Entscheidungsdatum
25.02.2019Index
10/01 Bundes-VerfassungsgesetzNorm
B-VG Art130 Abs1 Z2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch den Richter
Mag. Dr. Kundegraber über die Beschwerde der A B GmbH,
in C, vertreten durch Dr. D E und Mag. F G, beide Rechtsanwälte in H, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt
z u R e c h t e r k a n n t:
A. Die Beschwerde wegen der Observation des Lokales in I, Straße, durch Organe der öffentlichen Aufsicht am 23. Juli 2018 von ca. 11.00 Uhr bis ca. 17.00 Uhr, wird als unbegründet
abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Finanzen) die Kosten des Verfahrens in der Höhe von € 829,80 ab Erhalt des Erkenntnisses bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Rechtsgrundlagen:
Art. 130 Abs 1 Z 2 Bundesverfassungsgesetz (B-VG)
§§ 9, 28 Abs 6, 35 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)
§ 1 VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV)
§ 50 Glücksspielgesetz idF BGBl Nr. I 107/2017 (GSpG)
B. Gegen das Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) eine ordentliche Revision unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. 1. Im Beschwerdeschriftsatz vom 30. Oktober 2018 wird ausgeführt, dass im
Zuge einer glücksspielrechtlichen Kontrolle vor einem Lokal in I,
Straße, es zur Verletzung von „subjektiven Rechten“ gekommen sei, da das von der Beschwerdeführerin angemietete Lokal observiert worden sei. Zwei Polizisten hätten in der Verhandlung am 24. Oktober 2018 angegeben, „ab dem späteren Vormittag“ bis zum Eintreffen des Leiters der Amtshandlung um ca. 17.00 Uhr das Lokal der Beschwerdeführerin observiert zu haben. Es sei noch darauf hinzuweisen, dass der belangten Behörde schon am späten Vormittag klar gewesen sei, dass das Lokal nicht mehr in Betrieb gewesen sei.
Es wurde daher „Beschwerde wegen Verletzung subjektiver Rechte gemäß § 88 Abs 2 SPG iVm § 130 Abs 1 Z 1 B-VG“ erhoben und beantragt den angefochtenen Akt für rechtswidrig zu erklären und die Kosten zuzusprechen. Übergeben wurde das Verhandlungsprotokoll vom 24. Oktober 2018 zu
LVwG 20.3-2068/2018-19, LVwG 20.3-2069/2018-19 und LVwG 20.3-2070/2018-20, ein Gutachten von Univ.-Prof. Dr. J K zur Frage der Zulässigkeit von Observationen im Rahmen der Vollziehung des § 50 Glücksspielgesetzes (GSpG) vom
21. November 2017 und ein Rechtssatz aus dem Rechtsinformationssystem zu GZ: 2004/01/0086 über die Zulässigkeit einer Observation im Sinne des § 54 Sicherheitspolizeigesetz (SPG).
Es wurde beantragt die „angefochtenen Akte“ für rechtswidrig zu erklären und die Kosten zuzusprechen.
2. Die Bezirkshauptmannschaft Liezen legte am 08. November 2018 eine Stellungnahme vor, in der sie ausführte, dass die Polizeibeamten durch die Behörde angewiesen worden seien, sich bis zum Abschluss der Kontrollen an anderen Standorten im Nahbereich des Lokales Lokales L, I, Straße, aufzuhalten, „um festzustellen, ob das gegenständliche Lokal geöffnet ist, gegebenenfalls zu versuchen, sich Zutritt zum gegenständlichen Lokal zu verschaffen und zu beobachten, ob Personen das Lokal betreten oder verlassen, um sich so Zutritt zum Lokal zu verschaffen bzw. die betreffenden Personen hinsichtlich möglicher Übertretungen nach dem Glücksspielgesetz zu befragen“. Die Tätigkeit der Beamten habe sich aufgrund der Dauer der Kontrollen an anderen Standorten über mehrere Stunden hingezogen.
Die belangte Behörde wies darauf hin, dass die von der Beschwerdeführerin angeführten Rechtsvorschriften immer die Beobachtung (Observation) im Zusammenhang mit Ermittlung von personenbezogenen Daten anführen würden. Auch der zitierte § 129 Z 1 der Strafprozessordnung 1975 (StPO) sehe in der Observation das heimliche Überwachen einer Person. Dies sei jedoch im konkreten Fall nicht vorgelegen, da weder die Beobachtung des Lokales heimlich stattgefunden habe, sondern sei im Gegenteil durch die einschreitenden Polizeibeamten vorerst versucht worden, das Lokal zu betreten, was durch die angebrachten Überwachungskameras für den Lokalinhaber sichtbar gewesen wäre. Zudem seien die Polizeibeamten bis zum Eintreffen durch die Behörde immer sichtbar und nicht heimlich vor dem Lokal gestanden. Der Auftrag an die einsetzenden Polizeibeamten sei nicht gewesen die personenbezogenen Daten der Lokalinhaberin zu ermitteln, sondern sei der Auftrag darauf gerichtet gewesen, festzustellen, ob das Lokal geöffnet bzw. für den Fall, dass Personen das Lokal betreten oder verlassen, sich Zugang zum Lokal zu verschaffen, um eventuelle Verstöße gegen das GSpG festzustellen.
Es wurde der Antrag gestellt die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II. Sachverhalt:
1. Am 23. Juli 2018 fanden im Bezirk Liezen glücksspielrechtliche Kontrollen an verschiedenen Standorten statt. Der federführende Beamte der belangten Behörde, Mag. Dr. M, führte vorerst am Vormittag im Polizeikommissariat Liezen ein Briefing durch, in dem er Beamte beauftragte, bei den in Aussicht genommenen Lokalen insofern Ausschau zu halten, ob das Lokal nicht versperrt werde bzw. Zeugen das Lokal verlassen. Der konkrete Auftrag an die beiden Organe der öffentlichen Aufsicht RI N und GI O war ab ca. 11.00 Uhr vormittags festzustellen, ob im Lokal eine „Bewegung“ wäre und wenn möglich in das Lokal zu kommen, um eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz vorzunehmen. Im Laufe ihrer Beobachtungstätigkeit konnten beide Polizisten übereinstimmend feststellen, dass das Lokal offensichtlich geschlossen war, es hängten Kabel aus den Wänden, es haben keine Personen das Lokal aufgesucht, die Türe war versperrt und gab bei Betätigung die Glocke kein akustisches Geräusch. Beide Organe der öffentlichen Aufsicht waren in zivil gekleidet.
Um ca. 16.00 Uhr bzw. 17.00 Uhr kam sodann der Vertreter der belangten Behörde mit dem nichtamtlichen Sachverständigen, Beamten der Finanzpolizei und anderen Organen der öffentlichen Aufsicht zum Lokal und wurde diesen von den beiden zur Observation abgestellten Beamten, ihre Wahrnehmungen mitgeteilt. In weiterer Folge kam es trotzdem zur zwangsweisen Öffnung des Lokales.
2. Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf den Akteninhalt,
insbesondere auch unter Heranziehung der Verhandlungsschriften in den
Verfahren LVwG 20.3-2068/2018-19, LVwG 20.3-2069/2018-19 und
LVwG 20.3-2070/2018-20 sowie dem Inhalt der Einvernahme des Zeugen
Mag. Dr. M am 04. Dezember 2018. Auch von Seiten der Beschwerdeführerin wird der festgestellte Sachverhalt nicht in Zweifel gezogen.
III. Rechtliche Beurteilung:
1. Die Beschwerde langte beim Landesverwaltungsgericht für die Steiermark am 31. Oktober 2018 ein, wobei im Hinblick auf den Zeitpunkt des Vorfalles am 23. Juli 2018 eine verspätete Einbringung der Beschwerde vorgelegen hätte. Das Gericht folgt jedoch hinsichtlich der Rechtzeitigkeit den Ausführungen der Beschwerdeführerin, die angab, dass sie erst am 24. Oktober 2018 in der Verhandlung, GZ: LVwG 20.3-2068-2070/2018, von der Observation erfahren habe. Das Gericht geht daher davon aus, dass die Beschwerdeführerin erst in der Verhandlung „Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat“ (§ 7 Abs 4 Z 3 VwGVG). Die Beschwerde ist daher rechtzeitig eingebracht. Zudem ist auch die örtliche Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Steiermark gegeben, da die vom Organ der belangten Behörde vorgenommene Handlung im Sprengel des Gerichtes durchgeführt wurde.
2. Gemäß Art. 10 Abs 1 Z 4 B-VG ist die Gesetzgebung und die Vollziehung für „Bundesfinanzen, insbesondere öffentlicher Abgaben, die ausschließlich oder teilweise für den Bund einzuheben sind, Monopolwesen“ Bundessache.
In Art. 10 Abs 1 Z 7 wird die „Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit einschließlich der ersten allgemeinen Hilfeleistung, jedoch mit Ausnahme der örtlichen Sicherheitspolizei“ als Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung festgelegt. In § 2 Abs 2 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) wird die Sicherheitsverwaltung angeführt, die „aus der Sicherheitspolizei, dem Pass- und Meldewesen, der Fremdenpolizei, der Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm, dem Waffen-, Munitions-, Schieß- und Sprengmittelwesen sowie aus dem Pressewesen und den Vereins- und Versammlungsangelegenheiten“ besteht. Die Anführung des Monopolwesens
(Art. 10 Abs 1 Z 4 B-VG), zudem auch das Glücksspielwesen zählt, ist kein
Bereich des Sicherheitspolizeigesetzes und sind daher die Bestimmungen des
§ 88 SPG – insbesondere der von der Beschwerdeführerin herangezogene Abs 2 (schlichtes Polizeihandeln) – nicht anwendbar.
Die Beschwerde ist somit ausschließlich hinsichtlich der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu überprüfen. Nach der Judikatur muss ein Befehl mit unverzüglichen Befolgungsanspruch erteilt oder physischer Zwang angewendet werden (Eisenberger, Ennöckl, Helm;
Die Maßnahmenbeschwerde, 2. Auflage, S. 16 und die dortige zitierte Judikatur). Unterzieht man die durchgeführte Observation einer Prüfung nach diesen Kriterien, so kann die Observation nicht als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt eingestuft werden (VwSlg 16.924 A/2006). Im konkreten Fall hatten die zwei Polizeibeamten den Auftrag bei Feststellung einer Kundenfrequenz in das Wettlokal zu kommen, um Verwaltungsübertretungen nach dem Glücksspielgesetz zur Anzeige zu bringen. Allein die Tatsache, dass niemand das Lokal verlassen bzw. betreten hat und auch keine sonstigen Vorkommnisse festzustellen waren, – außer dass das Lokal geschlossen war – lässt noch keinesfalls den Schluss zu, dass die Beschwerdeführerin „in ihrem Grundrecht auf Privatsphäre verletzt“ worden ist. Personenbezogene Daten wurden von den Organen der öffentlichen Aufsicht überhaupt nicht ermittelt.
Die Beschwerde war daher aus oben angeführten Gründen abzuweisen.
3. Als Kosten wurden gemäß § 35 VwGVG iVm § 1 VwG-AufwErsV dem Bund ein Betrag von € 829,80 zugesprochen. Der Betrag setzt sich zusammen aus € 368,80 Schriftsatzaufwand und € 461,00 Verhandlungsaufwand.
IV. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Da zum einen keine persönlichen Daten ermittelt wurden und zum anderen die Observation keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellt, war die Beschwerde abzuweisen.
Schlagworte
Glücksspiel, Lokal observieren, Lokal beobachten, Grundrecht auf Privatsphäre, geschlossenes Lokal, Kundenfrequenz, Wettlokal beobachten, verbotene Ausspielungen erkundenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGST:2019:LVwG.20.3.2742.2018Zuletzt aktualisiert am
30.08.2019