TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/17 W102 2164350-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.06.2019
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Entscheidungsdatum

17.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W102 2164350-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX (alias XXXX ), StA. Afghanistan, vertreten durch RA Kanzlei BITSCHE, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 26.06.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.05.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 AsylG, § 10

Abs. Z 3 AsylG i.V.m. § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2, Abs. 9 FPG und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 15.11.2015 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 16.11.2015 gab der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, dass er den Herkunftsstaat wegen der Unsicherheiten von Seiten der Taliban verlassen habe. Im Iran seien illegal aufhältige Personen von der Festnahme bedroht und würden von der Polizei nach Syrien in den Krieg geschickt.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 12.06.2017 führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, sein Vater habe nicht nur auf der familieneigenen Landwirtschaft, sondern auch drei Jahre für die Paschtunen gearbeitet. Weil ein paar Dorfbewohner, die ebenfalls für die Paschtunen gearbeitet hätten, verschwunden seien, habe der Vater Angst bekommen und den Paschtunen mitgeteilt, er wolle nicht mehr für sie arbeiten und sie sollten ihm den Lohn auszahlen. Am Weg nach Ghazni sei der Vater von den Taliban angehalten worden, nach einer Woche sei die Leiche des Vaters im Dorf gefunden worden. Nach einer Zeit sei XXXX - der Mann aus dem Dorf, der die Arbeiter für die Paschtunen suche - zur Familie gekommen und habe mitgeteilt, der Vater habe mehr Geld erhalten, als im zugestanden sei. Der Beschwerdeführer solle für die Taliban arbeiten, um die Sache mit dem Geld wieder gut zu machen. Die Mutter des Beschwerdeführers habe dies nicht erlaubt. XXXX habe die Taliban informiert. Die Familie sei dann von einem älteren Paschtunen aufgesucht worden, der mitteilte, der Beschwerdeführer müsse für sie Arbeiten oder sie müssten einen Teil ihrer Grundstücke an die Taliban übergeben.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 26.06.2017, zugestellt am 27.06.2017, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Begründend führte die belangte Behörde aus, das Fluchtvorbringen sei nicht glaubhaft. Die Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz sei volatil, der Beschwerdeführer könne jedoch nach Kabul zurückkehren.

3. Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.06.2017 richtet sich die am 11.07.2017 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde, in der ausgeführt wird, dem Beschwerdeführer drohe wegen einer ihm unterstellten gegen die Taliban gerichteten politisch-gesellschaftlichen Gesinnung asylrelevante Verfolgung, weil er sich der Zwangsrekrutierung entzogen habe. Staatlicher Schutz bestehe nicht. Auch drohe ihm aufgrund seiner Westlichkeit (Ohrring, Tattoo auf der Hand) und wegen seiner Zugehörigkeit zu den schiitischen Hazara Verfolgung. Die Sicherheitslage sei schlecht, der Beschwerdeführer gut integriert.

Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 09.05.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigte Rechtsvertreterin, eine Vertrauensperson des Beschwerdeführers und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen, die Taliban hätten ihn wegen angeblicher Schulden seines ermordeten Vaters zur Mitarbeit aufgefordert oder Teile der Grundstücke der Familie verlangt sowie dass ihm als schiitischer Hazara und wegen seiner westlichen Orientierung Verfolgung drohe, im Wesentlichen aufrecht.

Am 14.05.2018 langte eine Stellungnahme und Urkundenvorlage des Beschwerdeführers per E-Mail am Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Schreiben vom 07.05.2018 brachte das Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer sowie der belangten Behörde die Gelegenheit zur Stellungnahme.

Am 07.06.2019 langte nach Fristerstreckung per E-Mail eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

* Schulbesuchsbestätigungen

* Zahlreiche Empfehlungsschreiben

* Bestätigungen über Ehrenamtliche Tätigkeit

* Teilnahmebestätigung für einen Spendenlauf

* Bestätigung über die Teilnahme an einem Straßenverkehrstraining für Radfahrer/innen

* Schulzeugnisse

* Diverse Fotos

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren am XXXX im Dorf XXXX , Distrikt Jaghori, Provinz Ghazni und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.

Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer wuchs im Herkunftsdorf auf, wo er drei Jahre die Schule besuchte und in der familieneigenen Landwirtschaft mitarbeitete.

Der Aufenthaltsort Familie des Beschwerdeführers, bestehend aus Mutter, drei Schwestern und einem Bruder kann nicht festgestellt werden.

Der Vater des Beschwerdeführers ist verstorben.

Ein Onkel mütterlicherseits des Beschwerdeführers lebt im Iran.

Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seinen Angehörigen.

Der Beschwerdeführer hält sich zumindest seit er am 15.11.2015 seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, im Bundesgebiet auf. Er hat an Deutschkursen teilgenommen und auch andere Bildungsangebote wahrgenommen. Seit November 2016 beruft der Beschwerdeführer eine BHS. Wo er, nach erfolgreichem Abschluss der Übergangsklasse, nunmehr am regulären Unterricht teilnimmt. Er hat im Bundesgebiet einige Kontakte geknüpft, Freundschaften geschlossen und führt eine Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin. Ein gemeinsamer Haushalt besteht nicht. Der Beschwerdeführer ist nicht erwerbstätig und lebt von der Grundversorgung. Er hat ehrenamtliche Arbeit geleistet und spielt regelmäßig in einem Fußballverein. Der Beschwerdeführer verfügt über gute Deutschkenntnisse.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Der Vater des Beschwerdeführers wurde auf dem Weg zwischen dem Heimatdorf der Familie und Ghazni (Stadt) von Taliban entführt und ermordet. Ein Zusammenhang mit seiner Tätigkeit in der Landwirtschaft bzw. einem bereits zuvor bestehenden Konflikt mit den Taliban besteht nicht.

Dass der Beschwerdeführer nach dem Tod seines Vaters aufgefordert wurde, für die Taliban zu arbeiten oder ihnen einen Teil der Grundstücke zu überlassen, kann nicht festgestellt werden.

Eine Bedrohung des Beschwerdeführers aufgrund von Streitigkeiten, in die sein Vater verwickelt gewesen sein soll, kann nicht festgestellt werden.

Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr konkret und individuell von Zwangsrekrutierung durch die Taliban oder andere Gruppierungen betroffen wäre, ist nicht zu erwarten.

Dem Beschwerdeführer drohen im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat keine Übergriffe durch staatliche oder private Akteure wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam oder seiner "Westlichkeit".

1.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat

Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.

Die Provinz Ghazni zählt zu den volatilen, stark vom Konflikt betroffenen Provinzen. Aufständische sind in gewissen Distrikten aktiv und es kommt zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen. Es werden Luftangriffe durchgeführt. Die Taliban konnten seit 2001 an Einfluss gewinnen. Insbesondere im Westen der Provinz erfolgten großangelegte Angriffe der Taliban auf die mehrheitlich von Hazara bewohnten Gebiete.

Im Fall einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz droht ihm die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Die Provinzen Balkh und Herat gehören zu den friedlichsten Provinzen Afghanistans und sind vom Konflikt relativ wenig betroffen. Insbesondere Balkh gehört zu den stabilsten Provinzen Afghanistans mit im Vergleich zu anderen Provinzen geringen Aktivitäten von Aufständischen. Die Provinz Herat verzeichnet Aktivitäten von Aufständischen, die allerdings abgelegene Distrikte betreffen. Die Hauptstadt der Provinz - Herat (Stadt) - ist davon wenig betroffen und steht wie auch Mazar-e Sharif in Balkh unter Regierungskontrolle. Beide Städte verfügen über einen internationalen Flughafen, über den sich sicher erreicht werden können.

Für den Fall einer Niederlassung des Beschwerdeführers in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat (Stadt) kann nicht festgestellt werden, dass diesem die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Zugang zu medizinischer Versorgung ist in Herat (Stadt) und Mazar-e Sharif grundsätzlich gegeben. Die medizinische Behandlung des Beschwerdeführers ist gewährleistet.

Im Fall einer Rückführung des Beschwerdeführers nach Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif ist davon auszugehen, dass er sich eine Lebensgrundlage wird aufbauen und die Grundbedürfnisse seiner menschlichen Existenz wie Nahrung, Kleidung und Unterkunft wird decken können und im Fall seiner Niederlassung ein Leben ohne unbillige Härten wird führen können, so wie es auch seine Landsleute führen.

Es gibt in Afghanistan unterschiedliche Unterstützungsprogramme für Rückkehrer von Seiten der Regierung, von NGOs und durch internationalen Organisationen. IOM bietet in Afghanistan Unterstützung bei der Reintegration an.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie seinen Sprachkenntnissen, seinen Lebensumständen und seinem Lebenswandel im Herkunftsstaat ergeben sich aus seinen gleichbleibenden und plausiblen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Zum festgestellten Geburtsdatum ist auszuführen, dass das Bundesverwaltungsgericht in seiner Feststellung den Angaben des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 12.06.2017 folgt (Einvernahmeprotokoll S. 59), an denen zu zweifeln kein Grund ersichtlich ist, auch wenn im Zuge der Erstbefragung lediglich das Geburtsjahr protokolliert wurde. Auch die belangte Behörde ging grundsätzlich von dieser Angabe des Beschwerdeführers aus (Bescheid S. 9, AS 89), auch wenn sie den Beschwerdeführer weiterhin unter seiner bei der Erstbefragung protokollierten Verfahrensidentität geführt hat.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich daraus, dass im Lauf des Verfahrens kein anderslautendes Vorbringen erstattet und auch keine medizinischen Unterlagen vorgelegt wurden, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung oder Erkrankung des Beschwerdeführers nachweisen würden.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.

Zum Aufenthaltsort der Familie des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass dieser augenscheinlich um seinem Fluchtvorbringen Nachdruck zu verleihen und dessen Aktualität zu betonen im Zuge der mündlichen Verhandlung am 09.05.2018 angegeben hat, seine Mutter und seine Geschwister seien nunmehr seit Ende 2017 in Pakistan aufhältig (Verhandlungsprotokoll S. 4). Insbesondere hatte ihm die belangte Behörde im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme bereits vorgehalten, warum sein Bruder - in diesem Zeitpunkt etwa 15 Jahre alt - trotz seines unveränderten Aufenthaltes im Herkunftsdorf nicht betroffen sei von der behaupteten Bedrohung. Nachdem aber das Bundesverwaltungsgericht - wie unten noch auszuführen sein wird - der Erzählung des Beschwerdeführers über die Umstände um seine Ausreise keinen Glauben schenkt, erscheint auch die behauptete, ansonsten unbegründet gebliebene Ausreise der Familie des Beschwerdeführers als unplausibel. Verstärkt wird dieser Eindruck davon, dass die Ausreise erst zwei Jahre nach der Flucht des Beschwerdeführers und wenige Monate nach Bescheiderlassung notwendig geworden sein soll. Dennoch konnte der Aufenthaltsort der Familie mangels diesbezüglicher glaubhafter Angaben angesichts der amtsbekannten Talibanangriffe im Herkunftsdistrikt des Beschwerdeführers im Jahr 2018 (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Stand: 29.06.2018, letzte Kurinformation eingefügt am 26.03.2019 [in der Folge:

Länderinformationsblatt], insbesondere KI vom 01.03.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2018 relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage]), die insbesondere die Hazaragebiete im Westen der Provinz, aus denen auch der Beschwerdeführer stammt, betrafen, nicht festgestellt werden. Diesbezüglich wird von der Vertreibung zahlreicher Personen berichtet, wobei eine Betroffenheit der bis dahin wahrscheinlich im Herkunftsdorf aufhältigen Familie des Beschwerdeführers nicht ausgeschlossen erscheint.

Die Feststellung, dass der Vater des Beschwerdeführers verstorben ist, beruht auf den Angaben des Beschwerdeführers, wobei darauf im Detail noch im Zusammenhang mit der beweiswürdigenden Auseinandersetzung mit dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers unter 2.2. eingegangen werden wird.

Die Feststellung zum Aufenthalt des Onkels mütterlicherseits im Iran beruht auf den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers.

Dass der Beschwerdeführer Kontakt zu seinen Angehörigen hat, wurde angesichts der unplausiblen Angaben des Beschwerdeführers festgestellt, denen zufolge kein Kontakt bestehe. Zunächst ist in diesem Zusammenhang auf das Länderinformationsblatt zu verweisen, denen zufolge nur wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie verlieren. Familien in Afghanistan würden in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied halten und genau Bescheid wissen, wo sich dieses aufhält. Auch berichtet wird, dass dieser Faktor im Asylverfahren häufig heruntergespielt werde (Kapitel 23. Rückkehr, Abschnitt Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen). Damit ist zwar noch nicht ausgeschlossen, dass konkret der Beschwerdeführer keinen Kontakt mehr zu seiner Familie hat. Allerdings vermag er dies nicht plausibel zu begründen (Verhandlungsprotokoll S. 5), sondern beschränkt sich auf die lapidare Behauptung, er sei Ende 2017 von ihnen angerufen worden und habe seither nicht mehr mit seinen Angehörigen gesprochen. Dagegen gab er in der niederschriftlichen Einvernahme am 12.06.2017 an, in regelmäßigem Kontakt mit seinen Angehörigen zu stehen (Einvernahmeprotokoll S. 5, AS 61). Diese Angabe erscheint daher unter Berücksichtigung der obigen Informationen und des bis dahin aufrechten Kontaktes als unplausibel. Auch ließ der Beschwerdeführer befragt zu diesem Punkt in der mündlichen Verhandlung am 09.05.2017 nicht etwa durch eine merkliche Gemütsregung erkennen, dass der behauptete Umstand, keinen Kontakt zu seinen Angehörigen zu haben, für ihn von Interesse wäre. Daher geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Kontakt zu den Angehörigen nach wie vor aufrecht ist.

Die Feststellungen Die Feststellungen zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich insbesondere aus den vorgelegten Unterlagen und Fotos sowie den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 09.05.2018 und in seinen Stellungnahmen. Das Datum der Antragstellung ist aktenkundig und sind im Lauf des Verfahrens keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitig aus dem Bundesgebiet ausgereist wäre. Zu Deutschkursbesuch und ansonsten wahrgenommenem Bildungsangebot ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer diesbezüglich Teilnahmebestätigungen vorgelegt hat. Der Schulbesuch des Beschwerdeführers ist durch die vorgelegten Schulunterlagen (Zeugnisse, Schulbesuchsbestätigungen, Empfehlungsschreiben von Lehrern) belegt. Dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet Kontakte und Freundschaften geknüpft hat, ergibt sich aus den vorgelegten Empfehlungsschreiben sowie auf den Angaben in der mündlichen Verhandlung am 09.05.2018. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer eine Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin führt, beruht auf den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung am 09.05.2018 und in seinen Stellungnahmen, denen zufolge diese Beziehung seit Anfang 2018 besteht. Ein gemeinsamer Haushalt wurde nicht behauptet. Auch eine Erwerbstätigkeit hat der Beschwerdeführer nicht behauptet. Sein Grundversorgungsbezug ergibt sich aus dem aktuellen im Akt einliegenden Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem. Zu seinen ehrenamtlichen Tätigkeiten hat der Beschwerdeführer Bestätigungen vorgelegt, genau wie zu seiner regelmäßigen Teilnahme an Spielen des Fußballvereins. Zur Feststellung, dass der Beschwerdeführer über Deutschkenntnisse verfügt, ist auszuführen, dass zwar mangels Vorlage diesbezüglicher Zertifikate kein bestimmtes Niveau des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen festgestellt werden kann. Aus den vorgelegten Schulzeugnissen geht allerdings hervor, dass der Beschwerdeführer im Fach "Deutsch" stets positiv abgeschlossen hat. Auch war im Zuge der mündlichen Verhandlung am 09.05.2018 eine Verständigung mit dem Beschwerdeführer in deutscher Sprache problemlos möglich. Daher ist zweifellos davon auszugehen, dass er über gute Deutschkenntnisse verfügt.

2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Zwar ist dem Beschwerdeführer insofern Recht zu geben, als die belangte Behörde sich nicht in der gebotenen Tiefe mit dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt hat und insbesondere eine ganzheitliche Würdigung vor dem Hintergrund der Länderberichte unterlassen hat. Im Ergebnis teilt jedoch das Bundesverwaltungsgericht die Einschätzung der belangten Behörde, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft ist.

Am Vorbringen des Beschwerdeführers fällt zunächst auf, dass er sich befragt zum Fluchtgrund in seiner Erstbefragung am 16.11.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Wesentlichen auf die Angabe beschränkt, er sei wegen der Unsicherheiten von Seiten der Taliban geflohen. Ansonsten berichtet der Beschwerdeführer nur von den schwierigen Lebensumständen illegal im Iran aufhältiger Afghanen. Das Bundesverwaltungsgericht übersieht dabei nicht, dass die Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden dient und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Allerdings fällt dennoch sogleich auf, dass die Erzählung des Beschwerdeführers zur Situation im Iran deutlich mehr Raum einnimmt, als die auf die Taliban bezogenen Angaben.

Weiter lässt sich den Länderberichten zwar entnehmen, dass es zu Rekrutierungen von Hazara durch Taliban sehr selten kommen kann. Gleichzeitig wird allerdings berichtet, dass diese Rekrutierung im Wege einer Zusammenarbeit der Anführer der Hazara-Gemeinschaften bzw. der Kommandeure ihrer Einheiten erfolgt. Die Kontrolle über das Dorf hätten allerdings dennoch ohne Eingriffe von Außenstehenden diese Hazara-Milizen inne. Auch spezifisch für den Herkunftsdistrikt des Beschwerdeführers wird von diesbezüglichen Vereinbarungen berichtet. Kennzeichnend dafür bleibt jedoch die Kooperation der Gemeinschaft als Ganzes mit den Taliban. Zu Zwangsrekrutierungen von Hazara komme es allerdings nicht, weil die Taliban ihren Kämpfern vertrauen könnten müssten (EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan - Rekrutierung durch bewaffnete Gruppen von September 2016, Kapitel 1.3.2 Hazara in den Reihen der Taliban, S. 19 ff.). Gleiches geht auch aus dem mündlich in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 05.07.2016 zur GZ W186 2008025-1 erstattetes Sachverständigengutachten von Dr. Sarajuddin RASULY hervor, der zur Thematik ebenso angibt, Hazara würden nicht rekrutiert, weil sie Schiiten und nicht vertrauenswürdig seien. Auch die Angabe des Sachverständigen hinsichtlich der Kontrolle der Hazara-Führung über die Hazara-Gebiete (zu denen auch der Herkunftsdistrikt des Beschwerdeführers gehört) stimmt mit dem bereits oben zitierten Bericht überein. Die Hazara würden über bewaffnete Streitkräfte verfügen, die die Bevölkerung schützen würden. Damit erscheint das vom Beschwerdeführer beschriebene unbekümmert-offene Agieren und Drohen im mitten im Hazara-Gebiet gelegenen Herkunftsdorf des Beschwerdeführers nicht plausibel.

Dem steht auch die Information, denen zufolge Hazara aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit von Zwangsrekrutierung betroffen sein können (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 23.11.2018 [in der Folge:

Länderinformationsblatt], Kapitel 16. Ethnische Minderheiten, Unterkapitel 16.2. Hazara) nicht entgegen, weil hier lediglich allgemein berichtet wird, Hazara könnten von Zwangsrekrutierung betroffen sein. Von welchen Akteuren eine derartige Gefährdung unter welchen Umständen ausgehen kann, wird nicht näher spezifiziert. Im Gegensatz dazu befasst sich das zitierte Berichtsmaterial mit der vom Beschwerdeführer geschilderten spezifischen Situation einer möglichen Zwangsrekrutierung durch die Taliban und weist damit einen deutlich höheren Detailgrad auf.

Auch wird allgemein zur Problematik der Zwangsrekrutierung berichtet, dass sich dieses Konzept nicht aus dem gesellschaftlichen Kontext in Afghanistan ergebe (EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan - Rekrutierung durch bewaffnete Gruppen von September 2016, 1.5 Zwangsrekrutierung und Nötigung, S. 23). Die Aufforderung durch die Taliban erfolge nicht individuell an eine Person, sondern richte sich an die Gemeinschaft und würde auch von dieser getroffen. Dass die Taliban den Beschwerdeführer individuell aufgefordert haben sollen, für sie zu arbeiten, ist damit auch nicht plausibel, sondern wäre der diesbezügliche Druck dem Bericht zufolge viel mehr von der eigenen Gemeinschaft ausgegangen.

In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 12.06.2017 gab der Beschwerdeführer an, sein Bruder würde im Herkunftsdorf leben und die familieneigene Landwirtschaft weiterführen. Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, sein Bruder sei 15 Jahre alt und es sei noch nichts passiert (Einvernahmeprotokoll S. 5, AS 61). Nachdem aber der Bruder der nach Ausreise des Beschwerdeführers nächste männliche Verwandte des Vaters ist und mit 15 Jahren dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichts zufolge in Afghanistan im Wesentlichen als Erwachsener gilt, ist nicht plausibel, dass der Bruder nach der Ausreise des Beschwerdeführers im Jahr 2015 noch zwei Jahre unbehelligt die Landwirtschaft der Familie betreiben und im Herkunftsdorf leben kann.

Dazu, dass festgestellt wurde, dass der Vater des Beschwerdeführers auf dem Weg zwischen Ghazni und dem Herkunftsdorf von den Taliban entführt und ermordet wurde, ist auszuführen, dass bereits in der Erstbefragung am 16.11.2015 protokolliert ist, dass der Vater des Beschwerdeführers verstorben ist (Erstbefragungsprotokoll S. 3, AS 23), wobei der Beschwerdeführer in der Erstbefragung befragt zum Fluchtgrund - wie bereits oben erwähnt - einen Bezug zwischen seiner Ausreise und dem Tod des Vaters nicht herstellt. Dennoch schildert er durchgehend, dass der Vater verstorben ist und erscheint dessen Ermordung durch die Taliban vor dem Hintergrund der Berichte zur Lage im Herkunftsstaat auf dem Weg zwischen Ghazni und dem Herkunftsdorf plausibel. So berichten etwa die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in der Folge UNHCR-Richtlinien; Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel 13. Angehörige ethnischer (Minderheiten-)Gruppen, Buchstabe b) Hazara, S. 106-107), dass zu Fällen von Entführung und Tötung von Angehörigen der Volksgruppe der Hazara durch die Taliban kommt. Auch die vom Beschwerdeführer in das Verfahren eingebrachte ACCORD Anfragenbeantwortung: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konfliktes zwischen Kuchis und Hazara [a-9737-V2] vom 02.09.2016 berichtet von derartigen Vorkommnissen auch in der Provinz Ghazni. Nicht jedoch ergibt sich daraus für den Beschwerdeführer eine konkrete und individuelle Gefährdung, handelt es sich doch um Übergriffe auf den Straßen in manchen Regionen des Herkunftsstaates mit zufälliger Opferauswahl. Dass ausgerechnet der Vater des Beschwerdeführers betroffen war, bleibt trage, führt jedoch nicht zu einer individuellen Gefährdung des Beschwerdeführers.

Unter Berücksichtigung der Länderberichte gelangt der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichts insgesamt zu der Überzeugung, dass der Beschwerdeführer ein grundsätzlich reales Ereignis - nämlich die zweifellos tragische Entführung und Ermordung seines Vaters - um fiktive Elemente angereichert hat, um seinem Vorbringen auf diese Weise Asylrelevanz zu verleihen. Ein den Angaben des Beschwerdeführers entsprechendes Bedrohungsszenario konnte allerdings nicht festgestellt werden.

Den UNHCR-Richtlinien (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 3. Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Kontext der Minderjährigen- und Zwangsrekrutierung, S. 59 ff.) ist die allgemeine Information zu entnehmen, dass es im Herkunftsstaat zu Fällen von Zwangsrekrutierung kommen kann. Allerdings hat der Beschwerdeführer seine konkrete und individuelle diesbezügliche Betroffenheit - wie bereits ausgeführt - dargetan, während die Gefahr einer Zwangsrekrutierung aller nach Afghanistan zurückkehrenden jungen Männer sich auch den UNHCR-Richtlinien nicht entnehmen lässt.

Zur behaupteten Verfolgungsgefahr wegen der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Volksgruppe der Hazara sowie zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam ist zunächst auszuführen, dass der Beschwerdeführer, angesichts dessen, dass er seine Fluchtgeschichte - wie bereits ausgeführt - nicht glaubhaft machen konnte, keine individuelle und konkrete diesbezügliche Bedrohung dargetan hat und sich eine solche nicht automatisch aus dem Tod des Vaters ergibt.

Zur allgemeinen Situation von Schiiten bzw. Hazara im Herkunftsstaat ist zunächst auszuführen, dass die schiitische Religionszugehörigkeit dem Länderinformationsblatt zufolge wesentlich zum ethnischen Selbstverständnis der Hazara zählt (Länderinformationsblatt, Kapitel 16. Ethnische Minderheiten, insbesondere Unterkapitel 16.1. Hazara) und bedingt durch diese untrennbare Verbundenheit oftmals nicht eindeutig zwischen einer Diskriminierung und Misshandlung aufgrund der Religion einerseits oder aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit andererseits unterschieden werden kann (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 [in der Folge UNHCR-Richtlinien], Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel

5. Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen, Buchstabe a) Religiöse Minderheiten, S. 69-70). Daher scheint in diesem Fall eine gemeinsame Betrachtung der Merkmale der Religions- und der Volksgruppenzugehörigkeit geboten.

Weder aus dem Länderinformationsblatt (Kapitel 15.

Religionsfreiheit, insbesondere Unterkapitel 15.1. Schiiten sowie Kapitel 16. Ethnische Minderheiten, insbesondere Unterkapitel 16.2. Hazara) noch aus den UNHCR-Richtlinien (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel

5. Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen, Buchstabe a) religiöse Minderheiten [S. 66 ff.], insbesondere Abschnitt Schiiten [S69 f.] und Unterkapitel

13. Angehörige ethnischer (Minderheiten-)Gruppen, Buchstabe b) Hazara [S. 106 f.]), ergibt sich, dass es systematisch zu so intensiven Übergriffen gegen schiitische Hazara kommt, dass gleichsam jeder Angehörige dieser Volksgruppe aufgrund seiner Anwesenheit im afghanischen Staatsgebiet mit Übergriffen rechnen muss. Zwar berichtet das Länderinformationsblatt von sozialen Ausgrenzungen und Diskriminierung ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag, die nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert werden und auch, dass ethnische Spannungen weiterhin zu Konflikten und Tötungen führen, gleichzeitig ist aber auch von einer grundsätzlichen Verbesserung der Lage der Hazara seit dem Ende der Taliban-Herrschaft sowie von deren Etablierung in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft die Rede. Auch berichtet wird von sozialer Diskriminierung, illegaler Besteuerung, Zwangsrekrutierung, physischer Misshandlung und Festnahme. Hinzu kommen die bereits angesprochenen Fälle von Entführung und Ermordung, von denen die ACCORD Anfragenbeantwortung: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konfliktes zwischen Kuchis und Hazara [a-9737-V2] vom 02.09.2016 neben den bereits angesprochenen Vorfällen berichtet. Diese Vorfälle treten allerdings nicht so gehäuft auf, dass von einer automatischen Betroffenheit aller im afghanischen Staatsgebiet bloß aufgrund ihrer Anwesenheit ausgegangen werden könnte. Dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der schiitischen Hazara Übergriffe drohen, konnte daher nicht festgestellt werden.

Zur behaupteten Gefährdung des Beschwerdeführers wegen seiner "Westlichkeit" bzw. seiner "westlichen Orientierung" ist etwa dem Länderinformationsblatt in seinem Kapitel 23. Rückkehr kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass es im Herkunftsstaat zu systematischen Übergriffen gegen Rückkehrer aus dem westlichen Ausland kommt. Die UNHCR-Richtlinien erwähnen zwar Fälle von Rückkehrern, die von Aufständischen bedroht, gefoltert und ermordet worden seien (Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel A. Riskoprofile, Unterkapitel 1. Personen die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regirung und der internationalen Gemeinschaft einfschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vemeintlich unterstützen, Litera i) Als "verwestlicht" wahrgenommene Personen [S. 52 f.]), belegen aber nicht, dass systematisch Übergriffe gegen Rückkehrer aus dem westlichen Ausland stattfinden. Die EASO Country

Guidance: Afghanistan von Juni 2018 (in der Folge EASO-Country

Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 13. Individuals perceibed as "Westernised", S. 57) trifft lediglich die allgemeine Aussage, dass Rückkehrer aus dem westlichen Ausland Ziel aufständischer Gruppierungen werden können und verknüpft dieses Merkmal mit der Gefahr, als "verwestlicht" wahrgenommen zu werden. Systematische Übergriffe gegen Rückkehrer gehen allerdings auch aus der EASO Country Guidance nicht hervor. Insbesondere wird hier ausgeführt, dass Risiko für Männer, als "verwestlicht" wahrgenommen zu werden, sei minimal und von den spezifischen individuellen Umständen abhängig.

Zur Tätowierung des Beschwerdeführers belegt die von ihm in das Verfahren eingebrachte ACCORD Anfragenbeantwortung zu Afghanistan:

Lage von Personen mit Tätowierungen (insbesondere christlichen Symbolen); Lage von Personen, die einen westlichen Lebensstil führen bzw. westliche Lokale oder Geschäfte betreiben (u.a. auch von Künstlern, Musikern oder Personen in binationalen Beziehungen) vom 08.02.2017 nicht, dass es in Afghanistan zu Verfolgungshandlungen gegen Personen mit Tätowierungen kommt. Dieser Anfragenbeantwortung zufolge besteht für Tätowierte lediglich die Gefahr, dass Konservative sie zur Rede stellen und eine Erklärung für die Tätowierung verlangen könnten. Auch aus den Ausführungen der Anfragenbeantwortung, viele Muslime würden Tätowierungen als unislamisch bzw. als etwas nach islamischem Recht Verbotenes ansehen, ergibt sich noch keine Verfolgung asylrelevanter Intensität für tätowierte Personen. Aus der Anfragenbeantwortung geht zwar hervor, dass Tattoo-Studios sowie das Stechen von Tätowierungen illegal sind. Eine maßgebliche Sanktion für eine Tätowierung konnte dadurch jedoch nicht belegt werden.

Das Bundesverwaltungsgericht gesteht dem Beschwerdeführer bedingt durch seinen nunmehr etwa dreieinhalbjährigen Aufenthalt in Österreich durchaus zu, dass sich sei Lebensstil und seine Lebenseinstellung von einem jungen Mann, der seit jeher im Herkunftsstaat lebt und diesen nie längerfristig verlassen hat, unterscheidet. Jedoch ist dem vorliegenden Länderberichtsmaterial nicht zu entnehmen, dass für Männer - im Unterschied zu Frauen, die einen am "westlichen Gesellschaftsbild" orientierten selbstbestimmten Lebensstil pflegen wollen - eine gelebte "westliche Gesinnung" mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Übergriffe gegen die betroffene Person auslösen.

Den Länderinformationen lässt sich etwa entnehmen, dass Frauen in Afghanistan aufgrund bestehender Vorurteile und traditioneller Praktiken, durch die sie marginalisiert werden, mit allgegenwärtiger sozialer, politischer und ökonomischer Diskriminierung konfrontiert sind. Frauen, die vermeintliche soziale Normen und Sitten verletzen - dies sind zum Beispiel Einschränkungen der Bewegungsfreiheit durch die Forderung nach männlicher Begleitung in der Öffentlichkeit oder Beschränkungen der Erwerbsmöglichkeiten - werden stigmatisiert, diskriminiert und ihre Sicherheit ist gefährdet. Besonders gefährdet und kaum in der Lage, zu überleben, sind Frauen ohne männlichen Schutz. (siehe dazu UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, Buchstabe h) Frauen im öffentlichen Leben, S. 51 und Buchstabe i) Als "verwestlicht" wahrgenommene Personen, S. 52 sowie Länderinformationsblatt, Kapitel 17. Frauen). Vergleichbare Einschränkungen in der Lebensführung für Männer ergeben sich aus den vorliegenden Länderinformationen nicht und hat der Beschwerdeführer eine damit vergleichbare Situation für Männer auch nicht behauptet.

Er zeigt mit seinem Vorbringen, ihm drohe aufgrund seiner weltoffenen Lebenseinstellung, die sich in seinem Tattoo und seinem Ohrring zeige, vielmehr, dass ihm das Bewusstsein für die geschlechtsspezifischen Einschränkungen und Gefahren für Frauen im Herkunftsstaat, die einen weltoffenen Lebensstil pflegen wollen, fehlt. Auch die aufgezählten Lebensführungsaspekte, die Frauen im Herkunftsstaat verwehrt sind, mögen fester Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers sein, sie gehören für Männer im Herkunftsstaat aber auch selbstverständlich zum von ihnen erwarteten Verhalten, weswegen der Beschwerdeführer, wenn er diesen Lebensstil pflegt, nicht mit afghanischen Sitten und Gebräuchen bricht und eine Unmöglichkeit der Inanspruchnahme dieser Grundrechte für den Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nicht ersichtlich ist.

Zur Untermauerung des Vorbringens, dem Beschwerdeführer würden aufgrund seiner westlichen Orientierung Übergriffe drohen, in das Verfahren Gutachten Afghanistan von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018 für das Verwaltungsgericht Wiesbaden:

Dem Gutachten zufolge zählt zu den spezifischen Rückkehrern betreffenden Gefahren eine "Gefahr der angenommenen Verwestlichung und Apostasie aufgrund ihres Aufenthalts in Europa" (Punkt 13.2. Spezifische Gefährdungslagen, S. 301). Ihnen werde eine Anpassung an die europäische Kultur und Lebensweise unterstellt (Punkt 13.2.3. Gefahren aufgrund der angenommenen Verwestlichung und Apostasie, S. 312). Für die Unterstellung der Apostasie reiche häufig der Aufenthalt in Europa. Hierzu ist zunächst auszuführen, dass im Gutachten der allgemeine Schluss, Rückkehrern aus Europa werde Apostasie unterstellt, lediglich auf einigen wenigen geschilderten Einzelfälle beruht. Eine die unterschiedlichen faktischen Machthaber berücksichtigende regionale Differenzierung findet nicht statt und mögliche Unterschiede zwischen Stadt und Land werden überhaupt nicht thematisiert. Es werden demnach aufgrund einer subjektive Quellenauswahl und -interpretation von regionalen Einzelfällen ohne Berücksichtigung der lokalen Umstände Rückschlüsse auf die landesweite Situation in Afghanistan gezogen. Aus einer derart unzulässig verallgemeinernden Aussage ist für die Beurteilung der konkreten Rückkehrsituation des Beschwerdeführers allerdings nichts zu gewinnen, da eine allgemein jedem Rückkehrer aus Europa drohende Apostasie-Unterstellung nicht belegt ist. Aus den sonstigen in das Verfahren eingebrachten Quellen zur Thematik des Verwestlichens lässt sich ein genereller, jeden Rückkehrer treffender Vorwurf der Apostasie und Verwestlichung nicht ableiten (siehe die obigen Ausführungen und angeführten Quellen). Konkrete Anhaltspunkte, dass gerade der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einem Apostasie-Vorwurf ausgesetzt wäre, haben sich im Verfahren nicht ergeben.

2.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat

Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan basiert auf der UNHCR-Richtlinie (siehe insbesondere Kapitel II. Überblick, Unterkapitel A. Die wichtigsten Entwicklungen in Afghanistan, S. 13 f. und Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel B. Flüchtlingsstatus nach den weitergehenden Kriterien gemäß dem UNHCR-Mandat oder nach regionalen Instrumenten und Schutz nach ergänzenden Schutzformen, Unterkapitel

2. Subsidiärer Schutz nach der Qualifikationsrichtlinie der EU [Richtlinie 2011/95/EU], S. 117 f.) und findet Bestätigung im Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage. Insbesondere die UNHCR-Richtlinien betonen die uneinheitliche Betroffenheit der unterschiedlichen Gebiete vom innerstaatlichen Konflikt. Diese lässt sich auch aus den Erläuterungen des Länderinformationsblattes zu den einzelnen Provinzen gut nachvollziehen.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers basieren insbesondere auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel

3.10. Ghazni. Ähnliches wird auch in der EASO-Country Guidance von der Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz berichtet (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Artivle 15 (c) QD, Buchstabe b. Indiscriminate violence, Abschnitt Indiscriminate violence assessment per province of Afghanistan, Unterabschnitt Ghazni, S. 81), wo insbesondere die Unsicherheit der Straßen betont wird. Insbesondere die jüngsten Angriffe auf die Hazara-Gebiete im Westen Ghaznis sowie die daraus resultierenden Vertreibungen im Jahr 2018 lassen eine Gefährdung des Beschwerdeführers durch Kampfhandlung und deren Folgen im Rückkehrfall erwarten (Länderinformationsblatt, KI vom 01.03.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2018 relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage]).

Unabhängig von der Sicherheitslage und konkreten Präsenz regierungsfeindlicher Kräfte im Herkunftsdorf ergibt sich allerdings schon aus der Unsicherheit der Straßen, dass die sichere Erreichbarkeit des Herkunftsdorfes in keinem Fall gewährleistet ist und eine Rückkehr für den Beschwerdeführer ohne die Gefahr, von Kampfhandlungen oder Übergriffen Aufständischer betroffen zu sein, nicht möglich ist. Daraus und aus den oben zitierten Berichten zur Herkunftsprovinz ergibt sich auch die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in die Herkunftsprovinz die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Übergriffe durch Aufständische zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Die Feststellungen zu Sicherheitslage in Herat und Balkh ergeben sich aus den jeweiligen Kapiteln zu den genannten Provinzen im Länderinformationsblatt (Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.5. Balkh und Unterkapitel 3.13. Herat). Auch die EASO-Country Guidance (Abschnitt Guidance note: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD: serious and individual threat to a civilian's life or person by reason of indiscriminate violence in situations of international or internal armed conflict, S. 23-24) zeichnet ein ähnliches Bild. Die Feststellung, dass die Städte Mazar-e Sharif und Herat unter Regierungskontrolle stehen, basieren darauf, dass von einer Eroberung durch Aufständische und dergleichen nicht berichtet wird. Die Feststellung zum Flughafen in Herat (Stadt) ist dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel

3.35. Erreichbarkeit, Unterabschnitt Internationale Flughäfen in Afghanistan entnommen.

Bedingt durch die relativ gute Sicherheitslage und die geringe Betroffenheit der Städte Mazar-e Sharif und Herat vom Konflikt im Herkunftsstaat konnte nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer für den Fall einer dortigen Niederlassung die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden. Das Bundesverwaltungsgericht übersieht dabei nicht, dass die Städte gelegentlich von Angriffen und Anschlägen durch Aufständische betroffen sind. Allerdings ist die Vorfallshäufigkeit nicht so groß, dass gleichsam jede in der Stadt anwesende Person mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Vorfall betroffen wäre. Spezifische Gründe für ein erhöhtes auf seine Person bezogenes Risiko hat der Beschwerdeführer nicht dargetan.

Die Feststellung zum Zugang zu medizinischer Versorgung im Herkunftsstaat ist dem Länderinformationsblatt entnommen (Kapitel 22. Medizinische Versorgung), demzufolge es in den letzten Jahren zu einer Zunahme der Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung gekommen ist, auch wenn Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung stark variieren und nicht alle Einwohner (uneingeschränkten) Zugang zu medizinischer Grundversorgung haben. Die Behandelbarkeit leichter und saisonbedingter Krankheiten sowie medizinscher Notfälle in den öffentlichen Krankenhäusern größerer Städte ist allerdings gewährleistet (Kapitel 22. Medizinische Versorgung, Unterkapitel 22.1. Krankenhäuser in Afghanistan). Nachdem der Beschwerdeführer gesund ist, erscheint seine medizinische Versorgung damit gewährleistet.

Maßgebliche Faktoren für die Frage, ob sich der Beschwerdeführer im Fall einer Rückführung nach Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif eine Lebensgrundlage wird aufbauen können, sind insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten, sozialer und ökonomischer Hintergrund, Bildungshintergrund, Zugang zu einem sozialen Unterstützungsnetzwerk und Religion (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis:

Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterabschnitt Reasonableness to settle, S. 105). Damit übereinstimmend stellen nach den UNHCR-Richtlinien insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, Verwandtschaftsverhältnisse sowie Bildungs- und Berufshintergrund (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe a) Die persönlichen Umstände des Antragstellers, S. 122) relevante Faktoren dar, wobei neben der Berücksichtigung dieser spezifischen persönlichen Umstände den UNHCR-Richtlinien zufolge auch darauf Bedacht zu nehmen ist, ob der Betreffende seine grundlegenden Menschenrechte wird ausüben können sowie ob er im für die Neuansiedelung in Betracht gezogenen Gebiet Möglichkeiten für ein wirtschaftliches Überleben (Zugang zu Unterkunft, Verfügbarkeit grundlegender Infrastruktur [Trinkwasser, sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung], Lebensgrundlage) unter würdigen Bedingungen vorfindet (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe c) Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben, S. 123 f.).

Beim Beschwerdeführer handelt es sich zweifellos um einen jungen, gesunden Mann im arbeitsfähigen Alter ohne zusätzliche Verantwortung für andere Personen. Der Beschwerdeführer hat im Herkunftsstaat drei Jahre die Schule besucht und verfügt über Berufserfahrung in der Landwirtschaft. Auch in Österreich besucht der Beschwerdeführer seit nunmehr drei Jahren die Schule und konnte dadurch sowie durch seine Teilnahme an weiteren Bildungsangeboten sein Ausbildungsniveau und damit seine Chance auf Erwerbstätigkeit zweifellos verbessern. Damit wird er im Herkunftsstaat zumindest durch Gelegenheitsjobs und seine Teilnahme am informellen Arbeitsmarkt allenfalls nach einer anfänglichen Orientierungsphase sein Auskommen erwirtschaften können. Insbesondere kann der Beschwerdeführer sich die Reintegration durch anfängliche Inanspruchnahme einer der angebotenen Unterstützungsmaßnahmen erleichtert, wobei hierzu anzumerken ist, dass es dem Beschwerdeführer auch freisteht, seine Rückkehr und Reintegration bereits von Österreich aus vorzubereiten, um auf diese Weise besser an den angebotenen Maßnahmen partizipieren zu können.

Der Beschwerdeführer hat bis zu seiner Ausreise nach Europa im Herkunftsstaat gelebt und ist dort bis zum Alter von siebzehn Jahren aufgewachsen. Demnach hat er für seine Sozialisation prägenden Jahre im Herkunftsstaat verbracht. Folglich ist er mit den im Herkunftsstaat herrschenden Traditionen und Gebräuchen vertraut und ein Bezug des Beschwerdeführers zum Herkunftsstaat nach wie vor aufrecht. Außerdem spricht der Beschwerdeführer mit Dari eine der Landessprachen und wird sich im Rückkehrfall damit zweifellos im Herkunftsstaat verständigen können.

Auch ist anzumerken, dass den vorliegenden Länderinformationen zu entnehmen ist, dass junge, alleinstehende Männer ohne spezifische Vulnerabilität auch ohne Unterstützungsnetzwerk ihr Auslangen finden können (EASO Country-Guidance, Abschnitt Common analysis:

Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterkapitel Reasonableness to settle, Unterkapitel Conclusions on reasonableness: particular profiles encountered in practice, S. 106-107). Diese Einschätzung wird auch von den UNHCR-Richtlinien bestätigt, denen zufolge alleinstehende leistungsfähige Männer im erwerbsfähigen Alter eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung darstellen (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedelungs- oder Schutzalternative, Buchstabe c) Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben, insbesondere S. 125).

Allerdings verfügt der Beschwerdeführer über ein afghanisches soziales Netzwerk, einerseits über seinen im Iran aufhältigen Onkel, der ihn bereits früher unterstützt hat und hat auch Kontakt zu seiner Kernfamilie, auch wenn sich das Bundesverwaltungsgericht der Tatsache bewusst ist, dass im Herkunftsstaat von Mutter, jüngeren Schwestern und jüngerem Bruder Wesentliche materielle Unterstützung nicht zu erwarten ist. Betont wird im Länderinformationsblatt insbesondere die Relevanz des Netzwerkes bei der Anpassung an das Leben in Afghanistan (Kapitel 23. Rückkehr, Abschnitt Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen).

Eine spezifische Vulnerabilität oder konkrete Gefährdungsmomente hat der Beschwerdeführer insgesamt nicht substantiiert dargetan. Bezüglich der Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers ist auf die beweiswürdigenden Ausführungen zum Fluchtvorbringen zu verweisen (siehe 2.2.), wo bereits umfassend dargetan wurde, dass der Beschwerdeführer eine individuelle und konkrete Betroffenheit von volksgruppen- und religionszugehörigkeitsbedingten Diskriminierungen nicht dargetan hat. Insbesondere lässt sich dem Länderinformationsblatt entnehmen, dass Hazara in den afghanischen Städten besonders präsent sind, sowie dass sie sich in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etablieren konnten (Kapitel 16.2. Hazara). Demnach gehört der Beschwerdeführer aufgrund seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit im Fall der Niederlassung in Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif nicht zu einer vulnerablen Personengruppe.

Zur allgemeinen Versorgungslage im Herkunftsstaat ist zwar zu berücksichtigen, dass dieser - und insbesondere die Provinzen Herat und Balkh - von einer Dürre betroffen war (UNHCR-Richtlinie, Kapitel

III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 3. Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative in afghanischen Städten, S. 126). Allerdings wird nicht von einer Hungersnot berichtet und ist dem vorliegenden Berichtsmaterial (Länderinformationsblatt, Kapitel

3. Sicherheitslage, insbesondere Unterkapitel 3.13. Herat und Kapitel 21. Grundversorgung und Wirtschaft) auch nicht zu entnehmen, dass die Grundversorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser, Lebensmitteln und Unterkunft grundsätzlich nicht gewährleistet bzw. zusammengebrochen wäre, auch wenn sich aus den Informationen eine schwierige Situation insbesondere für Rückkehrer wie den Beschwerdeführer ergibt (Länderinformationsblatt, 20. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge und Kapitel 23. Rückkehr). Auch dem vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten Bericht von ACCORD, Afghanistan: Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018 vom 07.12.2018 lässt sich derartiges nicht entnehmen, wobei das Bundesverwaltungsgericht auch hier einräumt, dass sich aus dem Bericht ergibt, dass der Beschwerdeführer im Rückkehrfall mit Schwierigkeiten beim Wiederaufbau seiner Existenzgrundlage zu rechnen haben wird. Allerdings wird auch hier nicht berichtet, dass eine Hungerkrise herrscht und die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Trinkwasser generell zusammengebrochen ist.

Insgesamt gehört der Beschwerdeführer damit keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Daher sind besondere exzeptionelle Umstände, die dazu führen könnten, dass der Beschwerdeführer sich in der Herkunftsprovinz keine Lebensgrundlage wird aufbauen können, nicht ersichtlich und davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Rückkehrfall im ins Auge gefassten Neuansiedelungsgebiet ein Leben ohne unbillige Härten wird führen können, so wie es auch seine Landsleute führen.

Die Feststellung zur Rückkehrhilfe ergibt sich aus dem Länderinformationsblatt, Kapitel 23. Rückkehr.

Das Gutachten Afghanistan von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018 für das Verwaltungsgericht Wiesbaden kommt zum Schluss, dass alleine aufgrund der Anwesenheit einer Person in Afghanistan die Gefahr eines ernsthaften Schadens hinsichtlich ihres Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit bestünde. Das Gesamtniveau der Gewalt würde sich aus einer Kombination von Gewaltformen (Gefahr ausgehend von Aufständischen, staatlichen Akteuren oder privaten Akteuren) konstituieren, dass grundsätzlich landesweit drohen würde. Jedoch ist zu beachten, dass im gegenständlichen Gutachten eine subjektive Quellenauswahl und -interpretation vorgenommen wurde und von regionalen Einzelfällen Rückschlüsse auf die Situation in Afghanistan landesweit gezogen werden. Die Gutachterin trifft insbesondere zur Sicherheitslage in Afghanistan teilweise nur sehr allgemein gehaltene Aussagen - die einer rechtlichen Beurteilung gleichkommen - und lässt dabei vor allem regionale Unterschiede zwischen den einzelnen Provinzen vollkommen außer Acht.

Schließlich weist dieses Gutachten für das erkennende Gericht auch nicht denselben Beweiswert auf, wie die umfassend zitierten länderkundlichen Informationen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren, womit die länderkundlichen Informationen, die sie zur Verfügung stellt, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat durchlaufen. Zur Plausibilität und Seriosität der von der Staatendokumentation herangezogenen Quellen ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Außerdem ist den vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken (VwGH 23.01.2019, Ra 2018/18/0521 mwN). Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet, womit auch diese Länderinformationen einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess durchlaufen. Zusätzlich weisen die zitierten Berichte auch ein aktuelleres Datum auf, als das Gutachten. Auch hebt Art 10 Abs. 1 lit. b) Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes die Bedeutung von EASO und UNHCR durch deren explizite Nennung als Quelle für Herkunftslandinformationen besonders hervor (Vgl. auch VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533). Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat und seine Beweiswürdigung zu den Fluchtgründen daher auf die angeführten Quellen, wobei einer Beweiswürdigung im Detail oben erfolgt ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl)

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichthofes ist für den Flüchtlingsbegriff de

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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