TE Bvwg Beschluss 2019/4/24 G310 2215222-2

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Veröffentlicht am 24.04.2019
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Entscheidungsdatum

24.04.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §12
VwGVG §33

Spruch

G310 2215222-2/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Irak, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 22.01.2019, Zl. XXXX, und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 28.03.2019 beschlossen:

A) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen

Versäumung der Beschwerdefrist wird abgewiesen.

B) Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

C) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Verfahrensgang und Feststellungen:

Mit dem oben angeführten Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA wurde der Antrag des Beschwerdeführers (BF) auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zuerkannt (Spruchpunkt II.) und die befristete Aufenthaltsgenehmigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 22.01.2020 erteilt (Spruchpunkt III.).

Der Bescheid wurde nachweislich am 30.01.2019 an die rechtsfreundliche Vertretung (RV) zugestellt und begann die gesetzlich vorgesehene Beschwerdefrist daher an diesem Tag und endete mit Ablauf des 27.02.2019.

Am 27.02.2019 wurde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) per Mail und WebERV übermittelt und unter der Verfahrenszahl L510 2215222-1 protokolliert.

Auf der ersten Seite der Beschwerde findet sich neben einer handschriftlichen Unterschrift auch folgende Passage:

"An das

Bundesverwaltungsgericht

Erdbergstraße 192-196

1030 Wien

Per E-Mail an: einlaufstelle@bvwg.gv.at

Per Telefax an: 01/71123-8891541"

Das BVwG leitete die Beschwerde am 28.02.2019 an das BFA weiter, wo sie am selben Tag einlangte.

Das BFA legte daraufhin die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem BVwG vor, wo sie am 06.03.2019 einlangten.

Mit Schreiben des BVwG wurde der RV die Gelegenheit gegeben, zu der nach der Aktenlage verspäteten Einbringung der Beschwere binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.

Mit dem am 29.03.2019 beim BVwG eingelangten Schreiben nahm die RV zum Verspätungsvorhalt Stellung und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dazu wird zusammengefasst vorgebracht, dass der zuständige Rechtsanwaltsanwärter die Beschwerde diktiert und nach Vorlage des Diktats kontrolliert und verbessert habe. Die fertig abgefasste Beschwerde sei zur Kontrolle und Unterfertigung einem Rechtsanwalt vorgelegt worden. Der zuständige Rechtsanwaltsanwärter habe die fertig verfasste Beschwerde sodann gemeinsam mit der Kundmachung des BFA betreffend die Einbringung von Schriftstücken an die zuständige Kanzleikraft mit dem Hinweis auf die Kundmachung übergeben und zwar mit der Bitte, die Beschwerde entsprechend der Kundmachung einzubringen. Aufgrund der hohen Arbeitsbelastung sei dies von der zuständigen Kanzleikraft vergessen worden. Es liege kein Verstoß gegen Sorgfaltspflichten vor, wenn erst nach Unterfertigung des Schriftstücks und Kontrolle der Vollständigkeit durch den Rechtsanwalt im Zuge der Kuvertierung oder Postaufgabe durch eine zuverlässige Kanzleikraft ein Fehler unterlaufen sei. Es sei lediglich ein Flüchtigkeitsfehler hinsichtlich der korrekten Einbringungsstelle erfolgt. Die Einbringungen der Beschwerde seien am 27.02.2019 sowohl um 10:58 Uhr per Mail als auch um 14:22 Uhr per WebERV erfolgt.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens und der Gerichtsakten des BVwG, so dass sich eine eingehende Beweiswürdigung erübrigt.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Bei Versäumen der Beschwerdefrist ist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allein § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung und nicht die §§ 71, 72 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt. Nach der Rechtsprechung des VwGH sind allerdings die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar (VwGH 13.09.2017, Ra 2017/12/0086).

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein Verschulden an der Versäumung hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Das Verschulden des Parteienvertreters trifft nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/01/0061, mwN).

Das Verschulden eines Kanzleibediensteten stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder ein unabwendbares Ereignis dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber den Kanzleibediensteten nachgekommen ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (VwGH 14.10.2016, Ra 2016/09/0001; 20.01.2016, Ra 2015/04/0098; 29.05.2015, Ra 2015/08/0013 und 0014, uvm).

Dazu gehört auch, dass sich der Parteienvertreter bei der Übermittlung von Eingaben im elektronischen Weg vergewissert, ob die Übertragung erfolgreich durchgeführt wurde. Unterbleibt diese Kontrolle aus welchen Gründen auch immer, stellt dies ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden dar. Diese in der Rechtsprechung entwickelten Leitlinien, die allgemein dem Umstand Rechnung tragen, dass die Sendung von Eingaben im elektronischen Wege fehleranfällig ist, lassen sich auch auf die Übermittlung von Eingaben per Mail und Web-ERV übertragen (vgl. VwGH 21.06.2018, Ra 2018/07/0355; 30.06.2015, Ra 2015/03/0037; 14.10.2016, Ra 2016/09/0001).

Ausgehend von der oben angeführten Judikatur wäre der für den konkreten Fall zuständige Rechtsanwalt zu einer solchen Kontrolle der Übermittlung von fristgebundenen Eingaben im Web-ERV und per Mail verpflichtet gewesen, dies umso mehr, als er das Senden der Beschwerde am letzten Tag veranlasst hat. Daher ist es nicht ausreichend, die zuständige Kanzleikraft darauf hinzuweisen, wo sie die Beschwerde einzubringen hat, sondern ist dies auch zu kontrollieren. Dass eine rechtzeitige Übermittlung der elektronischen Eingabe an die richtige Einbringungsstelle im Fall einer Kontrolle nicht möglich gewesen sei, wurde weder behauptet, noch bescheinigt.

Dazu kommt fallbezogen, dass, trotz mehrmaligem Hinweis in der Stellungnahme auf eine erfolgte Kontrolle der verfassten Beschwerde, weder dem Rechtsanwalt noch dem Rechtsanwaltsanwärter aufgefallen ist, dass als Adressat das BVwG angeführt worden ist. Auch die auf der ersten Seite vorgesehene Übermittlung per Mail und Telefax an das BVwG wurde offensichtlich übersehen. Beim Durchlesen der Beschwerde hätte dies erkannt und die Mail-Adresse sowie die Telefax-Nummer korrigiert werden müssen, um - wie im konkreten Fall geschehen - die Übermittlung an die falsche Einbringungsstelle zu verhindern.

Somit konnte kein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht werden, weil das Einbringen der Beschwerde bei der falschen Stelle bei gehöriger Aufmerksamkeit und der dem Rechtsanwalt zumutbaren Sorgfalt verhindert hätte werden können. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist sind daher nicht erfüllt, sodass der Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet abzuweisen ist.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 12 VwGVG sind Bescheidbeschwerden bei der Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, einzubringen, hier also beim BFA. Eine Übermittlung per Fax ist grundsätzlich zulässig. Wird die Beschwerde entgegen dieser Vorschrift direkt beim Verwaltungsgericht eingebracht, hat dieses die Beschwerde gemäß § 17 VwGVG iVm § 6 Abs 1 AVG von Amts wegen ohne unnötigen Aufschub an die belangte Behörde weiterzuleiten.

Wird ein fristgebundenes Anbringen bei einer unzuständigen Stelle eingereicht, so erfolgt die Weiterleitung auf Gefahr des Einschreiters. Die Frist ist nur dann gewahrt, wenn die unzuständige Stelle das Anbringen zur Weiterleitung an die zuständige Stelle spätestens am letzten Tag der Frist zur Post gibt oder das Anbringen bis zu diesem Zeitpunkt bei der zuständigen Stelle einlangt (VwGH 21.03.2016, Ra 2015/08/0180).

Die beim BVwG eingebrachte Beschwerde war demnach an das zuständige BFA weiterzuleiten. Da die Abfertigung beim BVwG und das Einlangen beim BFA erst am 28.02.2019 und somit nach Ablauf der Beschwerdefrist erfolgten, wurde die Beschwerde verspätet erhoben. Da sich das BVwG zur Weiterleitung nicht der Post bediente, besteht kein von der Anrechnung auf die Frist auszuscheidender Postlauf von der unzuständigen zur zuständigen Stelle.

Laut VwGH hat die Weiterleitung von an die unzuständige Behörde gerichteten Eingaben "ohne unnötigen Aufschub" zu erfolgen und darf nicht beliebig lange hinausgezögert werden. In der Weiterleitung einer am letzten Tag der Vorstellungsfrist eingelangten Vorstellung erst zwei Tage später hat der VwGH keinen unnötigen Aufschub erblickt, weil eine Wahrung der Frist lediglich bei Postaufgabe am Tag des Einlangens gewahrt worden wäre, was bei einer durchschnittlichen Behördenorganisation ausgeschlossen (VwGH 04.08.2015, Ra 2015/06/0034 mit Hinweis auf B vom 20.11.2002, 2002/08/0134 und E vom 11.06.1992, 91/06/0198).

Die Weiterleitung der am 27.02.2019 beim BVwG eingelangte Beschwerde wurde bereits am nächsten Tag veranlasst Es liegt daher keine grundlose übermäßige Verzögerung der Weiterleitung vor.

Die Beschwerde ist daher als verspätet zurückzuweisen.

Zum Unterbleiben einer Beschwerdeverhandlung:

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleibt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil der maßgebliche Sachverhalt ist aus der Aktenlage in Verbindung mit dem Vorbringen in der Stellungnahme vom 28.03.2019 als geklärt anzusehen ist und die Beschwerde demnach zurückzuweisen ist.

Zu Spruchteil C):

Die Revision war nicht zu zulassen, weil das BVwG keine qualifizierte Rechtsfrage iSd Art 133 Abs. 4 B-VG zu lösen hatte und sich an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte. Die Frage, ob das Verwaltungsgericht fallbezogen zu Recht das Vorliegen eines minderen Grades des Versehens in einem Verfahren betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verneint hat, ist keine Rechtsfrage, der über den konkreten Einzelfall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung iSd Art 133 Abs. 4 B-VG zukommt (VwGH 06.10.2017, Ra 2017/01/0302; vgl zuletzt VwGH 29.01.2018, Ra 2018/11/0013).

Schlagworte

Beschwerdefrist, Verspätung, Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G310.2215222.2.00

Zuletzt aktualisiert am

02.09.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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