TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/24 W103 2219840-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.06.2019
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Entscheidungsdatum

24.06.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W103 2219840-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.04.2019, Zl. 760447706-180984129, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 idgF, stattgegeben und der bekämpfte Bescheid aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Partei führt den im Spruch genannten Namen, ist Staatsangehörige von Somalia, ist muslimischen Glaubens und stellte am 12.09.2006 vertreten durch einen Familienangehörigen im Familienverfahren - einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit dem Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.09.2006 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 12.09.2006 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 stattgegeben und der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

3. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der Schlepperei (§ 114 Abs. 1, § 114 Abs. 3 Z 2 FPG) zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von 8 Monaten, von welcher ihm alle 8 Monaten bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Der Beschwerdeführer wurde für schuldig befunden, gemeinsam mit einem Mittäter 4 somalische Staatsangehörige mit dem Auto von Slowenien nach Österreich verbracht zu haben.

Als mildernd wurden das Geständnis sowie die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers, als erschwerend kein Umstand gewertet.

Ein diversionelles Vorgehen nach der StPO sei aus generalpräventiven Erwägungen nicht in Betracht gekommen.

4. Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten wurde eingeleitet. Dem Beschwerdeführer wurde mitgeteilt, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl beabsichtige, dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten gemäß § 7 AsylG abzuerkennen und gegen diesen eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot zu erlassen. Der Beschwerdeführer sei in Österreich wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden. Am 19.04.2019 wurde der BF dazu niederschriftlich einvernommen.

5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.04.2019 wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.09.2006, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Absatz 1 Ziffer 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, aberkannt und gemäß § 7 Absatz 4 AsylG festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.). Weiters wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG, der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 1 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.) und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl konnte die Identität des Beschwerdeführers nicht feststellen und begründete die Aberkennung des Status des Asylberechtigten sowie den Erlass des Einreiseverbotes mit der zuvor dargestellten strafgerichtlichen Verurteilung wegen Schlepperei und führte aus, dass der Beschwerdeführer daher eine Gefahr für die Gemeinschaft darstellen würde. Der BF sei offensichtlich auch in Zukunft nicht gewillt, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten, sodass demnach auch eine negative Zukunftsprognose zu treffen sei. Zur Begründung wurde angeführt, das der BF durch die Schlepperei hohen Profit erwirtschaftet habe und es als wahrscheinlich anzunehmen sei, dass eine weitere Beteiligung an Schleppereigeschäften lediglich durch den Betretungsfall verhindert werden konnte.

Der Beschwerdeführer habe keine nachvollziehbaren Rückkehrbefürchtungen geltend machen können. Das Einreiseverbot in der Dauer von acht Jahren scheine der Behörde im Hinblick auf die Verurteilungen des Beschwerdeführers gerechtfertigt und notwendig, um die von ihm ausgehende erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern bzw. einen Gesinnungswandel seiner Einstellung zur öffentlichen Rechtsordnung zu bewirken.

6. Gegen den oben angeführten Bescheid wurde mit Eingabe vom 29.05.2019 durch den rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde eingebracht, in welcher unrichtige rechtliche Beurteilung und erhebliche Verfahrensfehler geltend gemacht wurden. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass es für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten der Verurteilung wegen eines besonders schweren Verbrechens bedarf.

Die Unterstellung, vom Beschwerdeführer würde eine potentielle Gefahr für die Allgemeinheit darstelle, sei nicht richtig.

Der Verwaltungsgerichtshof verlange das kumulative Vorliegen von vier Voraussetzungen, welche im Fall des Beschwerdeführers nicht gegeben wären.

Bei der Erstellung der Gefährdungsprognose sei das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt sei.

Dabei sei nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen.

Auch das Familienleben des Beschwerdeführers sei intakt. Er lebe seit 13 Jahren in Österreich. Er spreche sehr gut Deutsch und arbeite derzeit als Fahrer für die Firma " XXXX ". Er sei seit 2011 regelmäßig berufstätig.

Jedenfalls greife für den Beschwerdeführer keine negative Prognose, sodass aus den dargestellten Gründen ein Einreiseverbot gerechtfertigt wäre. Nur aus dem Grunde, das der BF wegen Schlepperei verurteilt worden sei, könne keine negative Gefährdungsprognose für zukünftige Straftaten erstellt werden.

Es sei anzunehmen, dass die bloße Androhung der Vollziehung der Strafe allein genügen werde, dem BF von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten

Die belangte Behörde nennt überhaupt keinen weiteren Grund - außer die Verurteilung des BF - dafür, dass dieser gefährlich sei und beachtet das Gesamtverhalten des BF nicht.

Der Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 07.06.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage des Verwaltungsaktes der belangten Behörde und der in diesem Verfahren herangezogenen Hintergrundberichte zur aktuellen Lage in Somalia wird seitens des Bundesverwaltungsgerichts Folgendes festgestellt:

1.1 Die beschwerdeführende Partei führt den im Spruch genannten Namen, ist Staatsangehörige von Somalia, ist muslimischen Glaubens und stellte am 12.09.2006 vertreten durch einen Familienangehörigen im Familienverfahren - einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit dem Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.09.2006 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 12.09.2006 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 stattgegeben und der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der Schlepperei (§ 114 Abs. 1, § 114 Abs. 3 Z 2 FPG) zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von 8 Monaten, von welcher ihm alle 8 Monaten bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Der Beschwerdeführer wurde für schuldig befunden, gemeinsam mit einem Mittäter 4 somalische Staatsangehörige mit dem Auto von Slowenien nach Österreich verbracht zu haben.

Als mildernd wurden das Geständnis sowie die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers, als erschwerend kein Umstand gewertet.

Ein diversionelles Vorgehen nach der StPO sei aus generalpräventiven Erwägungen nicht in Betracht gekommen.

2. Beweiswürdigung:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich aus der Beschwerde, dem angefochtenen Bescheid und dem Verwaltungsakt - sowie dem Urteil des Landesgerichts XXXX - und einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.1. Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFAVG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFAVG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu Spruchteil A)

3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Der mit "Aberkennung des Status des Asylberechtigten" betitelte § 7 AsylG 2005 lautet wie folgt:

"(1) Der Status des Asylberechtigten ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;

2. einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder

3. der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

(2) In den Fällen des § 27 Abs. 3 Z 1 bis 4 und bei Vorliegen konkreter Hinweise, dass ein in Art. 1 Abschnitt C Z 1, 2 oder 4 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführter Endigungsgrund eingetreten ist, ist ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten jedenfalls einzuleiten, sofern das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 wahrscheinlich ist. Ein Verfahren gemäß Satz 1 ist, wenn es auf Grund des § 27 Abs. 3 Z 1 eingeleitet wurde, längstens binnen einem Monat nach Einlangen der Verständigung über den Eintritt der Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung gemäß § 30 Abs. 5 BFA-VG, in den übrigen Fällen schnellstmöglich, längstens jedoch binnen einem Monat ab seiner Einleitung zu entscheiden, sofern bis zum Ablauf dieser Frist jeweils der entscheidungsrelevante Sachverhalt feststeht. Eine Überschreitung der Frist gemäß Satz 2 steht einer späteren Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht entgegen. Als Hinweise gemäß Satz 1 gelten insbesondere die Einreise des Asylberechtigten in seinen Herkunftsstaat oder die Beantragung und Ausfolgung eines Reisepasses seines Herkunftsstaates.

(2a) Ungeachtet der in § 3 Abs. 4 genannten Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung ist ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten jedenfalls einzuleiten, wenn sich aus der Analyse gemäß § 3 Abs. 4a ergibt, dass es im Herkunftsstaat des Asylberechtigten zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist. Das Bundesamt hat von Amts wegen dem Asylberechtigten die Einleitung des Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten formlos mitzuteilen.

(3) Das Bundesamt kann einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 aberkannt werden.

(4) Die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und 2 ist mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Dieser hat nach Rechtskraft der Aberkennung der Behörde Ausweise und Karten, die den Status des Asylberechtigten oder die Flüchtlingseigenschaft bestätigen, zurückzustellen."

Der mit "Ausschluss von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" betitelte § 6 AsylG 2005 lautet wie folgt:

"(1) Ein Fremder ist von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn

1. und so lange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt;

2. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt;

3. er aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

4. er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

(2) Wenn ein Ausschlussgrund nach Abs. 1 vorliegt, kann der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden. § 8 gilt."

Gemäß § 2 Abs. 3 AsylG ist ein Fremder im Sinne dieses Bundesgesetzes straffällig geworden, wenn er wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fällt (Z 1), oder mehr als einmal wegen einer sonstigen vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist rechtskräftig verurteilt worden ist (Z 2).

Für den vom Bundesamt bei der Sachverhaltsfeststellung zu Spruchpunkt I. (primär) angenommenen Fall einer Entscheidung gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 müssen wegen der wörtlich gleichen Voraussetzungen die gleichen Maßstäbe gelten, auf die sich die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in den bisherigen Vorerkenntnissen zu § 13 Abs. 2 zweiter Fall AsylG 1997 bezogen haben (vgl. dazu VwGH 01.03.2016, Zl. Ra 2015/18/0247, und insbesondere VwGH 21.09.2015, Zl. Ra 2015/19/0130: "vgl. allgemein zu den Kriterien des Asylausschlussgrundes - zu vergleichbarer Rechtslage - die Erkenntnisse vom 6. Oktober 1999, 99/01/0288, vom 3. Dezember 2002, 99/01/0449 und vom 23.September 2009, 2006/01/0626; zum Begriff des "besonders schweren Verbrechens" im Sinne dieser Bestimmung die bereits zitierten Erkenntnisse vom 3. Dezember 2002 und vom 23. September 2009; sowie zum Tatbestandsmerkmal der "Gefahr für die Gemeinschaft" des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 die zur "Gemeingefährlichkeit" ergangene hg. Judikatur, etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. Jänner 1995, 94/01/0746, vom 10. Oktober 1996, 95/20/0247 sowie vom 27. September 2005, 2003/01/0517").

Nach der Rechtsprechung des VwGH müssen für die Anwendung des § 13 Abs. 2 zweiter Fall AsylG 1997 (entspricht § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005) kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Herkunftsstaat verbracht werden darf: Er muss erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden und drittens gemeingefährlich sein, und schließlich müssen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen. Es genügt nicht, wenn ein abstrakt als "schwer" einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwer wiegend erweisen. In gravierenden Fällen schwerer Verbrechen ist bereits ohne umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose zulässig (vgl. zu alldem VwGH 23.9.2009, 2006/01/0626, mwN; VwGH 14.2.2018, Ra 2017/18/0419).

Unter den Begriff des schweren Verbrechens iSd Art. 1 Abschn. F lit. b GFK fallen nach herrschender Lehre nur Straftaten, die in objektiver und subjektiver Hinsicht besonders verwerflich sind und deren Verwerflichkeit in einer Güterabwägung gegenüber den Schutzinteressen der betroffenen Person diese eindeutig überwiegt. Dieser Standpunkt - Berücksichtigung subjektiver Faktoren, wie Milderungsgründe, Schuldausschließungsgründe oder Rechtfertigungsgründe - wird auch in der Rechtsprechung des VwGH vertreten (zB VwGH 06.10.1999, 99/01/0288). Es genügt nicht, dass der Beschwerdeführer ein abstrakt als schwer einzustufendes Delikt verübt hat. Um ein schweres Verbrechen, das zum Ausschluss von der Anerkennung als Asylberechtigter - und im vorliegenden Fall somit zur Aberkennung des Status eines Asylberechtigten - führen kann, handelt es sich typischerweise um Vergewaltigung, Tötung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und schließlich auch Menschenhandel bzw. Schlepperei (vgl. Putzer, Asylrecht2, 2011, Rz 125).

In der Regierungsvorlage zum AsylG 2005, RV 952 BlgNR 22. GP, wird zu § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 erläuternd - wenngleich nur demonstrativ - Folgendes ausgeführt:

"Die Z 3 und 4 des Abs. 1 entsprechen inhaltlich dem bisherigen § 13 Abs. 2 AsylG. Unter den Begriff ,besonders schweres Verbrechen' fallen nach Kälin, Grundriss des Asylverfahrens (1990), S 182 und 228 (ua. mit Hinweis auf den UNHCR) und Rohrböck, (Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (1999) Rz 455, mit weiteren Hinweisen auf die internationale Lehre), nach herrschender Lehre des Völkerrechts nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (vgl. VwGH 10.06.1999, 99/01/0288). Zu denken wäre aber auch - auf Grund der Gefährlichkeit und Verwerflichkeit - an besondere Formen der Schlepperei, bei der es zu einer erheblichen Gefährdung, nicht unbedeutenden Verletzung oder gar Tötung oder während der es zu erheblichen, mit Folter vergleichbaren Eingriffen in die Rechte der Geschleppten kommt. Die aktuelle Judikatur in Österreich, wie in anderen Mitgliedstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention, verdeutlicht, dass der aus dem Jahre 1951 stammende Begriff des ‚besonders schweren Verbrechens' des Art. 33 Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention einer Anpassung an sich ändernde gesellschaftliche Normenvorstellungen zugänglich ist."

3.2.2. Aufgrund der bereits erfolgten Ausführungen ist davon auszugehen, dass es sich bei der Begehung eines Schleppereideliktes grundsätzlich um ein besonders schweres Verbrechen handeln kann. Gemäß § 114 Abs. 1, § 114 Abs. 3 Z 2 FPG beträgt der Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 5 Jahre Freiheitsstrafe.

Im vorliegenden Fall ist zunächst einmal unumstritten, dass der Beschwerdeführer von einem inländischen Gericht rechtskräftig wegen des Verbrechens der Schlepperei (§ 114 Abs. 1, § 114 Abs. 3 Z 2 FPG) verurteilt wurde. Das vom Beschwerdeführer verübte Delikt ist im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zweifellos abstrakt als besonders schwer einzustufen. Nach dem zuvor zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, Zl. 99/01/0288, genügt es jedoch nicht, dass der Antragsteller ein abstrakt als schwer einzustufendes Delikt verübt hat, sondern muss sich die Tat auch im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen.

Mit Blick auf die wiedergegebenen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes, der die Aberkennungsbestimmung offenkundig restriktiv auslegt, kann die konkrete Straftat, derentwegen der Beschwerdeführer rechtskräftig verurteilt wurde, dem Grunde nach als "besonders schweres Verbrechen" iSd § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 qualifiziert werden.

Zur Gefährdungsannahme bzw. Prognoseentscheidung ist folgendes anzuführen:

Das BFA geht davon aus, das hinsichtlich des BF eine negative Zukunftsprognose zu stellen ist, da er ein Schleppereidelikt begangen hat. Eine nähere Begründung warum die belangte Behörde annimmt der BF werde wieder straffällig werden ist nicht angeführt. Die belangte Behörde führt nur an, dass der BF durch die Betretung auf frischer Tat an weiteren Schleppereigeschäften gehindert wurde. Warum er aber weitere Straftaten begehen sollte, wird nicht nachvollziehbar begründet, alleine der Umstand, dass dem BF für seine Tätigkeit eine Entlohnung versprochen wurde, kann nicht begründen, warum er diese Tat wiederholen sollte.

Der Argumentation des BF in seiner Beschwerde

"Bei der Erstellung der Gefährdungsprognose sei das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt sei.

Dabei sei nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen."

kann daher nicht begründet entgegengetreten werden.

Auch das Strafgericht hat im Urteilszeitpunkt (Februar 2019), wie die bedingte Nachsicht der verhängten Freiheitsstrafe zeigt, die Auffassung vertreten, dass die bloße Androhung der Vollziehung der Strafe allein genügen werde, dem BF von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Das Strafgericht hat demnach angenommen, beim BF bestehe angesichts der Androhung der Vollziehung der Strafe keine Wiederholungsgefahr. Das LG XXXX ist daher von einer positiven Zukunftsprognose ausgegangen.

Es liegen keine Umstände vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht von dieser Zukunftsprognose abzugehen hätte.

Hierzu ist zunächst anzumerken, dass der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt wurde, wobei ihm alle 8 Monaten bedingt nachgesehen worden sind. Im Verhältnis zum Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe wurde seiner Schuld damit ein eher geringes Strafausmaß als angemessen angesehen. Als mildernd wurde im Rahmen der Strafbemessung das Geständnis und die Unbescholtenheit des BF gewertet, erschwerend waren keine Umstände.

Ein diversionelles Vorgehen nach der StPO sei aus generalpräventiven Erwägungen nicht in Betracht gekommen.

Wenn auch das unzweifelhaft hohe öffentliche Interesse an der Verhinderung von Schleppereikriminalität nicht verkannt wird, ist festzuhalten, dass das vom Beschwerdeführer gesetzte strafrechtswidrige Verhalten - nach der derzeitigen Gesetzeslage - fallgegenständlich nicht alle Kriterien erfüllt, die für eine Aberkennung des Status eines Asylberechtigten erforderlich sind.

Die öffentlichen Interessen an der Rückschiebung überwiegen daher nicht die Interessen des Flüchtlings am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat (Güterabwägung).

Es darf aber ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass bei der Begehung einer neuerlichen Straftat sich diese Umstände ändern werden und nicht mehr von einer positiven Zukunftsprognose auszugehen sein wird.

Zum Vergleich bietet sich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 03.12.2002 zu Zl. 2001/01/0494 an, worin in der Verurteilung zu zwei Jahren Freiheits- und einer Geldstrafe von ATS 300.000,- wegen Suchtgifthandels kein "besonders schweres Verbrechen" gesehen wurde. Denn - so der VwGH - ohne Hinzutreten besonderer Umstände, aus denen sich ergäbe, dass sich das begangene Delikt bei einer Strafdrohung von einem bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erwiesen hätte, könne - selbst unter Berücksichtigung der im Urteil als erschwerend für die Strafzumessung gewerteten Gewinnsucht als Motiv für die Tatbegehung sowie der mehrfachen Tatbegehung - aus der Verurteilung zu einer bloß zweijährigen Freiheitsstrafe, in deren Höhe die als erschwerend angenommenen Umstände bereits zum Ausdruck gekommen sind, wegen eines "typischer Weise" schweren Deliktes nicht geschlossen werden, dass der Straftat die für ein "besonders schweres Verbrechen" erforderliche außerordentliche Schwere anhafte.

Im Falle eines wegen § 143 2. Fall StGB zu 20 Monaten (davon 14 Monate bedingt) verurteilten Jungen Erwachsenen ist das Bundesamt für Asyl- und Fremdenwesen zur Zl 14400107 - 180703383 von einer positiven Zukunftsprognose ausgegangen und hat sogar eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs 2 u 3 BVA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt. Das Aberkennungsverfahren wurde wegen geänderter Verhältnisse (§ 7 Abs. 1 Z 2 AsylG) geführt.

Nichts Anderes trifft auf den Beschwerdeführer zu; er wurde zu einer "nur" bedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt, für welche kein Erschwerungsgrund festgestellt wurde.

3.2.3. Die Aberkennung des Status des Asylberechtigten erweist sich demnach nicht als rechtmäßig, sodass der angefochtene Bescheid insoweit zu beheben ist.

3.3. Auch die Spruchpunkt II. bis VII. des Bescheids des Bundesamts vom 29.04.2019 waren zu beheben, zumal deren Rechtmäßigkeit jeweils die Aberkennung des Status des Asylberechtigten des Beschwerdeführers voraussetzt.

3.4. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG. Da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der gegenständliche Bescheid aufzuheben war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung entfallen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben (vgl. insb 06.10.1999, 99/01/0288; 03.12.2002, 99/01/0449; 03.12.2002, 2001/01/0494; 23.09.2009, 2006/01/0626). Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Familienverfahren, Zukunftsprognose

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W103.2219840.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.09.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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