TE Lvwg Erkenntnis 2019/4/11 LVwG 20.3-3050/2018

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Veröffentlicht am 11.04.2019
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Entscheidungsdatum

11.04.2019

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz
41/01 Sicherheitsrecht

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z2
SPG §16
SPG §35
SPG §88

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch den Richter
Mag. Dr. Kundegraber über die Beschwerde des A B , geb. am
xx wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt,

z u R e c h t e r k a n n t:

A.    Die Durchführung der Identitätskontrolle am 05. November 2018 um
ca. 19.30 Uhr in G, DStraße (Bereich der Bushaltestelle des Stützpunktes des C C) durch Organe der Landespolizeidirektion Steiermark war

rechtswidrig.

Rechtsgrundlagen:

Art. 130 Abs 1 Z 2 Bundesverfassungsgesetz (B-VG)

§§ 9, 28 Abs 6, 35 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)

§§ 16, 35, 88 Sicherheitspolizeigesetz (SPG)

B.    Gegen das Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) eine ordentliche Revision unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. 1. In der Beschwerde vom 04. Dezember 2018 wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der Beschwerdeführer am 05. November 2018, um ca. 19.30 Uhr, alleine an der Bushaltestelle im Bereich des C C in der DStraße in Graz gesessen sei. In weiterer Folge seien zwei Beamte in Zivil mit einem Zivilfahrzeug vorgefahren, hätten sich als Polizisten mit „Plaketten, die sie um den Hals trugen“ ausgewiesen und ihn zur Identitätskontrolle aufgefordert. Um den Ausweis vorzeigen zu können, sei der Beschwerdeführer mit einem Beamten zu seinem Fahrzeug, welches in einer Seitenstraße abgestellt gewesen sei, gegangen. Dort habe er den Ausweis vorgezeigt und habe ihm der Beamte auf die Frage, was der Grund der Personenkontrolle sei, geantwortet, er könne „ja in eines der Autos von dem dahinterliegenden Parkplatz von der Bushaltestelle einbrechen“. Der Beschwerdeführer habe nicht nach den Dienstausweisnummern gefragt, als er diese jedoch zu einem späteren Zeitpunkt von der Landespolizeidirektion erfahren wollte, seien sie ihm nicht gegeben worden. Der Beschwerdeführer habe sich durch die Amtshandlung ungerecht behandelt gefühlt.

Beigegeben wurde der mittels E-Mail durchgeführte Schriftverkehr des Beschwerdeführers mit der Landespolizeidirektion Steiermark betreffend der Auskunft der Dienstnummern.

2. Die Landespolizeidirektion Steiermark gab am 28. Dezember 2018 eine Gegenschrift ab, in der sie aus ihrer Sicht den Sachverhalt schilderte und darauf verwies, dass eine Identitätskontrolle im Sinne des § 16 Abs 3 SPG iVm
§ 35 Abs 1 Z 1 SPG rechtmäßig gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe durch das „ständig auffällige Umsehen, das fluchtartige Verlassen einer Örtlichkeit, das anschließende 15-minütige Beobachten der Umgebung vom Fahrzeug aus, das längerdauernde Auf- und Abgehen an einer Örtlichkeit sowie das längerdauernde fixierte Beobachten eines Parkplatzes“ Vorbereitungshandlungen gesetzt, die zur Tatbestandsverwirklichung als „gefährlicher Angriff“ zu qualifizieren seien.

In weiterer Folge sei der Beschwerdeführer über den Grund der Amtshandlung von den einschreitenden Beamten informiert worden. Nachträglich habe sich herausgestellt, dass das langdauernde, auffällige und ungewöhnliche Verhalten des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit dem „Tatbestand der beharrlichen Verfolgung“ gestanden sei.

Es wurde der Antrag gestellt die Beschwerde unter Zuerkennung der vorgesehenen Kostenersätze abzuweisen.

II. Sachverhalt:

1.   Am 05. November 2018 führte die Landespolizeidirektion Steiermark, Landeskriminalamt Steiermark/Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßen-kriminalität im Zusammenwirken mehrerer Zivilstreifen, eine koordinierte Streife zur Bekämpfung der Einbruchskriminalität, speziell der Dämmerungseinbrüche in Wohnobjekten in Graz durch.

Im Zuge dieser Streife wurde auf das Verhalten des Beschwerdeführers ein Augenmerk gelegt, da der Beschwerdeführer um ca. 17.50 Uhr in Graz, EGasse wahrgenommen wurde, wobei er in der Straße auf und ab ging. Hiebei blickte der Beschwerdeführer mehrmals zurück, nämlich Richtung Osten und zwar Richtung DStraße. Als die in zivilgekleideten Beamten, das Zivilfahrzeug in der Nähe des Kreisverkehrs in der EGasse abstellten, stieg der Beschwerdeführer um ca. 18.00 Uhr in sein dort abgestelltes Fahrzeug und fuhr zügig davon. Die Beamten nahmen die Verfolgung des Fahrzeuges des Beschwerdeführers auf und konnten feststellen, dass dieser in die DStraße fuhr und sodann in die nächste rechtsabbiegende Seitengasse, die FStraße, wo er das Fahrzeug wiederum abstellte.

Der Beschwerdeführer verblieb sodann ca. 15 Minuten in seinem Fahrzeug und telefonierte. Danach ging er wiederum zurück in die EGasse (Fußweg von ca. 150 m) und trank hiebei einen Kaffee in der Bäckerei H, die in der Nähe situiert ist. Der Parkplatz bei der Bäckerei H wurde vom Beschwerdeführer deshalb nicht angefahren, da sich dort eine Schrankenanlage befindet und nur ein kostenpflichtiges Abstellen des Fahrzeuges möglich ist. Nach einem ca. einstündigen Aufenthalt im Kaffeehaus begab sich der Beschwerdeführer wieder zu seinem Fahrzeug und ging von dort wiederum in die DStraße, wo er eine Wegstrecke von 30 m bis 40 m, drei- bis viermal auf und ab ging (Höhe der dortigen Bushaltestelle – C C). Der einschreitende Beamte RI J konnte hierbei beobachten, dass der Beschwerdeführer seinen Blick immer auf den Parkplatz des C C bzw. auf den Parkplatz in Richtung des dort befindlichen I richtete. Der Beschwerdeführer telefonierte zwischenzeitig. Während des Aufenthaltes in dem Bereich EGasse, FStraße, DStraße wurde der Beschwerdeführer nicht ununterbrochen observiert. Er wurde auch von anderen Sicherheitsorganen beobachtet und dies über Funk den einschreitenden Beamten mitgeteilt.

Nachdem sich der Beschwerdeführer ca. 15 Minuten im Bereich der Haltestelle in der DStraße aufgehalten hat, fasste RI J den Entschluss eine Identitätskontrolle beim Beschwerdeführer durchzuführen. Zuvor hatte er eine Zulassungsabfrage vom Fahrzeug durchgeführt.

Im Rahmen der Identitätskontrolle wurde mit dem Beschwerdeführer Kontakt aufgenommen, indem mit dem zivilen Dienstfahrzeug zur Haltestelle gefahren wurde, wo sich die beiden einschreitenden Beamten RI J und RI K mit der Kokarde auswiesen.

Der Beschwerdeführer teilte RI J mit, dass er den Ausweis im Fahrzeug deponiert habe, sodass in weiterer Folge RI J mit dem Beschwerdeführer zum Auto ging und RI K mit dem Dienstfahrzeug folgte. Dort wies sich der Beschwerdeführer aus. Der Beschwerdeführer fragte auf dem Weg zum Fahrzeug noch den Beamten, warum er sich ausweisen müsse und wurde ihm mitgeteilt, dass die Möglichkeit bestehe, dass er in ein Fahrzeug auf den dortigen Parkplätzen (gemeint I bzw. C C-Parkplatz) einbrechen könnte und er für den Polizisten ein auffälliges Verhalten gezeigt hätte. Nach der Ausweisleistung fragte der Beschwerdeführer noch den Beamten, ob er den Platz verlassen müsse und wurde dies verneint. Die Ausweisleistung selbst verlief ohne weitere Vorkommnisse. Der einschreitende Beamte konnte beim Beschwerdeführer offensichtlich keine Einbruchswerkzeuge feststellen und war für ihn „das Herumschleichen“ ausschlaggebend um eine Identitätskontrolle durchzuführen. Dem einschreitenden Beamten war zum Zeitpunkt der Amtshandlung nicht bekannt, dass gegen den Beschwerdeführer wegen Stalking ermittelt wurde und das Fahrzeug der Ex-Freundin am C C-Parkplatz in der DStraße abgestellt war.

2. Der festgestellte Sachverhalt gründet sich hier auf die Aussage des Beschwerdeführers sowie der beiden einschreitenden Organe der öffentlichen Sicherheit. Soweit zwischen der Aussage des Beschwerdeführers und der Aussage von RI J ein Widerspruch betreffend der Paketübergabe des Beschwerdeführers an eine Person in der EGasse besteht, ist dieser Widerspruch nicht entscheidungsrelevant. Desgleichen geht das Gericht davon aus, dass der Beschwerdeführer nach Abstellen des Fahrzeuges in der FStraße im Café H einen Kaffee getrunken und sich dort ca. eine Stunde aufgehalten hat. Eine derartige Beobachtung konnte RI J nicht machen. Auch dieser Umstand ist keinesfalls entscheidungsrelevant, wobei bemerkt wird, dass RI J als auch RI K den Beschwerdeführer nicht während des gesamten Zeitraumes observiert haben, sondern auch von anderen Funkstreifen informiert wurden. Zudem ist es in Anbetracht des Beobachtungszeitraumes von ca. 17.50 Uhr bis ca. 19.30 Uhr denkmöglich, dass der Beschwerdeführer sich in dem dort befindlichen Kaffeehaus H aufgehalten hat.

In den wesentlichen Punkten, nämlich der Aufenthalt des Beschwerdeführers in der EGasse, wo er mehrmals auf und ab ging und dann diese Gasse mit seinem Fahrzeug „fluchtartig“ verließ und sodann in der FStraße sein Fahrzeug abstellte, wo er im Fahrzeug ca. 15 Minuten verblieb und danach in weiterer Folge die DStraße telefonierend auf und ab ging, wobei er seinen Blick immer auf den Parkplatz des
C C bzw. den Parkplatz des I richtete, bleibt die Beobachtung der Sicherheitsorgane von Seiten des Beschwerdeführers unbestritten. Geht man davon aus, dass
der Beschwerdeführer das Fahrzeug seiner Ex-Freundin – welches am
C C-Parkplatz abgestellt war – beobachtete, so ist das Verhalten des Beschwerdeführers erklärbar, die einschreitenden Beamten waren zum Zeitpunkt jedoch über diesen Umstand nicht in Kenntnis. Ebenso ist die Mitteilung der durchgeführten Observation an den Rechtschutzbeauftragten (§ 91c Abs 1 SPG) für die getroffene Entscheidung unerheblich.

III. Die Rechtsbeurteilung ergibt Folgendes:

1. Gemäß Art. 130 Abs 1 Z 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit.

§ 88 Abs 1, Abs 2 und Abs 4 SPG:

Beschwerden wegen Verletzung subjektiver Rechte

(1) Die Landesverwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG).

(2) Außerdem erkennen die Landesverwaltungsgerichte über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist.

(4) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde beträgt sechs Wochen. Sie beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt hat, wenn er aber durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, mit dem Wegfall dieser Behinderung. Die Beschwerde ist beim Landesverwaltungsgericht einzubringen.

Die Beschwerde wegen der Identitätsfeststellung wurde am 05. Dezember 2018
(auf elektronischem Wege) beim Landesverwaltungsgericht eingebracht, wodurch die sechswöchige Beschwerdefrist gemäß § 88 Abs 4 SPG gewahrt wurde. Auch
ist die örtliche Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark gegeben,
da die vom Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes vorgenommene Handlung
im Sprengel des Landesverwaltungsgerichts durchgeführt wurde
(§ 3 Abs 2 Z 2 VwGVG).

2. § 16 Abs 2, Abs 3 und Abs 4 SPG:

Begriffsbestimmungen

Allgemeine Gefahr; gefährlicher Angriff; Gefahrenerforschung

(2) Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Verlangen eines Verletzten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand

1.

nach dem Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, ausgenommen die Tatbestände nach den §§ 278, 278a und 278b StGB, oder

2.

nach dem Verbotsgesetz, StGBl. Nr. 13/1945, oder

3.

nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, oder

4.

nach dem Suchtmittelgesetz (SMG), BGBl. I Nr. 112/1997, ausgenommen der Erwerb oder Besitz von Suchtmitteln zum ausschließlich persönlichen Gebrauch (§§ 27 Abs. 2, 30 Abs. 2 SMG), oder

5.

nach dem Anti-Doping-Bundesgesetz 2007 (ADBG 2007), BGBl. I Nr. 30, oder

6.

nach dem Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz (NPSG), BGBl. I Nr. 146/2011,

handelt.

(3) Ein gefährlicher Angriff ist auch ein Verhalten, das darauf abzielt und geeignet ist, eine solche Bedrohung (Abs. 2) vorzubereiten, sofern dieses Verhalten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung gesetzt wird.

(4) Gefahrenerforschung ist die Feststellung einer Gefahrenquelle und des für die Abwehr einer Gefahr sonst maßgeblichen Sachverhaltes.

§ 35 Abs 1 Z 1, Abs 2 und Abs 3 SPG:

Identitätsfeststellung

(1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind zur Feststellung der Identität eines Menschen ermächtigt,

1.

wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, er stehe im Zusammenhang mit einem gefährlichen Angriff oder könne über einen solchen Angriff Auskunft erteilen;

….

(2) Die Feststellung der Identität ist das Erfassen der Namen, des Geburtsdatums und der Wohnanschrift eines Menschen in dessen Anwesenheit. Sie hat mit der vom Anlaß gebotenen Verläßlichkeit zu erfolgen.

(3) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben Menschen, deren Identität festgestellt werden soll, hievon in Kenntnis zu setzen. Jeder Betroffene ist verpflichtet, an der Feststellung seiner Identität mitzuwirken und die unmittelbare Durchsetzung der Identitätsfeststellung zu dulden.

Aus dem Sachverhalt hat sich ergeben, dass der Beschwerdeführer aufgrund eines „Befehles“ an der Bushaltestelle DStraße (C C-Dienststelle) zur Ausweisleistung aufgefordert wurde. Diesem „Befehl“ kam der Beschwerdeführer nach, indem er in Begleitung des Sicherheitswacheorganes sein Kraftfahrzeug in der Nebenstraße aufsuchte und sich dort mit einem Lichtbildausweis auswies. Die Ausübung der Rechtmäßigkeit der Befehlsgewalt ist jedenfalls als unmittelbare sicherheitsbehördliche Befehlsgewalt zu qualifizieren und ist die Rechtmäßigkeit im Sinne des § 88 SPG zu prüfen.

Voraussetzungen im sicherheitspolizeilichen Bereich, in denen Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Feststellung der Identität ermächtigt werden, sind im § 35 Abs 1 SPG taxativ aufgezählt (VwGH 29.07.1998, 97/01/0448). Das Sicherheitswacheorgan war der Auffassung, dass aufgrund der Tatsachen anzunehmen sei, dass der Beschwerdeführer „im Zusammenhang mit einem gefährlichen Angriff oder könne über einen solchen Angriff Auskunft zu erteilen“ stehe. Insbesondere wurde ein Verhalten, dass eine Bedrohung für das Rechtsgut darstellen würde (§ 16 Abs 3 SPG) als gefährlicher Angriff qualifiziert, in dem der Beschwerdeführer vorerst in der EGasse auf und ab ging, danach „fluchtartig“ mit seinem PKW in die nächstgelegene Seitenstraße, der FStraße, fuhr, dort im Fahrzeug ca. 15 Minuten sitzen blieb und in weiterer Folge in der DStraße bzw. auch in der EGasse auf und ab ging. Hiebei waren die Blicke des Beschwerdeführers immer auf den Parkplatz der befindlichen C C-Dienststelle bzw. des I gerichtet. Das Gericht sieht dieses Verhalten – mag es auch als auffällig empfunden werden – noch nicht im Zusammenhang mit einem gefährlichen Angriff. Setzt man hiebei den Wissensstand des Beamten im Zeitpunkt des Einschreitens zugrunde
(vom „Tatbestand der beharrlichen Verfolgung“ wusste das Sicherheitsorgan nichts), so kann keinesfalls in vertretbarer Weise angenommen werden, es liege hier ein gefährlicher Angriff, in concreto auf das Rechtsguteigentum (Fahrzeuge) vor. Für einen gefährlichen Angriff, bedarf es der Verwirklichung bestimmt damit gerichtlich Strafe bedrohter Tatbestände oder zumindest eines als Vorbereitungshandlung hierfür zu qualifizierenden Verhaltens, welches in engem zeitlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandverwirklichung gesetzt wird (VwGH 29.07.1998, 97/01/0448). Allein der Umstand, dass eine Person längere Zeit auf Straßen auf und ab geht, ohne hiebei für das Sicherheitsorgan einen spezifischen Zweck zu verfolgen, und hiebei auf einem Parkplatz abgestellte Fahrzeuge beobachtet, lässt noch nicht den Verdacht einer „Vorbereitungshandlung“ im Sinne des
§ 16 Abs 3 SPG aufkommen. Für eine derartige Verhaltensweise gibt es zahlreiche andere Erklärungsmöglichkeiten. Da somit kein gefährlicher Angriff in vertretbarer Weise anzunehmen war, war die daraufhin befehlsmäßig ausgesprochene Aufforderung zur Identitätskontrolle rechtswidrig. Andere in § 35 Abs 1 SPG angeführten Tatbestände zur Identitätsfeststellung scheiden aus und wurden auch nicht vorgebracht.

Da im Bundesgebiet keine allgemeine Ausweispflicht besteht, sondern
eine Identitätsfeststellung und Mitwirkungspflicht nur bei Vorliegen der in
§ 35 Abs 1 Z 1 bis 9 SPG taxativ aufgezählten Fällen, folgt, dass eine Identitätsfeststellung zur Vorbeugung (bloß) wahrscheinlicher Angriffe im Gesetz nicht vorgesehen ist (siehe obiges Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes sowie Keplinger, Pühringer, Sicherheitspolizeigesetz Praxiskommentar, 17. Auflage, S. 111, Rz 1a).

IV. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Identitätskontrolle, auffällige Umsehen, minutenlange Beobachten, fluchtartiges Verlassen einer Örtlichkeit, Beobachten der Umgebung, längerdauernde Beobachten eines Parkplatzes, auffällige Verhalten, ungewöhnliches Verhalten, beharrliche Verfolgung, Verletzung subjektiver Rechte, Maßnahmenbeschwerde, Gefahrenerforschung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGST:2019:LVwG.20.3.3050.2018

Zuletzt aktualisiert am

30.08.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Steiermark LVwg Steiermark, http://www.lvwg-stmk.gv.at
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