TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/6 W260 2167652-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.06.2019
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Entscheidungsdatum

06.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W260 2167652-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Markus BELFIN über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein St.Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 28.07.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX (im Folgenden "Beschwerdeführer"), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 29.10.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung am 30.10.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der zum damaligen Zeitpunkt als minderjährig geltende Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen befragt zusammengefasst an, dass er seinen Herkunftsstaat Richtung Europa verlassen habe, da seine Eltern verstorben seien. Es herrsche Krieg und er wolle ein besseres Leben für sich und seinen Bruder, eine Ausbildung machen und einen Beruf erlernen. Dies seien seine Fluchtgründe.

2. Der Beschwerdeführer wurde zur sachverständigen Volljährigkeitsbeurteilung an der medizinischen Universität Wien, Zentrum für Anatomie und Zellbiologie, untersucht und wurde das bei der Erstbefragung festgestellte Geburtsdatum mit einer geringen Schwankungsbreite in dem medizinischen Gutachten bestätigt.

3. Am 20.07.2017 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge "belangte Behörde") im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari und einer Vertrauensperson.

Der Beschwerdeführer gab zu seinen Fluchtgründen befragt zusammengefasst an, dass sein Vater wegen Grundstückstreitigkeiten getötet worden sei. Er wäre in der Folge mit seiner Mutter und seinem Bruder aus ihrer Heimatprovinz Parwan nach Kabul gezogen. 13 Monate später sei seine Mutter von zwei Männern in Kabul aufgefordert worden ein "Besitzdokument" die Grundstücke betreffend herauszugeben, ansonsten werde sie und ihre Kinder getötet werden. Seine Mutter hätte daraufhin einen Schlaganfall erlitten und sei gestorben. In der Folge verbrachte der Beschwerdeführer mit seinem Bruder fünf Monate im Iran, wo er sich mit Spachtelarbeiten auf Baustellen verdingte. Aus Angst vor der iranischen Polizei seien beide Brüder in die Türkei aufgebrochen, wo er seinen Bruder verloren hätte. Der Bruder sei auch im Besitz des "Besitzdokumentes" gewesen.

4. Mit dem nunmehr angefochtenem Bescheid vom 28.07.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Die belangte Behörde stellte gemäß weiters § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle einer Rückkehr stellte die belangte Behörde insbesondere fest, der Beschwerdeführer habe seinen Fluchtgrund nicht glaubhaft machen können. Seine Herkunftsprovinz "Bamyan" könne er nicht sicher erreichen, als innerstaatliche Fluchtalternative stehe dem Beschwerdeführer die Stadt Kabul zur Verfügung.

5. Der Beschwerdeführer erhob fristgerecht namens seiner bevollmächtigten Vertretung, dem Verein Menschenrechte Österreich, gegen diesen Bescheid das Rechtsmittel der Beschwerde. Er habe Afghanistan aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen. Sein Vater sei wegen Grundstücksstreitigkeiten ermordet worden und dem Beschwerdeführer drohe dasselbe Schicksal. Es handle sich zwar um keine vom afghanischen Staat ausgehende Verfolgung. Der afghanische Staat sei aber nicht schutzfähig und schutzwillig. Der Beschwerdeführer machte weiters geltend, dass die Sicherheitslage in Afghanistan sehr angespannt sei. Eine Auswegmöglichkeit in einen anderen Landesteil, zum Beispiel Kabul, sei nicht möglich, da sich auch dort die Sicherheitslage verschlechtert habe.

6. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 16.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge "BVwG") ein.

7. Mit Schreiben vom 30.01.2018 wurde dem BVwG die Vollmachtsbekanntgabe des MigrantInnenverein St. Marx zur Kenntnis gebracht.

Mit Schreiben vom 30.01.2018 wurde dem BVwG die Niederlegung der Vollmacht des Verein Menschenrechte Österreich zur Kenntnis gebracht.

8. Aus dem vom Bundesverwaltungsgericht am 01.03.2018 eingeholten Auszug aus dem Strafregister ist ersichtlich, dass im Strafregister der Republik Österreich für den Beschwerdeführer keine Verurteilungen aufscheinen.

9. Das BVwG führte am 01.03.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seines Rechtsvertreters und eines Dolmetschers für die Sprache Dari eingehend zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt.

Die belangte Behörde nahm entschuldigt an der mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht teil.

Der Beschwerdeführer legte Integrationsunterlagen sowie eine schriftliche Stellungnahme vom 16.02.2018 vor, die als Beilagen ./I und ./III zum Akt genommen wurden.

Das BVwG legte im Rahmen der Verhandlung die aktuellen Länderinformationen zu Afghanistan, genauer das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 25.09.2017, welches dem Beschwerdeführer bereits übermittelt wurde, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Aktualisierung Stand 30.01.2018, das Gutachten Mag. Karl Mahringer zu GZ: BVwG-160.000/0001-Kammer A/2017, das Gutachten Mag. Karl Mahringer, Aktualisierung des Gutachten vom 5.3.2017, ein Auszug aus UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, Interne Schutzalternative, ein Auszug aus UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, Schreiben vom 04.05.2016, die ACCORD Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Information zur Blutrache [a-8797-1] vom 25.08.2014, ein Auszug aus der gutachterlichen Stellungnahme des Ländersachverständigen Dr. RASULY vom 23.03.2017 im zur Zl. W177 2129278-1 protokollierten Verfahren zur aktuellen Stellung der Hazara in Afghanistan, vor und räumte dem anwesenden Rechtsvertreter die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

Die Niederschrift wurde der belangten Behörde übermittelt.

10. Der Beschwerdeführer führte hiezu namens seiner bevollmächtigen Vertretung in seiner Stellungnahme vom 21.03.2018 im Wesentlichen aus, dass die aktualisierten Berichte den Beschwerdeführer in seinen Befürchtungen bestätigen, da darin die katastrophale Sicherheits- und Wirtschaftslage ebenso aufgezeigt werde, wie die mangelnde Effizienz und Durchschlagkraft der Zentralbehörden, jemanden wie den Beschwerdeführer zu beschützen, geschweige denn ihm eine Reintegration zu ermöglichen. Die asylrelevante Verfolgung bestehe wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe bzw. aus politischen Gründen aufgrund der Verfolgung durch Taliban Terroristen, vor der ihn die afghanischen Behörden nicht beschützen können. Die Verfolgung bestehe aber auch in religiösen Gründen aufgrund der westlichen Lebensausrichtung des Beschwerdeführers, die sich in seiner tiefen Integration in Österreich zeige und die der konservativ-islamischen Gesellschaftsordnung in Afghanistan widerspreche. Der Beschwerdeführer legte der Stellungnahme eine Schulbesuchsbestätigung bei.

Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

11. Mit Schreiben vom 19.09.2018 übermittelte der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertretung weitere Integrationsunterlagen.

12. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.04.2019 wurde den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs aktuelles Länderberichtsmaterial übermittelt: Länderinformationsblatt zu Afghanistan vom 29.06.2018 samt darin enthaltener letzter Kurzinformation vom 26.03.2019; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender Stand August 2018; eine auszugsweise Übersetzung der EASO Country Guidance Afghanistan vom Juni 2018, Seiten 21-25 und 98-109. Weiters wurde der Beschwerdeführer in diesem Schreiben aufgefordert etwaige aktuelle Integrationsunterlagen, sowie etwaige Krankenunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht zu übermitteln.

13. Der Beschwerdeführer erstattete namens seiner bevollmächtigten Vertretung am 08.05.2019 eine Stellungnahme und führte aus, auch die aktualisierten Berichte bestätigten den Beschwerdeführer in seinen Befürchtungen, da darin die weiterhin katastrophale Sicherheits- und Wirtschaftslage ebenso aufgezeigt werde, wie die mangelnde Effizienz und Durchschlagkraft der Zentralbehörden, jemanden wie den Beschwerdeführer zu beschützen, geschweige denn ihm eine Reintegration zu ermöglichen. Jedenfalls die Gefahr, dass er im Falle einer Abschiebung in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde, sei daher akut. Insbesondere die UNHCR Richtlinien zeigen deutlich, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative auch in Kabul generell nicht bestehe, insbesondere für Personen wie den Beschwerdeführer, die keinen Bezug zu Kabul haben. In Österreich habe der Beschwerdeführer bereits große Anstrengungen zu seiner Integration unternommen, die deutsche Sprache erlernt und soziale Kontakte entwickelt. Er sei arbeitsfähig und arbeitswillig und bereits jetzt selbsterhaltungsfähig.

Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX . Er ist am XXXX im Dorf XXXX , im Bezirk XXXX , in der Provinz Parwan, geboren und ist afghanischer Staatsangehöriger. Er gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist schiitischer Moslem. Der Beschwerdeführer ist gesund und ledig; er hat keine Kinder. Seine Muttersprache ist Dari.

Der Beschwerdeführer besuchte fünf Jahre lange die Schule in seiner Herkunftsprovinz. Nach seinem Umzug nach Kabul im Jahr 2013 arbeitete er dort als Teppichknüpfer. Im Iran hat der Beschwerdeführer auf Baustellen gearbeitet.

Der Vater des Beschwerdeführers war Landwirt, die Mutter Hausfrau. Es kann nicht festgestellt werden, ob die Eltern des Beschwerdeführers bereits verstorben sind. Seinen Bruder, der gemeinsam mit ihm ausgereist ist, hat der Beschwerdeführer während der Reise nach Europa in der Türkei aus den Augen verloren und besteht seither kein Kontakt mehr zu diesem.

Die Familie des Beschwerdeführers ist Eigentümerin eines Hauses und von Grundstücken in der Ortschaft XXXX .

Der Beschwerdeführer ist Zivilist.

Der Beschwerdeführer reiste 2014 aus Afghanistan aus, lebte rund fünf Monate lang im Iran, gelangte in der Folge illegal ins Bundesgebiet und stellte am 29.10.2015 verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer stellte am 29.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Das vom Beschwerdeführer dargelegte Fluchtvorbringen betreffend die Gefahr, aufgrund eines Grundstückstreites verfolgt und getötet zu werden, ist nicht glaubhaft.

Der Beschwerdeführer war in seinem Herkunftsstaat Afghanistan keiner psychischen oder physischen Gewalt aus Gründen seiner Volksgruppenzugehörigkeit, Religion, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt, noch hat er eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten.

Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan nie persönlich bedroht oder angegriffen, es droht ihm auch künftig keine psychische und/oder physische Gewalt von staatlicher Seite, und/oder von Aufständischen, und/oder von sonstigen privaten Verfolgern in seinem Herkunftsstaat.

Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan auf Grund einer "Verwestlichung" in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.

Dem Beschwerdeführer droht wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara, oder zur schiitischen Religion konkret und individuell keine physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan. Nicht jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara, oder der schiitischen Religion ist in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.

Auch sonst haben sich im gesamten Verfahren keine Hinweise für eine dem Beschwerdeführer in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer bei einer Überstellung in seine Herkunftsprovinz Parwan aufgrund der volatilen Sicherheitslage und der dort stattfinden willkürlichen Gewalt im Rahmen von internen bewaffneten Konflikten ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.

Dem Beschwerdeführer steht als interstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung, wo es ihm möglich ist, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben.

Dem Beschwerdeführer droht bei seiner Rückkehr in diese Stadt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

Der Beschwerdeführer ist jung und arbeitsfähig. Seine Existenz kann er in Mazar-e Sharif - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden.

Der Beschwerdeführer hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen, sodass er im Falle der Rückkehr - neben den eigenen Ressourcen - auf eine zusätzliche Unterstützung zur Existenzsicherung greifen kann. Diese Rückkehrhilfe umfasst jedenfalls auch die notwendigen Kosten der Rückreise. Er hat eine fünfjährige Schulausbildung, weiters hat er bereits Berufserfahrung als Teppichknüpfer in Kabul und auf Baustellen in Teheran gesammelt, die er auch in Mazar- e Sharif wird nutzen können.

Die Stadt Mazar-e Sharif ist von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug zu erreichen.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

Der Beschwerdeführer läuft im Falle der Rückkehr in eine nach Mazar-e Sharif nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder dass sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern wird. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

1.4. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Antragstellung am 29.10.2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet.

Er bezieht seit seiner Einreise Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer besucht Deutschkurse, zuletzt auf Niveau B1 und verfügt über Kenntnisse der deutschen Sprache. Er besucht in Österreich ein Abendgymnasium. In seiner Freizeit besucht er ein Sprachkaffee und spielt Fußball.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Familienangehörigen.

Neben losen Freundschaften konnten keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens des Beschwerdeführers in Österreich festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.5. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 26.03.2019, in den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 und den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:

1.5.1. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.

1.5.1.1. Herkunftsprovinz Parwan

Die strategisch bedeutsame Provinz Parwan liegt 64 km nördlich von Kabul. Die Provinz grenzt im Norden an Baghlan, im Osten an Panjshir und Kapisa, im Süden an Kabul und (Maidan) Wardak und im Westen an (Maidan) Wardak und Bamyan. Die Provinz besteht aus folgenden Distrikten: Bagram, Jabal Saraj/Jabalussaraj, Salang, Sayed Khel/Saydkhel, Shinwar/Shinwari, Shikh Ali/Shekhali, Shurk Parsha/Surkh-e-Parsa, Charikar, Koh-e-Safi und Syiah Gird/Seyagerd/Ghorband. Charikar ist die Provinzhauptstadt. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 687.243 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Usbeken, Quizilbasch, Kuchi und Hazara.

Im Distrikt Bagram gibt es einen Militärflughafen. Das Bagram Airfield liegt in der Provinz Parwan; es ist der größte US-amerikanische militärische Stützpunkt der Provinz und ist manchmal von "high-profile"-Angriffen durch Aufständische betroffen.

Ein Abschnitt der Autobahn Kabul-Bamyan verbindet die Provinz mit Kabul und weiter mit anderen Provinzen. Die Provinzhauptstadt von Parwan, Charikar, ist durch die Kabul-Charikar Road, auch "A76" genannt, mit Kabul verbunden.

In der Provinz werden Programme des Afghan Rural Enterprise Development Program (AREDP) zur Förderung der ländlichen Bevölkerung implementiert; zahlreiche Frauen profitieren von diesen Maßnahmen.

Parwan gehört zu den Opium-freien Provinzen Afghanistans.

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

Parwan gehört zu den volatilen Provinzen Afghanistans, in der Talibanaufständische in einigen abgelegenen Distrikten aktiv sind. Aus unruhigen Distrikten in der Provinz Parwan wird von Straßenbomben, Selbstmordangriffen, gezielten Tötungen und anderen terroristischen Angriffen berichtet. Deshalb werden Anti-Terrorismus Operationen durchgeführt, um die Aufständischen zu verdrängen. Talibanaufständische führen in einigen Teilen der Provinz Angriffe auf die Sicherheitskräfte aus.

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 63 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 77 zivile Opfer (20 getötete Zivilisten und 57 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Blindgänger/Landminen, gefolgt von gezielten Tötungen und Bodenoffensiven. Dies bedeutet einen Rückgang von 31% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

Militärische Operationen in Parwan

Militärische Operationen werden in der Provinz durchgeführt; dabei werden Talibankämpfer getötet und Waffen gefunden. Auch werden Luftangriffe durchgeführt. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Taliban finden statt.

Regierungsfeindliche Gruppierungen

Talibanaufständische sind in abgelegenen Distrikten der Provinz Parwan aktiv. Die Distrikte Seyagerd/Ghorband und Shinwari zählten im November 2017 zu den umkämpften Distrikten der Provinz.

Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden in der Provinz Parwan IS-bezogene Vorfälle (Gefechte) an der Grenze zu Kabul registriert; zwischen 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz hingegen keine sicherheitsrelevanten Ereignisse bzgl. des IS gemeldet.

Die Provinz Parwan zählt laut EASO zu jenen Provinzen Afghanistans, wo willkürliche Gewalt stattfindet und allenfalls eine reelle Gefahr besteht, dass der Beschwerdeführer ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie nehmen könnte.

1.5.1.2. Provinz Balkh

Hingegen handelt es sich bei der Provinz Balkh, mit deren Hauptstadt Mazar- e Sharif, laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben.

1.5.2. Sichere Einreise

Die Stadt Mazar- e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher erreichbar. Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher.

1.5.3. Wirtschafts- und Versorgungslage

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 28.12.2017).

1.5.3.1. Wirtschaftslage der Stadt Mazar-e Sharif

Mazar- e Sharif ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. In Mazar- e Sharif besteht laut EASO grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Als Alternative dazu stehen ferner günstige Unterkünfte in "Teehäusern" zur Verfügung. Generell besteht in Mazar- e Sharif laut EASO, trotz der im Umland herrschenden Dürre, keinerlei Lebensmittelknappheit. In Mazar- e Sahrif haben die meisten Leute laut EASO Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch zu besseren Sanitäreinrichtungen. Schulische Einrichtungen sind in Mazar-e Sharif vorhanden.

1.5.4. Medizinische Versorgung

Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten wie etwa auch in Mazar- e Sharif sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar. In Mazar- e Sharif zählt dazu das Alemi Krankenhaus. Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar.

1.5.5. Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.

Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.

Die schiitische Minderheit der Hazara, zu welchen der Beschwerdeführer zählt, macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten.

Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können.

Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert; vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet. Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert.

So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft. So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt. Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke.

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf; soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen.

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert.

1.5.6. Religion

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 10-15 % Schiiten, wie es auch der Beschwerdeführer ist.

Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen. Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS.

1.5.7. Rückkehrer

In der Zeit von 2012 bis 2017 sind 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei der Großteil der Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran kommen. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. In der Provinz Balkh ließen sich von den insgesamt ca. 1,8 Millionen Rückkehrer/innen in der Zeit von 2012 bis 2017 109.845 Personen nieder.

Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen.

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.

Die Großfamilie ist für Zuürckkehrende die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.

Afghanische Flüchtlinge im Iran

Die letzten zwei bis drei Jahre zeigen doch auf eine progressivere Entwicklung für Afghanen im Iran, wo sich die Maßnahmen der iranischen Behörden auf einen höheren Integrationsgrad der Afghanen zubewegen. Die freiwillige Rückkehr der afghanischen Flüchtlinge ist immer noch das Hauptziel der iranischen Flüchtlingspolitik, aber man hat eingesehen, dass dies im Moment nicht in größerem Maße geschehen kann. Deshalb versucht man Maßnahmen zu ergreifen, die die Situation für die Afghanen verbessern, während man darauf wartet, dass eine Rückkehr stattfinden kann. Es gibt heute einen politischen Willen, die Fähigkeit der Afghanen, sich besser selbst zu versorgen und selbstständiger zu werden, zu unterstützen, aber gleichzeitig sind die Ressourcen des Iran begrenzt und dies bedeutet eine große Herausforderung für die iranischen Behörden. Es gibt auch von den iranischen Behörden nicht zuletzt aus sicherheitsmäßigen Aspekten Interesse daran, mehr Kenntnisse über die Anzahl der sich illegal im Land aufhaltenden Staatsbürger zu erhalten. Dieses hatte zur Folge, dass die iranischen Behörden im Jahr 2017 mit einer Zählung (headcount) und der Registrierung der Afghanen, die sich illegal im Land aufhalten, begonnen haben. In dieser ersten Runde hat man einige ausgewählte Kategorien priorisiert, beispielsweise nicht-registrierte Afghanen, die mit iranischen Staatsbürgern verheiratet sind und Kinder in der Schule haben.

Im Gegensatz zu Pakistan leben nur 3% der afghanischen Flüchtlinge in Iran in Camps. Auch wenn die Flüchtlingslager für Amayesh-registrierte ("Amayesh" ist die Bezeichnung für das iranische Flüchtlingsregistrierungssystem, Anm.) Personen vorgesehen sind, leben dort in der Praxis auch nicht-registrierte Afghanen.

Die Mehrheit der Afghanen, die sich sowohl legal als auch illegal im Land aufhalten, wohnen in von Afghanen dominierten urbanen und halb-urbanen Gebieten. Schätzungen zufolge leben circa 57% der Afghanen im Iran in der Provinz Teheran, Isfahan sowie Razavi-Chorsan (mit Maschhad als Hauptort). Um die 22% leben in den Provinzen Kerman, Fars und Ghom, während die Übrigen in den anderen Provinzen verteilt sind. Die afghanische Flüchtlingspopulation im Iran besteht aus einer Anzahl unterschiedlicher ethnischer Gruppen. Schätzungen über die registrierten Afghanen zufolge gehört die Mehrheit von ihnen der Ethnie der Hazara an, gefolgt von Tadschiken, Paschtunen, Belutschen und Usbeken. Es fehlen Zahlen zur nicht-registrierten Gemeinschaft, dennoch stellen auch hier die Hazara und die Tadschiken eine Mehrheit dar.

1.5.8. Terroristische und aufständische Gruppierungen

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte grundsätzlich vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus. Die Taliban haben hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten.

Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "fehlverhalten", unter anderem Kollaborateure der afghanischen Regierung - praktisch jeder, der der Regierung in irgendeiner Weise hilft. Die Taliban bieten diesen Personen grundsätzlich die Möglichkeit an, Reue und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen. Im Grunde steht jeder auf der schwarzen Liste, der (aus Sicht der Taliban) ein "Übeltäter" ist, und dessen Identität und Anschrift die Taliban ausfindig machen können.

Die Taliban haben ein Netzwerk an Spitzeln in Afghanistan, allein in der Stadt Kabul sind drei verschiedene Taliban Nachrichtendienste nebeneinander aktiv. Es heißt, dass die verschiedenen Nachrichtendienste der Taliban in Kabul über 1.500 Spione in allen 17 Stadtteilen haben. Selbst die, die umsiedeln, laufen Gefahr, auf dem Weg an den Straßensperren der Taliban festgehalten zu werden. Die Taliban behaupten, dass sie, dank ihrer Spione bei der Grenzpolizei am Flughafen Kabul und auch an vielen anderen Stellen, überwachen können, wer in das Land einreist. Sie geben an, regelmäßig Berichte darüber zu erhalten, wer neu ins Land einreist.

Die Taliban beobachten alle Fremden, die in den Dörfern und Kleinstädten unter ihrer Kontrolle ankommen genau, genauso wie die Dorfbewohner, die in Gebiete unter Regierungskontrolle reisen. Sie fürchten offensichtlich, ausspioniert zu werden und versuchen, die Rekrutierung von Informanten durch die Regierung zu beschränken. Wer in die Taliban-Gebiete ein- oder ausreist sollte die Reise überzeugend begründen können, möglichst belegt mit Nachweisen über Geschäftsabschlüsse, medizinische Behandlung etc. Wenn die Taliban einen Schuldigen suchen, der für die Regierung spioniert haben soll, ist jeder, der verdächtigt wird, sich an die Behörden gewandt zu haben, in großer Gefahr.

Es ist davon auszugehen, dass Sippenhaftung in Afghanistan ein weit verbreitetes Phänomen ist, und die Taliban neben Regierungsmitarbeitern, Sicherheitskräften und anderen, der Kollaboration oder "Spionage" bezichtigten Personen auch deren Angehörige gezielt verfolgen und bedrohen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Namen, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Familienangehörigen, Sprachkenntnissen, der Schulbildung und Berufserfahrung des Beschwerdeführers beruhen auf dessen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens.

Die Identität des Beschwerdeführers konnte mangels Vorlage geeigneter Dokumente nicht festgestellt werden. Die Angaben dienen zur Identifizierung im Asylverfahren.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

2.2.1. Bereits die belangte Behörde wertete das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend eine asylrelevante Verfolgungsgefahr aufgrund vager, widersprüchlicher und nicht schlüssiger Angaben als unglaubwürdig.

Im Laufe des Beschwerdeverfahrens verstärkte sich dieser Eindruck noch, da sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung weitere Ungereimtheiten im Vorbringen ergaben, welche der Beschwerdeführer nicht schlüssig zu erklären vermochte.

2.2.2. Zunächst ist zu erwähnen, dass die Aussagen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen in der Erstbefragung wesentliche Unterschiede zu den Aussagen in der Einvernahme bei der belangten Behörde aufweisen.

So gab der Beschwerdeführer in der Erstbefragung an, dass er in Afghanistan niemanden mehr habe. Seine Eltern seien verstorben. Es herrsche Krieg. Der Beschwerdeführer habe ein besseres Leben für sich und seinen Bruder haben wollen, eine Ausbildung machen und einen Beruf erlernen wollen. Bei einer Rückkehr fürchte er um sein Leben, da in Afghanistan Krieg herrsche (vgl. AS 19).

In der Einvernahme bei der belangten Behörde schilderte er seine Fluchtgründe aber dahingehend, dass sein Vater wegen Grundstückstreitigkeiten getötet worden sei. Er selbst sei in der Folge mit seiner Mutter und seinem Bruder aus ihrer Heimatprovinz Parwan nach Kabul gezogen. 13 Monate später sei seine Mutter von zwei Männern in Kabul aufgefordert worden ein "Besitzdokument" die Grundstücke betreffend herauszugeben, ansonsten werde sie und ihre Kinder getötet. Seine Mutter habe daraufhin einen Schlaganfall erlitten und sei gestorben. In der Folge habe der Beschwerdeführer mit seinem Bruder fünf Monate im Iran verbracht und seien dann beide Brüder in die Türkei aufgebrochen, wo der Beschwerdeführer seinen Bruder verloren habe. Der Bruder sei auch im Besitz des "Besitzdokumentes" gewesen (vgl. AS 103ff).

Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 dient die Einvernahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach Antragstellung "insbesondere

der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden ... und

hat sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen" (vgl. hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12). Diese Regelung bezweckt den Schutz der Asylwerber davor, sich im direkten Anschluss an die Flucht aus ihrem Herkunftsstaat vor uniformierten Staatsorganen über traumatische Ereignisse verbreitern zu müssen, weil sie unter Umständen erst vor kurzem vor solchen geflohen sind, weshalb an die dennoch bei der Erstbefragung erstatteten, in der Regel kurzen Angaben zu den Fluchtgründen im Rahmen der Beweiswürdigung keine hohen Ansprüche in Bezug auf Stringenz und Vollständigkeit zu stellen sind (vgl. auch VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0189 mwN). Ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert; die Verwaltungsbehörde bzw. das Bundesverwaltungsgericht können in ihrer Beweiswürdigung also durchaus die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen.

Es wird daher im vorliegenden Fall zwar nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung des Beschwerdeführers nicht in erster Linie auf seine Fluchtgründe bezog und diese daher nur in aller Kürze angegeben und protokolliert wurden. Es ist dem Beschwerdeführer aber sehr wohl vorzuwerfen, dass die Angaben in der Erstbefragung gravierend von den Angaben in der Einvernahme bei der belangten Behörde abweichen. In der Erstbefragung erwähnte er nämlich den Fluchtgrund rund um die Besitzstreitigkeiten mit keinem Wort und bezog seinen Ausreisegrund lediglich auf die allgemein schlechte Lage bzw. Kriegssituation in Afghanistan und stellt dies daher einen gänzlich anderen Sachverhalt dar.

Die Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers wird daher bereits durch diesen Umstand massiv geschmälert.

In der Einvernahme bei der belangten Behörde blieb der Beschwerdeführer eine Aufklärung der Widersprüche schuldig. Er sagte nur - auf Vorhalt seiner Angaben in der Erstbefragung -, dass sie Feinde gehabt haben und bedroht worden seien. Natürlich könne er nicht mehr dort leben. Er habe Afghanistan verlassen, um ein besseres Leben zu haben (vgl. AS 105). In der Beschwerdeverhandlung sprach der erkennende Richter die unterschiedlichen Angaben in der Erstbefragung und Einvernahme bei der belangten Behörde ebenfalls an. Der Beschwerdeführer führte dazu aus, dass es ihm, als er nach Österreich gekommen sei, psychisch nicht gut gegangen sei. Natürlich möchte aus seiner Sicht jeder in einem ruhigen Land leben und einen Beruf erlernen, aber es sei ihm psychisch nicht gut gegangen. Bei der Einvernahme sei er "nicht in der Lage gewesen zu reden". Auf Nachfrage, ob dem Beschwerdeführer die Wichtigkeit der Frage nicht bewusst gewesen sei, oder er nicht in der Lage gewesen sei, die Wichtigkeit dieser Frage zu erkennen, sagte der Beschwerdeführer, es sei ihm sehr schlecht gegangen. Er habe die Frage nicht wahrgenommen. Derzeit sei er aber gesund (vgl. S 17 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 01.03.2018).

Dazu gilt es auszuführen, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung ausdrücklich angegeben hat, keine Beschwerden oder Krankheiten zu haben, die ihn an der Einvernahme hindern oder das Asylverfahren beeinträchtigen und er der Einvernahme ohne Probleme folgen könne (vgl. AS 13). Auch im weiteren Verfahren gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer an einer physischen oder psychischen Erkrankung leidet. Es ist natürlich verständlich, dass der Beschwerdeführer nach seiner Flucht und Asylantragstellung in einer für ihn angespannten Situation war und - wie bereits erwähnt - die Erstbefragung nicht der Schilderung der genauen Fluchtgründe dienen soll. Allerdings wäre vom Beschwerdeführer sehr wohl zu erwarten gewesen, dass er seinen angeblichen Fluchtgrund, nämlich die Besitzstreitigkeiten, zumindest ansatzweise erwähnt.

2.2.3. In der Beschwerdeverhandlung haben sich zu den Ausführungen des Beschwerdeführers weitere Ungereimtheiten und Widersprüche ergeben:

So schilderte der Beschwerdeführer beispielsweise die Bedrohung seiner Familie "durch zwei Männer" in Kabul unterschiedlich.

In der Einvernahme bei der belangten Behörde gab er an, dass er, seine Mutter und sein Bruder nach dem Tod des Vaters nach Kabul gezogen seien. Nach ungefähr 13 Monaten seien zwei Personen zu seiner Mutter gekommen, haben sie bedroht und die Herausgabe des amtlichen Besitzdokumentes bezüglich der Grundstücke gefordert. Die Mutter sei in schlechter gesundheitlicher Verfassung gewesen und habe nach dem Vorfall einen Schlaganfall erlitten und sei verstorben (vgl. AS 103). Folgt man diesem Vorbringen, so hat es sich um lediglich einen Vorfall in Kabul gehandelt.

In der Beschwerdeverhandlung gab der Beschwerdeführer dann aber an, dass diese zwei Männer innerhalb eines Zeitraumes von zwei Monaten drei bis vier Mal zur Familie des Beschwerdeführers gekommen seien und sie bedroht haben (vgl. S 15 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 01.03.2018). Auf Nachfrage, warum er erst heute erzählt habe, dass diese beiden Männer drei bis vier Mal während des Aufenthaltes in Kabul zu ihnen gekommen seien, sagte der Beschwerdeführer lediglich, er habe damals auch drei bis vier Mal gesagt (vgl. S 18 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 01.03.2018). Dies ist der Niederschrift der Einvernahme vom 20.07.2017, deren Richtigkeit und Vollständigkeit der Beschwerdeführer mit seiner Unterschrift bestätigt hat, allerdings eben nicht zu entnehmen.

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass es auch nicht nachvollziehbar und im Ergebnis unglaubwürdig ist, weshalb die angeblich zwei Männer mehrmals zum Beschwerdeführer und seiner Familie in Kabul gekommen sein und sie bedroht haben sollten, allerdings jedes Mal ohne die geforderte Besitzurkunde und ohne ihren Drohungen Taten folgen zu lassen wieder gegangen sind. Wären diese Männer tatsächlich an der Urkunde interessiert gewesen und hätten die Familie des Beschwerdeführers deshalb sogar bis nach Kabul verfolgt, dann wäre es naheliegender gewesen, dass sie sich sicherlich bereits beim ersten "Besuch" bei der Familie - gewaltsam - die Urkunde angeeignet und wären nicht mehrmals gekommen um "nur" zu drohen. Somit sind aus beweiswürdigender Sicht diese Angaben nicht glaubhaft und lediglich als Steigerung seines Vorbringens zu werten.

Dem Beschwerdeführer ist weiters vorzuhalten, dass er hinsichtlich der Personen, welche die Grundstücke seiner Familie enteignen haben wollten, unklare und unrealistische Angaben getätigt hat.

In der Einvernahme bei der belangten Behörde sagte er, dass diese Leute im Bezirk Sheikh Ali gewohnt haben und sehr mächtig gewesen seien. Er habe sie nur unter dem Namen "die Kinder von Malik RAFUR" gekannt. Als solche hätten sie sich auch vorgestellt, als sie die Familie in Kabul bedroht hätten (vgl. AS 104f).

Auch in der Beschwerdever

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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