TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/15 W144 2181217-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.05.2019
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Entscheidungsdatum

15.05.2019

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W144 2181217-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX alias XXXX geb., StA. von Afghanistan, vertreten durch den Verein ZEIGE, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.11.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.05.2019, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1

Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF iVm § 2 Abs. 1 Z 15 AsylG 2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass damit XXXX kraft Gesetz die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 29.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Anlässlich der Erstbefragung am 31.07.2015 durch die Landespolizeidirektion Steiermark gab der BF an, schiitischer Hazara zu sein, in der Provinz Wardak am XXXX geboren worden zu sein, über keine Ausbildung zu verfügen und zuletzt als Hühnerzüchter gearbeitet zu haben. Er sei fünf Jahre alt gewesen, als er aus Afghanistan in den Iran geflüchtet sei, und habe bis zu seiner Ausreise illegal im Iran gelebt. Zu seinem Fluchtgrund führte er aus, er habe den Iran verlassen, weil er dort illegal gelebt habe und die Situation für Afghanen dort schlecht sei. Jedes Mal, wenn er kontrolliert worden sei, sei er von der Polizei nach Afghanistan zurückgeschickt worden und er sei jedes Mal in den Iran zurückgekehrt. Im Falle einer Rückkehr fürchte er, dass sein Leben in Afghanistan wegen der Taliban in Gefahr sei, weil er schiitischer Hazara sei.

Nachdem ein iranischer Asylausweis des BF sichergestellt und ihm am 06.08.2017 die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland verweigert worden war, fand am 25.09.2017 eine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) statt. Der BF gab im Wesentlichen zu Protokoll, gesund zu sein und sich derzeit weder in ärztlicher Behandlung zu befinden, noch Medikamente zu nehmen. Er sei im Jahr XXXX geboren und 29 Jahre alt. Bei der Erstbefragung habe er seine Papiere nicht dabei gehabt, sein Alter nicht gewusst und es dürfte ein Missverständnis mit dem Dolmetscher gegeben haben. Als er fünf Jahre alt gewesen sei, sei er mit seiner Familie in den Iran gegangen, wo er sechs Jahre lang die Schule besucht und dann zu arbeiten begonnen habe. Drei Jahre lang habe er auf einer Baustelle gelernt und dann neun Jahre gearbeitet. Wie bezüglich des Geburtsdatums habe ihn der Dolmetscher bei der Erstbefragung nicht verstanden. Anschließend habe er zirka drei Jahre auf einer Hühnerfarm gearbeitet. Er sei schiitischer Hazara und religiös. In Österreich habe er bis jetzt keine Moschee besucht und er habe kein Problem damit, in einer christlichen Gesellschaft zu leben. Da er damals zu jung gewesen sei, wisse er nicht, warum sie aus Afghanistan geflüchtet seien. Später sei ihm erzählt worden, dass sie wegen der Taliban geflüchtet seien. Den Iran habe er wegen familiärer Probleme verlassen, weil seine Frau sich scheiden lassen habe wollen und es zu einem Streit mit ihrer Familie gekommen sei. Er sei gerichtlich ohne sein Einverständnis geschieden worden. Zum Beweis dieses Vorbringens brachte der BF behördliche Dokumente der Islamischen Republik Iran samt Übersetzungen in Vorlage und er legte auch ein Konvolut von Unterlagen hinsichtlich seiner Integrationsbemühungen vor.

Mit Bescheid vom 17.11.2017 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 idgF (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG idgF erlassen, (Spruchpunkt IV.), unter einem gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.), sowie gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gesetzt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde zur Versagung des Status des Asylberechtigten im Wesentlichen ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass der BF in Afghanistan einer Verfolgung durch die Familie seiner Ex-Frau oder als schiitischer Hazara durch staatliche Organe oder Privatpersonen unterliegen würde. Sein Vorbringen bezüglich einer Verfolgung im Iran sei nicht prüfungsrelevant. Auch aus dem sonstigen Ergebnis des Ermittlungsverfahrens hätten sich keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhalts ergeben, welcher zur Gewährung von Asyl führen würde.

Der Bescheid wurde dem BF durch Hinterlegung am 22.11.2017 zugestellt.

Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, worin im Wesentlichen moniert wurde, dass das BFA den geschilderten Fluchtgrund anders verstanden bzw. rekonstruiert habe. Die herangezogenen Länderfeststellungen seien veraltet und die Sicherheitslage habe sich dramatisch verschlechtert.

In einer Beschwerdeergänzung datiert mit 27.02.2017 brachte der BF unter Verweis auf Länderberichte zur Lage der Hazara, zu Gewalttaten gegenüber der schiitischen Minderheit und zur Sicherheitslage in Kabul vor, die Verwaltungsbehörde hätte eine wahrscheinliche Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zum schiitischen Glauben sowie zur Volksgruppe der Hazara anhand von aktuelleren Berichten untersuchen müssen und eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht bejahen dürfen. Wie aus einem Forschungspapier von ASYLOS hervorgehe, sei dem BF eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul wegen seiner westlichen Gesinnung nicht zumutbar. Zudem verkenne das BFA, dass der BF ehrenamtliche Tätigkeiten ausübe bzw. verrichtet habe, über ein Deutschzertifikat A2 verfüge und außerordentlicher Student an einer Kunstuniversität sei, woraus sich ein schützenswertes Privatleben ergebe.

Nachdem mit Schreiben vom 10.07.2018 ein ÖSD-Zertifikat für das Niveau A2 in Vorlage gebracht worden war, langte am 31.07.2018 ein Ersuchen um Berichtigung des Geburtsdatums des BF ein, weil aus dem im Original dem BFA vorgelegten iranischen Dokument samt beglaubigter Übersetzung als Geburtsdatum der XXXX hervorgehe.

Mit Schreiben datiert mit 22.02.2019 erstattete der BF im Wege seiner Rechtsvertretung eine Stellungnahme zur aktuellen Berichtslage bezüglich Afghanistan, worin näher auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, auf den Bericht von EASO zu Afghanistan vom Juni 2018, auf die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 und auf einen Bericht von ACCORD zur Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif und Kabul von 2010 bis 2018 eingegangen wurde. Unter einem brachte der BF Bestätigungen über die Verrichtung ehrenamtlicher Tätigkeiten und über die Teilnahme an einem Deutschkurs für das Niveau B1 sowie ein Empfehlungsschreiben von zwei Privatpersonen in Vorlage.

Am 14.03.2019 langte eine ergänzende Stellungnahme datiert mit 08.03.2019 ein, worin mitgeteilt wurde, dass der BF in Österreich zum Christentum konvertiert sei. Er habe einen Informationskurs über den christlichen Glauben absolviert und sei im Februar 2019 getauft worden. Er sei mit Begeisterung ein Christ und auf keinen Fall bereit, zum Islam zurückzukehren oder auf die Ausübung seiner christlichen Glaubenspraxis zu verzichten. Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 sowie aus weiteren Berichtsquellen ergebe sich, dass ein Abfall vom Islam bzw. eine Konversion zum Christentum in Afghanistan mit Verfolgungsgefahr von asylrelevanter Intensität verbunden sei. In Vorlage gebracht wurden:

* Taufurkunde samt Begleitschreiben

* Bestätigung über die Teilnahme an einem Informationskurs über den christlichen Glauben

* Schreiben einer Privatperson über die Integrationsbemühungen des BF

* Bestätigungen über die Teilnahme an zwei Deutschkursen für das Niveau B1

In weiterer Folge fand am 02.05.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher der BF sein bisheriges Vorbringen betreffend seinen Übertritt zum christlichen Glauben konkretisierte und seine religiöse Geisteshaltung sowie seine religiösen Aktivitäten in Österreich darlegte. Der BF brachte einen Nachweis der Mitgliedschaft in den XXXX -Christengemeinden sowie eine Bestätigung eines Pastors über die Konversion des BF zum christlichen Glauben in Vorlage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF und seinen Fluchtgründen:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Afghanistan, lebte bis zu seinem fünften Lebensjahr in der Provinz Wardak in Afghanistan und anschließend im Iran. Am 29.07.2015 stellte er im österreichischen Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Er wurde als Moslem geboren und bekannte sich früher zum Islam. Der BF wurde in Griechenland zum ersten Mal auf den christlichen Glauben aufmerksam, als ihm von einer Kirche Unterkunft und Nahrung zur Verfügung gestellt wurde. Damals begann sich der BF mit dem Christentum auseinanderzusetzen.

Während seines Aufenthaltes in Österreich sammelte der BF Informationen über das Christentum und er besuchte mehrere christliche Kirchen. Für seine Konversion zum Christentum war unter anderem ausschlaggebend, dass er in Österreich von Christen sehr gut behandelt wurde, was ihm - im Gegensatz zu den im Iran erhaltenen Informationen über das Christentum - zeigte, wie freundlich und human Christen sind. Über eine Dame, die er in einer Bibliothek kennengelernt hatte, wurde er zum Besuch der " XXXX " eingeladen. Da die Predigt im Gegensatz zu anderen Kirchen nicht auf Deutsch, sondern auf Farsi gehalten wurde, und der BF von der Predigt des Pastors beeindruckt war, entschloss er sich, sich dieser Freikirche anzuschließen. Von Oktober 2018 bis Jänner 2019 nahm er einmal wöchentlich an einem Informationskurs über den christlichen Glauben teil und er wurde am XXXX in XXXX getauft. Der BF besucht regelmäßig wöchentlich am Dienstag die Kirche und liest die Bibel auf Farsi. In die Kirchengemeinde bringt er sich aktiv ein, indem er beispielsweise die Agape für den Gottesdienst vorbereitet. Er absolvierte einen Alphabetisierungskurs über die Bibel und besucht weiterhin einen Bibelkurs. Seine Hauptaufgabe besteht darin, Personen für das Christentum zu gewinnen. Er konnte bereits drei Personen dazu bewegen, sich für das Christentum zu interessieren und die Freikirche, welcher der BF angehört, zu besuchen.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur Situation in Afghanistan:

Religionsfreiheit

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5.2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.8.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi-Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).

Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.5.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtssprechungnter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.8.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.8.2017).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.4.2018).

Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 5.2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5.2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht-Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.8.2017).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten (USDOS 15.8.2017). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (HO U.K. 2.2017; vgl. USDOS 10.8.2016). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt (USDOS 15.8.2017). Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 15.8.2017).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 15.8.2017).

Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.8.2017).

Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (CRS 13.12.2017). Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.8.2017).

Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.8.2017; vgl. CRS 13.12.2017, FH 11.4.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.8.2017).

Christentum und Konversionen zum Christentum

Nichtmuslimische Gruppierungen wie Sikhs, Baha'i, Hindus und Christen machen ca. 0.3% der Bevölkerung aus. Genaue Angaben zur Größe der christlichen und Bahai-Gemeinschaften sind nicht vorhanden (USDOS 15.8.2017; vgl. USCIRF 2017). Die einzige im Land bekannte christliche Kirche hat ihren Sitz in der italienischen Botschaft (USCIRF 2017) und wird von der katholischen Mission betrieben (FT 27.10.2017; vgl. AIK o.D.). Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung einer katholischen Kapelle unter den strengen Bedingungen, dass sie ausschließlich ausländischen Christen diene und jegliche Form des Proselytismus vermieden werde (vertrauliche Quelle 8.11.2017). Öffentlich zugängliche Kirchen existieren in Afghanistan nicht (USDOS 15.8.2017). Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens, da es in Afghanistan keine Kirchen gibt (abgesehen von einer katholischen Kapelle auf dem Gelände der italienischen Botschaft). Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NGOs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen (AA 5.2018). Ausländische Christen dürfen ihren Glauben diskret ausüben (FT 27.10.2017).

Berichten zufolge gibt es im Land weiterhin keine christlichen Schulen (USDOS 15.8.2017); ein christliches Krankenhaus ist in Kabul aktiv (NYP 24.4.2014; vgl. CNN 24.4.2014, CURE o.D.). Auch gibt es in Kabul den Verein "Pro Bambini di Kabul", der aus Mitgliedern verschiedener christlicher Orden besteht, und eine Schule für Kinder mit Behinderung betreibt (PBK o.D.; vgl. FT 27.10.2017). Des Weiteren sind je zwei jesuitische und evangelische Missionare in Afghanistan aktiv (FT 27.10.2017).

Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 5.2018). Christen berichteten von einer feindseligen Haltung gegenüber christlichen Konvertiten und der vermeintlichen christlichen Proselytenmacherei (USDOS 15.8.2017). Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel nur deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen. In städtischen Gebieten sind Repressionen gegen Konvertiten aufgrund der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften (AA 9.2016). Beobachtern zufolge hegen muslimische Ortsansässige den Verdacht, Entwicklungsprojekte würden das Christentum verbreiten und Proselytismus betreiben (USDOS 15.8.2017).

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (AA 5.2018). Quellen zufolge müssen Christen ihren Glauben unbedingt geheim halten. Konvertiten werden oft als geisteskrank bezeichnet, da man davon ausgeht, dass sich niemand bei klarem Verstand vom Islam abwenden würde; im Falle einer Verweigerung, zu ihrem alten Glauben zurückzukehren, können Christen in psychiatrische Kliniken zwangseingewiesen, von Nachbarn oder Fremden angegriffen und ihr Eigentum oder Betrieb zerstört werden; es kann auch zu Tötungen innerhalb der Familie kommen. Andererseits wird auch von Fällen berichtet, wo die gesamte Familie den christlichen Glauben annahm; dies muss jedoch absolut geheim gehalten werden (OD 2018).

Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die oft während ihres Aufenthalts im Ausland konvertierten, üben aus Angst vor Diskriminierung und Verfolgung ihre Religion alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern aus (USDOS 15.8.2017). Zwischen 2014 und 2016 gab es keine Berichte zu staatlicher Verfolgung wegen Apostasie oder Blasphemie (USDOS 15.8.2017). Der Druck durch die Nachbarschaft oder der Einfluss des IS und der Taliban stellen Gefahren für Christen dar (OD 2018).

Die im Libanon geborene Rula Ghani, Ehefrau von Staatspräsident Ashraf Ghani, entstammt einer christlich-maronitischen Familie (NPR 19.2.2015; vgl. BBC 15.10.2014). Einige islamische Gelehrte behaupten, es gebe keine öffentlichen Aufzeichnungen ihrer Konvertierung zum Islam (CSR 13.12.2017).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des BF und seinen Fluchtgründen:

Der oben unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang sowie die Feststellungen zum Verfahrensablauf ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des BF und zu seinem Aufenthalt im Herkunftsstaat sowie im Iran gründen auf seinen Angaben. Dass der BF volljährig ist, ergibt sich aus seinen - wenn auch nicht gleichbleibenden - Angaben zu seinem Geburtsdatum, zumal er nach beiden, von ihm angegebenen Daten schon zum Zeitpunkt der Antragstellung auf internationalen Schutz volljährig war.

Die Feststellungen zur ehemaligen und nunmehrigen religiösen Ausrichtung des BF ergeben sich aus seinen Angaben vor dem BFA und vor dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 02.05.2019 sowie aus den diesbezüglich vorgelegten Unterlagen.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das Vorbringen des BF zur Konversion vom Islam zum Christentum aus folgenden Gründen als glaubhaft:

In der mündlichen Verhandlung konnte der BF nachvollziehbar und in sich schlüssig darlegen, was sein Interesse am Christentum geweckt hat, wie er mit der XXXX Gemeinde in Kontakt gekommen ist und welche Gründe ihn zu einer Konversion zum Christentum bewogen haben. Zudem war er auch in der Lage, Grundwissen über die christliche Religion (wie etwa die zehn Gebote oder die heilige Dreifaltigkeit) wiederzugeben, was zeigt, dass er sich mit den Glaubensinhalten des Christentums ernsthaft auseinandergesetzt hat. Der Besuch eines Grundkurses über den christlichen Glauben, die christliche Taufe und die Mitgliedschaft in der XXXX -Christengemeinde sowie die regelmäßige Teilnahme des BF an Gottesdiensten einschließlich seines Engagements in der Kirchengemeinde, wurden auch durch die in Vorlage gebrachten Unterlagen, insbesondere einer Taufurkunde und einer Bestätigung des Pastors der XXXX Gemeinde, nachgewiesen.

Aufgrund dieser Erwägungen ergibt sich kein Grund daran zu zweifeln, dass der BF ein aktives Leben als Christ führt und ein engagiertes Mitglied in der Kirchengemeinde ist. Es sind im Verfahren auch keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass die Konversion des BF zum christlichen Glauben bloß zum Schein erfolgt wäre. Vielmehr hat der BF in der mündlichen Verhandlung auch durch die vorgelegten Dokumente glaubhaft dargelegt, dass er sich aus freier persönlicher Überzeugung vom Islam abgewendet hat und zum Christentum konvertiert ist. Da er in Österreich seinen Glauben offen lebt, bereits andere Personen dazu bewegt hat, sich für das Christentum zu interessieren bzw. die XXXX Gemeinde zu besuchen, und auch seine im Iran lebende Familie sowie seine afghanischen Freunde in Österreich von seinem Glaubenswechsel informiert hat, ist davon auszugehen, dass der BF auch im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan die christliche Religion ausüben und sich offen zu seinem Glauben bekennen würde.

Die Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.2. Zum Herkunftsland:

Die Länderfeststellungen zu Afghanistan ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.09.2018 mit letzter Kurzinformation vom 22.01.2019 und den dort zu den einzelnen Themen äußerst umfangreich angeführten Quellen (-diesbezüglich wird auf den Akteninhalt verwiesen, da eine gesonderte (und teils seitenlange) Anführung der Quellen zu einer unübersichtlichen und der Lesbarkeit abträglichen Überlänge führen würde). Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen, denen der BF auch nicht entgegengetreten ist, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zuständigkeit, Verfahren und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind gemäß § 75 Abs. 24 AsylG 2005 die §§ 2 Abs. 1 Z 15, 3 Abs. 4 bis 4b, 7 Abs. 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs. 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016.

Da der BF den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz am 29.07.2015 stellte, kommt die in §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 normierte befristete Aufenthaltsberechtigung nicht zur Anwendung.

Zu A)

3.2. Zuerkennung des Status des Asylberechtigten

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung". Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. zB. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011).

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, 95/01/0454; VwGH 09.04.1997, 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse, sondern erfordert eine Prognose (vgl. VwGH 16.02.2000, 99/01/0397). Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 15.03.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (vgl. VwGH 16.06.1994, 94/19/0183).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Allein aus der Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit kann das Vorliegen von Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention nicht abgeleitet werden (vgl. VwGH 09.11.1995, 94/19/1414). Es sind darüber hinausgehende, konkret gegen den Asylwerber gerichtete, von staatlichen Stellen ausgehende bzw. von diesen geduldete Verfolgungshandlungen gegen seine Person erforderlich, um die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers zu erweisen (vgl. VwGH 08.07.2000, 99/20/0203; VwGH 21.09.2000, 98/20/0557).

3.2.2. Im vorliegenden Fall macht der BF durch seine in Österreich erfolgte Konversion vom Islam zum christlichen Glauben einen Nachfluchtgrund im Sinne des § 3 Abs. 2 AsylG 2005 geltend, welcher an den Konventionsgrund der Religion anknüpft.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat, können diese neuen - in Österreich eingetretenen - Umstände, mit denen ein Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung (nunmehr) begründet, grundsätzlich zur Asylgewährung führen. Sie sind daher zu überprüfen, wenn sie geeignet sind, die Annahme "wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung" zu rechtfertigen (vgl. VwGH 18.09.1997, 96/20/0923). Für die Frage des Vorliegens des geltend gemachten Nachfluchtgrundes der Konversion des Beschwerdeführers kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Fremde schon im Heimatland mit dieser Religion in Berührung gekommen ist, sondern vielmehr auf dessen nunmehr bestehende Glaubensüberzeugung (vgl. VwGH 17.09.2008, 2008/23/0675).

Nach dem Urteil des Gerichtshofes der Europäische Union vom 05.09.2012 in den verbundenen Rechtssachen C-71/11und C-99/11, Bundesrepublik Deutschland gegen Y und Z, ist Artikel 2 Buchstabe c der Richtlinie 2004/83 dahin auszulegen, dass eine begründete Furcht des Antragstellers vor Verfolgung vorliegt, sobald nach Auffassung der zuständigen Behörden im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Antragstellers vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen. Bei der individuellen Prüfung eines Antrags auf Anerkennung als Flüchtling können die Behörden dem Antragsteller nicht zumuten, auf diese religiösen Betätigungen zu verzichten (siehe diesbezüglich auch VfGH 12.06.2013, U 2087/2012).

Bei einer erst nach Verlassen des Herkunftsstaates erfolgten Konversion eines Fremden vom Islam zum Christentum ist zu prüfen, ob die Konversion allenfalls bloß zum Schein erfolgt ist. Hat der Fremde nicht behauptet, im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat wieder vom christlichen Glauben zum Islam übertreten zu wollen, und ist der Fremde nicht nur zum Schein zum Christentum konvertiert, kommt es nicht auf die Frage an, welche Konsequenzen der Asylwerber wegen einer bloß vorübergehenden, der Asylerlangung dienenden Annahme des christlichen Glaubens zu befürchten hätte. Vielmehr ist maßgeblich, ob er bei weiterer Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden (VwGH 24.10.2001, 99/20/0550; VwGH 19.12.2001, 2000/20/0369; VwGH 17.10.2002; 2000/20/0102; VwGH 30.06.2005, 2003/20/0544 mwN).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es gerade bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 26.03.2019, Ra 2018/19/0603; VwGH 25.02.2019, Ra 2019/19/0017). In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist es jedoch nicht entscheidend, ob der Religionswechsel bereits - durch die Taufe - erfolgte oder bloß beabsichtigt ist. Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0453).

Wie beweiswürdigend bereits dargelegt wurde, gibt es verfahrensgegenständlich keine Anhaltspunkte, dass die Konversion des BF zum christlichen Glauben nur zum Schein erfolgt wäre. Vielmehr hat sich aufgrund der Befragung des BF in Zusammenschau mit den vorgelegten Beweismitteln ergeben, dass sich der BF aus freier persönlicher Überzeugung vom Islam dem Christentum zugewandt, die Taufe empfangen sowie den christlichen Glauben verinnerlicht hat, ihn in Österreich ausübt und auch weiterhin praktizieren möchte. Vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen zur Situation von Christen in Afghanistan, insbesondere zu den vom Islam zum Christentum konvertierten Personen, wäre der BF als Person mit christlicher Überzeugung, die er offen (und allenfalls sogar quasi missionarisch) ausüben will, im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit sowohl von staatlicher Seite als auch von privater Seite - ohne diesbezüglichen staatlichen Schutz - Verfolgungshandlungen von asylerheblicher Intensität ausgesetzt.

Anhand der Ermittlungsergebnisse ist daher davon auszugehen, dass sich der BF aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen seiner religiösen Überzeugung verfolgt zu werden, außerhalb Afghanistans befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Da dem BF bereits aus diesem Grund der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen war, erübrigt es sich, auf die weiteren, von ihm geltend gemachten Fluchtgründe einzugehen. Von diesbezüglichen Ausführungen wird daher Abstand genommen.

3.2.3. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht (Z 1) oder der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat (Z 2).

Aufgrund des in Afghanistan gültigen islamischen Rechtes nach der Scharia und der in der Praxis angewendeten islamischen Rechtsprechung sowie aufgrund der in der afghanischen Gesellschaft bestehenden Traditionen und der Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten, insbesondere Konvertiten gegenüber, und den damit zusammenhängenden benachteiligenden Auswirkungen des traditionellen Gesellschaftssystems in ganz Afghanistan ist davon auszugehen, dass sich die bereits dargestellte Situation für den BF im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan ergibt, weshalb keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht.

Da sich im Verfahren auch keine Hinweise auf das Vorliegen von Ausschlussgründen gemäß § 6 AsylG 2005 ergeben haben, ist dem BF sohin der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zuzuerkennen.

3.2.4. Gemäß § 3 Abs. 5 ist diese Entscheidung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem BF damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu A) wiedergegeben. Insoweit die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, gesamtes Staatsgebiet,
Konversion, Nachfluchtgründe, Religion, Schutzunwilligkeit,
wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W144.2181217.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.09.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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