Entscheidungsdatum
11.06.2019Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
W175 2151770-2/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Neumann als Einzelrichter über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.06.2019,
Zahl: 1071704801-190515096, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geboren am XXXX ,
Staatsangehörigkeit Afghanistan:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 nicht rechtmäßig. Der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.06.2019, Zahl:
1071704801-190515096, wird aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 02.06.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet. Dazu wurde er am selben Tag einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen. Hierbei gab der BF zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er aufgrund seines Geschäftspartners Probleme mit den Taliban bekommen hätte.
2. Am 15.09.2016 gab der BF bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) an, er habe gemeinsam mit einem Partner ein Geschäft besessen, in dem auch Dorfpolizisten verkehrt hätten. Die Taliban hätten den BF entführt und ihm Kontakte zur Regierung, Drogen- und Alkoholschmuggel vorgeworfen. Bei einem Angriff auf den Talibanstützpunkt sei dem BF die Flucht gelungen.
3. Mit dem Bescheid des BFA vom 10.03.2017, Zahl:
1071704801-150600272, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gegen den BF wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Unter Spruchpunkt IV. wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Dagegen erhob der BF fristgerecht vollumfängliche Beschwerde. Dem BF drohe wegen seiner unterstellten regierungsfreundlichen Gesinnung und wegen unislamischen Verhaltens (unterstellte Beschaffung von Alkohol und Drogen) durch die Taliban sowie aufgrund seiner Zugehörigkeit zu den schiitischen Hazara Verfolgung in Afghanistan.
4. Am 30.05.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eine mündliche Verhandlung durch, an welcher der BF als Partei und sein Rechtsvertreter teilnahmen, und der BF im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari einvernommen und zu seinen Angaben befragt wurde. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.
Mit Schriftsatz vom 11.06.2018 wurde vorgebracht, dass der BF im Falle der Rückkehr nach Afghanistan aufgrund von in seiner Person gelegenen Umständen, insbesondere aufgrund seines psychischen Gesundheitszustandes einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt sei.
Mit Beschluss des BVwG vom 26.07.2018 wurde ein Sachverständiger aus dem Fachgebiet Psychiatrie und Neurologie zur schriftlichen Gutachtenserstellung bestellt. Gemäß dem erstatteten neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 31.08.2018 war keine suizidale Einengung beim BF feststellbar. Zudem sei der BF in der Lage, sich ohne fremde Hilfe Unterkunft, Verpflegung und medizinische Betreuung zu verschaffen und sich in einer fremden Stadt zu orientieren.
6. Mit rechtskräftigem Erkenntnis des BVwG vom 20.12.2018, Zahl:
W251 2151770-1/28E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Festgehalten wurde, dass der volljährige BF Staatsangehöriger von Afghanistan sei. Er gehöre der Volksgruppe der Hazara an und bekenne sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam.
Der BF stamme aus der Provinz Ghazni, Distrikt Karabagh und sei dort gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern aufgewachsen. Er habe drei Jahre die Schule besucht und bei der Viehzucht seines Vaters mitgeholfen. Weiters habe er gemeinsam mit einem Geschäftspartner ca. drei Jahre lang ein Lebensmittelgeschäft betrieben. 2013 sei er in den Iran gereist wo er als Steinmetz gearbeitet habe.
Die Eltern des BF, seine beiden Geschwister sowie seine Ehefrau lebten nach wie vor in seinem Heimatdorf in einem Eigentumshaus, es bestehe regelmäßig Kontakt zum BF.
Der BF weise ein subdepressives, affektlabiles Zustandsbild ohne Krankheitswert bei Zustand nach Anpassungsstörung (F 43.2) auf, er leide an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten und sei arbeitsfähig.
Der BF sei weder von den Taliban entführt noch festgehalten oder zur Zusammenarbeit aufgefordert oder von ihnen beschuldigt worden, mit den örtlichen Dorfpolizisten zusammenzuarbeiten. Weder er noch seine Familie seien von den Taliban konkret bedroht worden. Das Verhältnis zu seinem ehemaligen Geschäftspartner sei einvernehmlich aufgelöst worden, der BF sei von seinem ehemaligen Geschäftspartner weder erpresst noch bedroht worden.
Der BF habe in Afghanistan selber keine konkret und individuell gegen ihn gerichteten Probleme aufgrund seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit zu den schiitischen Hazara.
Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG vom BF gewonnenen persönlichen Eindrucks wurde festgehalten, dass das Fluchtvorbringen des BF vom erkennenden Gericht als nicht glaubhaft erachtet wurde, weshalb auch nicht anzunehmen gewesen sei, dass der BF aufgrund seiner Zugehörigkeit zu den schiitischen Hazara konkreten Problemen durch die Taliban ausgesetzt gewesen sei. Das Vorbringen des BF wurde als widersprüchlich und unplausiblen angesehen.
Aus den dargelegten Gründen konnte der BF somit keine konkrete individuelle Verfolgung seiner Person glaubhaft machen, beziehungsweise dass er einer solchen im Falle seiner Rückkehr ausgesetzt wäre.
Dem BF könne bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Ghazni aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen. Es sei ihm jedoch möglich und zumutbar, sich in der Stadt Mazar-e Sharif anzusiedeln, wo er grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen könne, ohne in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation zu geraten. Der BF sei mit den Gepflogenheiten in Afghanistan vertraut und anpassungsfähig. Er könne zumindest anfänglich mit finanzieller Unterstützung seiner Familie rechnen und dann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen.
7. Am 21.05.2019 stellte der BF den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz und gab im Rahmen der Erstbefragung am selben Tag an, dass er in den letzten Jahren seine Religion gewechselt habe. Er habe mit dem Pfarrer seiner Heimatgemeinde laufenden Kontakt und mache derzeit eine Ausbildung als Gastronomiefachmann. Die in Afghanistan bestehenden Fluchtgründe seien noch immer aufrecht.
8. Bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 05.06.2019 gab der BF an, er stehe in einem Lehrverhältnis und könne nach Beendigung im Betrieb weiterarbeiten. Weiters helfe er seit etwa vier Jahren freiwillig in der Kirche aus. Vor etwa zwei Monaten habe er sich zu einer Konversion zum Christentum entschieden und begonnen, einen Taufkurs zu besuchen. Zuvor sei er sich nicht sicher gewesen. Er besuche nun regelmäßig die evangelische Kirche. Dem BF wurden inhaltliche Fragen gestellt.
Seine Eltern würden sich derzeit im Iran aufhalten, er habe ihnen vor zwei Monaten von seinem Beschluss erzählt, in den beiden Monaten zuvor habe er ihnen von seinem Interesse am Christentum erzählt. Auf die Frage, ob er in Afghanistan das Christentum ausüben würde meinte der BF, dass er das nicht könne, man werde deswegen gesteinigt. Den Glauben zu wechseln, bedeute ein Todesurteil.
Im Anschluss an die Einvernahme wurde mit mündlich verkündetem Bescheid vom 05.06.2019 gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG 2005 den BF betreffend aufgehoben.
Dass der BF - wie angeführt - am 16.04.2019 im Zuge der Dublin III-VO von Frankreich zurückgenommen werden musste, erschließt sich nicht aus dem Akt.
Es wurde unter anderem die Feststellung getroffen, dass die neu angeführten Gründe nicht glaubwürdig seien. Der maßgebliche Sachverhalt habe sich seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert. Er habe im Erstverfahren eine Verfolgung durch die Taliban angegeben und gemeint, dass diese noch bestünde. Nunmehr habe er angegeben, dass er in den letzten Jahren die Religion gewechselt habe und nun Angst habe, getötet zu werden.
Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass der BF lediglich über oberflächliches Wissen das Christentum betreffend verfüge. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb er der evangelischen Gemeinde angehören wolle, wenn er seit mehr als drei Jahren bei der katholischen Kirche freiwillig arbeite. Er schildere eher teilnahmslos und sei wenig glaubhaft, die beigelegten Schreiben würden Gefälligkeitsschreiben sein. Von einem inneren Glaubenswechsel konnte er nicht überzeugen, da er nicht entschlossen sei, seinen Glauben bei einer Rückkehr nach Afghanistan öffentlich zur Schau zu tragen. Außer den Eltern habe er niemandem etwas mitgeteilt und diese würden im Iran leben. Das Christentum sei kein wesentlicher Bestandteil seiner Person.
Der bezughabende Verwaltungsakt ist am 11.06.2018 bei der zuständigen Gerichtsabteilung eingelangt und am selben Tag erging die Mitteilung gemäß § 22 Abs. 2 BFA- VG.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der BF führt den im Spruch ersichtlichen Namen, ist Staatsangehöriger von Afghanistan und gehört der Volksgruppe der Hazara an.
Das vom BF initiierte erste Asylverfahren wurde mit Entscheidung des BVwG vom 20.12.2018, Zahl: W251 2151770-1/28E, rechtskräftig negativ abgeschlossen. Der Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 3 Abs 1 AsylG abgewiesen, subsidiärer Schutz wurde in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG nicht eingeräumt und wurde dem BF letztlich kein Aufenthaltstitel gewährt und eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung erlassen.
Der BF ist seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen.
Der BF stellte in Folge am 21.05.2019 einen neuerlichen (den gegenständlichen) Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen einerseits damit, dass die Fluchtgründe, die er im ersten Verfahren dargelegt hatte nach wie vor bestehen würden. Neu und somit erstmals gab der BF an, er habe vor zwei Monaten beschlossen zum Christentum zu konvertieren, womit er sich in den letzten vier Jahren in Österreich auseinandergesetzt habe. Er besuche einen Taufkurs und habe dies seine Eltern bereits erzählt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohe ihm deshalb die Todesstrafe.
Der BF absolviert seit April 2018 eine Lehre als Gastronomiefachmann, eine Einstellungszusage des Lehrherrn liegt vor. Er arbeitet ehrenamtlich im Jugendzentrum seiner Heimatgemeinde und steht als Dolmetscher zur Verfügung. Einem Schreiben der Internationalen Baptistengemeinde vom 18.03.2019 ist zu entnehmen, dass sich der BF drei Jahre bei der katholischen Pfarrgemeinde mit dem Christentum beschäftigt habe. Auch die Baptistengemeinde kenne ihn seit vier Jahren. Er lese im Internet die Bibel und habe sich schon lange vor der Einvernahme durch das BFA mit dem Christentum beschäftigt. Er werde nun in Kürze an einem Taufkurs teilnehmen. Auch der Diakon des katholischen Pfarramtes beschreibt einen mehrjährigen engen Kontakt zum BF.
Eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation ist nicht eingetreten.
2. Beweiswürdigung:
Die Sachverhaltsfeststellungen zur Person des BF und zur Situation in Afghanistan ergeben sich aus der Aktenlage. Die den BF betreffende Sicherheitslage im Herkunftsstaat wurde eingehend im rechtskräftig entschiedenen Verfahren erörtert und abgewogen. Auch eine für den BF gegenständliche relevante Änderung an der Situation in seiner Heimat kann anhand der vorliegenden Informationen nicht festgestellt werden.
In seinem vorangegangenen Verfahren gab der BF als Fluchtgrund eine Verfolgung durch Taliban an. Im gegenständlichen Folgeverfahren gibt der BF an, dass er zum Christentum konvertieren wolle, mit dem er sich in den letzten Jahren in Österreich beschäftigt habe und legte Schreiben der katholischen Pfarre und der Baptistengemeinde vor. Die Feststellungen ergeben sich aus den diesbezüglich eindeutigen und gleichbleibenden Angaben des BF im gegenständlichen Verfahren sowie aus den besagten Schreiben.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Weder das AsylG noch das FPG sehen eine Entscheidung durch Senate vor, sodass das BVwG den gegenständlichen Beschwerdefall durch Einzelrichter zu entscheiden hat.
3.2. Zur anzuwendenden Rechtslage:
3.2.1. § 12a Abs. 1 und 2 sowie § 22 Abs. 10 Asylgesetz lauten
"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen
§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn
1.-gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,
2.-kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,
3.-im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und
4.-eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.
(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1.-gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2.-der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3.-die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Entscheidungen
§ 22. (10) Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.
3.2.2. § 22 BFA-Verfahrensgesetz lautet:
"Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes
§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."
Zu Spruchpunkt A):
Da sich aus dem Akteninhalt nicht ergibt, dass der BF das Bundesgebiet seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung verlassen hat, ist die zuletzt vom BVwG erlassene Rückkehrentscheidung nach wie vor aufrecht.
Eine der Voraussetzungen für die Aberkennung faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005, dass "der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist". Es ist also eine Prognose darüber zu treffen, ob der Antrag voraussichtlich (insbesondere wegen entschiedener Sache) zurückzuweisen sein wird.
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes kann freilich dazu führen, dass der Asylwerber vor der inhaltlichen Entscheidung über den Antrag außer Landes gebracht wird und dass dies unter Umständen mit Folgen verbunden ist, vor denen das Asylrecht gerade schützen will. An eine solche Prognose sind daher strengere Maßstäbe anzulegen als in vergleichbaren Fällen (etwa der Beschleunigung eines Verfahrens gemäß § 27 Abs. 4 AsylG auf Grund der irrigen Prognose, der Asylantrag werde abzuweisen sein) (vgl. zuletzt den hg. Beschluss vom 27.10.2016, GZ W163 2137550-2).
§ 12a Abs. 2 Z 2 AsylG verlangt eine Prognoseentscheidung über eine vorausssichtliche Antragszurückweisung; die Sachentscheidung über den Folgeantrag selbst ist nicht Gegenstand des Verfahrens (vgl. die in Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, S 284, angeführten Gesetzesmaterialien zu § 22BFA-VG).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:
a) In seinem vorangegangenen Verfahren gab der BF als Fluchtgrund an, er werde von den Taliban verfolgt, da man ihm Regierungsnähe, Drogen- und Alkoholschmuggel vorwerfe. Er habe sich nur durch Flucht der Gefangenschaft durch die Taliban entziehen können. Im Falle der Rückkehr drohe ihm erneut Verfolgung. Den diesbezüglichen Angaben des BF wurde im Verfahren vor dem BVwG die Glaubhaftigkeit abgesprochen.
b) Im gegenständlichen Verfahren brachte der BF neu vor, es drohe ihm Verfolgung, weil er sich seit seinem Aufenthalt in Österreich mit dem Christentum beschäftige und nunmehr bereit sei, zu konvertieren. Seit kurzem besuche er einen Taufkurs, welcher aktuell nicht belegt ist. Zur Glaubhaftmachung legte er Schreiben der Baptistengemeinde und der katholischen Pfarre vor, die ihm zumindest eine mehrjährige Beschäftigung mit der Kirchengemeinde und den baldigen Beginn des Taufkurses bescheinigen. Er beantwortete die gestellten inhaltlichen Fragen zum Christentum (nach Ansicht des BFA nicht ausreichend). Er habe seine Eltern mitgeteilt, dass er beabsichtige zu konvertieren, was vom BFA nicht als unglaubhaft gewertet wurde, womit eine gewisse Außenwirkung zu überlegen wäre. Dass der BF die Frage, ob er das Christentum in Afghanistan ausüben werde, mit dem Hinweis auf die Todesstrafe bei Glaubensabfall verneint, kann allein nicht als ausreichende Grundlage für mangelnde Entschlossenheit, nach dem christlichen Glauben zu leben, gewertet werden.
Das Vorbringen per se und die vorgelegten Unterlagen weisen darauf hin, dass ein entscheidungsrelevanter geänderter Sachverhalt eine mögliche Verfolgung im Heimatland aus GFK-relevanten Gründen betreffend vorliegen könnte.
§ 12a Abs. 2 Z 2 AsylG verlangt eine Prognoseentscheidung über eine voraussichtliche Antragszurückweisung; die Sachentscheidung über den Folgeantrag selbst ist nicht Gegenstand des Verfahrens.
Im Lichte der aufgezeigten Erwägungen kann derzeit nicht hinreichend zuverlässig davon ausgegangen werden, dass der vorliegende Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird. Somit ist jedenfalls eine der drei Voraussetzungen, unter denen der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben werden darf, derzeit nicht erfüllt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Mit Aufhebung des vorliegenden Bescheides kommt dem AW faktischer Abschiebeschutz iSd § 12 Abs. 1 AsylG zu.
Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an eine Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Da die in der vorliegenden Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen klar sind und keiner Auslegung bedürfen, geht das BVwG nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aus.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz -European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W175.2151770.2.00Zuletzt aktualisiert am
02.09.2019