TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/17 W102 2175976-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.06.2019
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Entscheidungsdatum

17.06.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W102 2175976-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. am XXXX (alias XXXX ), StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, Außenstelle Graz, vom 04.10.2017, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.09.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I.

I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG 2005 hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis IV. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan erteilt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis zum 17.06.2020 erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Afghanen, reiste damals minderjährig unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 08.11.2015 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 09.11.2015 gab der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, sein Vater sei sechs Jahre zuvor - er habe als Taxifahrer gearbeitet - von den Taliban geschnappt worden und seither verschollen. Sein Bruder habe in Kabul eineinhalb Jahre als Polizist gearbeitet und deshalb Probleme mit den Taliban.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 04.07.2017 führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass sein Vater sechs Jahre zuvor von den Taliban entführt worden und seither verschollen sei. Danach hätten sich Männer bei ihnen gemeldet und er sei auch von unbekannten Männern geschlagen worden. Er habe für die Regierung gearbeitet. Der ältere Bruder habe bei der Polizei gearbeitet, weswegen die Familie von den Taliban bedroht worden sei. Deshalb seien sie in den Iran ausgereist. Von dort sei der Beschwerdeführer ausgereist, weil er nicht nach Afghanistan abgeschoben habe werden wollen.

Am 18.07.2017 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde ein, in der ausgeführt wird, dem Beschwerdeführer drohe Verfolgung wegen Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe seiner Familie. Er habe im Herkunftsstaat kein soziales Netzwerk. Auch wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit drohe dem Beschwerdeführer Verfolgung.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 04.10.2017, zugestellt am 05.10.2017, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe eine konkrete und persönliche Bedrohung nicht angegeben und lediglich die allgemeine Problematik der afghanischen Minderheit der Hazara erwähnt. Das Vorbringen zur Talibanverfolgung wegen der Tätigkeit von Vater und Bruder sei wenig detailreich und nicht plausibel.

3. Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.10.2017 richtet sich die am 02.11.2017 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde, in der ausgeführt wird, das Vorbringen sei glaubhaft, der Beschwerdeführer habe psychische Probleme. Ihm drohe auch wegen seiner westlichen Lebensweise Verfolgung. Im Rückkehrfall habe der Beschwerdeführer keine Existenzgrundlage.

Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 04.09.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen, er werde wegen der Tätigkeit von Vater und Bruder von den Taliban verfolgt, im Wesentlichen aufrecht.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

* Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse

* Konvolut medizinischer Unterlagen

* Mehrere Empfehlungsschreiben

* Teilnahmebestätigungen für verschiedene Bildungsangebote

* Integrationsprüfungszeugnis A1 des ÖIF vom 04.07.2018

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, spätestens geboren am XXXX in Kabul und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.

Der Beschwerdeführer ist psychisch erkrankt (Sonstige Reaktionen auf schwere Belastung, F43.8 nach ICD-10).

2017 wurde der Beschwerdeführer aufgrund einer suizidalen Krise und selbstverletzendem Verhalten stationär aufgenommen und in der Folge ambulant behandelt. Seither nimmt er täglich Medikamente (aktuell Sertralin, Mirtazapin) ein und besucht wöchentlich eine Psychotherapie.

Mit Urteil des Bezirksgerichts Graz-West vom 26.09.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt.

Die Familie des Beschwerdeführers zog als dieser etwa drei Jahre alt war in den nach Bihsud, Provinz Maidan Wardak. Als der Beschwerdeführer 11 Jahre alt war, reiste die Familie in den Iran aus.

Seither ist der Beschwerdeführer nicht mehr in den Herkunftsstaat zurückgekehrt.

Die Familie des Beschwerdeführers bestehend aus seinem älteren volljährigen Bruder, drei minderjährigen Brüdern und zwei minderjährigen Schwestern, sind unbekannten Aufenthalts. Zuletzt waren sie im Iran aufhältig. Den Kontakt zur Familie hat der Beschwerdeführer auf der Reise nach Europa verloren.

Der Vater des Beschwerdeführers ist verschollen.

Der Beschwerdeführer hat im Herkunftsstaat nie die Schule besucht. Er arbeitete als Teppichknüpfer und Autowäscher. Im Iran war der Beschwerdeführer als Steinmetz auf Baustellen tätig.

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder Bekannten in Afghanistan.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Eine konkrete und individuelle Bedrohung des Beschwerdeführers von Seiten der Taliban wegen der Tätigkeit des Vaters oder des Bruders kann nicht festgestellt werden.

Dem Beschwerdeführer drohen im Fall der Rückkehr keine Übergriffe durch Private oder staatliche Stellen wegen seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit oder wegen seines "westlichen Lebensstils".

1.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat

Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.

Maidan Wardak zählt zu den volatilen Provinzen Afghanistans mit Aktivitäten bewaffneter Aufständischer in unterschiedlichen Distrikten. Es werden groß angelegten militärische Operationen durchgeführt, Aufständische getötet und festgenommen. Auch Luftangriffe werden durchgeführt und es kommt zu Zusammenstößen zwischen Regierungstruppen und Aufständischen.

Im Fall einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz droht ihm die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Die Provinzen Balkh und Herat gehören zu den friedlichsten Provinzen Afghanistans und sind vom Konflikt relativ wenig betroffen. Insbesondere Balkh gehört zu den stabilsten Provinzen Afghanistans mit im Vergleich zu anderen Provinzen geringen Aktivitäten von Aufständischen. Die Provinz Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen Afghanistans. Sie verzeichnet Aktivitäten von Aufständischen in einigen Distrikten. Die Städte Mazar-e-Sharif in Balkh und Herat in der Provinz Herat stehen unter Regierungskontrolle.

Für den Fall einer Niederlassung des Beschwerdeführers in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat kann nicht festgestellt werden, dass diesem die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Dem Beschwerdeführer wäre es im Fall einer Niederlassung in Mazar-e Sharif und Herat nicht möglich, Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härte zu führen, so wie es auch seine Landsleute führen können. Im Fall einer dortigen Ansiedlung liefe er Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Unterkunft und Kleidung nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten. Insbesondere die Behandlung seiner psychischen Erkrankung wäre nicht gewährleistet.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zu Identität, Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionsangehörigkeit und Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen gleichbleibenden Angaben im Verfahren. Das Geburtsdatum wurde dem gerichtsmedizinischen Gutachten zur Altersschätzung vom 01.03.2016 folgend festgestellt (Untersuchungsdatum zuzüglich Mindestalter im Untersuchungszeitpunkt), wobei der Beschwerdeführer befragt zum Geburtsdatum in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 04.07.2017 angibt, er wisse das Datum nicht genau. Seine Mutter habe ihm im Jahr 2015, als er nach Europa habe kommen wollen, gesagt, er sei 15 Jahre alt (S. 3, AS 183). Damit ist das Ergebnis des Gutachtens vereinbar. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Kabul geboren wurde, beruht auf seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 04.09.2018 , wobei auch in der Erstbefragung bereits Kabul als Geburtsort protokolliert wurde und der Beschwerdeführer dem widersprechende Angaben auch in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde nicht gemacht hat, wo er nur angibt, in Afghanistan geboren worden zu sein und diesbezüglich näher nicht befragt wird.

Die Feststellungen zur Erkrankung des Beschwerdeführers ergibt sich aus den diese betreffenden laufend vorgelegten medizinischen Unterlagen.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden Protokoll- und Urteilsvermerk des Bezirksgerichts Graz-West sowie dem aktuellen im Akt einliegenden Strafregisterauszug, dem weitere Verurteilungen im Übrigen nicht zu entnehmen sind.

Die Feststellung zum Umzug des Beschwerdeführers im Alter von etwa drei Jahren nach Maidan Wardak ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 04.09.2018. Zwar ist in der Erstbefragung mehrfach protokolliert, der Beschwerdeführer habe in Kabul gelebt. Auffallend ist jedoch, dass hierbei stets (vier Mal) die genau gleiche Formulierung verwendet wird. Auch gab der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme an, zuletzt in einem Dorf in Beshud gelebt zu haben, ohne, dass die belangte Behörde in daraufhin näher zu seinem Lebenswandel befragt hätte. Weiter lässt sich dem Erstbefragungsprotokoll im Allgemeinen nicht entnehmen, welche Fragen gestellt wurden. Die Erzählung des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung dagegen war stringent und lebhaft vorgetragen und weswegen das Bundesverwaltungsgericht die entsprechenden Feststellungen zum Lebenswandel festgestellt hat. Die Feststellung zur Ausreise in den Iran im Alter von elf Jahren beruht auf den gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers.

Dass der Beschwerdeführer nicht mehr in den Herkunftsstaat zurückgekehrt ist, wurde seinen gleichbleibenden, plausiblen Angaben folgend festgestellt.

Die Feststellung zum unbekannten Aufenthalt der Familie des Beschwerdeführers basiert auf dessen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 04.09.2018, wo er sichtlich bewegt und verzweifelt erzählte, wie es dazu kam, dass er den Kontakt zu seiner Familie verloren hat (Verhandlungsprotokoll S. 4).

Dass der Vater des Beschwerdeführers verschollen ist, beruht auf den gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren.

Dass der Beschwerdeführer nie eine Schule besucht hat sowie seine Berufserfahrung im Herkunftsstaat und im Iran beruht auf den durchgehenden Angaben im gesamten Verfahren.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keine Verwandten oder Bekannten in Afghanistan hat, beruht auf seinen im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben. Weiter sei angemerkt, dass auch im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 26.03.2019 (in der Folge: Länderinformationsblatt) eingeräumt wird, dass eine Ausnahme vom üblicherweise Vorhandensein familiärer Netzwerke jene Fälle darstellen, deren Netzwerke in den Iran oder Pakistan verlagert sind (Kapitel 23. Rückkehr, Abschnitt Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen).

2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Zur behaupteten Talibanbedrohung aufgrund des Vaters und des Bruders kann der Beschwerdeführer im Wesentlichen keine Angaben machen. Er beschränkt sich in seinem Vorbringen bezüglich des Bruders darauf, dass dieser Polizist gewesen und die Familie deshalb bedroht worden sei, kann aber von keinem konkreten Ereignis erzählen und keinerlei Details nennen, wie eine solche Bedrohung stattgefunden hat. Zum Verschwinden des Vaters gibt der Beschwerdeführer an, der Vater sei eines nachts nicht von der Arbeit heimgekehrt, wobei er selbst die Angabe, die Taliban hätten ihn entführt, als bloße Vermutung formuliert. Befragt zu einer konkreten und individuellen Bedrohung gibt der Beschwerdeführer an, er sei von unbekannten Männern geschlagen worden. Wiederum erschöpft sich die Schilderung des Ereignisses in diesen allgemeinen Angaben, ohne jede Tiefe oder detaillierte Beschreibung.

Zwar ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine besondere Berücksichtigung der Minderjährigkeit eines Asylwerbers bei der Beweiswürdigung und Beurteilung der Art und Weise des erstatteten Vorbringens zu den Fluchtgründen erforderlich. Insbesondere ist die Dichte des Vorbringens nicht mit "normalen Maßstäben" zu messen und muss aus der Entscheidung erkennbar sein, dass darauf und auch auf den Blickwinkel, aus dem die Schilderung der Fluchtgründe erfolgt, Bedacht genommen wurde. Demnach bedarf es zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Minderjährigen einer besonders sorgfältigen Beweiswürdigung (zuletzt VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0150 mwN). Das Bundesverwaltungsgericht übersieht auch nicht, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Ausreise noch ein Kind im Alter von etwa elf Jahren war. Allerdings wäre dennoch zu erwarten, dass er eine Situation, in der er geschlagen worden ist, in irgendeiner Weise schildern kann und sich nicht lediglich auf die Aussage beschränkt, von unbekannten Männern geschlagen worden zu sein, die auf Motorrädern gekommen sind.

Damit sind die Angaben des Beschwerdeführers zur Talibanverfolgung vage und nicht substantiiert und konnte der Beschwerdeführer eine ihn betreffende individuelle Bedrohung nicht glaubhaft machen, weswegen eine entsprechende Feststellung getroffen wurde.

Zur behaupteten Verfolgungsgefahr wegen der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Volksgruppe der Hazara sowie zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam ist zunächst auszuführen, dass der Beschwerdeführer, keine individuelle und konkrete diesbezügliche Bedrohung geschildert hat.

Zur allgemeinen Situation von Schiiten bzw. Hazara im Herkunftsstaat ist zunächst auszuführen, dass die schiitische Religionszugehörigkeit dem Länderinformationsblatt zufolge wesentlich zum ethnischen Selbstverständnis der Hazara zählt (Länderinformationsblatt, Kapitel 16. Ethnische Minderheiten, insbesondere Unterkapitel 16.1. Hazara) und bedingt durch diese untrennbare Verbundenheit oftmals nicht eindeutig zwischen einer Diskriminierung und Misshandlung aufgrund der Religion einerseits oder aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit andererseits unterschieden werden kann (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 [in der Folge UNHCR-Richtlinien], Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel

5. Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen, Buchstabe a) Religiöse Minderheiten, S. 69-70). Daher scheint in diesem Fall eine gemeinsame Betrachtung der Merkmale der Religions- und der Volksgruppenzugehörigkeit geboten.

Weder aus dem Länderinformationsblatt (Kapitel 15.

Religionsfreiheit, insbesondere Unterkapitel 15.1. Schiiten sowie Kapitel 16. Ethnische Minderheiten, insbesondere Unterkapitel 16.2. Hazara) noch aus den UNHCR-Richtlinien (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel

5. Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen, Buchstabe a) religiöse Minderheiten [S. 66 ff.], insbesondere Abschnitt Schiiten [S69 f.] und Unterkapitel

13. Angehörige ethnischer (Minderheiten-)Gruppen, Buchstabe b) Hazara [S. 106 f.]), ergibt sich, dass es systematisch zu so intensiven Übergriffen gegen schiitische Hazara kommt, dass gleichsam jeder Angehörige dieser Volksgruppe aufgrund seiner Anwesenheit im afghanischen Staatsgebiet mit Übergriffen rechnen muss. Zwar berichtet das Länderinformationsblatt von sozialen Ausgrenzungen und Diskriminierung ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag, die nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert werden und auch, dass ethnische Spannungen weiterhin zu Konflikten und Tötungen führen, gleichzeitig ist aber auch von einer grundsätzlichen Verbesserung der Lage der Hazara seit dem Ende der Taliban-Herrschaft sowie von deren Etablierung in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft die Rede. Auch berichtet wird von sozialer Diskriminierung, illegaler Besteuerung, Zwangsrekrutierung, physischer Misshandlung und Festnahme. Die UNHCR-Richtlinie berichten auch von Entführungen und Ermordungen durch regierungsfeindliche Kräfte. Diese Vorfälle treten allerdings nicht so gehäuft auf, dass von einer automatischen Betroffenheit aller im afghanischen Staatsgebiet bloß aufgrund ihrer Anwesenheit ausgegangen werden könnte. Dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der schiitischen Hazara Übergriffe drohen, konnte daher nicht festgestellt werden.

Zur behaupteten Gefährdung des Beschwerdeführers wegen seiner "Westlichkeit" bzw. seiner "westlichen Orientierung" ist etwa dem Länderinformationsblatt in seinem Kapitel 23. Rückkehr kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass es im Herkunftsstaat zu systematischen Übergriffen gegen Rückkehrer aus dem westlichen Ausland kommt. Die UNHCR-Richtlinien erwähnen zwar Fälle von Rückkehrern, die von Aufständischen bedroht, gefoltert und ermordet worden seien (Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel A. Riskoprofile, Unterkapitel 1. Personen die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, Litera i) Als "verwestlicht" wahrgenommene Personen [S. 52 f.]), belegen aber nicht, dass systematisch Übergriffe gegen Rückkehrer aus dem westlichen Ausland stattfinden. Die EASO Country

Guidance: Afghanistan von Juni 2018 (in der Folge EASO-Country

Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 13. Individuals perceibed as "Westernised", S. 57) trifft lediglich die allgemeine Aussage, dass Rückkehrer aus dem westlichen Ausland Ziel aufständischer Gruppierungen werden können und verknüpft dieses Merkmal mit der Gefahr, als "verwestlicht" wahrgenommen zu werden. Systematische Übergriffe gegen Rückkehrer gehen allerdings auch aus der EASO Country Guidance nicht hervor. Insbesondere wird hier ausgeführt, dass Risiko für Männer, als "verwestlicht" wahrgenommen zu werden, sei minimal und von den spezifischen individuellen Umständen abhängig.

Das Bundesverwaltungsgericht gesteht dem Beschwerdeführer bedingt durch seinen nunmehr etwa dreieinhalbjährigen Aufenthalt in Österreich durchaus zu, dass sich sei Lebensstil und seine Lebenseinstellung von einem jungen Mann, der seit jeher im Herkunftsstaat lebt und diesen nie längerfristig verlassen hat, unterscheidet. Jedoch ist dem vorliegenden Länderberichtsmaterial nicht zu entnehmen, dass für Männer - im Unterschied zu Frauen, die einen am "westlichen Gesellschaftsbild" orientierten selbstbestimmten Lebensstil pflegen wollen - eine gelebte "westliche Gesinnung" mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Übergriffe gegen die betroffene Person auslösen.

Den Länderinformationen lässt sich etwa entnehmen, dass Frauen in Afghanistan aufgrund bestehender Vorurteile und traditioneller Praktiken, durch die sie marginalisiert werden, mit allgegenwärtiger sozialer, politischer und ökonomischer Diskriminierung konfrontiert sind. Frauen, die vermeintliche soziale Normen und Sitten verletzen - dies sind zum Beispiel Einschränkungen der Bewegungsfreiheit durch die Forderung nach männlicher Begleitung in der Öffentlichkeit oder Beschränkungen der Erwerbsmöglichkeiten - werden stigmatisiert, diskriminiert und ihre Sicherheit ist gefährdet. Besonders gefährdet und kaum in der Lage, zu überleben, sind Frauen ohne männlichen Schutz. (siehe dazu UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, Buchstabe h) Frauen im öffentlichen Leben, S. 51 und Buchstabe i) Als "verwestlicht" wahrgenommene Personen, S. 52 sowie Länderinformationsblatt, Kapitel 17. Frauen). Vergleichbare Einschränkungen in der Lebensführung für Männer ergeben sich aus den vorliegenden Länderinformationen nicht und hat der Beschwerdeführer eine damit vergleichbare Situation für Männer auch nicht behauptet.

Die aufgezählten Lebensführungsaspekte, die Frauen im Herkunftsstaat verwehrt sind, mögen fester Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers sein, sie gehören für Männer im Herkunftsstaat aber auch selbstverständlich zum von ihnen erwarteten Verhalten, weswegen der Beschwerdeführer, wenn er diesen Lebensstil pflegt, nicht mit afghanischen Sitten und Gebräuchen bricht und eine Unmöglichkeit der Inanspruchnahme dieser Grundrechte für den Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nicht ersichtlich ist.

2.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat

Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan basiert auf der UNHCR-Richtlinie (siehe insbesondere Kapitel II. Überblick, Unterkapitel A. Die wichtigsten Entwicklungen in Afghanistan, S. 13 f. und Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel B. Flüchtlingsstatus nach den weitergehenden Kriterien gemäß dem UNHCR-Mandat oder nach regionalen Instrumenten und Schutz nach ergänzenden Schutzformen, Unterkapitel

2. Subsidiärer Schutz nach der Qualifikationsrichtlinie der EU [Richtlinie 2011/95/EU], S. 117 f.) und findet Bestätigung im Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage. Insbesondere die UNHCR-Richtlinien betonen die uneinheitliche Betroffenheit der unterschiedlichen Gebiete vom innerstaatlichen Konflikt. Diese lässt sich auch aus den Erläuterungen des Länderinformationsblattes zu den einzelnen Provinzen gut nachvollziehen.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers basieren insbesondere auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel

3.33. Wardak/Maidan Wardak. Ähnliches wird auch in der EASO-Country Guidance von der Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz berichtet (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Artivle 15 (c) QD, Buchstabe b. Indiscriminate violence, Abschnitt Indiscriminate violence assessment per province of Afghanistan, Unterabschnitt Wardak, S. 91), wo von starken Talibanpräsenzen in den meisten Teilen Wardaks und von militärischen Operationen zu lesen ist.

Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in die Herkunftsprovinz die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Übergriffe durch Aufständische zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden, speist sich aus den oben bereits zitierten Berichten zur Herkunftsprovinz, aus denen sich die starke Betroffenheit der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers vom innerstaatlichen Konflikt ergibt, weswegen auch eine diesbezügliche den Beschwerdeführer konkret und individuell treffende Gefahr festzustellen war.

Die Feststellungen zu Sicherheitslage in Herat und Balkh ergeben sich aus den jeweiligen Kapiteln zu den genannten Provinzen im Länderinformationsblatt (Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.5. Balkh und Unterkapitel 3.13. Herat). Die Feststellung, dass die Städte Mazar-e Sharif und Herat unter Regierungskontrolle stehen, basieren darauf, dass von einer Eroberung durch Aufständische und dergleichen nicht berichtet wird.

Bedingt durch die relativ gute Sicherheitslage und die geringe Betroffenheit der Städte Mazar-e Sharif und Herat vom Konflikt im Herkunftsstaat konnte nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer für den Fall einer dortigen Niederlassung die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden. Das Bundesverwaltungsgericht übersieht dabei nicht, dass die Städte gelegentlich von Angriffen und Anschlägen durch Aufständische betroffen sind, wie sich etwa den die jeweilige Provinz betreffenden Statistiken sicherheitsrelevanter Vorfälle im Länderinformationsblatt (Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.5. Balkh und Unterkapitel 3.13. Herat) entnehmen lässt. Allerdings ist die Vorfallshäufigkeit nicht so groß, dass gleichsam jede in der Stadt anwesende Person mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Vorfall betroffen wäre. Spezifische Gründe für ein erhöhtes auf seine Person bezogenes Risiko hat der Beschwerdeführer nicht dargetan.

Maßgebliche Faktoren für die Frage, ob sich der Beschwerdeführer im Fall einer Rückführung nach Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif eine Lebensgrundlage wird aufbauen können, sind insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten, sozialer und ökonomischer Hintergrund, Bildungshintergrund, Zugang zu einem sozialen Unterstützungsnetzwerk und Religion (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis:

Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterabschnitt Reasonableness to settle, S. 105). Damit übereinstimmend stellen nach den UNHCR-Richtlinien insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, Verwandtschaftsverhältnisse sowie Bildungs- und Berufshintergrund (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe a) Die persönlichen Umstände des Antragstellers, S. 122) relevante Faktoren dar, wobei neben der Berücksichtigung dieser spezifischen persönlichen Umstände den UNHCR-Richtlinien zufolge auch darauf Bedacht zu nehmen ist, ob der Betreffende seine grundlegenden Menschenrechte wird ausüben können sowie ob er im für die Neuansiedelung in Betracht gezogenen Gebiet Möglichkeiten für ein wirtschaftliches Überleben (Zugang zu Unterkunft, Verfügbarkeit grundlegender Infrastruktur [Trinkwasser, sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung], Lebensgrundlage) unter würdigen Bedingungen vorfindet (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe c) Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben, S. 123 f.).

Zwar handelt es sich beim Beschwerdeführer um einen jungen Mann im erwerbsfähigen Alter, der bereits im Herkunftsstaat sowie im Iran Berufserfahrung (im Wege der Kinderarbeit) sammeln konnte. Er hat im Herkunftsstaat allerdings keine Schule besucht und verfügt nicht über eine Berufsausbildung. Weiter hat der Beschwerdeführer den Herkunftsstaat im Alter von etwa elf Jahren verlassen und seither - ohne je zurückzukehren - zunächst im Iran und dann seit er 15 Jahre alt ist in Österreich gelebt, weswegen in seinem Fall nicht davon ausgegangen werden kann, dass er mit den Lebensgewohnheiten und den örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten, den Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen ausreichend vertraut ist, um sich ohne "Anleitung" in die afghanische Gesellschaft zu reintegrieren, hat er doch die prägenden Jahre seiner Sozialisation außerhalb des Herkunftsstaates verbracht. Auch das Länderinformationsblatt betont, dass ein soziales Netzwerk aus Familie, Freunden und Bekannten - über das der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat nicht verfügt - für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen (Kapitel 23. Rückkehr, Abschnitt Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen). Folglich wäre der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr gezwungen, sich auf sich gestellt als Fremder im eigenen Land niederzulassen. Hervorgehoben wird auch in den UNHCR-Richtlinien die Bedeutung der Verfügbarkeit und des Zugangs zu sozialen Netzen, bestehend aus der erweiterten Familie oder aus Mitgliedern seiner ethnischen Gemeinschaft zur Sicherung des wirtschaftlichen Überlebens. Eine Unterstützung durch Mitglieder der ethnischen Gemeinschaft würde in der Regel konkrete früherer gesellschaftliche Beziehungen zu einzelnen Mitgliedern der betreffenden ethnischen Gemeinschaft voraussetzen. Die Prüfung müsse auch im Lichte der Stigmatisierung und Diskriminierung von Personen, die nach einem Aufenthalt im Ausland nach Afghanistan zurückkehren erfolgen (Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe a) Die persönlichen Umstände des Antragstellers, S. 124).

Zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass eine psychische Erkrankung festgestellt wurde und der Beschwerdeführer deshalb Medikamente einnehmen und regelmäßig eine Psychotherapie besuchen muss. Dem Länderinformationsblatt ist zur medizinische Versorgung (Kapitel 22. Medizinische Versorgung) zu entnehmen, dass die primäre Gesundheitsversorgung prinzipiell wenn auch nicht flächendeckend und von variierender Qualität kostenfrei verfügbar ist. Zudem besteht die Möglichkeit privater Behandlung. Auch von einer Verbesserung der Flächendeckung und Fortschritten der Versorgung wird berichtet. Behandlungsmöglichkeiten für psychisch erkrankte Personen sind dem Länderinformationsblatt zufolge ebenfalls verfügbar. Insbesondere in den Städten existieren psychiatrische Kliniken, wobei ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus für Mazar-e Sharif explizit Erwähnung findet (Kapitel

22. Medizinische Versorgung, Abschnitt Beispiele für Behandlung psychisch erkrankter Personen in Afghanistan). Allerdings wird im Länderinformationsblatt auch berichtet, dass unter anderem psychisch Erkrankte in Afghanistan als schutzbedürftig betrachtet und als Teil der Familie genauso wie Kranke und Alte gepflegt werden. Es müsse eine starke familiäre und gemeinschaftliche Unterstützung sichergestellt werden. Angesichts der räumlichen Trennung des Beschwerdeführers von seinen im Iran aufhältigen Verwandten, zu denen im Übrigen kein Kontakt besteht, ist im Fall seiner Niederlassung in Herat oder Mazar-e Sharif erscheint der erforderliche starke familiäre Rückhalt für den Beschwerdeführer damit nicht gegeben und die Behandlung seiner Erkrankung damit nicht gewährleistet.

Den UNHCR-Richtlinien ist zudem zu entnehmen, dass psychisch Erkrankte im Herkunftssaat Misshandlungen ausgesetzt sein können, diskriminiert werden und auch ihr Zugang zu Erwerbstätigkeit, Bildung und angemessener medizinischer Betreuung eingeschränkt ist. Die Erkrankung würde als Strafe Gottes betrachtet (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel

9. Personen mit Behinderung, insbesondere geistiger Behinderung, und Personen, die an einer psychischen Erkrankung leiden, S. 91-92). Auch die EASO-Country Guidance berichtet von mangelnder Gesundheitsversorgung für psychisch Erkrankte, sowie von deren Stigmatisierung und Diskriminierung. Die Auskunft der SFH-Länderanalyse: Afghanistan: Psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung vom 05.04.2017 berichtet ebenso von Stigmatisierung, Diskriminierung, mangelnden Behandlungsangeboten, fehlendem Fachpersonal und einem fehlenden Bewusstsein in der afghanischen Gesellschaft (S. 3). Auch berichtet wird, dass die Medikamentenkosten meist selbst vom Patienten getragen werden müssen und die Medikamente häufig von schlechter Qualität seien (S. 4).

Freilich haben sich im Verfahren keine konkreten Hinweise ergeben, dass der Beschwerdeführer im Rückkehrfall Übergriffen durch konkrete Akteure ausgesetzt wäre, die asylrelevante Intensität erreichen. Dennoch ist angesichts der inadäquaten medizinischen Versorgung und der zu erwartenden Diskriminierung und Stigmatisierung damit zu rechnen, dass die Reintegration des Beschwerdeführers sowie der Aufbau seiner Existenzgrundlage erheblich behindert werden.

Durch die Inanspruchnahme der nach den vorliegenden Länderinformationen grundsätzlich verfügbaren Rückkehrhilfe (Länderinformationsblatt, Kapitel 23. Rückkehr) könnte der Beschwerdeführer höchstens sehr kurzfristig das Auslangen finden und wird insbesondere nur für Kabul berichtet, dass etwa Unterkünfte speziell für Rückkehrer verfügbar sind.

Hinzu kommt die allgemein prekäre - die alle afghanischen Staatsangehörigen, aber in besonderem Maße jene ohne familiären Rückhalt trifft - Versorgungslage vor allem im Hinblick auf den Zugang zu Arbeit und Wohnraum. Das Länderinformationsblatt berichtet in Kapitel 21. Grundversorgung und Wirtschaft von hoher Arbeitslosigkeit (über 40 % Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung) und Armutsgefährdung. Das Länderinformationsblatt berichtet in seinem Kapitel 20. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge auch, dass unter Anderem Rückkehrende Nahrungsmittelhilfe benötigen, dass es zu Diskriminierungen kommt, kein Zugang zu angemessenen Sanitäranlagen und anderen grundlegenden Dienstleistungen besteht. Nachdem der Beschwerdeführer allein und ohne soziales Netzwerk sowie örtliche Kenntnisse erstmals in den Herkunftsstaat "zurückkehren" würde, erscheint eine besondere Betroffenheit dieser prekären Lebensverhältnisse im Fall des Beschwerdeführers als höchst wahrscheinlich.

Zusätzlich hat der Beschwerdeführer bedingt durch seine zweifache Minderheitenzugehörigkeit, nämlich einerseits als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und andererseits der schiitischen Glaubensrichtung des Islam - wie oben unter 2.2. schon im Rahmen der Beweiswürdigung des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers schon erwähnt - im Herkunftsstaat mit Diskriminierungserfahrungen zu rechnen. Hierzu ist auch anzumerken, dass die Verneinung einer systematischen Übergriffsgefahr dem Gericht nicht verwehrt, mögliche Diskriminierungserfahrungen - die die Intensität asylrelevanter Übergriffe freilich nicht erreichen - im Rahmen der Überlegungen zur Niederlassung des Beschwerdeführers in Herat oder Mazar-e Sharif zu berücksichtigen.

In einer Zusammenschau der erläuterten aus den spezifischen individuellen Merkmalen (Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, psychische Erkrankung, fehlendes soziales Netzwerk, fehlende lokale Kenntnisse) des Beschwerdeführers resultierenden Erschwernissen unter Berücksichtigung auch der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat ist im Fall des Beschwerdeführers, - anders als bei jenen afghanischen Staatsangehörigen, die ihre ganzes Leben in Afghanistan verbracht haben und dort zur Gänze sozialisiert wurden bzw. Rückkehrer, die über ein tragfähiges soziales Netzwerk verfügen - nicht davon auszugehen, dass er in Mazar-e Sharif oder Herat (Stadt) Fuß fassen und ein Leben ohne unbillige Härte wird führen können und es ist im Fall einer dortigen Ansiedelung sehr wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung und Kleidung nicht befriedigen wird können und in eine ausweglose Situation gerät. Daher wurden entsprechende Feststellungen getroffen.

Zur Seriosität und Plausibilität der umfassend zitierten länderkundlichen Informationen ist auszuführen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren, womit die länderkundlichen Informationen, die sie zur Verfügung stellt, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat durchlaufen. Zur Plausibilität und Seriosität der von der Staatendokumentation herangezogenen Quellen ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Außerdem ist den vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken (VwGH 23.01.2019, Ra 2018/18/0521 mwN). Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet, womit auch diese Länderinformationen einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess durchlaufen. Zusätzlich weisen die zitierten Berichte auch ein aktuelleres Datum auf, als das Gutachten. Auch hebt Art 10 Abs. 1 lit. b) Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes die Bedeutung von EASO und UNHCR durch deren explizite Nennung als Quelle für Herkunftslandinformationen besonders hervor (Vgl. auch VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533). Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat und seine Beweiswürdigung zu den Fluchtgründen daher auf die angeführten Quellen, wobei einer Beweiswürdigung im Detail oben erfolgt ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl)

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).

3.1.1. Zur behaupteten Verfolgung durch die Taliban wegen der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur sozialen Gruppe der Familie des Vaters und des Bruders

Der VwGH hat in seiner Rechtsprechung den Familienverband als "soziale Gruppe" gemäß Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anerkannt. Verfolgung kann daher schon dann Asylrelevanz zukommen, wenn ihr Grund in der bloßen Angehörigeneigenschaft des Asylwerbers, somit in seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe iSd Art. 1 Z 2 GFK, etwa jener der Familie liegt (Vgl. VwGH vom 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 mwN).

Nachdem der Beschwerdeführer - wie beweiswürdigend ausgeführt - nicht glaubhaft machen konnte, dass ihm von Seiten der Taliban wegen der Tätigkeit von Bruder oder Vater konkret und individuell Verfolgung droht, konnte er asylrelevante Verfolgung im Sinne der oben zitierten Judikatur nicht glaubhaft machen.

3.1.2. Zur behaupteten Verfolgungsgefahr wegen der Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeine Gefahr eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", so hat jedes einzelne Mitglied schon aufgrund seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten. Diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (VwGH 23.02.2017, Ra 2016/20/0089 mwN).

Der Beschwerdeführer konnte wie festgestellt seine Zugehörigkeit zur Gruppe der schiitischen Hazara glaubhaft machen. Allerdings konnte der Beschwerdeführer wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt nicht glaubhaft machen, dass schiitische Hazara im Herkunftsstaat allein aufgrund ihrer Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit ohne hinzutreten konkreter individueller Gefährdungsmomente gleichsam automatisch Übergriffen ausgesetzt sind.

Der Verwaltungsgerichthof nahm in den letzten Jahren keine Gruppenverfolgung der Hazara irgendwo in Afghanistan an (zuletzt VwGH 28.06.2019, Ra 2018/14/0428). Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass die Zugehörigkeit zur Minderheit der Hazara - unbeschadet der schlechten Situation für diese Minderheit - nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohen würde (EGMR 05.07.2016, 29.094/09, A.M./Niederlande).

Da der Beschwerdeführer keine individuelle Bedrohung dargetan hat, lässt sich aus dem diesbezüglichen Vorbringen eine asylrelevante Verfolgung damit nicht ableiten.

3.1.3. Zur behaupteten Verfolgungsgefahr wegen "westlicher Orientierung"

Nach der Rechtsprechung des VwGH können Frauen Asyl beanspruchen, die aufgrund eines gelebten "westlich" orientierten Lebensstils bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat verfolgt würden (vgl. etwa VwGH vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017-0018, mwN). Gemeint ist damit eine von ihnen angenommene Lebensweise, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt. Voraussetzung ist, dass diese Lebensführung zu einem solch wesentlichen Bestandteil der Identität der Frauen geworden ist, dass von ihnen nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken, um einer drohenden Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden politischen und/oder religiösen Normen zu entgehen (zuletzt VwGH 06.09.2018, Ra 2017/18/0357).

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Judikatur die Asylgewährung aufgrund eines gelebten "westlich" orientierten Lebensstils auf Frauen beschränkt hat (Vgl. auch VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0329). Weiter ist zum Gehalt der "westlichen" Orientierung auszuführen, dass diese vor allem eine selbstbestimmte Lebensweise umfasst, insbesondere Zugang zu Bildung und Ausbildung, Berufstätigkeit (ohne männliche Zustimmung), selbstständige Lebensführung auch außer Haus, Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung, Entscheidungshoheit über die eigene Lebensführung, etc. Dass dem Beschwerdeführer als Mann aufgrund einer solchen eine mögliche "westliche" Orientierung ausdrückenden Lebensstils Übergriffe drohen, konnte - wie beweiswürdigend ausgeführt - nicht glaubhaft gemacht werden- Eine daraus resultierende Verfolgungsgefahr ist damit zu verneinen.

Nachdem der Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Fall der Rückkehr nicht glaubhaft machen konnte, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides spruchgemäß abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Subsidiärer Schutz)

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG führt jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art 2. Art. EMRK, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten.

Nach der früheren ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war bei der Prüfung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen waren, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (VwGH, 30.01.2018, Ra 2017/20/0406). Der Verwaltungsgerichtshof stellte daher für die Gewährung von subsidiärem Schutz insbesondere auf den Maßstab des Art. 3 EMRK ab (vgl. etwa VwGH, 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).

Mit Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 hat der Verwaltungsgerichtshof unter Berücksichtigung der Judikatur des EuGH zur Statusrichtlinie ausgesprochen, dass § 8 Abs. 1 AsylG entgegen seinem Wortlaut in unionsrechtskonformer Interpretation einschränkend auszulegen ist. Danach ist subsidiärer Schutz nur in jenen Fällen zu gewähren, in denen die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK auf einen ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zurückzuführen ist, der vom Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie verursacht wird (Art. 15 lit a. und b.), bzw. auf eine Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt (Art. 15 lit. c) zurückzuführen ist. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführende Verletzungen von Art. 3 EMRK (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

In seiner Entscheidung vom 21.11.2018, Ra 2018/01/0461 wiederholt der Verwaltungsgerichtshof, dass es der Statusrichtlinie widerspricht, einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen.

Art. 6. Statusrichtlinie definiert als Akteur den Staat (lit. a), Parteien und Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (lit. b) und nichtstaatliche Akteure, sofern die unter den Buchstaben a und b genannten Akteure einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung bzw. ernsthaftem Schaden iSd Art. 7 zu bieten (lit. c).

Als ernsthafter Schaden gilt nach Art. 15 Statusrichtlinie die Todesstrafe oder Hinrichtung (lit. a), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Herkunftsstaat (lit. b) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (lit. c).

3.2.1. Zur Rückkehr in die Herkunftsregion

Für die Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist dem festgestellten Sachverhalt zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr dorthin die Gefahr droht, im Zuge des im Herkunftsstaat herrschenden bewaffneten Konfliktes getötet, verletzt oder misshandelt zu werden. Daher droht ihm ein Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie durch einen innerstaatlichen iSd lit. c leg cit. und ihm wäre subsidiärer Schutz zuzuerkennen.

3.2.2. Zum Nichtvorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Antrage auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht.

Gemäß § 11 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates unter anderem vom Staat Schutz gewährleistet und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann. Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Nach der Rechtsprechung des VwGH sind nach dem klaren Wortlaut des § 11 AsylG zwei getrennte und selbstständig zu prüfende Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative zu unterscheiden. Zunächst muss geprüft werden, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefasste Gebiet Schutz vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, gegeben ist (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001 mwN). Der VwGH hält das Kriterium der Zumutbarkeit als getrennt zu prüfende Voraussetzung auch in seiner jüngsten Rechtsprechung weiterhin aufrecht (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

Wie festgestellt und Beweiswürdigend ausgeführt, ist nicht zu erwarten, dass dem Beschwerdeführer auch im Fall der Niederlassung in Mazar-e Sharif oder Herat (Stadt) Übergriffe durch die Taliban drohen, weswegen eine wohlbegründete Furcht iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK in Bezug auf diese Teile des Herkunftsstaates zu verneinen ist.

Zur Frage, ob auch für Mazar-e Sharif und Herat (Stadt) Bedingungen vorliegen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, ist auszuführen, dass die genannten Städte den Feststellungen zufolge vom innerstaatlichen Konflikt in Afghanistan weit weniger intensiv betroffen ist, als die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers. Insbesondere steht die Stadt den Feststellungen zufolge unter der Kontrolle der afghanischen Regierung. Selbst wenn aufständische Gruppierungen prinzipiell auf Zivilpersonen auch in den größeren Städten zugreifen können, ist die Wahrscheinlichkeit, dass gerade der Beschwerdeführer zufällig in einen solchen Vorfall verwickelt würde, nicht sehr hoch und ist ein spezifisches Risiko besonderer Auswirkungen auf den Beschwerdeführer nicht hervorgekommen.

Die zweite Voraussetzung für das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative bildet nach der Judikatur des VwGH die Frage, ob dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann. Die Zumutbarkeit des Aufenthalts ist von der Frage der Schutzgewährung in diesem Gebiet zu trennen (Vgl. abermals VwGH 05.04.2018, Ra 2018/19/0154 mwN). Selbst wenn in dem betreffenden Gebiet also keine Verhältnisse herrschen, die die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtfertigen, wäre die innerstaatliche Fluchtalternative bei Unzumutbarkeit des Aufenthalts in diesem Gebiet zu verneinen.

Das Kriterium der Zumutbarkeit ist in unionsrechtskonformer Auslegung gleichbedeutend mit dem Erfordernis nach Art. 8 Abs. 1 Statusrichtlinie, nämlich, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss es dem Asylwerber im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten möglich sein, Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Ob dies der Fall ist, erfordert eine Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände des Asylwerbers. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (Zuletzt VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533).

Aufgrund der umfassenden beweiswürdigenden Auseinandersetzung mit den zu erwartenden individuellen Lebensumständen des Beschwerdeführers im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat wurde festgestellt, dass es dem Beschwerdeführer aufgrund seiner persönlichen Umstände (fehlendes soziales Netzwerk, Zugehörigkeit zu den schiitischen Hazara, fehlende Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse, psychische Erkrankung) und der Schwierigkeiten und Diskriminierungen, die diese nach sich ziehen unter Berücksichtigung der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat nicht möglich ist, sich im Sinne der obigen Judikatur im Herkunftsstaat niederzulassen, Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Eine Ansiedelung in den als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefassten Gebieten - Mazar-e Sharif und Herat (Stadt) - ist dem Beschwerdeführer nach der oben zitierten Judikatur daher nicht zumutbar und das Bundesverwaltungsgericht sieht keine Möglichkeit, den Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat auf die Inanspruchnahme einer dortigen innerstaatlichen Fluchtalternative zu verweisen.

3.2.3. Zum Nichtvorliegen eines Ausschlussgrundes

Nach § 8 Abs. 3a AsylG hat eine Abweisung des Antrages auf in

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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