Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde des J G in K, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in Wien III, Siegelgasse 6, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 5. Juni 1996, Zl. 38/9-DOK/96, betreffend Disziplinarstrafe der Geldbuße, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Revierinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er ist der Verkehrsabteilung-Außenstelle A im Bereich des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich zur Dienstleistung zugeteilt.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Disziplinarerkenntnis der belangten Behörde vom 5. Juni 1996 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 8. Juni 1995 um 9.45 Uhr vor seinem Wohnhaus in K in eine Betonmischmaschine Sand und Zement geschaufelt, obwohl er in der Zeit vom 19. Mai 1995 bis 19. Juni 1995 beim Vertrauensarzt Dr. K in Behandlung gestanden und laut ärztlichem Attest verhindert gewesen sei, seinen Dienst zu versehen. Der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten "Dienstpflichten gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 sowie § 44 Abs. 1 BDG 1979 iVm dem Erlaß des Bundesministeriums für Inneres vom 12. April 1988, Zl. 14.017/25-II/4/88 iS des § 91 BDG 1979 schuldhaft verletzt". Wegen dieser Dienstpflichtverletzungen verhängte die belangte Behörde über den Beschwerdeführer gemäß § 92 Abs. 1 Z. 2 BDG 1979 eine Geldbuße in der Höhe von S 5.000,--.
Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde nach Darlegung des bisherigen Verfahrensverlaufes im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei zur Zeit des gegenständlichen Vorfalles nachweislich vom behandelnden Arzt krankgeschrieben gewesen. Die (auszugsweise wiedergegebenen) niederschriftlichen Angaben von S vom 10. Juni 1995 hätten für die belangte Behörde einen höheren Wahrheitsgehalt als die "Erinnerung der Zeugen in der mündlichen Verhandlung". Für die belangte Behörde seien "die Verdachtsmomente ausreichend konkretisiert, um in schlüssiger Weise das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung ableiten zu können". Den (im einzelnen wiedergegebenen) Ausführungen des Beschwerdeführers könne sich die belangte Behörde nicht anschließen. Für den Tatbestand des § 43 Abs. 2 BDG 1979 komme es nur darauf an, ob das vorgeworfene Verhalten seinem objektiven Inhalt nach geeignet sei, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben durch den Beamten in Frage zu stellen; auf die öffentliche Begehung der Tat oder darauf, ob das Verhalten in der Öffentlichkeit bekannt geworden sei, komme es nicht an. Durch die "Tätigkeit an einer Mischmaschine im Krankenstand" habe der Beschwerdeführer ein Verhalten gesetzt, das "dem Krankheitsverlauf abträglich sein kann" und geeignet sei, neben der negativen Beispielswirkung für den Dienstbetrieb auch den berechtigten Unmut der Öffentlichkeit hervorzurufen. Der Beschwerdeführer habe gegen den im angefochtenen Bescheid genannten Erlaß des Bundesministeriums für Inneres (Abschnitt B "häusliche Pflege") verstoßen; er habe sich nicht so verhalten, wie dies von einem Erkrankten zur raschen Genesung üblicherweise zu erwarten sei und dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 44 Abs. 1 BDG 1979 begangen. Aus dem genannten Erlaß gehe hervor: "Jeder Dienstvorgesetzte kann sich bei den in häuslicher Pflege befindlichen Gendarmeriebediensteten durch Besuch des Erkrankten davon überzeugen, ob sich dieser so verhält, wie dies von einem Erkrankten zur raschen Genesung üblicherweise erwartet werden kann bzw. ob sich dieser allfälligen ärztlichen Anordnungen entsprechend verhält." Die weiteren Ausführungen betreffen die Strafbemessung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich nach seinem gesamten Beschwerdevorbringen durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, nicht der ihm angelasteten Dienstpflichtverletzungen schuldig erkannt und dafür disziplinär bestraft zu werden. Er beantragt den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete jedoch auf Erstattung einer Gegenschrift. Sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und den Ersatz des Vorlageaufwandes zuzuerkennen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 91 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) ist der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, nach dem
9. Abschnitt dieses Gesetzes (Disziplinarrecht) zur Verantwortung zu ziehen.
Die im 6. Abschnitt des BDG 1979 geregelten Dienstpflichten des Beamten sind die in § 43 leg. cit. umschriebenen "Allgemeinen Dienstpflichten" und die in den §§ 44 bis 60 leg. cit. besonders bezeichneten Pflichten des dem Dienststand angehörigen Beamten.
Gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Gemäß § 44 Abs. 1 BDG 1979 hat der Beamte seine Vorgesetzten zu unterstützen und seine Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.
Die "Dienstzeit" des Beamten wird in den §§ 48 bis 50d BDG 1979, die "Abwesenheit vom Dienst" im § 51 leg. cit. geregelt.
Gemäß § 48 Abs. 1 BDG 1979 hat der Beamte die im Dienstplan vorgeschriebenen Dienststunden einzuhalten, wenn er nicht vom Dienst befreit oder enthoben oder gerechtfertigt vom Dienst abwesend ist.
Der Beamte, der vom Dienst abwesend ist, ohne vom Dienst befreit oder enthoben zu sein, hat zufolge § 51 Abs. 1 BDG 1979 den Grund seiner Abwesenheit unverzüglich seinem Vorgesetzten zu melden und seine Abwesenheit zu rechtfertigen.
Ist der Beamte durch Krankheit, Unfall oder Gebrechen an der Ausübung seines Dienstes verhindert, so hat er nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle seinem Vorgesetzten eine ärztliche Bescheinigung über den Beginn der Krankheit und nach Möglichkeit über die voraussichtliche Dauer der Dienstverhinderung vorzulegen, wenn er dem Dienst länger als drei Arbeitstage fernbleibt oder der Vorgesetzte oder der Leiter der Dienststelle es verlangt. Kommt der Beamte dieser Verpflichtung nicht nach, entzieht er sich einer zumutbaren Krankenbehandlung oder verweigert er die zumutbare Mitwirkung an einer ärztlichen Untersuchung, so gilt die Abwesenheit vom Dienst nicht als gerechtfertigt.
Die dem Beschwerdeführer angelastete Dienstpflichtverletzung gemäß § 44 Abs. 1 BDG 1979 liegt schon deshalb nicht vor, weil sich der Erlaß - aus dem von der belangten Behörde ein Weisungsverstoß abgeleitet wird - an den "Dienstvorgesetzten" und nicht an den Beschwerdeführer richtet. Die im angefochtenen Bescheid wiedergegebene Erlaßbestimmung erweist sich als eine Konkretisierung der Dienstpflichten des Vorgesetzten im Sinn des § 45 BDG 1979. Daß dem Beschwerdeführer jemals die Weisung erteilt worden sei, sich einer konkreten Krankenbehandlung zu unterziehen, hat die belangte Behörde nicht festgestellt.
Hinsichtlich der dem Beschwerdeführer angelasteten Dienstpflichtverletzung im Sinn des § 43 Abs. 2 BDG 1979 hat die belangte Behörde verkannt, daß ein solcher Pflichtenverstoß gegen die allgemeinen Dienstpflichten nur insoweit in Betracht kommen konnte, als das dem Beamten angelastete Verhalten nicht den Tatbestand der Verletzung besonders bezeichneter Pflichten verwirklicht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1998, Zl. 96/09/0373, und die darin angegebene Vorjudikatur).
Wird eine der in § 51 Abs. 2 BDG 1979 umschriebenen Dienstpflichten verletzt, so hat der Beamte dafür sowohl besoldungsrechtliche Konsequenzen zu tragen, als auch im Sinn des § 91 BDG 1979 hiefür disziplinär einzustehen (vgl. insoweit das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1994, Zl. 93/09/0114).
Nach dem im Beschwerdefall vorgeworfenen Sachverhalt, der Beschwerdeführer habe während seines Krankenstandes Bauarbeiten vorgenommen, wäre daher zu untersuchen gewesen, ob der Beschwerdeführer gegen die Verpflichtung zu einer zumutbaren Krankenbehandlung im Sinn des § 51 Abs. 2 BDG 1979 verstoßen bzw. der von seinem behandelnden Arzt angeordneten Therapie zuwidergehandelt hat, besteht doch auch ohne entsprechende Weisung eines Vorgesetzten für den Beamten die Pflicht, sich einer solchen Behandlung zu unterziehen und an dieser mitzuwirken (vgl. insoweit auch Gabriele Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplianrrecht der Beamten, 2. Auflage 1996, Seite 220f). Die belangte Behörde hat in Verkennung der Rechtslage allerdings eine Auseinandersetzung in diesem Sinn unterlassen. Welche Therapie der behandelnde Arzt dem Beschwerdeführer verordnete, wurde von der belangten Behörde nicht festgestellt. Des weiteren wurde nicht festgestellt, daß die dem Beschwerdeführer angelastete Verhaltensweise seiner Genesung tatsächlich abträglich gewesen ist. In dieser Hinsicht können weder das Urteil von "Laien" noch Reaktionen der Öffentlichkeit - wie die belangte Behörde nach der Begründung des angefochtenen Bescheides annimmt - für die Frage maßgebend sein, welche Verhaltensweise für den Beschwerdeführer im Zeitraum nach seiner Nierensteinzertrümmerung bis zu der vorgesehenen Kurbehandlung medizinisch indiziert war. Daß der Beschwerdeführer ein Verhalten gesetzt hat, das auch für einen Laien erkennbar dem Krankheitsverlauf abträglich gewesen ist, kann nach den Feststellungen der belangten Behörde nicht gesagt werden.
Da die belangte Behörde dies verkannte erweist sich der Schuldspruch als inhaltlich rechtswidrig. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 18. November 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996090262.X00Im RIS seit
20.11.2000