.3.2019, G 242/2018-16 u.a., gesetzten Frist für das Wirksamwerden der Aufhebung verfassungsrechtlich unangreifbar seien und daher der diesbezügliche Antrag mangels eines tauglichen Prüfungsgegenstandes als unzulässig zurückzuweisen sei.
b) Hebt der VfGH ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit auf, ist nach Art 140 Abs. 7 B-VG das Gesetz „mit Ausnahme des Anlassfalles“ auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände weiterhin anzuwenden.
Der vom Verfassungsgesetzgeber mit der B-VG-Novelle 1975 aus der früheren Rechtsprechung des VfGH übernommene Begriff des Anlassfalles ist zunächst (VfSlg 8234/1978) auf jene Fälle beschränkt verstanden worden, die tatsächlich zur Einleitung eines Normenprüfungsverfahren geführt haben. Zwecks Loslösung von „Zufälligkeiten des Geschäftsganges und insbesondere von der Menge und Art der anfallenden Rechtssachen, also ausschließlich von Umständen im Schoße des Gerichtshofes selbst,“ hat ihn der VfGH jedoch später dahin ausgelegt, dass er alle im Zeitpunkt der Ausschreibung der Verhandlung anhängig gewordenen Fälle erfasst (VfSlg 10.067/1984); nach Eröffnung der Möglichkeit (durch die Änderung des VfGG im Gefolge der B-VG-Novelle 1984 BGBl. Nr. 92/1984), auch im Normenprüfungsverfahren von einer mündlichen Verhandlung abzusehen, hat er schließlich der Ausschreibung der Verhandlung den Beginn der nichtöffentlichen Beratung gleichgesetzt (VfSlg 10.616/1985). In seinem Erkenntnis VfSlg 17.687/2005 hat der VfGH – in teilweiser Abkehr von seiner Vorjudikatur – entschieden, diese Gleichstellung in jenen Fällen nicht (mehr) vorzunehmen, in denen der ein Verwaltungsverfahren einleitende Antrag erst nach Bekanntmachung des Prüfungsbeschlusses gestellt wurde (mag auch die Beschwerde gegen den letztinstanzlichen Bescheid dann noch vor dem Beginn der Beratungen beim Verfassungsgerichtshof eingelangt sein).
c) Die vom Verwaltungsgericht Wien angefochtenen Zeichenfolgen „1 und“ in § 59 Abs. 3 Z 1 und § 117c Abs. 1 Z 6 ÄrzteG 1998 (idF BGBl. I 56/2015) sind mit jenen identisch, die der VfGH mit seinem Erkenntnis vom 13.3.2019, G 242/2018-16 u.a., aufgehoben hat.
Der Antrag des Verwaltungsgerichts Wien langte beim VfGH am 23.2.2019 ein, somit noch vor Beginn der „März-Session“ und damit auch vor Beginn der nichtöffentlichen Beratung im Normenprüfungsverfahren am 13.3.2019 (von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat der VfGH abgesehen). Der Antrag des Verwaltungsgerichts Wien ist daher ein dem Anlassfall gleichzuhaltender Fall („Quasianlassfall“); dies zu beurteilen, obliegt dem antragstellenden Gericht (vgl. VwGH 31.1.2007, 2006/08/0348; 9.9.2015, 2013/03/0120).
Es ist daher auch im hier gegenständlichen Beschwerdeverfahren in § 59 Abs. 3 Z 1 und § 117c Abs. 1 Z 6 ÄrzteG 1998 die Zeichenfolge „1 und“ nicht (mehr) anzuwenden.
d) Nach § 4 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 3 ÄrzteG 1998 ist ein allgemeines Erfordernis für die selbständige Ausübung des ärztlichen Berufs „die zur Erfüllung der Berufspflichten erforderliche gesundheitliche Eignung“.
Nach § 59 Abs. 1 Z 1 ÄrzteG 1998 erlischt die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufs „durch den Wegfall einer für die ärztliche Berufsausübung erforderlichen Voraussetzung“.
§ 117c Abs. 1 Z 6 ÄrzteG 1998 (in der vor der Aufhebung durch den VfGH geltenden Fassung) wies der Österreichischen Ärztekammer die Durchführung von Verfahren zur Prüfung des Vorliegens oder Nichtvorliegens der Erfordernisse gemäß § 59 Abs. 1 Z 1 ÄrzteG 1998 für die damit verbundene Austragung aus der Ärzteliste zu, und zwar hatte die Österreichische Ärztekammer diese Aufgabe im übertragenen Wirkungsbereich wahrzunehmen.
§ 59 Abs. 3 Z 1 ÄrzteG 1998 (ebenfalls in der vor der Aufhebung durch den VfGH geltenden Fassung) verpflichtete den Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer in dem Fall, dass eine für die ärztliche Berufsausübung erforderliche Voraussetzung wegfällt, mit Bescheid festzustellen, dass die Berechtigung der Ausübung des ärztlichen Berufs nicht besteht, und die Streichung aus der Ärzteliste zu veranlassen.
Aus diesem Regelungszusammenhang ergibt sich: Das Vorliegen oder Nichtvorliegen auch und gerade der gesundheitlichen Eignung als allgemeines Berufserfordernis ist in einem Administrativverfahren zu prüfen ist, dessen Ergebnis gegebenenfalls die bescheidmäßige Feststellung, dass die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufs nicht besteht, und die Veranlassung der Streichung aus der Ärzteliste zu sein haben.
Das ÄrzteG 1998 (in der vor der Aufhebung durch den VfGH geltenden Fassung) wies in § 59 Abs. 3 Z 1 die Abführung dieses Administrativverfahrens dem Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer zu. Gemäß der bereinigten Rechtslage (nach der Aufhebung durch den VfGH) besteht in Fällen, in denen es um den Wegfall einer für die ärztliche Berufsausübung erforderlichen Voraussetzung (wie den Wegfall der gesundheitlichen Eignung) geht, keine Zuständigkeit des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer (mehr) zur bescheidmäßigen Feststellung und Veranlassung der Streichung aus der Ärzteliste. Diese Aufgabe wird im Ärzte G 1998 auch keinem anderen Organ der Österreichischen Ärztekammer zugewiesen.
Für derartige Fälle sieht § 2 AVG die Bezirksverwaltungsbehörden als sachlich zuständige Behörden vor. Da der Beschwerdeführer seine ärztliche Tätigkeit im Bundesland Wien ausübte, ist gemäß § 3 Z 2 AVG nunmehr für diese Anagelegenheit im Konkreten der Magistrat der Stadt Wien sachlich und örtlich zuständige Behörde.
Der bekämpfte Bescheid wurde vom Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer, somit von einer unzuständigen Behörde, erlassen.
Die Unzuständigkeit der Verwaltungsbehörde ist auch dann vom Verwaltungsgericht von Amts wegen aufzugreifen, wenn sie – wie im vorliegenden Fall – weder im Verfahren eingewendet noch in der Beschwerde releviert wurde (z.B. VwGH 28.1.2016, Ra 2015/07/0140).
Der bekämpfte Bescheid war daher gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG ersatzlos zu beheben.
e) Nicht übersehen wird, dass der VwGH in seinem Erkenntnis vom 4.4.2019, Ro 2017/11/0003, in einem Anlassfall und somit (gleichfalls) aufgrund der bereinigten Rechtslage Folgendes aussprach: Die Feststellung mit Bescheid, dass die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufs nicht besteht, sowie die Streichung aus der Ärzteliste (§ 59 Abs. 3 ÄrzteG 1998 in der bereinigten Fassung) zählen infolge der Aufhebung der Zeichenfolge „1 und“ in § 117c Abs 1 Z 6 ÄrzteG 1998 nicht (mehr) zu den Aufgaben des übertragenen Wirkungsbereichs der Österreichischen Ärztekammer. Er schließt sodann daraus, dass „der angefochtene Beschluss des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer (der belangten Behörde) […] folglich als Tätigwerden im eigenen Wirkungsbereich der Österreichischen Ärztekammer und nicht als Tätigwerden in einer Angelegenheit der Vollziehung des Bundes, die iSd. Art. 131 Abs. 2 B-VG unmittelbar von einer Bundesbehörde besorgt wird, zu qualifizieren“ sei.
Dieser vom VwGH bloß obiter ausgesprochenen Rechtsauffassung, dass nämlich der Präsident der Österreichischen Ärztekammer zuständig bleibt, er diese Zuständigkeit aber im eigenen Wirkungsbereich der Österreichischen Ärztekammer wahrnimmt, kann aus folgenden Gründen nicht beigetreten werden:
Zum einen würde damit dem ÄrzteG 1998 ein verfassungswidriger Inhalt unterstellt. Wie der VfGH in seinem Erkenntnis vom 13.3.2019, G 242/2018-16 u.a., in Rz 41 selbst ausführt, hat er bereits mit den Erkenntnissen VfSlg 19.885/2014 und 19.887/2014 Teile des ÄrzteG 1998 als verfassungswidrig aufgehoben, weil durch die Entscheidung über die Eintragung in die und Austragung aus der Ärzteliste nicht bloß die überwiegenden Interessen der Österreichischen Ärztekammer bzw. einer Ärztekammer in den Bundesländern, sondern – in zumindest gleicher Weise – auch öffentliche Interessen berührt werden, weshalb diese Administrativverfahren nicht durch den Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer im eigenen Wirkungsbereich besorgt werden dürfen. Der Gesetzgeber wies dann (mit der Novelle BGBl I 56/2015) die Eintragung in die bzw Austragung aus der Ärzteliste dem übertragenen Wirkungsbereich der Österreichischen Ärztekammer zu. In verfassungskonformer Auslegung kann daher nicht unterstellt werden, der Präsident der Österreichischen Ärztekammer habe den bekämpften Bescheid im eigenen Wirkungsbereich der Österreichischen Ärztekammer erlassen.
Zum anderen steht dem aber auch die einfachgesetzliche Rechtslage entgegen: Die Österreichische Ärztekammer ist nach § 117 Abs. 2 ÄrzteG 1998 als eine Körperschaft öffentlichen Rechts eingerichtet, deren gesetzmäßiger Wirkungskreis sich gemäß § 117a Abs. 2 ÄrzteG 1998 in einen eigenen und einen übertragenen Wirkungsbereich unterteilt. Während § 117c ÄrzteG 1998 die Aufgaben, die in den übertragenen Wirkungsbereich fallen, taxativ aufgezählt, zählt § 117b ÄrzteG 1998 die im eigenen Wirkungsbereich wahrzunehmenden Aufgaben (lediglich) demonstrativ auf.
Wenn nun wegen der Aufhebung gesetzlicher Bestimmungen durch den VfGH die Durchführung von Verfahren zur Prüfung des Vorliegens oder Nichtvorliegens der Erfordernisse gemäß § 59 Abs. 1 Z 1 ÄrzteG, somit auch des Vorliegens der gesundheitlichen Eignung, nicht mehr von der Österreichische Ärztekammer im übertragenen Wirkungsbereich wahrzunehmen ist, schließt dies folglich – auch wenn diese Aufgabe in § 117b Abs. 1 ÄrzteG 1998 nicht ausdrücklich angeführt ist – nicht aus, dass die Österreichische Ärztekammer dies dennoch im eigenen Wirkungsbereich wahrnimmt.
Allerdings wurde dem Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer durch die Aufhebung der Zeichenfolge „1 und“ in § 59 Abs. 3 Z 1 ÄrzteG 1998 die Zuständigkeit zur bescheidmäßigen Feststellung, dass die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufs nicht besteht, und die Veranlassung der Streichung aus der Ärzteliste sowohl „im Rahmen eines Verfahrens gemäß § 117b Abs. 1“ als auch „§ 117c Abs. 1“ ÄrzteG 1998 genommen. Dem Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer kommt somit weder im eigenen Wirkungsbereich (§ 117b Abs. 1 ÄrzteG 1998) noch im übertragenen Wirkungsbereich (§ 117c Abs. 1 ÄrzteG 1998) der Österreichischen Ärztekammer die Zuständigkeit zu, mit Bescheid festzustellen, dass die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes nicht besteht, und die Streichung aus der Ärzteliste zu veranlassen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
f) Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
g) Die (ordentliche) Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Das gegenständliche Erkenntnis weicht von der (wenn auch nicht tragenden) Begründung des Erkenntnisses des VwGH (4.4.2019; Ro 2017/11/0003) insoweit ab, als darin als (nicht bindendes [VwGH 17.9.1997, 93/13/0064]) obiter dictum die Auffassung des VwGH zum Ausdruck kommt, der Präsident der Österreichischen Ärztekammer nahm die Erlassung des Feststellungsbescheids und die Veranlassung der Streichung aus der Ärzteliste im eigenen Wirkungsbereich der Österreichischen Ärztekammer vor.
Schlagworte
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; Beschwerdefrist; Normprüfungsverfahren; Anlassfall; Quasianlassfall; sachliche Zuständigkeit; eigener Wirkungsbereich; übertragender Wirkungsbereich; mittelbare BundesverwaltungAnmerkung
VfGH v. 28.11.2019, E 3637/2019; ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.172.092.2415.2019Zuletzt aktualisiert am
01.12.2020