TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/17 I414 2216883-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.04.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

17.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §55
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I414 2216883-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH (ARGE Rechtsberatung), gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.02.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 27.12.2001 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde vom Bundesasylamt abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Rechtskraft vom 18.01.2007 zurückgewiesen.

Am 22.10.2003 heiratete der Beschwerdeführer am Standesamt XXXX die österreichische Staatsangehörige XXXX, geb. am XXXX.

Am XXXX wurde die gemeinsame Tochter XXXX geboren.

Am 13.10.2005 wurde dem Beschwerdeführer eine Niederlassungsbewilligung gültig bis zum 12.10.2015 ausgestellt.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX wurde 2006 die Ehe mit Frau XXXX geschieden.

Mit Urteil des Amtsgerichtes XXXX/ Deutschland vom 01.02.2007, Zl. XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben zu einer Freiheitsstrafe von der Dauer von 2 Jahren und 4 Monaten, erhöht durch das Urteil des Landesgerichtes XXXX/ Deutschland vom 23.04.2007, Zl. XXXX auf 2 Jahre und 10 Monate rechtskräftig verurteilt.

AmXXXX wurde der gemeinsame Sohn XXXX geboren.

Mit Bescheid der BPD Wien vom 26.03.2009, Zl. XXXX, wurde gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Dagegen wurde fristgerecht Berufung erhoben. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 29.04.2009, Zl. XXXX, wurde der Berufung keine Folge geleistet und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass das Aufenthaltsverbot auf die Dauer von 10 Jahren befristet erlassen wurde. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 14.10.2009, zl. XXXX, wurde der Berufungsbescheid vom 29.04.2009 gemäß § 68 Abs. 2 AVG wegen örtlicher Unzuständigkeit aufgehoben und der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid der BPD Wien stattgegeben.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 09.02.2010, Zl. XXXX, wurde von der örtlich zuständigen Behörde aufgrund der Suchtgiftdelikte in Deutschland und mehreren rechtskräftigen Verwaltungsübertretungen, ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer hat sich den geplanten fremdenpolizeilichen Maßnahmen entzogen und ist im April 2010 samt ungültiger Aufenthaltskarte untergetaucht.

Am 13.06.2012 beantragte der minderjährige XXXX, geb. am XXXX, deutscher Staatsangehöriger, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft XXXX, den Beschwerdeführer als seinen Vater festzustellen. Mit Beschluss des BezirksgerichtesXXXX vom 17.09.2017, Zl. XXXX, wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer der Vater des am XXXX von XXXX, geb. XXXX, geborenen minderjährigen XXXX ist.

Am 30.10.2014 wurde der Beschwerdeführer in der Schweiz aufgegriffen und am darauffolgenden Tag nach Österreich überstellt.

Am 18.10.2016 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (kurz BFA) vom 06.04.2017, Zl. XXXX, wurde dem Antrag stattgeben und das erlassene Aufenthaltsverbot vom 09.02.2010 aufgehoben.

Am 08.03.2017 wurde der Beschwerdeführer bei einem Ladendiebstahl in Bregenz betreten. Die Staatsanwaltschaft Feldkirch trat gegen Bezahlung einer Diversion von der Verfolgung der Straftat zurück.

Am 16.07.2017 wurde der Beschwerdeführer aufgrund einer anonymen Anzeige wegen des Verbrechens und des Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz angezeigt. Das Verfahren wurde eingestellt.

Am 28.12.2017 stellte der Beschwerdeführer verfahrensgegenständlichen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 EMRK "Aufenthaltsrechterhaltung des Privat und Familienlebens" gemäß § 55 AsylG. Als Bescheinigungsmittel wurden unter anderem Eidesstattliche Alterserklärung, Reisepass in Kopie, Aufenthaltstitel und Führerschein in Kopie, Auszug aus dem Zentralen Melderegister, Anmeldebestätigung - WIFI Veranstaltung, Bezugsabrechnung seiner Lebensgefährtin und zwei Fotos vorgelegt.

Mit Verbesserungsauftrag vom 26.01.2018 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, Unterlagen und Dokumente nachzureichen.

Nachgereicht wurde ein Mietvertrag seiner Lebensgefährtin, ein Versicherungsdatenauszug sowie Zeugnisse zur Integrationsprüfung und zur Sprachkompetenz Niveau B1.

Am 08.08.2018 wurde vom Beschwerdeführer die Aufenthaltskarte "Niederlassungsbewilligung" beim BFA abgegeben.

Am 19.12.2018 reichte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme sowie weitere Unterlagen zu seinem beim Bezirksgericht XXXX anhängigen Unterhaltsverfahren nach.

Mit Schreiben des BFA vom 21.01.2019 wurde der Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und über die beabsichtigte Abweisung des Antrages informiert. Zugleich wurde ihm Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.

Am 06.02.2019 langte beim BFA eine Stellungnahme samt weiteren Unterlagen ein.

Mit E-Mail vom 15.02.2019 beantragte der Beschwerdeführer die Frist für die freiwillige Ausreise bis Juni 2019 zu erstrecken, da er derzeit an einem WIFI-Lehrgang für Berufsdetektiv-Assistenten teilnehme.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 21.02.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 EMRK gemäß 55 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.) und die Behörde stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III.). Ferner wurde die Frist für seine freiwillige Ausreise bis Juni 2019 festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Mit Verfahrensanordnung vom 25.02.2019 wurde dem Beschwerdeführer die ARGE Rechtsberatung als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Gegen den Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer stellte am 27.12.2001 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Asylantrag wurde vom Bundesasylamt abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Rechtskraft vom 18.01.2007 zurückgewiesen.

Dem Beschwerdeführer wurde eine Niederlassungsbewilligung, gültig vom 13.10.2005 bis zum 12.10.2015, ausgestellt.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 09.02.2010 wurde ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot verhängt.

Es steht fest, dass der Beschwerdeführer Anfang 2010 untertauchte und die ungültige Aufenthaltskarte (Niederlassungsbewilligung) verwendete, um in verschiedenen Staaten zu reisen.

Es steht fest, dass sich der Beschwerdeführer einen Reisepass in Nigeria ausstellen ließ.

Der Beschwerdeführer war zwischen 30.04.2010 bis zum 20.06.2017 nicht in Österreich gemeldet.

Der Beschwerdeführer heiratete am 22.10.2003 eine österreichische Staatsbürgerin. Diese Ehe wurde am 28.04.2006 geschieden. Aus der Beziehung gingen zwei Kinder hervor. Tochter XXXX, geb. am XXXX, und Sohn XXXX, geb. am XXXX. Die zwei Kinder des Beschwerdeführers leben in Wien.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 17.09.2012, Zl. XXXX wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer Vater des am XXXX von XXXX, geb. am XXXX, StA. Deutschland, geborenen XXXX ist. Der Sohn des Beschwerdeführers lebt nicht in Österreich.

Der Beschwerdeführer lebt seit mindestens 20.06.2017 mit einer österreichischen Staatsangehörigen und ihren drei Kindern in einem gemeinsamen Haushalt in Vorarlberg.

Der Beschwerdeführer ist nicht legal erwerbstätig, nicht selbsterhaltungsfähig und wird von seiner Lebensgefährtin finanziert.

Der Beschwerdeführer hat am 26.04.2018 die Integrationsprüfung und die Deutsch-Prüfung auf dem Niveau B1 absolviert. Derzeit besucht er einen Lehrgang zum Berufsdetektiv-Assistenten. Ferner legte der Beschwerdeführer einen Arbeitsvorvertrag und ein Bestätigungsschreiben über gemeinnützige Tätigkeiten vor.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich in Österreich unbescholten.

1.2. Feststellungen zur Lage in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 21.02.2019 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende People¿s Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.

Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.

Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.

Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10% der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.

Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid und in dem Beschwerdeschriftsatz. Außerdem wurden Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), der Grundversorgung (GVS) und der Sozialversicherung ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

Die belangte Behörde hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellung zur Staatsangehörigkeit und Identität des Beschwerdeführers sind durch die Vorlage des nigerianischen Reisepasses belegt (AS 19).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit ergeben sich aus den Stellungnahmen des Beschwerdeführers.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer am 27.12.2001 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz stellte und das Asylverfahren mit Bescheid rechtskräftig negativ entschieden wurde und die Entscheidung am 18.01.2007 in Rechtskraft erwuchs, ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.

Die Feststellung, wonach dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltskarte "Niederlassungsbewilligung", gültig vom 13.10.2005 bis zum 12.10.2015, ausgestellt wurde, ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt (AS 131).

Die Feststellung zum befristeten Aufenthaltsverbots von 10 Jahren ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt (AS 39 /Akt BH XXXX).

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer nach Rechtskraft des Aufenthaltsverbots untertauchte, ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt (AS 59 bis 89/ Akt BH XXXX). Dass er in verschiedenen Staaten reiste, ergibt sich aus der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 06.02.2019. Dazu führte er aus, dass er sich in bis 2015 in London, Spanien und Schweden aufgehalten habe (AS 181). Ferner war der Beschwerdeführer in Deutschland zumindest zwischen 2006 und 2008 in Strafhaft (AS 179 und AS 39 ff./ Akt BH XXXX). Ebenfalls befand sich der Beschwerdeführer zu einem unbekannten Zeitraum im Jahr 2012 in Spanien in Strafhaft (AS 83 ff./ FP-Akt).

Die Feststellung, dass sich der Beschwerdeführer in Nigeria einen Reisepass ausstellen ließ, ergibt sich aus den am 05.01.2015 in Lagos ausgestellten Dokuments (AS 19). Zudem sind in seinem Reisepass mehrere VISA Eintragungen vermerkt (AS 20).

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer in der Zeit zwischen dem 30.04.2010 und dem 20.06.2017 nicht in Österreich gemeldet war, ergibt sich aus dem aktuellen Auszug des Zentralen Melderegisters.

Die Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer vom 22.10.2003 bis zur Scheidung am 28.04.2006 mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet war, aus dieser Beziehung zwei minderjährige Kinder hervorgingen und diese in Wien leben, ergeben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer Vater des am XXXX von XXXX geborenen XXXX ist, ergibt sich aus dem Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 17.09.2012 (AS 83 ff./ FP-Akt).

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer seit mindestens 20.06.2017 mit einer österreichischen Staatsangehörigen und ihren drei Kindern in einem gemeinsamen Haushalt in Vorarlberg lebt, ergibt sich aus der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 19.12.2018 (AS 147) sowie aus dem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Die Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer nicht legal erwerbstätig ist, nicht selbsterhaltungsfähig und finanziell von seiner Lebensgefährtin unterstützt wird, ergeben sich aus der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 19.12.2018 (AS 147), aus dem Versicherungsdatenauszug sowie aus dem Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem.

Die Feststellung zur Integration ergibt sich aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen.

Die Feststellung zu seiner strafgerichtlichen Unbescholtenheit in Österreich ergibt sich aus dem Strafregisterauszug.

2.3. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria vom 07.08.2017 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Nigeria ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:

-

AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

-

AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 6.7.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (4.2017c): Nigeria - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html, Zugriff 26.7.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (24.7.2017): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 24.7.2017

-

AI - Amnesty International (6.2017): Submission To The United Nations Committee On The Elimination Of Discrimination Against Women,

https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1500389874_int-cedaw-ngo-nga-27623-e.pdf, Zugriff 28.7.2017

-

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/319680/458848_de.html, Zugriff 28.7.2017

-

AI - Amnesty International (24.11.2016): Sicherheitskräfte töten mindestens 150 friedliche Demonstrierende, https://www.amnesty.de/2016/11/22/nigeria-sicherheitskraefte-toeten-mindestens-150-friedliche-demonstrierende, Zugriff 13.6.2017

-

BMEIA - Außenministerium (24.7.2017): Reiseinformationen - Nigeria,

http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 24.7.2017

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf, Zugriff 6.7.2017

-

EASO - European Asylum Support Office (6.2017): EASO Country of Origin Information Report Nigeria Country Focus, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1496729214_easo-country-focus-nigeria-june2017.pdf, Zugriff 21.6.2017

-

FFP - Fund for Peace (10.12.2012): Beyond Terror and Militants:

Assessing Conflict in Nigeria,

http://www.fundforpeace.org/global/library/cungr1215-unlocknigeria-12e.pdf, Zugriff 21.6.2017

-

FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/341818/485138_de.html, Zugriff 26.7.2017

-

FH - Freedom House (2.6.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5936a4663.html, Zugriff 12.6.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 2.8.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2017b): Nigeria - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 13.6.2017

-

IOM - International Organization for Migration (8.2014): Nigeria - Country Fact Sheet,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/17247436/17297905/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2014%2C_deutsch.pdf?nodeid=17298000&vernum=-2, Zugriff 21.6.2017

-

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

-

OD - Open Doors (2017): Nigeria, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/2017/nigeria, Zugriff 14.6.2017

-

SBM - SBM Intel (7.1.2017): A Look at Nigeria's Security Situation,

http://sbmintel.com/wp-content/uploads/2016/03/201701_Security-report.pdf, Zugriff 24.7.2017

-

UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Nigeria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 12.6.2017

-

USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom (26.4.2017): Nigeria,

https://www.ecoi.net/file_upload/5250_1494486149_nigeria-2017.pdf, Zugriff 7.7.2017

-

USDOS - U.S. Department of State (19.7.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter 2 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/344128/487671_de.html, Zugriff 28.7.2017

-

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/337224/479988_de.html, Zugriff 8.6.2017

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zur Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zum Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK, zur Erlassung der Rückkehrentscheidung sowie zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 55 Abs. 2 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung gem. § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens iS des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des/der Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Der Beschwerdeführer hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 aus Gründen des Art. 8 EMRK beantragt. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechtes auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikels 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR, des VfGH und des VwGH jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Gefordert ist eine Prüfung der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs, letztere beinhaltet eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in einer Vielzahl von Erkenntnissen mit der (nunmehr) nach § 11 Abs. 3 NAG bzw. § 9 Abs. 2 BFA-VG durchzuführenden Interessenabwägung bei einem langjährigen (mehr als zehnjährigen) Inlandsaufenthalt des Fremden befasst. Diese Rechtsprechung fasste der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 17.10.2016, Ro 2016/22/0005 wie folgt zusammen:

"Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist. Nur wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurde eine aufenthaltsbeendende Maßnahme bzw. die Nichterteilung eines humanitären Aufenthaltstitels ausnahmsweise nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (siehe zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter anderem folgende Umstände - zumeist in Verbindung mit anderen Aspekten - als Anhaltspunkte dafür anerkannt, dass der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit zumindest in gewissem Ausmaß genützt hat, um sich zu integrieren:

Dazu zählen die Erwerbstätigkeit des Fremden (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 26. Februar 2015, Ra 2014/22/0025, vom 18. Oktober 2012, 2010/22/0136, sowie vom 20. Jänner 2011, 2010/22/0158), das Vorhandensein einer Beschäftigungsbewilligung (vgl. das zitierte Erkenntnis Ra 2015/21/0249 bis 0253), eine Einstellungszusage (vgl. das Erkenntnis vom 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165, sowie das Erkenntnis vom 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082), das Vorhandensein ausreichender Deutschkenntnisse (vgl. das zitierte Erkenntnis Ra 2015/21/0249 bis 0253 sowie das Erkenntnis vom 14. April 2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032), familiäre Bindungen zu in Österreich lebenden, aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen (vgl. die Erkenntnisse vom 23. Mai 2012, 2010/22/0128, sowie (betreffend nicht zur Kernfamilie zählende Angehörige) vom 9. September 2014, 2013/22/0247), ein Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich bzw. die Vorlage von Empfehlungsschreiben (vgl. die Erkenntnisse vom 18. März 2014, 2013/22/0129, sowie vom 31. Jänner 2013, 2011/23/0365), eine aktive Teilnahme an einem Vereinsleben (vgl. das Erkenntnis vom 10. Dezember 2013, 2012/22/0151), freiwillige Hilfstätigkeiten (vgl. das zitierte Erkenntnis Ra 2015/21/0249 bis 0253), ein Schulabschluss (vgl. das Erkenntnis vom 16. Oktober 2012, 2012/18/0062) bzw. eine gute schulische Integration in Österreich (vgl. die zitierten Erkenntnisse Ra 2015/21/0249 bis 0253 sowie Ra 2014/22/0078 bis 0082) oder der Erwerb des Führerscheins (vgl. das zitierte Erkenntnis 2011/23/0365).

Umgekehrt hat der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, dass ungeachtet eines mehr als zehnjährigen Aufenthaltes und des Vorhandenseins gewisser integrationsbegründender Merkmale auch gegen ein Überwiegen der persönlichen Interessen bzw. für ein größeres öffentliches Interesse an der Verweigerung eines Aufenthaltstitels (oder an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) sprechende Umstände in Anschlag gebracht werden können. Dazu zählen das Vorliegen einer strafgerichtlichen Verurteilung (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165, und vom 10. November 2015, Ro 2015/19/0001, sowie die Beschlüsse vom 3. September 2015, Ra 2015/21/0121, und vom 25. April 2014, Ro 2014/21/0054), Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften (wie etwa das Ausländerbeschäftigungsgesetz; siehe das Erkenntnis vom 16. Oktober 2012, 2012/18/0062, sowie den Beschluss vom 25. April 2014, Ro 2014/21/0054), eine zweifache Asylantragstellung (vgl. den Beschluss vom 20. Juli 2016, Ra 2016/22/0039, sowie das zitierte Erkenntnis Ra 2014/22/0078 bis 0082), unrichtige Identitätsangaben, sofern diese für die lange Aufenthaltsdauer kausal waren (vgl. die zitierten Erkenntnisse Ra 2015/21/0249 bis 0253 sowie Ra 2016/21/0165), sowie die Missachtung melderechtlicher Vorschriften (vgl. das Erkenntnis vom 31. Jänner 2013, 2012/23/0006)."

Der Beschwerdeführer stellte am 27.12.2001 einen Asylantrag, welcher Anfang 2007 rechtskräftig negativ entschieden wurde. Aufgrund seiner Ehe mit einer Österreicherin wurde ihm eine Niederlassungsbewilligung, gültig vom 13.10.2005 bis zum 12.10.2015, ausgestellt. Aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung in Deutschland wurde am 09.02.2010 ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, wodurch sein Aufenthaltstitel seine Gültigkeit verlor. Insgesamt gesehen war der Beschwerdeführer sohin für einen Zeitraum von rund acht Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

Hinsichtlich des Familienlebens ist auszuführen, dass das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK das Zusammenleben der Familie schützt. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt. Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterium hiefür kommt etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht (vgl. EGMR 13. 6. 1979, Marckx, EuGRZ 1979).

Das Bestehen eines Familienlebens liegt jedenfalls vor. Der Beschwerdeführer heiratete am 22.10.2003 eine österreichische Staatsbürgerin. Diese Ehe wurde jedoch am 28.04.2006 geschieden. Aus dieser Beziehungen gingen zwei Kinder hervor. Die vierzehnjährige Tochter und der zwölfjährige Sohn leben beide bei der Mutter in Wien. Der Beschwerdeführer hingegen lebt derzeit in Vorarlberg bei seiner Lebensgefährtin. Am 10.08.2009 wurde sein unehelicher Sohn XXXX geboren, der aus einer unehelichen Beziehung mit der deutschen Staatsangehörigen XXXX hervorging. Sein Sohn ist deutscher Staatsbürger und lebt nicht in Österreich. Sohin hat der Beschwerdeführer drei leibliche Kinder. Daher ist das Kindeswohl jedenfalls in Betracht zu ziehen. Das Familienleben zwischen Eltern und Kindern entsteht grundsätzlich mit der Geburt der Kinder und ist unabhängig von einem gemeinsamen Wohnsitz der Eltern; daher reichen regelmäßige Wochenendbesuche aus (VfGH 11.03.2014, U37-39/2013-13).

Der EGMR hatte in seinem Urteil vom 03.10.2014, J. gegen die Niederlande, Nr. 12.738/10 erklärt: "Gestattet ein Mitgliedstaat einer fremden Person, den Ausgang eines auswanderungsrechtlichen Verfahrens im Inland abzuwarten und ermöglicht er ihr so, ein Familienleben zu begründen, führt dies nicht automatisch zu einer aus Artikel 8 EMRK resultierenden Verpflichtung, die die Niederlassung zu erlauben. Wurde das Familienleben zu einer Zeit begründet, während der sich die betroffene Person über die Unsicherheit ihres Aufenthaltsstatus im Klaren war, kann ihre Ausweisung nur unter außergewöhnlichen Umständen gegen Artikel 8 EMRK verstoßen. Solche außergewöhnlichen Umstände können sich insbesondere aus einer sehr langen Aufenthaltsdauer und den Auswirkungen der Ausweisung auf die dadurch betroffenen Kinder ergeben. Wo Kinder betroffen sind, muss das Kindeswohl vorrangig berücksichtigt werden. Die Behörden müssen die Auswirkungen ihrer Entscheidung auf das Wohl der betroffenen Kinder prüfen. Im gegenständlichen Fall hatte der EGMR entschieden, dass die Ausweisung der Beschwerdeführerin, die seit mehr als 16 Jahren in den Niederlanden war und nie strafrechtlich verurteilt worden war, nicht rechtmäßig sei. Sie hatte in den Niederlanden drei Kinder und einen Ehemann, die alle die niederländische Staatsbürgerschaft hatten. Es war auch die Beschwerdeführerin, die sich im Alltag vorrangig um die Kinder kümmerte, sodass offensichtlich war, dass dem Wohl der Kinder am besten entsprochen werde, wenn ihre derzeitigen Lebensumstände nicht durch einen zwangsweisen Umzug der Mutter gestört würden. Auch wenn die Interessen der Kinder allein nicht entscheidend sein können, muss solchen Interessen auf jeden Fall erhebliches Gewicht beigemessen werden. Im gegenständlichen Fall war es daher unerheblich, dass das Familienleben zu einer Zeit geschaffen worden war, zu der den beteiligten Personen bekannt war, dass das Fortbestehen von Familienleben im Gaststaat wegen des Einwanderungsstatus einer von ihnen von Beginn an unsicher war."

Der gegenständliche Fall hat allerdings andere Voraussetzungen. Der Beschwerdeführer hält sich zwar seit geraumer Zeit in Österreich auf, von der jedoch ein gewisser Teil seines Aufenthaltes unrechtmäßig ist. Der Sachverhalt ist auch nicht mit dem vom EuGH in der Rechtssache Ruiz Zambrano, Urteil vom 08.03.2011, C-34/09, entschiedenen vergleichbar, da die Kinder des Beschwerdeführers bei einer Abschiebung des Vaters nicht gezwungen wären, das Bundesgebiet zu verlassen, da seine Ex- Ehefrau und seine beiden Kinder österreichische Staatsangehörige sowie seine Ex- Freundin und sein Sohn deutsche Staatsangehörige sind. Hinzu kommt, dass de facto kein Familienleben geführt wird und die Kindesmütter voll und ganz für den Unterhalt der minderjährigen Kinder aufkommen.

Das hier relevante Familienleben wurde zu einem Zeitpunkt eingegangen, als der Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers jedenfalls unsicher war. Zudem hatte der Beschwerdeführer während seines rund zweijährigen Aufenthalts in einer Justizanstalt in Deutschland keinen Kontakt zu seinen in Österreich lebenden Kindern. Um seine in Wien lebenden Kinder zu sehen ist der Beschwerdeführer von seiner neuen Lebensgefährtin, welche selbst drei Kinder hat, abhängig, weil er finanziell von ihr unterstützt wird. Ferner verbrachte der Beschwerdeführer mit seiner Ex- Frau und seinen beiden Kindern gemeinsam mit seiner nunmehrigen Lebensgefährtin gemeinsam Silvester. Der Beschwerdeführer lebte zuletzt bis 2006 in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Ex- Frau. Seine Ex-Frau wird vom Beschwerdeführer nicht finanziell unterstützt. Aufgrund der örtlichen Entfernung zwischen Wien und Vorarlberg ist ein intensives Familienleben zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Kindern nicht möglich. Ungeachtet dessen hat der Beschwerdeführer zu seinen Kindern eine freundschaftliche Beziehung. Das Familienleben kann durch gegenseitige Besuche und durch Kontakte über Telefon und soziale Medien aufrechterhalten werden, zumal auch derzeit aufgrund der räumlichen Entfernung keine andere Form des Familienlebens stattfindet. Selbst wenn eine Trennung des Beschwerdeführers von seiner Familie nachteilige Auswirkungen auf das Wohl seiner Kinder zur Folge hat und ein Familienband zerrissen wird, wiegen die nachteiligen Folgen weniger schwer als das staatliche Interesse auf Verteidigung und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung.

Der Beschwerdeführer ist nach der durchsetzbaren Erlassung eines Aufenthaltsverbots Anfang 2010 untergetaucht und entzog sich somit der fremdenpolizeilichen Maßnahmen. Zudem benutzte der Beschwerdeführer die ungültige Aufenthaltskarte, um sich in anderen Staaten aufzuhalten. So führte er in der Stellungnahme aus, dass er sich nach 2010 in Spanien, London und Schweden aufgehalten habe. Zudem war der Beschwerdeführer 2012 in Spanien inhaftiert und wurde Ende 2014 in der Schweiz aufgegriffen und nach Österreich überstellt. Es wurde keine Schubhaft verhängt. In der Folge tauchte der Beschwerdeführer unter und kam seiner Meldeverpflichtung nicht nach. Der Beschwerdeführer reiste nach Nigeria und hat sich im Jänner 2015 einen nigerianischen Reisepass ausstellen lassen. Erst seit dem 20.06.2017 verfügt der Beschwerdeführer über eine Meldeadresse in Österreich.

Der Beschwerdeführer ist seit dem 20.06.2017 bei seiner nunmehrigen Lebensgefährtin angemeldet. Seine Lebensgefährtin ist verheiratet und hat drei Kinder, welche im selben Haushalt leben. Aufgrund einer polizeilichen Kontrolle Ende 2017 wurde der unrechtmäßige Aufenthalt festgestellt. Daraufhin stellte der Beschwerdeführer am 28.12.2017 gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aufgrund Art. 8 EMRK.

Seit der Erlassung des Aufenthaltsverbots Anfang 2010 ist der Aufenth

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten