Entscheidungsdatum
13.05.2019Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W212 2218106-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SINGER, als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. von Armenien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.04.2019, Zl: 1221258700-190272614, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (BF) ist Staatsangehörige von Armenien und hat ihr Heimatland im Oktober des Jahres 2018 verlassen. Sie begab sich mittels eines litauischen Visums auf dem Luftweg nach Österreich und stellte hier am 18.03.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Ein Abgleichsbericht zur VIS-Abfrage ergab, dass der BF am 25.10.2017 in Yerevan ein litauisches Visum der Kategorie C (Schengen) zur einmaligen Einreise, gültig von 28.06.2018 bis 22.12.2018 für die Dauer von 90 Tagen erteilt wurde.
Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:
Im Verlauf der Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion Kärnten vom 18.03.2019 gab die BF im Wesentlichen an, dass sie der Einvernahme ohne Probleme folgen könne und keine Medikamente nehme. Sie wäre jedoch im dritten Monat schwanger. Ihr jetziger Ehemann, mit dem sie schon seit fünf Jahren Kontakt habe, lebe in Österreich, deswegen wolle sie in Österreich bleiben. Sie sei im Oktober 2018 mit dem Flugzeug direkt von Armenien nach Österreich gereist, den armenischen Reisepass habe sie aber nach der Hochzeit verloren und glaube sie nicht, dass sie sich eine Dokumentkopie beschaffen könne. Sie wolle hier bleiben, damit auch das zukünftige Kind in Österreich aufwachsen könne.
Ihr Heimatland habe sie verlassen, da sie mit ihrem Chef in der Arbeit Probleme gehabt habe, er hätte ihr gedroht und sie sexuell belästigt. Er hätte auch ihren 75jährigen Großvater geschlagen, da sie jenen nicht heiraten wollte. Schon 5 Monate vor ihrer tatsächlichen Flucht hätte sie sich in einem "Fluchtdorf" in Armenien aufgehalten und wäre das Visum und das Flugticket vom Ehemann ihrer Tante in einem Reisebüro für sie besorgt worden.
Das Bundesamt richtete sodann am 21.03.2019 unter Hinweis auf das litauische Visum ein auf Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Aufnahmeersuchen an Litauen. Litauen stimmte mit Schreiben vom 09.04.2019 diesem Ersuchen ausdrücklich zu.
In der Folge wurde die BF am 15.04.2018 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen, wobei sie im Wesentlichen zu Protokoll gab, dass sie an keinen Krankheiten leide.
Sie sei schwanger, weswegen sie sich etwas unwohl fühle. Die Beschwerdeführerin legte einen Mutter-Kind-Pass vor, woraus sich der errechnete Geburtstermin 25.09.2019 ergibt. Sie halte sich seit 08.10.2018 in Österreich auf und habe ihren Mann am XXXX vor dem Standesamt XXXX geheiratet. Sie habe die Grundversorgung verlassen, da ihr Mann gewollt habe, dass sie bei ihm wohne. Sie hätten sich vor ca. fünf Jahren über das Internet kennengelernt. Er hätte sie angeschrieben und es war gegenseitige Sympathie da. Zuerst hätten sie nur geschrieben, später, als es Facebook gegeben hätte, hätten sie auch über Facebook telefoniert. Das erste Mal persönlich getroffen habe sie ihn erst, als sie im Oktober 2018 nach Österreich gekommen wäre. Der ausschlaggebende Punkt, dass sie im Oktober 2018 nach Österreich gereist wäre, wären die Probleme mit ihrem Chef gewesen. Auf Grund dessen hätte sie sich auch eine zeitlang im Dorf vor ihm versteckt, und wäre es ihr nicht mehr möglich gewesen, sich frei zu bewegen. Schließlich habe sie sich für die Ausreise entschieden.
Ihr Ehemann habe eine Aufenthaltskarte Rot-Weiß-Rot und arbeite als Kassier bei HOFER und Mc Donalds. Er finanziere alles und unterstütze sie bei Arztgängen. Sie erwarte von ihrem Mann ein Kind und sei es für sie unvorstellbar, nach Litauen auszureisen. Sie habe erst am 18.03.2019 einen Asylantrag gestellt, obwohl sie bereits im Oktober 2018 eingereist sei und am XXXX geheiratet habe, da sie davon ausgegangen sei, dass sie als Ehefrau ihres Mannes berechtigt sei, ein Visum zu beantragen. Erst danach sei ihr mitgeteilt worden, dass sie keine Aufenthaltserlaubnis bekomme, sondern nach Armenien zurückfliegen und von dort versuchen solle, nach Österreich zu kommen. Seit 01.12.2018 lebe sie mit ihrem Mann zusammen in einer Mietwohnung, zuvor hätte sie auch schon bei ihrem Mann gewohnt, jedoch wäre da auch seine Familie gewesen.
Das BFA wies sodann den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten mit Bescheid vom 17.04.2019 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Litauen gemäß 12 Abs. 4 Dublin III-VO zur Prüfung des Antrags zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung der BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Litauen zulässig sei.
Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage im Mitgliedstaat wurden im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):
Allgemeines zum Asylverfahren
Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (MD 25.1.2014; vgl. MD 13.3.2015, RoL 28.4.2015, FAFO 2017, USDOS 20.4.2018; für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).
Quellen:
-
FAFO - Fafo Research Foundation (2017): Anne Brunovskis (author):
Asylum, integration and irregular migration in Lithuania. Policy and practice at the edge of the European Union, https://www.fafo.no/index.php/zoo-publikasjoner/fafo-rapporter/item/asylum-integration-and-irregular-migration-in-lithuania, Zugriff 2.11.2018
-
MD - Migracijos Departamentas (25.1.2014): Examining an application, http://www.migracija.lt/index.php?21088311, Zugriff 29.10.2018
-
MD - Migracijos Departamentas (13.3.2015): Granting of Asylum, http://www.migracija.lt/index.php?1976995706, Zugriff 29.10.2018
-
RoL - Republic of Lithuania (28.4.2015): Law on the legal status of aliens,
https://e-seimas.lrs.lt/portal/legalAct/lt/TAD/d7890bc0fa2e11e4877aa4fe9d0c24b0?jfwid=181l7li0hc, Zugriff 29.10.2018
-
USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Lithuania, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430320.html, Zugriff 29.10.2018
1. Dublin-Rückkehrer
Nach Art. 72 (3) des litauischen Gesetzes über den legalen Status von Fremden, muss Litauen einen Asylantrag inhaltlich prüfen, wenn es für die Abwicklung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß Artikel 76 (2), ist Asylwerbern, die im Rahmen des Dublin-Abkommens nach Litauen zurückgeschickt werden, weil Litauen für deren Verfahren zuständig ist, temporäres territoriales Asyl zuzusprechen (RoL 28.4.2015).
Der Zugang zum Asylverfahren nach Dublin Rücküberstellung ist vom Stand des Verfahrens in Litauen abhängig. Wenn ein Dublin-Rückkehrer in Litauen noch keinen Antrag gestellt hat, kann er dies nach seiner Rückkehr tun (EASO 24.10.2017).
Entzieht sich ein Antragsteller dem Verfahren, wird dieses suspendiert und neun Monate später eingestellt. Wurde das Verfahren eines Rückkehrers in der Zwischenzeit eingestellt, kann ein neuer Antrag gestellt werden (EASO 24.10.2017).
Wurde das Verfahren eines Rückkehrers bereits rechtskräftig abgeschlossen, kann ein neuer Antrag gestellt werden (EASO 24.10.2017).
Ist das Verfahren eines Dublin-Rückkehrers suspendiert, kann dieses fortgesetzt werden (EASO 24.10.2017).
Wenn das Verfahren eines Dublin-Rückkehrers noch läuft, etwa weil er vom Ausgang seines Verfahrens noch nicht in Kenntnis gesetzt wurde oder weil noch ein Beschwerdeverfahren anhängig ist, kann das Verfahren fortgesetzt werden (EASO 24.10.2017).
Dublin-Rückkehrer haben in Litauen ohne Unterschied dieselben Ansprüche betreffend Unterbringung und medizinische Versorgung wie andere Asylwerber auch (EASO 24.10.2017).
Quellen:
-
EASO - European Asylum Support Office (24.10.2017): EASO Query.
Subject: Access to Procedures and Reception Conditions for persons transferred back from another Member State of the Dublin regulation, per E-Mail
-
RoL - Republic of Lithuania (28.4.2015): Law on the legal status of aliens,
https://e-seimas.lrs.lt/portal/legalAct/lt/TAD/d7890bc0fa2e11e4877aa4fe9d0c24b0?jfwid=181l7li0hc, Zugriff 29.10.2018
2. Non-Refoulement
Die litauischen Behörden erlauben Asylwerbern, die aus sicheren Herkunfts- oder Drittstaaten kommen, nicht den Zutritt zum Territorium. Stattdessen werden sie ohne inhaltliche Überprüfung des Vorbringens in selbige zurückgeschickt (USDOS 20.4.2018).
Solche Fälle gibt es pro Jahr nur wenige. Diese Regelung gilt nicht für unbegleitete Minderjährige und auch nicht bei EU-Mitgliedsstaaten, denn dann gelten die Dublin-Bestimmungen (FAFO 2017).
Quellen:
-
FAFO - Fafo Research Foundation (2017): Anne Brunovskis (author):
Asylum, integration and irregular migration in Lithuania. Policy and practice at the edge of the European Union, https://www.fafo.no/index.php/zoo-publikasjoner/fafo-rapporter/item/asylum-integration-and-irregular-migration-in-lithuania, Zugriff 2.11.2018
-
USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Lithuania, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430320.html, Zugriff 29.10.2018
3. Versorgung
In Litauen gibt es zwei Zentren zur Unterbringung von Fremden. Asylwerber werden bis zum Ende ihres Verfahrens im Fremdenregistrierungszentrum (FRC) in Pabrade untergebracht. Das umfasst auch eine eventuelle Beschwerdephase. Die Asylbehörde kann auch eine private Unterbringung genehmigen. Während eines Aufenthalts in einer Unterkunft, die von den Behörden der Republik Litauen zur Verfügung gestellt wird, hat ein Asylbewerber das Recht alle Aufnahmeeinrichtungen zu nutzen. Er hat das Recht auf Information über seine Rechte und Pflichten und auf staatlich garantierte Prozesskostenhilfe, kostenlose Dienste eines Dolmetschers, kostenlose medizinische Grundversorgung und soziale Leistungen in den Zentren (MIPAS 24.11.2017). Abgesehen vom offenen Bereich für Antragsteller besitzt Pabrade auch einen geschlossenen Bereich für illegale Migranten. Die Unterbringungsbedingungen in Pabrade haben sich in den letzten Jahren sehr verbessert und werden als sehr gut beschrieben, jedoch gibt es auch Stimmen, die es für langfristige Unterbringung als ungeeignet empfinden und weitere Verbesserungen fordern (FAFO 2017).
Die Kapazitäten der beiden Zentren betragen 98 Plätze im geschlossen Bereich von Pabrade und 88 Plätze im offenen Bereich, sowie 20 Plätze in Rukla. Alle Antragsteller in Litauen erhalten ein Taggeld in Höhe von EUR 10,- im Monat. Nahrung und Hygieneartikel werden vom Zentrum zur Verfügung gestellt (EASO 2.2016; vgl FAFO 2017).
Asylwerber haben während ihr Verfahren anhängig ist keinen Zugang zum Arbeitsmarkt (FAFO 2017).
Quellen:
-
FAFO - Fafo Research Foundation (2017): Anne Brunovskis (author):
Asylum, integration and irregular migration in Lithuania. Policy and practice at the edge of the European Union, https://www.fafo.no/index.php/zoo-publikasjoner/fafo-rapporter/item/asylum-integration-and-irregular-migration-in-lithuania, Zugriff 2.11.2018
-
MIPAS - Platform for Migration Information and Cooperation (24.11.2017): Receipt of Asylum Seekers and Asylum System, http://mipas.lt/en/2017/11/24/receipt-of-asylum-seekers-and-asylum-system/, Zugriff 31.10.2018
3.1. Unbegleitete Minderjährige (UM) / Vulnerable
Für Vulnerable gelten besondere Aufnahmebedingungen gemäß ihrer Bedürfnisse (MIPAS 24.11.2017).
Der zweite Stock des offenen Bereichs des Fremdenregistrierungszentrums (FRC) Pabrade, wo Asylwerber bis zum Ende ihres Verfahrens untergebracht werden, ist für Familien reserviert (MIPAS 24.11.2017; vgl. FAFO 2017). Fehlende Spielmöglichkeiten für Kinder im Außenbereich werden kritisiert. Die NGO Vilnius Caritas füllt diese Lücke mit dem Caritas Day Center in Pabrade, wo verschiedene Aktivitäten angeboten werden, ist aber von EU-Finanzierung abhängig. Alle im Land aufhältigen Kinder unterliegen der Schulpflicht. Im Zentrum Pabrade untergebrachte Kinder besuchen die lokale Schule (FAFO 2017).
Im Unterbringungszentrum für Flüchtlinge in Rukla (RCR) werden unbegleitete Minderjährige (UM) und Schutzberechtigte im Integrationsprozess untergebracht (RPPC o.D.; vgl. MIPAS 24.11.2017). UM können bis zum 18. Geburtstag in einem eigenen Bereich des Zentrums untergebracht werden (RPPC o.D.a) und erhalten neben Unterbringung auch medizinische, soziale und rechtliche Versorgung, Sprachtraining und Zugang zu Kindergartenbetreuung bzw. Schulbildung in Schulen im Bezirk Jonava. Unbegleitete Minderjährige, egal welchen rechtlichen Status sie haben, erhalten einen temporären Vormund der ihr bestes Interesse zu beachten hat. Das Zentrum arbeitet mit dem Children's Rights Protection Service Jonava und den Schulen in Jonava und Rukla zusammen (RPPC o.D.; vgl. RPPC o.D.c). Es gibt in Rukla auch die Möglichkeit zu psychologischer Versorgung (RPPC o.D.b).
Quellen:
-
FAFO - Fafo Research Foundation (2017): Anne Brunovskis (author):
Asylum, integration and irregular migration in Lithuania. Policy and practice at the edge of the European Union, https://www.fafo.no/index.php/zoo-publikasjoner/fafo-rapporter/item/asylum-integration-and-irregular-migration-in-lithuania, Zugriff 2.11.2018
-
MIPAS - Platform for Migration Information and Cooperation (24.11.2017): Receipt of Asylum Seekers and Asylum System, http://mipas.lt/en/2017/11/24/receipt-of-asylum-seekers-and-asylum-system/, Zugriff 31.10.2018
-
RPPC - Homepage des Flüchtlingsaufnahmezentrums Rukla (o.D.):
Arriving foreigners, http://www.rppc.lt/3733/, Zugriff 31.10.2018
-
RPPC - Homepage des Flüchtlingsaufnahmezentrums Rukla (o.D.a):
General information about centre, http://www.rppc.lt/3221/activity.html, Zugriff 31.10.2018
-
RPPC - Homepage des Flüchtlingsaufnahmezentrums Rukla (o.D.b):
State support for integration for FGA in Center. Psychological assistance,
http://www.rppc.lt/9906/services/state-support-for-integration-for-fga-in-center.html, Zugriff 31.10.2018
-
RPPC - Homepage des Flüchtlingsaufnahmezentrums Rukla (o.D.c):
Activity with unaccompanied minors, http://www.rppc.lt/9919/services/activity-with-unaccompanied-minors.html, Zugriff 31.10.2018
3.2. Medizinische Versorgung
Asylwerber erhalten im Rahmen der allgemeinen Krankenversorgung notwendige medizinische Versorgung (zum Unterschied von lediglich Notfallversorgung einerseits und vollem Zugang zu medizinischer Versorgung andererseits). Vulnerable Antragsteller haben Zugang zu psychologischer Unterstützung (EASO 2.2016).
Während eines Aufenthalts in einer Unterkunft, die von den Behörden der Republik Litauen zur Verfügung gestellt wird, hat ein Asylbewerber das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung im Zentrum (MIPAS 24.11.2017).
Im Unterbringungszentrum für Flüchtlinge in Rukla (RCR) erhalten Schutzberechtigte und unbegleitete Minderjährige medizinische Versorgung (RPPC o.D.).
MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).
Quellen:
-
EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Quality Matrix
Report: Reception conditions, per E-Mail
-
MedCOI - Medical Country of Origin Information (14.12.2016):
Auskunft MedCOI, per E-Mail
-
MIPAS - Platform for Migration Information and Cooperation (24.11.2017): Receipt of Asylum Seekers and Asylum System, http://mipas.lt/en/2017/11/24/receipt-of-asylum-seekers-and-asylum-system/, Zugriff 31.10.2018
-
RPPC - Homepage des Flüchtlingsaufnahmezentrums Rukla (o.D.):
Arriving foreigners, http://www.rppc.lt/3733/, Zugriff 31.10.2018
Es wurde festgestellt, dass der Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen sei, da gemäß Absatz 4 Dublin III-Verordnung Litauen für die Prüfung des Antrages zuständig sei. Einem besonderem Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen, betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung der beschwerdeführenden Partei ernstlich für möglich erscheinen lassen würden, sei im Verfahren nicht erstattet worden. Die Regelvermutung des § 5 Absatz 3 Asylgesetz sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-Verordnung ergeben. Zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann liege ein aufrechtes Familienleben im Sinne des Artikel 8 EMRK vor. Der Eingriff in das Familienleben sei zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne von Artikel 8 Absatz 2 EMRK gerechtfertigt, da der österreichische Gesetzgeber Möglichkeiten geschaffen habe, ein Familienleben in Österreich führen zu können, ohne dafür ein Verfahren nach dem Asylgesetz einleiten zu müssen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde der BF, in welcher sie im Wesentlichen geltend macht, dass sie ihren Ehemann seit 2012 kennen würde und es immer das Ziel gewesen wäre, sich ein gemeinsames Leben aufzubauen. Es wäre für sie klar gewesen, dass sie wegen ihrer Beziehung nach Österreich gekommen wäre, die Probleme mit ihrem Chef schlussendlich nur der Auslöser zur Ausreise waren. Die Behörde verkenne den Bestand und die Intensivität der geführten Fernbeziehung. Mit einer kurzen Ausnahme, als sich die Beschwerdeführerin im Erstaufnahmezentrum Thalham befunden habe, lebe sie seitdem mit ihrem Ehemann zusammen und erwarten sie ein gemeinsames Kind. Die Beschwerdeführerin zeige Integrationsbestrebungen, sie habe begonnen Deutsch zu lernen und sei unbescholten. Die Bindung zu ihrem Heimatstaat sei auf Grund der Vorkommnisse sehr zerrüttet und wäre sich die Beschwerdeführerin ihres unsicheren Aufenthalts nicht bewusst gewesen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin reiste mit einem litauischen Visum der Kategorie C, ausgestellt von der litauischen Vertretungsbehörde in Yerevan, gültig vom 28.06.2018 bis 28.12.2018, in das österreichische Bundesgebiet am 08.10.2018 ein.
Sie schloss am XXXX standesamtlich die Ehe mit XXXX , geboren: XXXX , Staatsangehörigkeit: Russische Föderation, welcher im Besitz eines Aufenthaltstitels Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus mit Gültigkeit bis 22.07.2019 ist. Ein fremdenpolizeiliches Verfahren über einen Antrag betreffend Ausstellung eines Fremdenpasses (§ 88 FPG) ist in Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängig.
Die Beschwerdeführerin stellte am 18.03.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 21.03.2019 unter Hinweis auf das litauische Visum ein auf Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Aufnahmeersuchen an Litauen. Litauen stimmte mit Schreiben vom 09.04.2019 diesem Ersuchen ausdrücklich zu.
Die Beschwerdeführerin ist schwanger und ergibt sich der errechnete Geburtstermin 25.09.2019.
Zur Lage im Mitgliedstaat Litauen schließt sich das Bundesverwaltungsgericht den Feststellungen des angefochtenen Bescheides an.
Die Beschwerdeführerin leidet an keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und lebt seit ihrer Einreise in Österreich mit einer kurzen Ausnahme bei Asylantragstellung mit ihrem nunmehrigen Ehegatten im gemeinsamen Haushalt. Die Beschwerdeführerin hatte keinen Anlass dafür, darauf zu vertrauen, dass ihr nach ihrer Eheschließung und der darauffolgenden Stellung eines Asylantrages internationaler Schutz in Österreich gewährt werde. Die vorliegende Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz durch die Beschwerdeführerin bildet einen Missbrauch der Bestimmungen des Asylrechts. Sonstige intensiv ausgeprägte private oder berufliche Bindungen der beschwerdeführenden Partei bestehen im österreichischen Bundesgebiet nicht.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Akt des BFA, dem litauischen Antwortschreiben im Rahmen der Dublin-Konsultationen, und dem Vorbringen der BF selbst.
Die Feststellung zur familiären Situation des BF im Bundesgebiet ergibt sich aus ihrem Vorbringen in Verbindung mit der vorgelegten Heiratsurkunde des Standesamtes XXXX
Die Feststellung zu ihrem gesundheitlichen Zustand ergibt sich daraus, dass sie sowohl bei der Erstbefragung als auch bei der Einvernahme vor dem BFA angegeben hat, dass sie physisch und psychisch in der Lage sei die Einvernahme durchzuführen und sie bei keiner ihrer Einvernahmen medizinische bzw. gesundheitliche Probleme geltend gemacht hat. Insbesondere hat die BF keine akuten oder lebensbedrohenden Erkrankungen dargetan.
Die Feststellung ihrer Schwangerschaft ergibt sich aus ihren Angaben und dem vorgelegten Mutter-Kind-Pass.
Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen.
Das Bundesamt hat im angefochtenen Bescheid neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Litauen auch Feststellungen zur litauischen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf "Dublin-Rückkehrer") samt dem dortigen jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelwege getroffen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Erwägungen zur Beweiswürdigung an.
Die Feststellung zum Aufenthaltstitel ihres Ehemannes ergibt sich aus einer Abfrage des IZR-Systems vom 09.05.2019.
3. Rechtliche Beurteilung:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:
"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
...
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 144/2013 lautet:
"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."
§ 61 FPG 2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012 lautet:
"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. ...
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates ("Dublin III-VO") zur Ermittlung des zuständigen Mitgliedstaates lauten:
"KAPITEL II
ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE UND SCHUTZGARANTIEN
Art. 3
Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.
KAPITEL III
KRITERIEN ZUR BESTIMMUNG DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS
Art. 7
Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.
Art. 13
Einreise und/oder Aufenthalt
(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.
(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller - der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
KAPITEL IV
ABHÄNGIGE PERSONEN UND ERMESSENSKLAUSELN
Artikel 16
Abhängige Personen
(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des
Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.
(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, d s Kind, eines
seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.
(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.
(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese
Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Art. 17
Ermessensklauseln
(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.
Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.
(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.
Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.
Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.
Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.
KAPITEL V
PFLICHTEN DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS
Artikel 18
Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats
(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:
a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;
b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.
(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.
Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird.
In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.
KAPITEL VI
AUFNAHME- UND WIEDERAUFNAHMEVERFAHREN
Art. 20
Einleitung des Verfahrens
(1) Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats wird eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.
(2) Ein Antrag auf internationalen Schutz gilt als gestellt, wenn den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ein vom Antragsteller eingereichtes Formblatt oder ein behördliches Protokoll zugegangen ist. Bei einem nicht in schriftlicher Form gestellten Antrag sollte die Frist zwischen der Abgabe der Willenserklärung und der Erstellung eines Protokolls so kurz wie möglich sein.
(3) Für die Zwecke dieser Verordnung ist die Situation eines mit dem Antragsteller einreisenden Minderjährigen, der der Definition des Familienangehörigen entspricht, untrennbar mit der Situation seines Familienangehörigen verbunden und fällt in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieses Familienangehörigen zuständig ist, auch wenn der Minderjährige selbst kein Antragsteller ist, sofern dies dem Wohl des Minderjährigen dient. Ebenso wird bei Kindern verfahren, die nach der Ankunft des Antragstellers im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, ohne dass ein neues Zuständigkeitsverfahren für diese eingeleitet werden muss.
(4) Stellt ein Antragsteller bei den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats einen Antrag auf internationalen Schutz, während er sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, obliegt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Antragsteller aufhält. Dieser Mitgliedstaat wird unverzüglich von dem mit dem Antrag befassten Mitgliedstaat unterrichtet und gilt dann für die Zwecke dieser Verordnung als der Mitgliedstaat, bei dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde.
Der Antragsteller wird schriftlich von dieser Änderung des die Zuständigkeit prüfenden Mitgliedstaats und dem Zeitpunkt, zu dem sie erfolgt ist, unterrichtet.
(5) Der Mitgliedstaat, bei dem der erste Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, ist gehalten, einen Antragsteller, der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen
Mitgliedstaats aufhält ode