TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/25 W185 2215353-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.06.2019
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Entscheidungsdatum

25.06.2019

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs5 Satz 1
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W185 2215348-1/22E

W185 2215350-1/18E

W185 2215353-1/18E

W185 2215352-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX und 4.) XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , sämtliche StA. Russische Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.02.2019, Zlen. 1.) 365882504-180932617,

2.) 350570005-180932552, 3.) 1208347305-180932425 und 4.) 1208347403-180932471, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG 2005 idgF als unbegründet

abgewiesen.

Gemäß § 21 Abs. 5 Satz 1 BFA-Verfahrensgesetz idgF (BFA-VG) wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide rechtmäßig war.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Ehegatten, die minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen sind deren gemeinsame eheliche Kinder. Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin reisten bereits am 17.03.2006 nach Österreich ein und stellten einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.12.2006 wurden die Anträge zurückgewiesen. Dagegen wurde verspätet Beschwerde erhoben und am 15.03.2007 ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Aufgrund der freiwilligen Rückreise der Genannten wurde das Verfahren am 29.07.2008 in zweiter Instanz eingestellt.

Am 02.10.2018 stellten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin für sich und die mj. Beschwerdeführerinnen die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Eurodac-Treffermeldungen liegen nicht vor.

Aus der österreichischen Visa-Datenbank konnte erhoben werden, dass die Beschwerdeführer im Besitz von vom 07.08.2018 bis zum 02.02.2019 gültigen französischen Schengen-Visa waren.

Der Erstbeschwerdeführer gab im Zuge seiner Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 02.10.2018 zusammengefasst an, mit seiner Gattin und den beiden mj Kindern nach Österreich gekommen zu sein. Die Beschwerdeführer hätten die Heimat im August 2018 verlassen und seien mittels Zug nach Weißrussland und danach schlepperunterstützt in einem PKW über unbekannte Länder nach Österreich gereist. In diesen Ländern hätten die Beschwerdeführer weder Behördenkontakt noch eine erkennungsdienstliche Behandlung gehabt. Außer in Österreich hätten die Beschwerdeführer nirgendwo um Asyl angesucht. Das Zielland sei Österreich gewesen, da hier die Großmutter der mj Beschwerdeführerinnen lebe. Der Erstbeschwerdeführer habe von der Französischen Botschaft in Moskau ein Schengenvisum mit der Gültigkeitsdauer von 07.08.2018 bis 02.02.2019 ausgestellt bekommen. Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der Erstbeschwerdeführer an, seine Familie und er seien von Beamten der Sicherheitsorgane mit dem Umbringen bedroht worden. Er sei als Geschäftsmann tätig gewesen. Im Juli 2018 seien Männer, die mit den Sicherheitsorganen zusammengearbeitet hätten, zu ihm nach Hause gekommen und hätten ihm billige Ware aus China angeboten. Er habe die Zusammenarbeit abgelehnt. Daraufhin sei er bedroht worden und am nächsten Tag von unbekannten Männern angegriffen und schwer verletzt worden. In weiterer Folge habe er eine Ladung von der Polizei erhalten, da ein Verfahren wegen illegaler Geschäfte gegen ihn eingeleitet worden sei. Er sei beschuldigt worden, illegale Ware aus China zu importieren. Nach dem Verhör sei er 72 Stunden festgehalten und misshandelt worden. Die Beamten hätten ein Geständnis erzwungen, dass der Erstbeschwerdeführer illegalen Handel betreiben würde. Seine Frau habe in der Folge für seine Freilassung Lösegeld bezahlen müssen. Aus Angst um ihr Leben hätten sich die Beschwerdeführer entschlossen, die Heimat zu verlassen. Gesundheitliche Probleme machte der Erstbeschwerdeführer im Rahmen seiner Befragung nicht geltend.

Im Zuge ihrer Erstbefragung erstattete die Zweitbeschwerdeführerin im Wesentlichen gleichlautende Angaben zum Reiseweg und den Umständen der Einreise nach Österreich wie der Erstbeschwerdeführer. Österreich sei ihr Zielland gewesen, da ihre Mutter hier lebe. Zum Fluchtgrund befragt, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, ihr Mann habe ernsthafte Probleme mit den Sicherheitsorganen in der Heimat gehabt. Er und die ganze Familie seien mit dem Umbringen bedroht worden. Aus Angst um ihr Leben seien sie geflüchtet. Die Zweitbeschwerdeführerin gab weiters an, keine gesundheitlichen Beschwerden zu haben und auch nicht schwanger zu sein. Die Zweitbeschwerdeführerin stellte in der Folge auch für ihre mj Kinder Asylanträge. Die mj Beschwerdeführerinnen würden sich seit der Geburt bei ihr befinden, und würden für diese dieselben Asylgründe wie für die Zweitbeschwerdeführerin gelten; eigene Fluchtgründe hätten diese nicht.

Die Beschwerdeführer legten hinsichtlich ihrer Vertretung im Asyl- und Aufenthaltsverfahren eine Vollmacht für die Österreich-Eurasien Gesellschaft "Kulturbrücke" vor.

Am 03.10.2018 verzichteten die Beschwerdeführer freiwillig auf die Leistungen aus der Grundversorgung. Sie wurden darüber in Kenntnis gesetzt, dass ihr Privatverzug zur Abmeldung aus der Grundversorgung führe und die Einstellung der Leistungen zur Folge habe. Die Beschwerdeführer sind lt. Auszug aus dem Zentralen Melderegister seit September 2018 bei der Mutter der Zweitbeschwerdeführerin an der Adresse XXXX , polizeilich gemeldet.

Am 17.10.2018 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein auf Art. 12 Abs. 2 oder 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden: "Dublin III-VO") gestütztes Aufnahmegesuch an Frankreich.

Die französischen Behörden stimmten mit Schreiben vom 26.10.2018 ausdrücklich zu, die Beschwerdeführer gemäß Art. 12 Abs. 2 der Dublin III-VO aufzunehmen.

Im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 15.11.2018 gab der Erstbeschwerdeführer - nach durchgeführter Rechtsberatung und in Anwesenheit einer Rechtsberaterin - an, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, die Befragung zu absolvieren. Er befinde sich nicht in ärztlicher Behandlung und müsse auch keine Medikamente einnehmen. Abgesehen von seiner Frau und den beiden Kindern befänden sich noch seine Schwiegermutter und sein Cousin in Österreich. Die Beschwerdeführer würden nunmehr bei der Schwiegermutter wohnen, welche seit etwa 15 Jahren in Österreich sei und über einen Aufenthaltstitel verfüge. Seinen Cousin treffe der Erstbeschwerdeführer mehrere Male in der Woche. Die ganze Familie lebe in Österreich. Die Beschwerdeführer wären aufgrund fehlender finanzieller Mittel und mangels Deutschkenntnissen total von den genannten Verwandten abhängig; diese würden alles für die Beschwerdeführer machen. Über Vorhalt der Zuständigkeit Frankreichs zur Führung der Asylverfahren der Beschwerdeführer erklärte der Erstbeschwerdeführer, nicht nach Frankreich gehen zu wollen. Die Drittbeschwerdeführerin leide an einer genetischen Erkrankung und an Autismus und würde den Stress einer Überstellung nicht verkraften; außerdem kümmere sich ihre Großmutter sehr um sie. Eine Ausreise wäre "sehr schlecht" für die Gesundheit der Drittbeschwerdeführerin, welche sich hier auch bereits eingewöhnt habe. Er sorge sich sehr um die Gesundheit der Genannten. Bei einem "Umzug innerhalb Russlands" sei die Drittbeschwerdeführerin früher bereits einmal 2 Tage lang "ins Koma gefallen". Es seien in Österreich auch bereits ärztliche Untersuchungen betreffend die Drittbeschwerdeführerin begonnen worden. In der Flüchtlingsunterkunft habe die Drittbeschwerdeführerin die Nahrung nicht vertragen, daher seien die Beschwerdeführer zur Schwiegermutter gezogen. Der Erstbeschwerdeführer sprach sich in der Folge entschieden gegen eine Überstellung nach Frankreich aus. Der Rechtsberater stellte den Antrag auf Verfahrenszulassung aufgrund humanitärer sowie medizinischer Gründe.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab im Zuge ihrer Befragung - nach durchgeführter Rechtsberatung und in Anwesenheit einer Rechtsberaterin - an, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, die Befragung zu absolvieren. Sie sei gesund. Außer der mitgereisten Familie lebe noch ihre Mutter (Großmutter der beiden Kinder) und ein Cousin in Österreich. Die Beschwerdeführer würden bei ihrer Mutter, welche die Familie voll und ganz unterstütze, wohnen. Die Beschwerdeführer seien zur Gänze von der Mutter der Zweitbeschwerdeführerin abhängig. Auch der genannte Cousin helfe der Familie wo er könne. Die Drittbeschwerdeführerin habe eine genetische Krankheit und dürfe "nur bestimmte Sachen essen". Es gebe diesbezüglich mehrere Befunde. Die Ergebnisse einer bestimmten ärztlichen Untersuchung würden erst in etwa neun Monaten vorliegen. Es seien noch weiter Untersuchungstermine ausständig. Über Vorhalt der Zuständigkeit Frankreichs erklärte die Zweitbeschwerdeführerin, nicht nach Frankreich gehen zu wollen. Die Drittbeschwerdeführerin leide an "mitochondrialer Dysfunktion" und Autismus und sei vollkommen von der Mutter der Erstbeschwerdeführerin abhängig. Eine Ausreise nach Frankreich oder ein Umzug würde großen Stress für die Genannte bedeuten. Die Drittbeschwerdeführerin fühle sich hier wohl und geschützt. Die Beschwerdeführer würden alles unternehmen, um in Österreich zu bleiben. In Österreich seien die Beschwerdeführer in Sicherheit und die mj Beschwerdeführerinnen seien mit ihrer Großmutter mitversichert. Auch sei für die Drittbeschwerdeführerin eine Überstellung mit dem Flugzeug nicht möglich.

Vorgelegt wurde ein Schlussbefund des fachmedizinischen und genetischen Zentrums des Gebietes Charkiw (Russland), Zentrum für seltene Krankheiten, vom 31.05.2018, mit der Diagnose: Atypischer Autismus, Hyperhomocysteinämie, Bindegewebedysplasie, nicht differenzierter Form, sekundäre mitochondriale Dysfunktion. Empfohlen wurde u.a. bei der Ernährung kein Eiweiß, Bernsteinsäure, Vitamin D3, Selen, NAC, MB 12, L-Argin, P-5-P einzunehmen. Eine Terminbestätigung des Zentrums für Pathobiochemie und Genetik einer Medizinischen Universität in Österreich für eine genetische Beratung für die Drittbeschwerdeführerin und eine fachärztliche Stellungnahme einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie in Wien vom 30.10.2018. Darin wurden ein frühkindlicher Autismus, eine Entwicklungsstörung, die Unverträglichkeit von Eiweiß mit massiven allergischen Reaktionen sowie genetische Störungen von Metabolismus und Glutenunverträglichkeit, festgestellt. Der Zustand der Drittbeschwerdeführerin habe sich seit dem Aufenthalt in Österreich deutlich verbessert; weitere, benötigte Untersuchungen seien in Russland nicht möglich. Sie habe in Österreich auch die Möglichkeit eine lebenswichtige, passende Diät und Betreuung durch ihre Großmutter zu erhalten. Ein weiterer Aufenthalt der Drittbeschwerdeführerin in Österreich sei daher zu befürworten.

Am 15.11.2018 ersuchten die Beschwerdeführer durch ihre Rechtsberatung um Übermittlung der Länderberichte zu Frankreich und stellten einen Antrag auf Gewährung einer zweiwöchigen Frist zu Stellungnahme zu den Länderberichten. Weiters wurde ein Schreiben einer Ärztin für Allgemeinmedizin in einer Betreuungsstelle vom 15.11.2018 vorgelegt. Daraus gehe hervor, dass die Drittbeschwerdeführerin an mitochondrialer Dysfunktion leide und daher Proteine nicht verstoffwechseln könne. Die Nahrung müsse eiweiß-, gluten- und laktosefrei sein. Weiters leide die Drittbeschwerdeführerin an Bindegewebsdysplasie und Autismus. Sie müsse in stressfreier Umgebung leben und sehr speziell ernährt werden; eine solche Ernährung könne in der Flüchtlingsbetreuungsstelle jedoch nicht gewährleistet werden. Die Drittbeschwerdeführerin dürfe nicht mit dem Flugzeug reisen, da sie laut den Angaben der Zweitbeschwerdeführerin dann "komatös" werde. Da weitere Befunde des Institutes für Genetik und der Ambulanz für Stoffwechselerkrankungen noch nicht vorliegen würden und die Drittbeschwerdeführerin Ende November einen weiteren Termin bei ihrer Fachärztin für Neurologie habe, wurde die Gewährung einer Frist von drei Wochen zur Vorlage weiterer medizinischer Unterlagen beantragt.

Das Bundesamt stellte der Rechtsberaterin die aktuellen Länderfeststellungen per Mail zu. Die Frist zur Einreichung aller bis dahin vorhandenen Dokumente wurde mit 07.12.2018 festgelegt.

Am 07.12.2018 brachten die Beschwerdeführer durch ihre Rechtsberatung eine Stellungnahme ein und legten ein Konvolut an zum Teil bereits bekannter Unterlagen vor. Es wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Drittbeschwerdeführerin an mitochondrialer Dysfunktion, atypischer Phenylketonurie und Autismus leide. Die Drittbeschwerdeführerin könne daher diverse Aminosäuren nicht abbauen, was unbehandelt zu schweren geistigen Entwicklungsstörungen mit Epilepsie führen könne. Eine eiweißarme Diät könne die Symptome verhindern und solle wenn möglich lebenslang durchgeführt werden, wobei die ersten 10 Lebensjahre am Wichtigsten seien. Weiters wurde auf das - bereits oben näher ausgeführte - Schreiben einer Ärztin für Allgemeinmedizin einer Betreuungsstelle vom 15.11.2018 eingegangen, aus welchem sich ergebe, dass dort weder eine stressfreie Umgebung noch die indizierte Diät zur Verfügung gestellt werden könnten. Die Drittbeschwerdeführerin benötige weitere Untersuchungen. Übermittelt wurde eine ärztliche Bescheinigung vom 15.11.2018, in welcher bei der Drittbeschwerdeführerin frühkindlicher Autismus mit Entwicklungsstörung sowie eine atypische Phenylketonurie diagnostiziert wurden. Die Zweitbeschwerdeführerin habe angegeben, dass bei der Drittbeschwerdeführerin bei Reisen mit dem Flugzeug oder dem Zug eine schwere Bewusstseinsstörung eintrete, was auch in Moskau diagnostiziert und festgestellt worden sei.

Folgende Empfehlung wurde abgegeben: "Es wird dringend empfohlen, jegliche Stresssituationen, die eine Belastung für die Patientin darstellen, zu vermeiden, da der Verdacht besteht, dass es hierzu zu irreversiblen Gesundheitsschäden führen könnte. Die Eltern veranlassten bereits eine genetische Untersuchung, dessen Ergebnis (erwartet im März 2019) ausschlaggebend für die weitere Diagnosefeststellung ist." Weiters wurde ein Schreiben der Genetischen Beratungsstelle des Zentrums für Pathobiochemie und Genetik von 16.11.2018 übermittelt. Darin wurde folgendes festgehalten: "Ihre Tochter [...] leidet an einer globalen moderaten Entwicklungsverzögerung mit deutlicher Hypotonie, chronischen Verdauungsproblemen mit Unverträglichkeiten mehrere Lebensmittel (vor allem vom Protein-Typ, aber auch andere), wiederholten Hautausschlägen und gelegentlichem Azetongeruch. [...] Möglicherweise handelt es sich um eine Stoffwechselerkrankung. [...]

Für eine früher supponierte Verdachtsdiagnose einer Bindegewebserkrankung finde ich keinen Anlass, außer der sekundären Gelenksüberbeweglichkeit bei der Hypotonie sind keine weiteren körperlichen Merkmale einer Bindegewebserkrankung vorhanden."

Darüber hinaus seien laut diesem Schreiben weitere Untersuchungen ua. auch komplexe Stoffwechseluntersuchungen, Untersuchung der Pankreasfunktion sowie Ausschluss der CF notwendig. Der Drittbeschwerdeführerin sei Blut abgenommen worden, aus diesem werde DNA extrahiert und auf Genveränderungen untersucht. Mit dem Ergebnis der Untersuchung sei erst in 4-10 Monaten zu rechnen. Die Drittbeschwerdeführerin habe am 21.12.2018 einen weiteren Termin an der Stoffwechselambulanz im AKH Wien. Es wurde die zeugenschaftliche Einvernahme der Mutter der Erstbeschwerdeführerin (Großmutter der Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen) sowie des Cousins zum Beweis der Intensität des Familienlebens und der Abhängigkeit der Beschwerdeführer von der Unterstützung deer Großmutter bzw des Cousins beantragt. Aus den übermittelten Länderfeststellungen zu Frankreich gehe hervor, dass ua. mit sehr langen Wartezeiten bei der Zuweisung zu einem Unterbringungszentrum für Asylwerber zu rechnen sei, die Bedingungen für Unterstützungsleistungen sehr kompliziert seien und manche Präfekturen Asylanträge von Dublin-Rückkehrern nicht registrieren würden. Eine Überstellung der besonders vulnerablen Beschwerdeführer sei daher nicht zulässig. Es wurden weitere Quellen angeführt, welche die aktuelle Situation in Frankreich beschreiben würden. Da die im übermittelten Länderinformationsblatt getroffenen Länderfeststellungen nicht mehr aktuell seien, werde beantragt, die aktuelle Situation zu ermitteln und diesbezügliche Länderfeststellungen zu übermitteln. Die Beschwerdeführer seien besonders vulnerabel. Eine Überstellung würde angesichts der drohenden Obdachlosigkeit und auch der Unmöglichkeit, die dringend benötigte Diäternährung einschließlich der notwendigen Vitamine und Zusatzmineralstoffe für die Drittbeschwerdeführerin ab Ankunft in Frankreich zu erhalten, eine Verletzung der Art. 3 und 8 EMRK und Art. 4 GRC bedeuten. Daher habe Österreich von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.

Im beigefügten Schreiben des in Österreich lebenden Cousins der Zweitbeschwerdeführerin gab dieser an, die Beschwerdeführer zu unterstützen. Die mj Beschwerdeführerinnen seien bereits gut integriert und medizinische Untersuchungen betreffend die Drittbeschwerdeführerin hätten bereits begonnen.

Am 07.01.2019 wurde die Drittbeschwerdeführerin einer ärztlichen Untersuchung durch eine allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige unterzogen, welche in ihrer gutachterlichen Stellungnahme vom 18.01.2019 zu dem Schluss kam, dass bei der Drittbeschwerdeführerin aktuell keine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung vorliege. Folgende sonstige psychische und/oder neurologischen Krankheitssymptome würden vorliegen: "Milde Entwicklungsverzögerung bei fraglicher Stoffwechselstörung." Weiters wird Folgendes ausgeführt: "Es werden einige sehr ungewöhnliche Befunde aus Russland mitgebracht, welche schwer einzuordnen sind. Einerseits handelt es sich derzeit um eine nicht restlos geklärte Stoffwechselstörung oder genetischen Malfunktion, andererseits um Angaben eines Autismus, von dem derzeit grob klinisch nichts zu bemerken ist. Die Behandlungsmethoden aus den russischen Befunden sind mir nicht bekannt, entweder, weil es sich hier um sehr spezifische Behandlungen in einem absoluten Spezialgebiet handelt, oder aber, dass die Behandlungsmethoden in Russland zu unserer Herangehensweise deutlich differiert. Ev. handelt es sich auch um nicht-schulmedizinische Behandlungsmethoden. Der Befund aus Österreich ergibt eine hochdifferenzierte Herangehensweise aus wissenschaftlicher Basis, mit Genanalyse und Sequenzierung um die Stoffwechselerkrankung - auf die doch Hinweise besteht - einzugrenzen bzw. zu benennen. Diese Untersuchung dauere aber laut Arztbrief zwischen 4 und 10 Monate. Ob tatsächlich ein komatöser Zustand bei Flug- oder Bahnreise auftritt, kann weder verifiziert noch falsifiziert werden. Grundsätzlich findet sich kein erkennbarer Zusammenhang zwischen Bahnreise und einer ev. vorliegenden Stoffwechselstörung. Zu einer Flugreise würde ich aus ärztlicher Sicht nicht raten, da hier eine ev. erforderliche Behandlung eingeschränkt ist und ein Krankenhaus in zumutbarer zeitlicher Nähe nicht erreichbar ist.

Empfehlung des Procedere: Um eine Beurteilung zum vorliegenden Krankheitsbild vornehmen zu können, bedarf es der Spezialuntersuchung der genetischen Untersuchung. Da es sich hier um ein absolutes Spezialgebiet mit der Notwendigkeit hoher technischer und medizinischer Kenntnis handelt, überseigt ohne Erhalt eines genetischen Befundes die Thematik deutlich meine Kompetenz. Ich empfehle daher das Abwarten des Befundes aus dem AKH und die Ermöglichung einer speziellen Diät, da - falls es sich um eine Phenylketonurie handeln sollte - davon die weitere Gesundheit des Kindes abhängt. Sprich, bei falscher Ernährung kommt es zu einer deutlichen Verschlechterung mit bleibenden Schädigungen des Zentralnervensystems mit bleibenden kognitiven Schädigungen!! [...] Welche Auswirkungen auf den psychischen und physischen Zustand würde eine Überstellung nach sich ziehen? Derzeit nicht sicher beantwortbar. Auf eine Flugreise sollte verzichtet werden. Eine Zugreise in zumutbarer Entfernung sollte aus medizinischer Sicht möglich sei. Eine Unterbrechung der Reise sollte jederzeit möglich sein, um eventuell bei Erfordernis ein Krankenhaus aufzusuchen. Befunde müssen mitgeführt werden, eine spezifische Diät muss jederzeit und ununterbrochen gewährleistet werden."

Im Zuge einer ergänzenden Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 05.02.2019 gab der Erstbeschwerdeführer - in Anwesenheit einer Rechtsberaterin - an, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, die Befragung zu absolvieren. Sein Gesundheitszustand habe sich seit der letzten Einvernahme am 15.11.2018 nicht verändert. Der Erstbeschwerdeführer sei dagegen "zu verreisen", da es der Drittbeschwerdeführerin hier gut gehe, sie hier Familie hätten und unterstützt werden. Hinsichtlich des Gesundheitszustandes der Drittbeschwerdeführerin führt der Erstbeschwerdeführer aus, dass diese am 25.02.2019 erneut einen Termin im AKH habe und das Ergebnis der genetischen Untersuchung vom Oktober 2018 in vier bis neun Monaten vorliegen werde. Es wurde eine Frist zur Einlegung der Befunde des AKH beantragt, da auch aus der gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren ersichtlich sei, dass diese Befunde abgewartet werden sollten. Zudem stellte der Rechtsberater den Antrag auf Zulassung des Verfahrens, da eine Flugreise nicht zu empfehlen sei. Auch eine Reise mit dem Zug dürfte problematisch sein, da dies mehrere Stunden dauern würde. Im Notfall sei es dann den Beschwerdeführern nicht möglich, medizinische Hilfe zu erhalten; eine Überstellung nach Frankreich sei somit nicht zumutbar.

Im Rahmen der ergänzenden Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 05.02.2019 in Anwesenheit einer Rechtsberaterin, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, die Befragung zu absolvieren. Ihr Gesundheitszustand habe sich seit der letzten Einvernahme nicht verändert. Die Zweitbeschwerdeführerin legte einen Auszug aus dem Ambulanzbesuch der Univ. Klink für Kinder- und Jugendheilkunde vom 29.01.2019 betreffend die Drittbeschwerdeführerin vor (Tenor: Nach Durchsicht der vorliegenden Befunde unter Berücksichtigung der dauereiweißreduzierten Diät mit Mangelsituation (Vitamin B12) sei keine ambulante Abklärung möglich. Der Termin zur stationären Aufnahme inklusive Proteinbelastung wurde darin mit 25.02.2019 festgesetzt. Hinsichtlich einer möglichen Überstellung nach Frankreich führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, dass es der Drittbeschwerdeführerin in Österreich nunmehr bessergehe; diese sei ruhiger geworden und besuche den Kindergarten. Die Viertbeschwerdeführerin gehe bereits in die Schule. Bezüglich der ihr nunmehr übersetzten gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren wolle die Zweitbeschwerdeführerin nichts angeben. Es solle jedoch auch der Autismus der Drittbeschwerdeführerin beachtet werden. Die Beschwerdeführer könnten nicht mehr verreisen, da sich dies negativ auf die Gesundheit der Drittbeschwerdeführerin auswirken würde.

Mit Bescheiden vom 13.02.2019 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung der gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz gemäß Art. 12 Abs. 2 der Dublin III-VO Frankreich zuständig sei. Gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF wurde in Spruchpunkt II. gegen die Beschwerdeführer die Außerlandesbringung angeordnet. Demzufolge sei gem. § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Frankreich zulässig.

Die Feststellungen zur Lage in Frankreich wurden im Wesentlichen Folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):

1. Allgemeines zum Asylverfahren

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (OFPRA 31.10.2017; vgl. AIDA 2.2017, USDOS 3.3.2017 für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).

Quellen:

* AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Country Report:

France,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_2016update.pdf, Zugriff 24.1.2018

* OFPRA - Office français de protection des réfugiés et apatrides (31.10.2017): Demander l'asile en France, https://www.ofpra.gouv.fr/fr/asile/la-procedure-de-demande-d-asile/demander-l-asile-en-france, Zugriff 24.1.2018

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - France, https://www.ecoi.net/local_link/337141/479905_de.html, Zugriff 24.1.2018

2. Dublin-Rückkehrer

Anträge von Dublin-Rückkehrern werden wie jeder andere Asylantrag behandelt. Kommt der Betreffende aus einem sicheren Herkunftsstaat, wird das beschleunigte Verfahren angewandt. Hat der Rückkehrer bereits eine endgültig negative Entscheidung der 2. Instanz (CNDA) erhalten, kann er einen Folgeantrag stellen, so dieser neue Elemente enthält. Dublin-Rückkehrer werden wie normale Asylwerber behandelt und haben daher denselben Zugang zu Unterbringung im regulären bzw. beschleunigten Verfahren wie diese (AIDA 2.2017).

Wenn Dublin-Rückkehrer am Flughafen Roissy - Charles de Gaulle ankommen, erhalten die Rückkehrer von der französischen Polizei ein Schreiben, an welche Präfektur sie sich wegen ihres Asylverfahrens zu wenden haben. Dann werden sie zunächst an die Permanence d'accueil d'urgence humanitaire (PAUH) verwiesen. Das ist eine humanitäre Aufnahmeeinrichtung des französischen Roten Kreuzes, die im Bereich des Flughafens tätig ist. Es kann ein Problem darstellen, wenn die zuständige Präfektur weit entfernt liegt, denn die Rückkehrer müssen die Anfahrt aus eigenem bestreiten. Es gibt dafür keine staatliche Hilfe und auch die PAUH hat nicht die Mittel sie dabei zu unterstützen. In Paris und Umgebung wiederum kann man sich nicht direkt an die Präfekturen wenden, sondern muss den Weg über die sogenannten Orientierungsplattformen gehen, die den Aufwand für die Präfekturen mindern sollen, aber mitunter zu Verzögerungen von einigen Wochen in der Antragsstellung führen können. Viele der Betroffenen wenden sich daher an das PAUH um Hilfe bei der Antragstellung und Unterbringung. Einige andere Präfekturen registrieren die Anträge der Rückkehrer umgehend und veranlassen deren Unterbringung durch das Büros für Immigration und Integration (OFII). In Lyon am Flughafen Saint-Exupéry ankommende Rückkehrer haben dieselben Probleme wie jene, die in Paris ankommen (AIDA 2.2017).

Im Falle der Übernahme von vulnerablen Dublin-Rückkehrern muss die französische Behörde vom jeweiligen Mitgliedsstaat mindestens einen Monat vor Überstellung informiert werden, um die notwendigen Vorkehrungen treffen zu können. Je nach medizinischem Zustand, kann der Dublin-Rückkehrer mit speziellen Bedürfnissen bei Ankunft medizinische Betreuung erhalten. Auch Dublin-Rückkehrer, haben generell Zugang zur staatlichen medizinischen Versorgung (MDI 10.10.2017).

Quellen:

* AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Country Report:

France,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_2016update.pdf, Zugriff 24.1.2018

* Ministére de l¿intérieur - Direction générale des étrangers en France - Chef du Département de l'accès à la procédure d'asile (10.10.2017): Auskunft per E-Mail

3. Non-Refoulement

Menschenrechtsgruppen kritisieren regelmäßig die strikt dem Gesetz folgende Abschiebepraxis Frankreichs (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - France, https://www.ecoi.net/local_link/337141/479905_de.html, Zugriff 24.1.2018

4. Versorgung

Laut Asylgesetz sind die materiellen Aufnahmebedingungen allen Asylwerbern (inkl. beschleunigtes und Dublin-Verfahren) anzubieten. Die Verteilung von Asylwerbern erfolgt zentral, parallel werden regionale Vorschriften definiert und von den Präfekten in jeder Region umgesetzt. Asylwerber im Dublin-Verfahren unterliegen jedoch einer Einschränkung: sie haben keinen Zugang zu CADA-Einrichtungen und leben in der Praxis oft auf der Straße oder in besetzten Häusern. Dublin-Rückkehrer hingegen werden behandelt wie reguläre Asylwerber und haben daher denselben Zugang zu Unterbringung im regulären bzw. beschleunigten Verfahren wie diese. Die nationalen Aufnahmestrukturen liegen in der Zuständigkeit des Französischen Büros für Immigration und Integration (Office français de l'immigration et de l'intégration - OFII). Es wurde eine Beihilfe für Asylwerber (Allocation pour demandeurs d'asile - ADA) eingeführt, welche die vorherige monatliche Zahlung (Allocation Mensuelle de Subsistance - AMS) bzw. die temporäre Wartezeitzulage (Allocation Temporaire d'Attente - ATA) ersetzt (AIDA 2.2017). Die Höhe der ADA hängt von verschiedenen Faktoren wie die Art der Unterkunft, Alter, Anzahl der Kinder usw. ab. Asylwerber erhalten in der Regel eine monatliche finanzielle Unterstützung/Gutscheine in der Höhe von 204 Euro. Ein zusätzlicher Tagessatz wird an Asylwerber ausgezahlt, die Unterbringungsbedarf haben, aber nicht über das nationale Aufnahmesystem aufgenommen werden können (AIDA 2.2017). Seit April 2017 beträgt der tägliche Kostenzuschuss für Unterkunft 5,40 Euro (FTA 4.4.2017). Es wird jedoch kritisiert, dass die Empfänger der ADA in der Praxis mit Problemen (z.B. Verzögerungen bei der Auszahlung, intransparente Berechnung usw.) konfrontiert sind (AIDA 2.2017).

Asylwerber haben Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn OFPRA ihren Asylantrag innerhalb von neun Monaten nicht entschieden und diese Verzögerung nicht vom Antragssteller verschuldet wurde (AIDA 2.2017).

Quellen:

* AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Country Report:

France,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_2016update.pdf , Zugriff 24.1.2018

* FTA - France terre d'asile (4.4.2017): L'Allocation pour demandeur d'asile revalorisée de 1,20€,

http://www.france-terre-asile.org/actualites/actualites/actualites-choisies/l-allocation-pour-demandeur-d-asile-revalorisee-de-1-20, Zugriff 24.1.2018

4.1. Unterbringung

In Frankreich gibt es 303 Unterbringungszentren für Asylwerber (Centre d'Accueil pour Demandeurs d'Asile - CADA) mit rund 34.000 Plätzen, ein spezielles Zentrum für UMA, zwei Transitzentren mit 600 Plätzen, 262 Notunterbringungen mit rund 18.000 Plätzen, sowie eine nicht näher genannte Anzahl an privaten Unterbringungsplätzen. Damit verfügt das Land über etwa 56.000 Unterbringungsplätze (AIDA 2.2017).

Der Zugang zu Unterbringung erweist sich in der Praxis jedoch als sehr kompliziert. Bei der Zuweisung zur CADA muss mit längerer Wartezeit gerechnet werden, die je nach Region zwischen 51 bis 101 Tage beträgt. In Paris gibt es auch Beispiele dafür, dass Asyl gewährt wurde, ohne dass die Personen jemals Zugang zu Unterbringung gehabt hätten. Berichten zufolge reichen die derzeitigen Unterbringungsplätze der CADA nicht aus (AIDA 2.2017). Die Schaffung weiterer Unterbringungsplätze (insgesamt 12.500 Plätze davon 7.500 in CADA) ist in den nächsten zwei Jahren geplant (FRC 12.1.2018; vgl. FRC 22.12.2017).

Im Oktober 2016 wurde die informelle Siedlung in Calais, der sog. Dschungel, geräumt, in der tausende von Migranten und Asylsuchende (laut AI mehr als 6.500 Personen, laut USDOS 5.600) lebten. Man brachte 5.243 Bewohner in Erstaufnahmelager (CAO) in ganz Frankreich und stellte ihnen Informationen über das Asylverfahren zur Verfügung (AI 2.22.2017; vgl. AI 1.6.2017, USDOS 3.3.2017, AIDA 2.2017). Trotzdem leben noch etwa 350 bis 600 Migranten unter prekären Bedingungen in und um Calais. Großbritannien und Frankreich wollen die Sicherheit an der gemeinsamen Grenze jedoch verbessern. Der französische Präsident und die britische Premierministerin unterzeichneten dazu im Januar 2018 ein neues Abkommen (Zeit 19.1.2018).

Trotz der Bestrebungen der lokalen Behörden und Interessenvertreter bleiben viele Migranten und Asylwerber weiterhin obdachlos und leben landesweit in illegalen Camps (AIDA 2.2017).

Quellen:

* AI - Amnesty International (2.22.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - France, http://www.ecoi.net/local_link/336482/479137_de.html, Zugriff 24.1.2018

* AI - Amnesty International (1.6.2017): France: At a crossroads:

Amnesty International submission for the UN Universal Periodic Review, 29th session of the UPR Working Group, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1503902006_eur2167922017english.pdf, Zugriff 24.1.2018

* AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Country Report:

France,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_2016update.pdf, Zugriff 24.1.2018

* FRC - Forum Réfugiés Cosi (12.1.2018): Réforme de l'asile : le raccourcissement des délais ne doit pas se faire au détriment des conditions d'accès à la protection, http://www.forumrefugies.org/s-informer/communiques/reforme-de-l-asile-le-raccourcissement-des-delais-ne-doit-pas-se-faire-au-detriment-des-conditions-d-acces-a-la-protection, Zugriff 24.1.2018

* FRC - Forum Réfugiés Cosi (22.12.2017): Asile et Immigration :

Forum réfugiés-Cosi salue l'ouverture par le Premier ministre d'une consultation et alerte sur plusieurs enjeux, http://www.forumrefugies.org/s-informer/communiques/asile-et-immigration-forum-refugies-cosi-salue-l-ouverture-par-le-premier-ministre-d-une-consultation-et-alerte-sur-plusieurs-enjeux, Zugriff 24.1.2018

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - France, https://www.ecoi.net/local_link/337141/479905_de.html, Zugriff 24.1.2018

* Zeit (19.1.2018): May und Macron verschärfen Grenzschutz, http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-01/grossbritannien-theresa-may-emmanuel-macron-calais-frankreich-grenzschutz-sandhurst, Zugriff 29.1.2018

4.2. Medizinische Versorgung

Am 1. Januar 2016 wurde in Frankreich der neue allgemeine Krankenversicherungsschutz (protection universelle maladie - PUMA) eingeführt. Deren medizinischen Leistungen können Asylwerber im ordentlichen, aber auch im Schnell- und im Dublinverfahren in Anspruch nehmen, sobald sie die Bestätigung über ihr laufendes Asylverfahren erhalten (Cleiss 2017; vgl. AIDA 2.2017, Ameli 12.10.2017). Bei PUMA besteht Beitragsfreiheit, wenn das jährliche Einkommen pro Haushalt unter 9.534 Euro liegt (AIDA 2.2017). In Frankreich besteht generell die Möglichkeit, eine Zusatzversicherung abzuschließen, um die Gesundheitsausgaben zu decken, die nicht von der Pflichtversicherung übernommen werden. Einkommensschwachen Personen kommt jedoch kostenfrei ein Allgemeiner Zusatzkrankenschutz (couverture maladie universelle complémentaire - CMU-C) zu, der die vollständige Kostenübernahme von Leistungen sichert (Cleiss 2017; vgl. Ameli 15.11.2017, RSB o.D.). Dies kann auch von Asylwerbern in Anspruch genommen werden (Ameli 12.10.2017). Weiters besteht die Möglichkeit für illegale Einwanderer nach drei Monaten Aufenthalt in Frankreich, von der sogenannten staatlichen medizinische Hilfe (aide médicale de l'état - AME) zu profitieren, selbst wenn andere Sozialleistungen reduziert oder entzogen worden sein sollten (AIDA 2.2017; vgl. Le Fonds CMU 2.5.2017, Ameli 13.10.2017). Neben Personen mit einem niedrigen Einkommen können auch Asylwerber die in Krankenhäusern eingerichteten Bereitschaftsdienste zur ärztlichen Versorgung der Bedürftigsten (permanences d'accès aux soins de santé - PASS) in Anspruch nehmen, während sie auf den Zugang zu CMU oder AME warten. Obwohl gesetzlich vorgeschrieben ist, dass alle Krankenhäuser die PASS anbieten müssen, ist das in der Praxis nicht immer der Fall (AIDA 2.2017).

Zugang zu mentaler Gesundheitsversorgung wird von der Gesetzgebung nicht explizit erwähnt, Asylwerber können aber im Rahmen der PUMA oder AME theoretisch psychiatrische oder psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Viele Therapeuten nehmen jedoch keine nicht-frankophonen Patienten. Traumatisierte oder Opfer von Folter können sich von einigen NGOs betreuen lassen, die sich speziell diesen Themen widmen, z.B. Primo Levi in Paris oder die Osiris-Zentren in Marseille, Mana in Bordeaux, das Forum réfugiés-Cosi Essor-Zentrum in Lyon oder Awel in La Rochelle. Die Zahl dieser spezialisierten Zentren in Frankreich ist aber gering und ungleich verteilt und kann den wachsenden Bedarf nicht decken (AIDA 2.2017).

Die Mitarbeiter der CADA sind verpflichtet, innerhalb von 15 Tagen nach Ankunft im Unterbringungszentrum eine ärztliche Untersuchung durchzuführen (AIDA 2.2017).

Im Falle der Ablehnung des Asylantrags haben Personen ein Jahr lang ab der Ausstellung des negativen Beschieds Anspruch auf medizinische Versorgung bei Krankheiten oder Mutterschaft, solange sie sich weiterhin in Frankreich aufhalten (Ameli 12.10.2017).

Quellen:

* AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Country Report:

France,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_2016update.pdf, Zugriff 24.1.2018

* Ameli - L'Assurance Maladie (12.10.2017): Vous êtes demandeur d'asile,

https://www.ameli.fr/assure/droits-demarches/europe-international/protection-sociale-france/demandeur-dasile, Zugriff 24.1.2018

* Ameli - L'Assurance Maladie (13.10.2017): Aide médicale de l'État (AME) : vos démarches,

https://www.ameli.fr/assure/droits-demarches/situations-particulieres/situation-irreguliere-ame, Zugriff 24.1.2018

* Ameli - L'Assurance Maladie (15.11.2017): CMU complémentaire :

conditions et démarches,

https://www.ameli.fr/assure/droits-demarches/difficultes-financieres/complementaire-sante/cmu-complementaire, Zugriff 24.1.2018

* Cleiss - Centre des liaisons européennes et internationales de sécurité sociale (2017): Das französische Sozialversicherungssystem, http://www.cleiss.fr/docs/regimes/regime_france/al_1.html, Zugrif 24.1.2018

* Le Fonds CMU - Fonds de financement de la protection complémentaire de la couverture universelle du risque maladi (2.5.2017): Are you an undocumented immigrant?, http://www.cmu.fr/undocumented-immigrant.php, Zugriff 24.1.2018

* RSB - Rosny sous-Bois (o.D.): ACS - AME - CMU-C - PUMA, http://www.rosny93.fr/ACS-AME-CMU-C-PUMA, Zugriff 24.1.2018

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - France, https://www.ecoi.net/local_link/337141/479905_de.html, Zugriff 24.1.2018

5. Schutzberechtigte

Anerkannte Flüchtlinge bekommen einen Aufenthaltstitel mit einer Gültigkeit von zehn Jahren, subsidiär Schutzberechtigte eine für ein Jahr befristete Aufenthaltsgenehmigung, die verlängert werden kann (AIDA 2.2017; vgl. DA 6.2016). Nach einem dreijährigen gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich kann eine Aufenthaltskarte für zehn Jahre beantragt werden (OFPRA 11.2015).

Personen, die während des Asylverfahrens untergebracht werden, können nach der Gewährung eines Schutzstatus weitere drei Monate (um drei Monate verlängerbar) und im Falle der Ablehnung des Asylantrags ein Monat lang weiterhin in der ursprünglichen Unterkunft bleiben (AIDA 2.2017). Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte müssen einen Willkommens- und Integrationsvertrag (contrat d'intégration républicaine - CIR) unterschreiben, welcher der Integration in die französische Gesellschaft durch maßgeschneiderte Unterstützung beim Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Bildung dient (MI 9.11.2016). Im Rahmen des Integrationsvertrags besteht die Möglichkeit auf eine temporäre Unterbringung in einem der dafür vorgesehenen Zentren (centre provisoire d'hébergement - CPH) des OFII für neun Monate mit einer Verlängerungsmöglichkeit um weitere drei Monate. Die staatlichen Integrationsmaßnahmen sind von Region zu Region unterschiedlich, für die erfolgreiche Integration jedoch nicht ausreichend. Deshalb bieten die NGOs France terre d'asile und Forum refugiés - Cosi weitere Integrationsprogramme, aber auch temporäre Unterkünfte für Schutzberechtigte an (AIDA 2.2017).

Durch den Aufenthaltstitel sind Schutzberechtigte in Hinsicht auf Beschäftigung mit französischen Bürgern gleichgestellt. Obwohl der Integrationsvertrag auch Maßnahmen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt enthält, stoßen Schutzberechtigte in der Praxis auf verschiedene Hindernisse (z.B. mangelnde Sprachkenntnisse, keine gute Erreichbarkeit der Arbeitsplätze außerhalb der Städte, mangelnde Anerkennung der beruflichen Qualifikationen) bei der Jobsuche (AIDA 2.2017).

Nach dem Asylverfahren muss die Gesundheitsbehörde über den gewährten Schutzstatus informiert werden. Dann erhalten Schutzberechtigte die Krankenversicherungskarte und sie können weiterhin von der CMU-C profitieren (AIDA 2.2017; vgl. Ameli 12.10.2017). Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, haben Zugang zu Sozialleistungen und verschiedenen Beihilfen in Bereichen wie Familie, Wohnraum, Bildung, Behinderung etc. und besteht für sie unter bestimmten Bedingung die Möglichkeit der Familienzusammenführung (DA 6.2016; vgl. AIDA 2.2017).

Quellen:

* AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Country Report:

France,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_2016update.pdf, Zugriff 24.1.2018

* Ameli - L'Assurance Maladie (12.10.2017): Vous êtes demandeur d'asile,

https://www.ameli.fr/assure/droits-demarches/europe-international/protection-sociale-france/demandeur-dasile, Zugriff 24.1.2018

* DA - Dom'Asile (6.2016): You have been granted refugee status or subsidiary protection. What do you have to do?, https://www.gisti.org/IMG/pdf/fiche_refugies_2016_anglais.pdf, Zugriff 24.1.2018

* MI - Ministère de l'intérieur (9.11.2016): Le parcours personnalisé d'intégration républicaine, https://www.immigration.interieur.gouv.fr/Accueil-et-accompagnement/Le-parcours-personnalise-d-integration-republicaine, Zugriff 24.1.2018

Zusammengefasst wurde in den Bescheiden ausgeführt, dass die Identität der Beschwerdeführer feststehe und betreffend den Erst-, die Zweit- und die Viertbeschwerdeführerin nicht festgestellt werden könne, dass in derem Fall schwere psychische Störungen oder schwere bzw. ansteckende Krankheiten bestehen würden. Betreffend die Drittbeschwerdeführerin wurde ausgeführt, dass diese laut Angaben ihrer Eltern an mitochondrialer Dysfunktion sowie Autismus leide. Die Ausführungen in der gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren, welche ein Abwarten des Befundes des AKH und die Ermöglichung einer speziellen Diät empfohlen habe, wurden dargelegt. Aus der Rechtsprechung des EGMR und des VwGH gehe hervor, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht habe, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leide oder selbstmordgefährdet sei. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver sei, sei unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten gebe. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führe die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche würden etwa vorliegen, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben. Derartiges habe sich bei der Drittbeschwerdeführerin aus den vorgelegten Befunden jedoch nicht ergeben. Die Drittbeschwerdeführerin befinde sich dzt in ärztlicher Behandlung, welche auch in Frankreich problemlos vorgenommen bzw weitergeführt werden könne, da Frankreich ein sicherer Staat sei und ausreichend medizinische Versorgung zur Verfügung stellen könne. Demnach liege keine Verletzung von Art. 3 EMRK vor. In Frankreich seien auch psychische Störungen behandelbar und würden einer Überstellung dorthin in keinster Weise in Frage stellen. Es sei auch festzuhalten, dass die Drittbeschwerdeführerin einer ärztlichen Untersuchung zur Feststellung ihrer Transportfähigkeit unterzogen werde. Speziell im Fall der Drittbeschwerdeführerin werde darauf hingewiesen, dass den französischen Behörden vor einer Überstellung alle medizinisch relevanten Informationen übermittelt würden. Zudem sei ihre Überstellung auch am Landweg sowie unter durchgehender Betreuung eines medizinischen Betreuerstabs durchführbar. Die Beschwerdeführer seien im Besitz französischer Schengen-Visa gewesen; Frankreich habe der Übernahme der Beschwerdeführer nach Art. 12 Dublin III-VO auch ausdrücklich zugestimmt. Eine Schutzverweigerung Frankreichs sei nicht zu erwarten. Aus den Länderfeststellungen ergebe sich, dass für die Beschwerdeführer in Frankreich sowohl die medizinische Versorgung als auch geeignete Unterbringungsmöglichkeiten gewährleistet wären. Sodann wurde in den Bescheiden ausgeführt, dass aus den Angaben der Beschwerdeführer keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden seien, dass diese tatsächlich konkret Gefahr liefen, in Frankreich Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass diesen eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte. Es liege kein Eingriff in das in Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Familienleben vor. In Österreich befinde sich die Mutter der Zweitbeschwerdeführerin und einer ihrer Cousins; ein familiäres Anknüpfungsmoment zu oben genannten Personen werde nicht ausgeschlossen. Es sei auch festzuhalten, dass eventuelle Unterstützungshandlungen und das familiäre Band die Situation der Familie erheblich erleichtern könnten. Da die Beschwerdeführer jedoch bereits über mehrere Jahre von den in Österreich aufhältigen Verwandten getrennt gewesen seien und sich selbstständig erhalten hätten können, könne nicht erkannt werden, dass diese jetzt dermaßen auf Unterstützung angewiesen seien oder dass ein derartiges qualifiziertes Pflege-, Unterhalts- und/oder Unterstützungsverhältnis vorliege, dass ein weiterer Verbleib in der EU außerhalb Österreichs unzumutbar wäre. Zusammengefasst sei davon auszugehen, dass die Anordnung der Außerlandesbringung nicht zu einer relevanten Verletzung von Art. 8 EMRK führe. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG habe bei Abwägung aller Umstände nicht erschüttert werden können. Es habe sich kein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts ergeben.

Gegen die Bescheide wurde fristgerecht eine für alle Beschwerdeführer gleichlautende Beschwerde erhoben und die Bescheide in ihrem gesamten Umfang wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten. Nach Wiedergabe des Sachverhaltes wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die mj Drittbeschwerdeführerin besonders vulnerabel sei, zumal diese an mitochondrialer Dysfunktion, an atypischer Phenylketonurie und Autismus leide. Es sei nach wie vor nicht klar bzw nicht abschließend ermittelt worden, an welchen Krankheiten die Drittbeschwerdeführerin leide und ob diese Krankheiten ein Hindernis für den Transport darstellen würden bzw. ob diese Krankheiten in Frankreich behandelbar wären und ob die Drittbeschwerdeführerin bei einer Überstellung nach Frankreich unverzüglich Zugang zu den für sie lebenswichtigen Behandlungen haben würde. Die weitere Gesundheit der Drittbeschwerdeführerin hänge von der Einhaltung einer speziellen Diät ab. Auch in der gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren vom 18.01.2019 sei deutlich festgehalten worden, dass die Beurteilung des Krankheitsbildes nicht möglich sei und der Befund des AKH abzuwarten wäre. Mögliche Auswirkungen einer Überstellung seien derzeit nicht sicher beantwortbar; es werde aber klar von einer Flugreise abgeraten. Eine jederzeitige Unterbrechung der Reise sollte möglich sein, um erforderlichenfalls rasch ein Krankenhaus aufsuchen zu können. Dies alles sei auch in der Stellungnahme vom 05.02.2019 ausgeführt worden, welche jedoch im bekämpften Bescheid offenbar nicht berücksichtigt worden sei. Darüber hinaus liege eine Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht gem. § 18 AsylG vor, da die Behörde keine Ermittlungen durchgeführt habe, ob die Erkrankungen der Drittbeschwerdeführerin in Frankreich behandelbar seien. Weiters sei auch die Stellungnahme vom 07.12.2018 nur mangelhaft gewürdigt worden. Weiters wurde moniert, dass die Länderfeststellungen nicht aktuell seien und beantragt worden sei, die aktuelle Situation zu ermitteln; die Behörde sei jedoch untätig geblieben. Aus den Länderinformationen zu Frankreich und näher bezeichneten Berichten gehe hervor, dass Mängel, insbesondere in der Aufnahme von Asylwerbern in Frankreich, und somit ernsthafte Gründe für die Annahme bestünden, dass das Risiko bestehe, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Die Beschwerdeführer seien wie gesagt als besonders vulnerabel anzusehen. Deren Überstellung würde angesichts der drohenden Obdachlosigkeit und auch der Unmöglichkeit, die dringend benötigte Diäternährung einschließlich der erforderlichen Vitamine und Zusatzmineralstoffe für die mj Drittbeschwerdeführerin ab Ankunft zu erhalten, eine Verletzung des Art 3 EMRK bedeuten. Daher habe Österreich zur Vermeidung einer Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC Verletzung von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen. Darüber hinaus fehle eine Einzelfallzusicherung Frankreichs; dies bedeute eine Verletzung der Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC. Auf die Entscheidung des VfGH vom 30.06.2016 zu E449/2015 werde verwiesen. Darin sei festgestellt worden, dass Willkür geübt wurde, da es das Bundesverwaltungsgericht unterlassen habe, die im Sinne des Tarakhel-Urteils erforderliche individuelle Zusicherung einzuholen. Auch hätte die Beziehung zu in Österreich lebenden Verwandten im Rahmen des Art. 8 EMRK berücksichtigt werden müssen und wäre das Verfahren in Österreich zuzulassen gewesen. Die Beschwerdeführer würden in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt mit der Mutter der Zweitbeschwerdeführerin leben, welche sich aufopfernd va um die Drittbeschwerdeführerin kümmere. Es bestehe emotionale und finanzielle Unterstützung bzw Abhängigkeit. Auch der hier aufhältige Cousin kümmere sich besonders um die mj Beschwerdeführerinnen. Die Behörde sei hierauf nicht ausreichend eingegangen. Der EuGH habe die Dublin III-VO dahingehend ausgelegt, dass dem einzelnen subjektive Rechte eingeräumt seien, weshalb auch den Beschwerdeführern ein Recht auf die richtige Anwendung der Verordnung zukomme. Art. 6 Dublin III-VO enthalte spezielle Garantien für Kinder. Auch gehe aus Art. 24 Abs. 2 GRC hervor, dass das Kindeswohl bei allen Maßnahmen eine vorrangige Erwägung sein müsse. Da sich die Behörde mit der Bestimmung nicht auseinander gesetzt habe, sei ihr Vorgehen unionsrechts- und verfassungswidrig gewesen. Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung sowie die Stattgebung der Beschwerden und Behebung der Bescheide wurden beantragt. Weiters wurde beantragt, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, da gegenständlich bereits der Transport der Drittbeschwerdeführerin an sich eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten würde.

Am 18.02.2019 beantragten die Beschwerdeführer die Aufnahme in die Bundesbetreuung in Wien, in eventu die Ausweisung der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet für dauerhaft unzulässig zu erklären, in enventu der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu zuerkennen.

Mit 13.03.2019 gaben die Beschwerdeführer im Rahmen einer Stellungnahme bekannt, dass die Caritas der Erzdiözese Wien nunmehr mit der rechtsfreundlichen Vertretung bevollmächtigt werde. Weiters wurden erneut das Schreiben einer Ärztin für Allgemeinmedizin einer Betreuungsstelle vom 15.11.2018 und die gutachterliche Stellungnahme im Zulassungsverfahren vom 18.01.2019 vorgelegt. Darüber hinaus wurde die elektronische Übermittlung der kompletten Korrespondenz des Bundesamtes mit den französischen Behörden bezüglich der Dublin-Anfrage und der Beantwortung durch die französischen Behörden ersucht. Es wurde erneut ausgeführt, dass die Drittbeschwerdeführerin an mitochondrialer Dysfunktion, atypischer Phenylketonurie und Autismus leide. Der gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren sei zu entnehmen, dass es einer Spezialuntersuchung bedürfe, um eine Beurteilung zum vorliegenden Krankheitsbild vornehmen zu können. Da es sich hier um ein Spezialgebiet handle, übersteige ohne Erhalt eines genetischen Befundes die Thematik deutlich die Kompetenz der Gutachtensverfasserin. Das Abwarten des Befundes aus dem AKH sei empfohlen worden. Bei falscher Ernährung komme es zu einer deutlichen Verschlechterung mit bleibenden Schädigungen des Zentralnervensystems mit bleibenden kognitiven Schädigungen. Aus den Ausführungen der Sachverständigen lasse sich der Ernst der Lage der Drittbeschwerdeführerin entnehmen und sei eine Überstellung daher nicht zumutbar und seien die Verfahren zuzulassen. Wie bereits in der Stellungnahme vom 07.12.2018 sowie in der Beschwerde vom 26.02.2019 wurde weiters ausgeführt, dass die übermittelten Länderfeststellungen zu Frankreich nicht mehr aktuell seien und beantragt worden sei, die aktuelle Situation zu ermitteln und diesbezügliche Länderfeststellungen zur Stellungnahme zu übermitteln. Es gehe aus den Berichten hervor, dass die Aufnahmelager überfüllt seien und Dublin-Rückkehrer wochenlange Obdachlosigkeit zu gegenwärtigen hätten. Eine Überstellung würde daher eine Verletzung von Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC darstellen. Die gestellten Anträge werden vollinhaltlich aufrecht erhalten.

Am 15.03.2019 konsultierte das Bundesamt das Innenministerium, da die Überstellungsfrist am 26.04.2019 endet. Es wurde um dringende Information gebeten, ob eine Flugüberstellung möglich sei und laut beiliegender Befunde eine arztbegleitete Überstellung notwendig oder ob eine eskortierte Überstellung ausreiche. Am selben Tag wurde mitgeteilt, dass eine Flugüberstellung ohne medizinische Begleitung möglich sei. Die rechtliche Vertretung der Familie wurde dahingehend informiert.

Am 25.03.2019 machten die Beschwerdeführer von ihrem Recht auf Akteneinsicht Gebrauch.

Am 09.04.2019 brachten die Beschwerdeführer durch ihre rechtliche Vertretung erneut eine Stellungnahme ein. Darin wurde ausgeführt, dass die Drittbeschwerdeführerin Höhen- und Druckunterschiede nur schwer ertragen könne; im Flugzeug sei sie bereits einmal komatös geworden. Es werde nochmals auf die Einschätzungen verwiesen, wonach von einer Flugreise abgeraten werde. Es werde daher erneut ersucht, die Möglichkeiten eines alternativen Überstellungsmodus zu prüfen.

Diese Stellungnahme wurde dem Innenministerium am 10.04.2019 mit der Bitte um neuerliche Bestätigung, dass in diesem Fall ein Flug ohne medizinische Begleitung möglich sei, übermittelt. Daraufhin wurde seitens des Innenministeriums mitgeteilt, dass von einer Überstellung mit dem Flugzeug aufgrund der vorgelegten Dokumente Abstand genommen werden sollte.

Das Bundesverwaltungsgericht wurde am 16.04.2019 vom Bundesamt darüber informiert, dass die geplante Abschiebung nach Frankreich am 11.04.2019 nicht stattgefunden hat. Diesbezüglich wurden das entsprechende Storno, die Entlassungsscheine und die Beurteilungen der Chefärztin des BMI vom 15.03.2019 und 10.04.2019 vorgelegt.

Die Bestätigung der Überstellung der Beschwerdeführer per Bus nach Frankreich am 25.04.2019 sowie der Bericht des Escort-Leaders der Dublin-Überstellung langten am 29.04.2019 bzw. 30.04.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wurde ua. ausgeführt, dass die Beschwerdeführer am 25.04.2019 um 12:30 Uhr den französischen Behörden ohne Vorfälle übergeben worden seien.

Mit weiterer Stellungnahme vom 29.04.2019 verwiesen die Beschwerdeführer erneut auf den Gesundheitszustand der Drittbeschwerdeführerin und die gutachterliche Stellungnahme vom 18.01.2019. Betreffend die Dublin-Überstellung am 25.04.2019 wurde zusammengefasst vorgebracht, dass diese am letzten Tag der Überstellungsfrist mittels Bus-Charter stattgefunden habe. Den Beschwerdeführern sei mitgeteilt worden, dass den französischen Behörden alle wesentlichen medizinischen Unterlagen, die die besondere Notwendigkeit der Betreuung, Spezialdiät und besondere Vulnerabilität der Beschwerdeführer dokumentieren würden, übermittelt worden seien. Den Beschwerdeführern sei versichert worden, dass sie von französischen Beamten übernommen werden würden. In Frankreich sei den Beschwerdeführern, nach Abreise der österreichischen Beamten, ein Schreiben in französischer Sprache (remise d'un ressortissant par une autorité etrangere) übergeben worden und seien die Beschwerdeführer in der Folge aus dem Gebäude geführt worden. Da die Familie nicht gewusst habe, wohin sie gehen solle, hätten sie nochmals an die Tür des "Büros" geklopft. Daraufhin habe ein Deutsch sprechender Beamter geöffnet und erklärt, dass "diese Stelle" nicht zuständig sei und die Beschwerdeführer weggehen sollten. Diese Vorgehen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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