Entscheidungsdatum
11.06.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W210 2179288-1/20E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Anke SEMBACHER über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.05.2018 und 16.05.2019 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird abgewiesen.
II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird abgewiesen.
III. Die Beschwerde gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wird abgewiesen.
IV. Der Beschwerde gegen die Entscheidung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung und die Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG 2005 wird stattgegeben und festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen
XXXX auf Dauer unzulässig ist.
Gemäß §§ 54, 55 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 wird XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
V. Der Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste schlepperunterstützt und unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 14.09.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
2. Der Beschwerdeführer wurde am 15.09.2015 von einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi zu seiner Identität, seiner Reiseroute, seinem Fluchtgrund und einer allfälligen Rückkehrgefährdung befragt. Hier gab er an, am XXXX geboren zu sein, XXXX zu heißen, sunnitischer Moslem zu sein und der Volksgruppe der Tadschiken anzugehören. Seine Familie lebe im Iran, sein Vater sei bereits im Jahr 2005 verstorben. Befragt zu seinem Fluchtgrund führte er an, dass seine Eltern Afghanistan damals aufgrund des Krieges verlassen hätten. Er sei im Iran als Fremder ohne Rechte aufgewachsen und habe kein vernünftiges Leben führen können. Da er keine andere Lösung gesehen habe, sei er weggegangen.
3. Aufgrund seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gehegter Zweifel an der behaupteten Minderjährigkeit des Beschwerdeführers wurde eine Untersuchung zur Bestimmung des Knochenalters des Beschwerdeführers durchgeführt. Weitere Verfahrensschritte wurden diesbezüglich nicht gesetzt; das vom Beschwerdeführer in der Erstbefragung angegebene Geburtsdatum wurde auch im weiteren verwaltungsbehördlichen Verfahren beibehalten.
4. Mit Eingabe vom 23.11.2015 ließ der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung eine Richtigstellung seines Namens von XXXX auf
XXXX vornehmen.
5. Am 17.10.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem BFA im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari und Farsi niederschriftlich zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Hier wiederholte er, sunnitischer Moslem zu sein und der Volksgruppe der Tadschiken anzugehören, in Kabul geboren aber ab dem siebenten oder achten Lebensjahr Iran aufgewachsen zu sein. Befragt nach seinem Fluchtgrund gab er an, dass seine Eltern Afghanistan aufgrund einer privaten Feindschaft mit dem Cousin seiner Mutter verlassen hätten und in den Iran gegangen seien.
6. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt, gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
7. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter, vollumfängliche Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Das BFA legte die Beschwerde und den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
8. Zu der am 02.05.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumte mündlichen Verhandlung sind der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter erschienen. Die geladene Dolmetscherin konnte der Ladung aufgrund einer Erkrankung nicht Folge leisten. Die Verhandlung wurde vertagt.
9. Am 03.05.2018 legte der Beschwerdeführer den Bescheid des BFA vom 07.03.2013 vor, mit welchem seinem Bruder XXXX der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und fügte auch dessen Taufschein an.
10. Am 04.07.2018 legte der Beschwerdeführer seinen eigenen Taufschein, ausgestellt von einer römisch-katholischen Pfarre, datierend auf den 30.06.2018, vor.
11. Am 16.05.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht eine (fortgesetzte) mündliche Verhandlung in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi und des ausgewiesenen Rechtsvertreters durch, im Zuge derer der Beschwerdeführer zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen und die beantragte Zeugin, Schwester XXXX , zum Thema der behaupteten Konversion des Beschwerdeführers befragt wurde. Der ebenfalls geladene Zeuge, Pfarrer XXXX , ist unentschuldigt nicht erschienen. Erörtert wurden die eingeführten Länderberichte und die Richtlinien der österreichischen Bischofskonferenz zum Katechumenat von Asylwerbern. Zudem wurden die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom jeweils 18.07.2018, Zlen.: W200 2169909-1/14E, W200 2169911-1/12E, W200 2169904-1/12E, W200 2169913-1/14E, W200 2169915-1/13E, W200 2181494-1/10E und W200 2169901-1/14E, betreffend die Eltern und die fünf Geschwister des Beschwerdeführers in das Verfahren eingeführt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den zugrundeliegenden Verwaltungsakt der belangten Behörde, in die im Verfahren vorgelegten Dokumente und Integrationsunterlagen, durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 02.05.2018 und 16.05.2019 und Einvernahme der beantragten Zeugin sowie durch die ins Verfahren eingebrachten Berichte, sohin die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, die EASO-Country-Guidance Notes zu Afghanistan von Juni 2018, das LIB der Staatendokumentation zu Afghanistan, Stand 26.03.2019, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Christen, Konvertiten und Abtrünnigen in Afghanistan vom 12.07.2017, die ACCORD-Anfragebeantwortung vom 01.06.2017, a-10159, zur Situation von vom Islam abgefallenen Personen, Konvertiten, Personen, die Kritik am Islam äußern, Personen, die sich nicht an die Regeln im Islam halten und Rückkehrern aus Europa, die ACCORD-Anfragebeantwortung vom 07.12.2018, zur Lage in Mazar-e Sharif, Herat und Kabul, den EASO-Bericht zu den "Key socio-economic Indicators in Mazar-e Sharif, Herat und Kabul vom 01.04.2019 und den EASO-Bericht zu Netzwerken vom Jänner 2018, Einsicht in den hiergerichtlichen Gerichtsakt und in die hiergerichtlichen Erkenntnisse betreffen die Eltern und die Geschwister des Beschwerdeführers vom 18.07.2018:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers, seinem Fluchtvorbringen und seinem Leben in Österreich:
Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Er ist ledig und kinderlos. Seine Muttersprache ist Farsi.
Der Beschwerdeführer ist der Volksgruppe der Tadschiken zugehörig, entstammt einer sunnitisch-muslimischen Familie und wurde als sunnitischer Moslem erzogen.
Der Beschwerdeführer ist in der Provinz Kabul geboren, übersiedelte aber im Kindesalter gemeinsam mit seiner Familie in den Iran, wo er im Verband seiner Familie aufgewachsen ist. Im Iran besuchte er drei bis vier Jahre eine nicht öffentliche, afghanische Schule und arbeitete dort (zeitgleich bzw. überschneidend) sechs Jahre als Maler, vier Jahre als Tischler und sieben Jahre als Federballtrainier.
Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan keine familiären Anknüpfungspunkte mehr.
Im August 2015 wurde der Beschwerdeführer vom Iran nach Afghanistan abgeschoben, reiste aber sogleich zurück in den Iran und in weiterer Folge nach Europa aus. Am 14.09.2015 stellte er in Österreich gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Oktober 2015 reisten sodann die volljährigen Brüder des Beschwerdeführers namens XXXX und XXXX in Österreich ein und stellten ihrerseits Anträge auf internationalen Schutz. Am 05.11.2015 reisten auch die Eltern des Beschwerdeführers namens XXXX und XXXX und die damals allesamt minderjährigen Geschwister des Beschwerdeführers namens XXXX , XXXX und XXXX in Österreich ein und stellten Anträge auf internationalen Schutz im Familienverfahren. Ein weiterer Bruder des Beschwerdeführers namens XXXX stellte bereits im Jahr 2012 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit rechtskräftigem Bescheid des (damaligen) Bundesasylamtes vom 07.06.2013 wurde dem Bruder XXXX der Status des Asylberechtigen zuerkannt. Mit rechtskräftigen Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom jeweils 18.07.2018, Zlen.: W200 2169909-1/14E, W200 2169911-1/12E, W200 2169904-1/12E, W200 2169913-1/14E und W200 2169915-1/13E, wurde den Eltern des Beschwerdeführers, seinem minderjährigen Bruder XXXX , seiner (mittlerweile) volljährigen Schwester XXXX und seinem (mittlerweile) volljährigen XXXX im Familienverfahren der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Mit rechtskräftigen Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom selben Tag, Zlen.: W200 2181494-1/10E und W200 2169901-1/14E, wurde eine Rückkehrentscheidung betreffend die volljährigen Brüder des Beschwerdeführers namens XXXX und XXXX auf Dauer für unzulässig erklärt und diesen der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
Die Eltern des Beschwerdeführers und alle seine Geschwister befinden sich nach wie vor im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer lebt seit März 2019 mit seinen Eltern und einem Teil seiner Geschwister im gemeinsamen Haushalt; Unterkunftgeber ist sein Vater. Der Beschwerdeführer befindet sich noch in der Grundversorgung, für die Kosten seiner Unterkunft und Verpflegung kommt seit März 2019 sein Vater auf.
Es besteht weder eine Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers in Österreich noch gibt es in Österreich geborene Kinder des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Einreise durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf. Er besuchte Deutschkurse bis zum Niveau B1 und spricht bereits einigermaßen gut Deutsch. Seit Oktober 2016 ist er offizielles Mitglied in einem Badmintonverein. Er spielt dort zweimal wöchentlich Badminton und nimmt gemeinsam mit seinem Verein an Turnieren teil. Der Beschwerdeführer leistete beginnend mit September 2016 gemeinnützige Arbeiten in einem Bauhof und verrichtete von November 2017 bis Juli 2018 Hilfstätigkeiten in der Pfarre seiner damaligen Wohnsitzgemeinde, wobei er sich wohl in der Küche als auch im Garten und bei Reinigungsarbeiten betätigte.
Der Beschwerdeführer wurde am 30.06.2018 von der römisch-katholischen Kirche getauft.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Er ist gesund, benötigt nicht regelmäßig Medikamente und befindet sich nicht in regelmäßiger, ärztlicher Behandlung.
Dem Beschwerdeführer droht in Afghanistan weder durch den Cousin seiner Mutter noch wegen seines vorgebrachten Glaubensübertritts Verfolgung, auch eine Verfolgung wegen des Aufenthalts in Europa kam nicht zutage. Er hat nach seiner Taufe bis zu seiner Übersiedlung nach XXXX nur mehr sporadischen Kontakt zu seinem Taufspender, seitdem keinen Kontakt mehr. Der Beschwerdeführer hat keine weiterführenden Kurse in der römisch-katholischen Kirche besucht. Der Beschwerdeführer hat keine Kenntnisse über Eckpunkte des katholischen Glaubens.
1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers - Afghanistan:
Zur Sicherheitslage allgemein:
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit letzter Kurzinformation vom 26.03.2019 - LIB 26.03.2019, S.16). Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (LIB 26.03.2019, S.59).
Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 26.03.2019, S.59). Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt
23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan; für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712. Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (LIB 26.03.2019, S. 60).
Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 26.03.2019, S.62). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 26.03.2019, S. 16).
Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 26.03.2019, S.70).
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 26.03.2019, S.63).
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 26.03.2019, S. 63). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 26.03.2019, S.63.).
Am Donnerstag, dem 9.8.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt Ghaznis, einer strategisch bedeutenden Provinz, die sich auf der Achse Kabul-Kandahar befindet. Nach fünftägigen Zusammenstößen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen konnten letztere zurückgedrängt werden. Während der Kämpfe kamen ca. 100 Mitglieder der Sicherheitskräfte ums Leben und eine unbekannte Anzahl Zivilisten und Taliban (LIB 26.03.2019, S. 47 f.).
Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv und zeichnete im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia, auf die Mawoud-Akademie in Dasht-e Barchi/Kabul am 15.08.2018, auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi am 05.09.2018 sowie auf eine Demonstration gegen die Übergriffe der Taliban in Ghazni und Uruzgan am 12.11.2018 und auf das Kabuler Gefängnis Pul-i-Charkhi am 31.10.2018 verantwortlich (LIB 26.03.2019, S. 17, 29, 37). Der ISKP, auch IS, hat eine eingeschränkte territoriale Reichweite und diese Übergriffe stehen zumeist mit einer vorgeworfenen Solidarität mit dem Iran und der Bekämpfung des IS in Syrien in Zusammenhang (EASO Country Guidance Notes, Seite 61 und 62).
Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, das Personenstands- und Urkundenwesen in Afghanistan ist kaum entwickelt. Die lokalen Gemeinschaften verfügen über zahlreiche Informationen über die Familien in dem Gebiet und die Ältesten haben einen guten Überblick (LIB 26.03.2019, S. 346 f.).
Zur Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers - Kabul:
Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an Maidan Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (LIB 26.03.2019, S. 84). Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen (LIB 26.03.2019, S. 85).
Die Hauptstadt Kabul ist von öffentlichkeitswirksamen ("high-profile") Angriffen der Taliban und des IS betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 26.03.2019, S. 85). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul (LIB 26.03.2019, S. 63 und 85). Die Anschläge in Kabul finden hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter, auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen statt. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 26.03.2019, S. 63 ff.).
Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert. Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen (LIB 26.03.2019, S. 85 f.).
Zur Provinz Balkh und der Hauptstadt Mazar-e Sharif:
Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt. Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan] und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 26.03.2019, S. 102). Die Infrastruktur ist noch unzureichend, da viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, in schlechtem Zustand und in den Wintermonaten unpassierbar sind (LIB 26.03.2019, S. 103). Mazar-e Sharif ist jedoch grundsätzlich auf dem Straßenweg mittels Bus erreichbar, eine Fahrt kostet zwischen 400 und 1.000 Afghani (LIB 26.03.2019, S.258). In Mazar-e Sharif gibt es zudem einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt über den Luftweg von Kabul sicher zu erreichen ist (LIB 26.03.2019, S. 103 und 261). Der Flughafen befindet sich 9 km östlich der Stadt (EASO Country Guidance, Seite 102), die Verbindungsroute in die Stadt ist bei Tageslicht jedenfalls sicher (EASO Country Guidance, S. 29).
Die Provinz Balkh ist ethnisch heterogen, Tadschiken bilden die größte Gruppe, daneben leben auch Paschtunen, Usbeken, Hazara, Turkmenen und Araber in Balkh. Die Siedlungsgebiete sind entlang ethnischer Trennlinien angelegt (ACCORD, Afghanistan, Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018, 07.12.2018, S. 24).
Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften. Im Zeitraum 1.1.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (LIB 26.03.2019, S. 103 f.). Im Herbst 2018 wurde im Norden Afghanistans - darunter u.a. in der Provinz Balkh - eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden registriert; Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit (LIB 26.03.2019, S. 36).
Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen. Dabei werden Taliban getötet und manchmal auch ihre Anführer (LIB 26.03.2019, S. 104).
Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben. Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen. Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (LIB 26.03.2019, S. 105).
Die Versorgung mit Lebensmitteln erweist sich - wie im Rest von Afghanistan - als grundsätzlich gegeben (EASO Country Guidance, Seite 104), ist aber den Einflüssen von Wetterextremen wie der im Jahr 2018 herrschenden Dürre (UNHCR-Richtlinien 30.08.2018, Seite 35) ausgesetzt.
Zur Provinz Herat:
Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (LIB 26.03.2019, S. 139). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler, etwa 10 km außerhalb von Herat-Stadt (LIB 26.03.2019, S. 261) und ein militärischer in Shindand (LIB 26.03.2019, S. 139) , wobei die Verbindungsroute in die Stadt bei Tageslicht jedenfalls sicher ist (EASO Country Guidance, S. 29), und ein militärischer in Shindand. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken. Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion. Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz. Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (LIB 26.03.2019, S.139).
Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen Afghanistans gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (LIB 26.03.2019, S. 140). Es gibt interne Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen. Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (LIB 26.03.2019, S. 142).
Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (LIB 26.03.2019, S. 140).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37 % im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (LIB 26.03.2019, S. 140 f.).
In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien. Auch werden Luftangriffe verübt. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt. In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (LIB 26.03.2019, S. 141). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) zählt Herat neben den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar und Uruzgan zu den Provinzen Afghanistans, in welchen bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen stattfanden (LIB 26.03.2019, S. 16).
Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.03.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi von der Zerstörung und Beschädigung von Häusern infolge starker Regenfällen betroffen. Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der Herat (und die Provinz Badghis) am meisten betroffen war und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren) sie es weiterhin sind. In den beiden Provinzen wurden am 13.09.2018 ca. 266.000 IDPs (afghanische Binnenflüchtlinge) vertrieben; davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (LIB 26.03.2019, S. 12).
Die Versorgung mit Lebensmitteln erweist sich - wie im Rest von Afghanistan - als grundsätzlich gegeben (EASO Country Guidance, Seite 104), ist aber den Einflüssen von Wetterextremen wie der im Jahr 2018 herrschenden Dürre (UNHCR-Richtlinien, 30.08.2018, Seite 35) ausgesetzt.
Wirtschaft:
Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Dennoch ist das Land weiterhin arm und von Hilfeleistungen abhängig. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 26.03.2019, S. 353). Mehr als 60% der afghanischen Arbeitskräfte arbeiten im Landwirtschaftssektor, dieser stagniert. Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. 55% der afghanischen Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans ist nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 26.03.2019, S. 354, UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, Seite 19 und 20).
Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteils aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, S. 29 - 30).
Rückkehrer:
Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus dem Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kehrten mit Stand
21.3. 1.052 Personen aus den an Afghanistan angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (LIB 26.03.2019, S. 366).
Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 26.03.2019, S. 367 f.)
Die Organisationen IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden. Die internationale Organisation für Migration IOM bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an. Das Norwegian Refugee Council (NRC) bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an. Auch UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die Afghanistan Independent Human Rights Commission. Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben (LIB 26.03.2019, S. 369 f.). Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft. Seit 2016 erhalten Rückkehr/innen Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (LIB 26.03.2019, S. 370).
Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 26.03.2019, S. 370 f.).
Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 26.03.2019, S. 371).
Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 26.03.2019, S. 370 f.).
Zudem gibt es in Städten Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer, in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen, um dort eingelassen zu werden (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, S. 31).
Ethnische Minderheiten:
In Afghanistan leben mehr als 34.1 Millionen Menschen. Es sind ca. 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken (LIB 26.03.2019, S. 314). Pashtunen sind somit die größte Ethnie Afghanistans, Tadschiken die zweitgrößte (LIB 26.03.2019, S. 319). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten, wo diese mehrheitlich gesprochen werden, eingeräumt (LIB 26.03.2019, S. 315).
Religionen:
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben. Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert. Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (LIB 26.03.2019, S. 304 f.).
Apostaten, Konvertiten
Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie (LIB 26.03.2019, S. 304). Das Strafgesetzbuch ermöglicht den Gerichten jedoch Fälle, die weder im Strafgesetz noch in der Verfassung explizit erfasst sind, darunter Blasphemie, Apostasie und Konversion, gemäß dem Scharia-Recht der Hanafi-Rechtsschule und den sogenannten "hudud"-Gesetzen, die Vergehen gegen Gott umfassen würden, zu entscheiden (Anfragebeantwortung vom 01.06.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung soll jeder Konvertit drei Tage Zeit bekommen um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Für Männer gilt Enthauptung als angemessene Strafe, für Frauen lebenslange Haft. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken (LIB 26.03.2019, S. 305).
Die Situation von Apostaten, die hin zu einer anderen Religion konvertieren, ist eine andere als jene von Atheisten oder säkular eingestellten Personen. Mit dem Negieren bzw. Bezweifeln der Existenz Gottes würden keine Erwartungen an ein bestimmtes Verhalten im Alltag einhergehen. Eine Konversion zu einer Religion hingegen ist mit Verhaltensvorschriften, kirchlichen Traditionen und Ritualen zu verbinden, die schwieriger zu verbergen sind (Anfragebeantwortung vom 01.06.2017).
Für gebürtige Muslime ist ein Leben, ohne den Islam zu praktizieren oder sogar dann, wenn sie "Apostaten" bzw. "Konvertiten" sind, in der afghanischen Gesellschaft möglich. Solche Personen sind in Sicherheit, solange sie darüber Stillschweigen bewahren. Gefährlich wird es dann, wenn öffentlich bekannt werde, dass ein Muslim aufgehört habe, an die Prinzipien des Islam zu glauben (Anfragebeantwortung vom 01.06.2017). Eine Person wird nicht notwendigerweise als nichtgläubig angesehen, wenn sie nicht an religiösen Handlungen im öffentlichen Raum teilnimmt. Auch für strenggläubige Muslime kann es legitime Gründe geben religiösen Zeremonien fernzubleiben. Personen im städtischen Raum ist es möglich, auf Moscheebesuche oder das Fasten während des Ramadan zu verzichten. Es gibt auch Unterschiede je nach ethnischer und religiöser Gruppe. So haben Schiiten mehr Freiheit zu entscheiden, zu welchem Mullah sie gehen möchten und damit auch in Bezug auf die Frage, ob sie in die Moschee gehen wollen und gegebenenfalls in welche Moschee. Bei Sunniten werde in stärkerem Ausmaß erwartet, dass sie zumindest eines der fünf Gebete am Tag in einer Moschee verrichten (Anfragebeantwortung vom 01.06.2017).
Sofern sich Personen, die vom Islam abgefallen sind nicht auf Diskussionen einlassen, die den/ihren Glauben betreffen, welche zu sozialen Unruhen führen, werden staatliche Behörden keine Maßnahmen gegen sie setzen. Sollten sie aber soziale Probleme hervorrufen, indem sie sich auf Diskussionen einlassen, um ihren Abfall vom Glauben zu unterstützen, so werden die staatlichen Behörden ihnen das nicht erlauben und sie belangen (Anfragebeantwortung vom 12.07.2017, S. 4).
Abtrünnige haben weiterhin Zugang zu staatlichen Leistungen, denn es existiert kein Gesetz oder Gewohnheiten, die Leistungen für Abtrünnige durch den Staat aufheben oder einschränken (Anfragebeantwortung vom 12.07.2017, S. 5).
Wenn Konvertiten/Atheisten jedoch ihren Glauben veröffentlichen, wird der Staat aktiv, um Chaos und Unruhe zu vermeiden (Anfragebeantwortung vom 12.07.2017, S. 6). Im afghanischen Strafgesetzbuch existiert keine Definition von Apostasie (LIB 26.03.2019, S. 304).
Christen und Konversion zum Christentum
Die gesellschaftliche Einstellung gegenüber Christen ist offen feindlich. Christen werden gezwungen, ihren Glauben zu verheimlichen. Die Taliban haben ausländische Hilfsorganisationen und ihre Gebäude auf der Grundlage angegriffen, dass diese Zentren des christlichen Glaubens seien. Nichtmuslimische religiöse Gemeinschaften sind weiterhin von gesellschaftlicher Diskriminierung, Schikanierung und mitunter auch Gewalt betroffen (Anfragebeantwortung vom 01.06.2017).
Die Christen verlautbarten, dass die öffentliche Meinung gegenüber Missionierung feindlich ist. Es gibt keine öffentlichen Kirchen. Für christliche Afghan/innen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens (LIB 26.03.2019, S. 307). Die religiösen, kulturellen und gesellschaftlichen Beschränkungen, denen Christen in Afghanistan unterworfen sind, gestalten sich nicht anders als für andere Gruppen mit Meinungen, Weltansichten, politischen Überzeugungen und Glaubensvorstellungen, die als Abfall vom Islam wahrgenommen werden könnten. Ebenso wie Personen mit säkularen Ansichten, Atheisten und nichtgläubige Afghanen müssten auch Christen ständige Selbstzensur üben und könnten sich wegen drohender Angriffe nicht zu ihrem Verhältnis zum bzw. ihrer Sicht auf den Islam äußern (Anfragebeantwortung vom 01.06.2017).
Christliche Konvertiten werden vom Staat und von Behörden ganz normal wie andere Menschen behandelt. In den meisten Fällen versuchen die Behörden sie gegen die schlechte Behandlung durch die Gesellschaft zu unterstützen, zumindest um potentielles Chaos und Misshandlung zu vermeiden (Anfragebeantwortung vom 12.07.2017, S. 5).
Gemäß dem Gesetz haben alle Afghanen - gleich welchen Glaubens - dieselben Bürgerrechte und genießen alle Leistungen, die von staatlichen Behörden angeboten werden; keine staatliche Agentur oder Behörde fragt nach dem Glauben, bevor sie eine öffentliche Leistung anbietet. Damit werden alle Leistungen gleich sowohl an muslimische und als auch nicht muslimische Afghanen angeboten (Anfragebeantwortung vom 12.07.2017, S. 4).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und seinem Leben in Österreich:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Heimatprovinz, seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Muttersprache und zu seinem Familienstand gründen auf den gleichlautenden und daher glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren (BFA-Akt, AS 127; BVwG-Akt, OZ 18, Seiten 3 und 7).
Der im Spruch angeführte Name und das im Spruch wiedergegebene Geburtsdatum dienen mangels Vorlage eines originalen Identitätsnachweises lediglich zur Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei. Der Beschwerdeführer ist nach dem von ihm selbst angegebenen Geburtsdatum im Entscheidungszeitpunkt jedenfalls volljährig.
Die Feststellungen zum Umzug des Beschwerdeführers mit seiner Familie in den Iran im Kindesalter gründen ebenfalls auf dessen gleichlautenden Angaben im Verfahren (BFA-Akt, AS 129; BVwG-Akt, OZ 18, S. 7). Der Beschwerdeführer gab ebenfalls selbst an, dass er im Iran drei bis vier Jahre eine afghanische Schule besucht habe, in welcher "geheim" unterrichtet worden sei (BVwG-Akt, OZ 18, S. 7). Auch die Feststellungen zu seinen beruflichen Tätigkeiten im Iran gründen auf seinen Aussagen (BFA-Akt, AS 128 und 131).
Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich zweifelsfrei aus den im Verfahren vorgelegten Dokumenten (BFA-Akt, AS 135-151 und 333; BVwG-Akt, OZ 8, Beilagen ./1 und ./2) in Zusammenschau mit den vom Beschwerdeführer hierzu getätigten Angaben (BVwG-Akt, OZ 18, S. 18). Dass der Beschwerdeführer bereits über fortgeschrittene Deutschkenntnisse verfügt, ergab seine Einvernahme in der mündlichen Verhandlung. Hier konnte er die an ihn gerichteten Fragen teilweise auf Deutsch beantworten. Auch im Rahmen seiner Einvernahme vor dem BFA im Oktober 2017 wurde bereits festgehalten, dass der Beschwerdeführer sehr gut Deutsch spreche (BFA-Akt, AS 128).
Die Feststellung zum Aufenthaltsstatus des Bruders XXXX ergibt sich aus dem vorgelegten, rechtskräftigen Bescheid des BFA vom 07.03.2013 (BVwG-Akt, OZ 9). Die Feststellungen zu den rechtskräftigen Erkenntnissen der übrigen Familienmitglieder des Beschwerdeführers und zu deren jeweiligem Aufenthaltsstatus ergeben sich aus den Entscheidungen zu den oben angegebenen Verfahrenszahlen vom jeweils 18.07.2018 (BVwG-Akt, OZ 18, Beilage ./1).
Dass sowohl die Eltern des Beschwerdeführers als auch all seine Geschwister in Österreich leben, ergibt sich zweifelsfrei aus dem Verwaltungsakt. Dass der Beschwerdeführer mit seinen Eltern und einem Teil seiner Geschwister im gemeinsamen Haushalt lebt, ergibt eine Zusammenschau seiner Aussagen in der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2019. Zudem ist der eingeholten ZMR-Auskunft zweifelsfrei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer seit März 2019 an der Andresse seines Vaters gemeldet ist. Aus der ZMR-Auskunft geht zudem hervor, dass der Vater des Beschwerdeführers sein aktueller Unterkunftgeber ist. Dass sich der Beschwerdeführer in Grundversorgung befindet und nicht erwerbstätig ist, ergibt sich aus den eigeholten Speicherauszügen der GVS-Datenbank. Dass die Kosten für seine Unterbringung und Verpflegung jedoch nicht mehr von der staatlichen Grundversorgung getragen werden, ist ebenfalls dem Auszug aus der Datenbank zu entnehmen. Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung im Mai 2019 zudem selbst an, kein Geld mehr von der Grundversorgung zu bekommen, da seine Familie einen aufrechten Aufenthaltstitel in Österreich habe (BVwG-Akt, OZ 18, S. 8).
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers entspringen dessen eigenen Angaben. In der mündlichen Verhandlung im Mai 2019 erklärte er diesbezüglich, zwar aktuell einen Termin beim Zahnarzt aufgrund akuter Zahnschmerzen vereinbart zu haben, sich ansonsten aber nicht in medizinischer Behandlung zu befinden. Auch habe er eine Operation gehabt, dies sei aber alles wieder gut (BVwG-Akt, OZ 18, S. 5).
Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers in Österreich ergibt sich aus der eingeholten Strafregisterauskunft.
Dass der Beschwerdeführer getauft ist, ist dem vorgelegten Taufschein zu entnehmen (BVwG-Akt, OZ 11).
2.2. Zu den Feststellungen hinsichtlich des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers und seiner Rückkehrbefürchtungen:
Voranzustellen ist, dass es Aufgabe des Asylwerbers ist, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH 25.03.1999, 98/20/0559). Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes bzw. Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens - niederschriftlichen Einvernahmen - unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen, oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, 95/20/0650; vgl. auch Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2004/83/EG - StatusRL, ABl. L Nr. 304, 12, sowie Putzer, Leitfaden Asylrecht2, [2011], Rz 31). Kann ein Beschwerdeführer sein Vorbringen nicht durch Bescheinigungsmittel untermauern, ist es umso wichtiger, sein Vorbringen gleichbleibend, konkret und nachvollziehbar zu gestalten. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen jedenfalls für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007). Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem in mehreren Erkenntnissen betont, dass die Aussage des Asylwerbers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt und daher der persönliche Eindruck des Asylwerbers für die Bewertung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben von Wichtigkeit ist (VwGH 24.06.1999, 98/20/0453; VwGH 25.11.1999, 98/20/0357).
Im vorliegenden Verfahren hat der Beschwerdeführer zunächst in seiner Erstbefragung und sodann in einer ausführlichen Einvernahme vor dem BFA Gelegenheit gehabt, seine Fluchtgründe und Rückkehrbefürchtungen umfassend darzulegen. Die erkennende Richterin konnte zudem im Zuge der mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer gewinnen und sich von der Glaubwürdigkeit seines Vorbringens ein eigenes Bild machen.
Zudem ist im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Antragstellung nach dem von ihm angegebenen Geburtsdatum 17 Jahre alt und somit (mündiger) Minderjähriger war. Im Hinblick darauf bedarf es einer besonders sorgfältigen Beweiswürdigung bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens (vgl. etwa VwGH 24.09.2014, Ra 2014/19/0020, 16.04.2002, 2000/20/0200 und 14.12.2006, 2006/01/0362), zumal die Dichte dieses Vorbringens nicht mit "normalen Maßstäben" gemessen werden darf und das Alter sowie der Entwicklungsstand des Minderjährigen in die Bewertung eines Vorbringens mitaufzunehmen sind (vgl. dazu auch UNHCR-Richtlinien zum Internationalen Schutz Nr. 8 - Asylanträge von Kindern vom 22.12.2009, Rz 4). Im Zeitpunkt seiner Einvernahme vor dem BFA im Oktober 2017 sowie an den beiden Verhandlungstagen vor dem Bundesverwaltungsgericht im Mai 2018 und insbesondere im Mai 2019 war der Beschwerdeführer aber nach dem von ihm angegebenen Geburtsdatum jedenfalls bereits volljährig. Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist unter diesen Gesichtspunkten zu würdigen und ist hierzu Folgendes auszuführen:
In der Erstbefragung im September 2015 gab er zu seinem Fluchtgrund an, dass seine Eltern Afghanistan wegen des Krieges verlassen hätten. Er sei im Iran aufgewachsen, wo er Diskriminierungen und Misshandlungen ausgesetzt gewesen sei. Da er keine andere Lösung gesehen habe, sei er weggegangen, sein Vater sei 2005 verstorben (BFA-Akt, AS 27 und 33). Zu allfälligen Rückkehrbefürchtungen befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass die Sicherheitslage in Afghanistan sehr schlecht sei. Zudem befürchte er, dort wieder keine Rechte zu haben (BFA-Akt, AS 33). Mit diesem Vorbringen machte der Beschwerdeführer somit bei erster Gelegenheit zur Darlegung seiner Fluchtgründe keine individuelle Verfolgung seiner Person in seinem Herkunftsstaat geltend. Dabei wird - auch unter Berücksichtigung der damaligen Minderjährigkeit des Beschwerdeführers - nicht verkannt, dass sich die Angaben in der Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen haben (vgl. VfGH 20.02.2014, U 1919/2013 ua; 27.06.2012, U 98/12). Ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss vielmehr den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden (so schon VwGH 08.04.1987, 85/01/0299), weil es der Lebenserfahrung entspricht, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261 mwN).
Erklärt der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vor dem BFA im Oktober 2017 sodann, dass seine Eltern Afghanistan aufgrund einer (nach wie vor bestehenden) persönlichen Feindschaft zum Cousin seiner Mutter verlassen hätten und der Beschwerdeführer aus diesem Grund nicht in seinen Herkunftsstaat zurück könne (BFA-Akt, AS 129 und 131), hat er hiermit sein ursprüngliches Vorbringen aus der Erstbefragung nicht nur modifiziert, sondern - im Hinblick auf eine nunmehr behauptete individuelle Bedrohung seiner Person - auch gesteigert. Bereits aus diesem Grund ist dieses Vorbringen als unglaubwürdig zu betrachten. Auch der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass ein gesteigertes Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert werden kann. Denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250).
Zudem fällt auf, dass der Beschwerdeführer dieses Vorbringen in einem Zeitpunkt, nämlich im Oktober 2017, erstattet hat, als auch bereits seine nach ihm eingereisten Eltern in Österreich Anträge auf internationalen Schutz gestellt und diese sowohl in ihrer Erstbefragung im Oktober 2015 als auch in ihrer Einvernahme im Juli 2017 (unter anderem) auf eine Feindschaft mit dem Cousin der Mutter des Beschwerdeführers gestützt haben. Dies erweckt den Anschein, als habe der Beschwerdeführer sein Vorbringen im Nachhinein an jenes seiner übrigen Familienangehörigen angepasst. Der Beschwerdeführer gab an, keine Erinnerungen an diese Zeit zu haben, sein Vater hätte ihm aber von "diesen Problemen" erzählt (BVwG-Akt, OZ 18, S. 9). Die von den Eltern des Beschwerdeführers in ihren Verfahren behauptete Verfolgung in Afghanistan durch den Cousin seiner Mutter hat sich jedoch als nicht glaubwürdig erwiesen, insbesondere da die Aussagen des Vaters und der Mutter des Beschwerdeführers widersprüchlich waren (vgl. dazu BVwG, 18.07.2018, W200 2169909-1 ua., Punkt II.2.; OZ 18, Beilage ./2). Dieses Vorbringen konnte daher auch im Hinblick auf eine Verfolgung des Beschwerdeführers als nicht glaubwürdig erachtete werden.
Auch die erstmals in der Beschwerde vorgebrachte Konversion konnte nicht zugrunde gelegt werden, dies aus den folgenden Erwägungen:
Zunächst ist diesbezüglich festzuhalten, dass der Beschwerdeführer sowohl in seiner Erstbefragung als auch in seiner Einvernahme vor dem BFA angab, sunnitischer Moslem zu sein (BFA-Akt, AS 23 und 127). Vor dem BFA erklärte er zudem, nie Probleme aufgrund seines Religionsbekenntnisses gehabt zu haben (BFA-Akt, AS 131). Zugleich erwähnte er hier, dass einer seiner Brüder bereits zum Christentum konvertiert sei und sein anderer Bruder ebenfalls konvertieren wolle (BFA-Akt, AS 131). Ein eigenes Interesse am Christentum erwähnte der Beschwerdeführer nicht. In der Beschwerde wird sodann vorgebracht, dass nun auch der Beschwerdeführer ein eigenes Interesse am christlichen Glauben hege und wöchentlich die Kirche besuche. Am 30.06.2018 wurde der Beschwerdeführer schließlich von der römisch-katholischen Kirche getauft, wie der vorgelegte Taufschein bezeugt (BVwG-Akt, OZ 11).
Dem Beschwerdeführer wurde im Rahmen der (fortgesetzten) mündlichen Verhandlung im Mai 2019 - sohin knapp ein Jahr nach seiner Taufe im Juni 2018 - Gelegenheit gegeben, seine innere Überzeugung vom christlichen Glauben darzulegen. Zum Beweis seines inneren Bekenntnisses beantragte der Beschwerdeführer die Einvernahme der von ihm namhaft gemachten Zeugen, nämlich eines Pfarrers und einer Ordensschwester. Der als Zeuge geladene Pfarrer ist zur fortgesetzten Verhandlun