Entscheidungsdatum
25.06.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W104 2202223-1/8E
W104 2201725-1/8E
W104 2205734-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
I. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Christian Baumgartner über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Benno Wageneder, 4910 Ried im Innkreis, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 19.06.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.05.2019 zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Christian Baumgartner über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Benno Wageneder, 4910 Ried im Innkreis, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West, vom 19.06.2018, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.05.2019 zu Recht:
A)
1. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 und 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
2. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.
3. XXXX wird gemäß § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 2 und § 54 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
4. Die Spruchpunkte V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
III. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Christian Baumgartner über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Benno Wageneder, 4910 Ried im Innkreis, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 09.08.2018, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.05.2019 zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
XXXX (in der Folge Erstbeschwerdeführerin) und XXXX (in der Folge: Zweitbeschwerdeführer) reisten unabhängig voneinander unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein. Die Erstbeschwerdeführerin stellte am 10.12.2015 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet, der Zweitbeschwerdeführer am 25.11.2015.
Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.12.2015 gab die Erstbeschwerdeführerin an, sie sei afghanische Staatsangehörige und hänge der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an. Sie sei am XXXX in Kabul in Afghanistan geboren und ledig. Zum Fluchtgrund führte die Erstbeschwerdeführerin aus, dass in Afghanistan Krieg herrsche. Das Leben in Afghanistan sei gefährlich, weshalb ihre Eltern beschlossen hätten, nach Deutschland zu flüchten. Dort seien auch ihre Geschwister. Sie habe Angst vor dem Krieg.
Der Zweitbeschwerdeführer gab im Zuge seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 25.11.2015 an, er sei afghanischer Staatsangehöriger und hänge der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam an. Er sei am XXXX geboren und ledig. Zum Fluchtgrund führte der Zweitbeschwerdeführer aus, dass er legal im Iran gelebt habe. Damals sei alles gut gewesen. Jetzt sei er jedoch nach Afghanistan abgeschoben worden. Da in Afghanistan Krieg herrsche und es gefährlich sei, habe er mit seiner Mutter beschlossen, zu seinem Bruder nach Österreich auszuwandern.
In ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 08.02.2018 gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie zwischenzeitlich den Zweitbeschwerdeführer kennengelernt und am 16.07.2017 in XXXX traditionell geheiratet habe. Derzeit sei sie schwanger und werde ihr Kind etwa im Juli 2018 bekommen. Zum Fluchtgrund befragt, führte die Erstbeschwerdeführerin auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass die Nachbarsfamilie in Afghanistan einen jungen Sohn und eine junge Tochter gehabt habe. Die Nachbarsfamilie habe um die Hand der Erstbeschwerdeführerin angehalten. Die Erstbeschwerdeführerin sei damit einverstanden gewesen. Ihr Vater habe den Nachbarn daher vorgeschlagen, dass die Erstbeschwerdeführerin deren Sohn heiraten werde, wenn die Tochter der Nachbarsfamilie den Bruder der Erstbeschwerdeführerin heirate. Die Erstbeschwerdeführerin sei sechs Monate mit dem Sohn der Nachbarn verlobt gewesen. Dann habe ihr Verlobter einen Ausflug mit seinen Freunden gemacht und sei bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Die Familie des Verlobten sei in die Heimatprovinz zurückgekehrt. Zwei bis drei Monate später habe der Vater die Familie des Verlobten aufgesucht und nachgefragt, was mit der Hochzeit des Bruders der Erstbeschwerdeführerin sei. Die Familie des Verlobten habe gemeint, sie würden ihre Tochter nur hergeben, wenn der Vater im Gegenzug ihre Schwiegertochter (gemeint die Erstbeschwerdeführerin) hergebe. Der Verlobte habe zwei bereits verheiratete Brüder. Der Vater habe gesagt, er könne seine Tochter nicht an verheiratete Männer hergeben. Er habe Angst bekommen, da diese Familie sehr wohlhabend und ein Onkel der Familie Kommandant sei. Die Erstbeschwerdeführerin habe sich geweigert einen der verheirateten Brüder ihres Verlobten, welche auch schon Kinder hätten, zu heiraten. Auch ihr Bruder sei dagegen gewesen und habe gemeint, dass er dann seine Verlobte eben nicht heiraten werde. Der Vater habe die Familie daher angerufen und ihnen die Entscheidung mitgeteilt. Am Telefon sei diskutiert worden. Die Familie des Verlobten habe ihnen einen Monat Bedenkzeit gegeben, da sie die Erstbeschwerdeführerin unbedingt hätten haben wollen. Dabei sei es um die Ehre der Familie gegangen. Sie hätten große Angst vor dieser Familie. Der Vater habe dann entschieden, nach Herat zu siedeln. Sie hätten ein Auto genommen und seien nach Herat gefahren. Sie hätten gedacht, in Herat sicher zu sein und dass die Familie des Verlobten sie dort nicht finden werde. Der Vater sei dann jedoch wieder von der Familie kontaktiert worden. Die Nummer hätten sie vom Onkel väterlicherseits gehabt. Am Telefon hätten sie gesagt, egal, wohin sie gingen oder lebten, sie würden sie finden und mitnehmen. Im Fall einer Rückkehr befürchte die Erstbeschwerdeführerin, umgebracht zu werden.
Der Zweitbeschwerdeführer gab in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 07.05.2018 an, dass die Protokollierung der Erstbefragung, wonach er im Iran ein gutes Leben gehabt habe, nicht stimme. Er habe dort keine Dokumente gehabt und sei illegal gewesen. Er sei auch nicht vordergründig wegen dem Krieg ausgereist. Am 16.07.2017 habe er die Erstbeschwerdeführerin geheiratet, welche schwanger sei und im nächsten Monat das gemeinsame Kind erwarte. Zu seinem Fluchtgrund gab er im Wesentlichen zusammengefasst an, dass er mit seiner Mutter im Alter von elf oder zwölf Jahren in den Iran gegangen sei. Nach seiner Rückkehr nach Afghanistan sei er einige Zeit arbeitslos gewesen und habe schließlich eine Arbeit als Autolackierer in einer Werkstatt gefunden. Eines Abends sei er von der Arbeit heimgekommen und seine Mutter habe ihm berichtet, dass einige Männer ihr Haus aufgesucht hätten. Sie hätten nach dem Zweitbeschwerdeführer gesucht und ihm ausrichten lassen, dass er seine Arbeit nicht mehr fortsetzen solle. Der Zweitbeschwerdeführer habe seine Mutter beruhigt und ihr gesagt, dass nichts passieren werde. Am nächsten Tag sei er zur Arbeit gegangen und habe dort dem Werkstattleiter von dem Vorfall berichtet. Er habe ihm mitgeteilt, dass er aus Angst, ihm oder seiner Mutter könne etwas passieren, nicht weiterarbeiten werde. Daraufhin habe ihn der Werkstattleiter geschlagen und ihm gesagt, das sei keine Werkstatt, in der man anfangen und aufhören könne, wenn man will. Der Werkstattleiter habe gesagt, dass der Besitzer der Kommandant XXXX sei, der zwar dem Staat diene, aber auch bei vielen anderen Sachen dabei sei. Auch andere Arbeiter hätten dem Zweitbeschwerdeführer gesagt, dass er die Arbeit nicht einfach aufgeben könne, weil man sonst einen Spion in ihm sehen würde. Der Zweitbeschwerdeführer sei daher noch in der Arbeit geblieben, habe aber Angst gehabt. Eines nachts sei er auf dem Heimweg gewesen. Drei bis vier Personen auf Motorrädern hätten ihn aufgehalten und verprügelt. Sie hätten gesagt, dass sie bereits seiner Mutter mitgeteilt hätten, dass er seine Arbeit nicht fortsetzen soll, und ob er denn glaube, dass sie Spaß machen. Sie seien gekommen, um den Zweitbeschwerdeführer zu verprügeln. Das nächste Mal würden sie ihn jedoch umbringen, wenn er die Arbeit weiter fortsetzen würde. Von dieser Schlägerei habe der Zweitbeschwerdeführer auch eine Verletzung auf der Nase. Er sei bewusstlos geworden und im Haus eines Bekannten ( XXXX ) aufgewacht. Der Zweitbeschwerdeführer habe ihm erzählt, was vorgefallen sei. Er habe auch seine Arbeit nicht beenden können, weil ihm auch von Seiten des Arbeitgebers gedroht worden sei. Woanders habe er auch nicht hingehen können, ohne gefunden zu werden. Der Bekannte habe dem Zweitbeschwerdeführer geraden, Afghanistan zu verlassen, und habe den Schlepper kontaktiert. Um keinen Verdacht zu wecken, sei der Zweitbeschwerdeführer am nächsten Tag zur Arbeit gegangen. Am Nachmittag sei er mit dem Vorwand, Schmerzen zu haben, nach Hause gegangen. Das Haus hätten sie in der Eile nicht verkaufen können. Der Bekannte habe ihnen daher Geld für den Schlepper gegeben und sie hätten ihm im Gegenzug das Haus zur Verfügung gestellt. An diesem Abend seien sie losgefahren. Im Fall seiner Rückkehr befürchte er, umgebracht zu werden. Zudem gäbe es Probleme hinsichtlich der Religion. Er sei Sunnite und seine Gattin, die Erstbeschwerdeführerin, sei Schiitin. In seiner Region in Afghanistan würde seine Gattin daher umgebracht werden, wenn ihm etwas zustieße.
Am XXXX wurde der gemeinsame Sohn der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers, XXXX (in der Folge Drittbeschwerdeführer), geboren. Die Erstbeschwerdeführerin stellte am 25.06.2018 als gesetzliche Vertretung für den Drittbeschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren. Der Drittbeschwerdeführer sei gesund und habe keine eigenen Fluchtgründe. Der Antrag beziehe sich ausschließlich auf die Gründe des Vaters bzw. der Mutter.
Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 19.06.2018 betreffend die Erstbeschwerdeführerin und den Zweitbeschwerdeführer, beide zugestellt am 22.06.2018, bzw. vom 09.08.2018 betreffend den Drittbeschwerdeführer, zugestellt am 20.08.2018, wies die belangte Behörde den Antrag der Erstbeschwerdeführerin, des Zweitbeschwerdeführers und des Drittbeschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 AsylG iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.), sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 AsylG iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab, erteilte den Beschwerdeführern keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
Begründend führte die belangte Behörde im Bescheid betreffend die Erstbeschwerdeführerin aus, zwischen der Erstbefragung vom 10.12.2015 und der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bestünden gravierende Divergenzen, welche nicht aufgeklärt werden konnten. Es bestünde der Eindruck, dass es sich beim Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin nicht um tatsächlich erlebte Ereignisse, sondern um ein auf die Erlangung von Asyl ausgerichtetes Konstrukt handle. Es gebe keine Hinweise darauf, dass die Erstbeschwerdeführerin im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan im Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe bzw. Behandlung unterworfen oder von Todesstrafe bedroht wäre. Eine Niederlassung in Kabul sei der Erstbeschwerdeführerin zumutbar.
Im Bescheid betreffend den Zweitbeschwerdeführer führte die belangte Behörde begründend aus, dass dessen Angaben zum Teil oberflächlich und vage seien. Der Zweitbeschwerdeführer habe eine Rahmengeschichte geschildert, ohne diese durch das Vorbringen von Details, Nachvollziehbarkeit, etc. zu substantiieren bzw. mit Leben zu erfüllen. Das Fluchtvorbringen sei insgesamt nicht glaubwürdig. Auch dem Zweitbeschwerdeführer sei es zumutbar, sich in Kabul niederzulassen.
Im Bescheid hinsichtlich des Drittbeschwerdeführers führte die belangte Behörde aus, dass seine gesetzliche Vertretung keine eigenen Fluchtgründe und Rückkehrbefürchtungen vorgebracht habe. Die Fluchtgründe seiner Eltern, der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers, hätten sich als im Sinn der GFK als nicht relevant erweisen. Auch amtswegig hätten sich keine Hinweise auf eine drohende Verfolgung in Afghanistan ergeben. Seine Eltern seien wie auch der Drittbeschwerdeführer von einer Rückkehrentscheidung betroffen. Die Grundversorgung in Kabul sei jedenfalls gesichert, im Fall einer Rückkehr in sein Heimatland gelange der Drittbeschwerdeführer nicht in eine die Existenz bedrohende Notlage.
Dagegen richtet sich die am 19.07.2018 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin, die am 20.07.2018 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers bzw. die am 05.09.2018 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde des Drittbeschwerdeführers. In der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird insbesondere vorgebracht, dass die Protokollierung und Befragung durch die belangte Behörde sowie das Verfahren mangelhaft gewesen sei. Weiter liege eine mangelhafte Beweiswürdigung vor. Im Übrigen wird das Vorbringen zum Fluchtgrund in der vorliegenden Beschwerde wiederholt. Der Zweitbeschwerdeführer machte in seiner Beschwerde unrichtige Sachverhaltsfeststellung und unrichtige Beweiswürdigung geltend. Er wiederholte das Vorbringen zu seinem Fluchtgrund, brachte näheres zur Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere Kabul, vor und verwies diesbezüglich auf das Gutachten von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018. In der Beschwerde des Drittbeschwerdeführers wird auf die Beschwerdegründe der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers verwiesen. Weiters sei die Erstbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin des Drittbeschwerdeführers nicht zum Antrag auf internationalen Schutz für ihren Sohn einvernommen worden. Auch seien die Länderinformationsblätter nicht in aktualisierter Form zur Stellungnahme übermittelt worden.
Mit Schreiben vom 05.04.2019 beraumte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung für den 23.05.2019 an, brachte Länderberichte in das Verfahren ein und gab den Beschwerdeführern Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die belangte Behörde teilte mit Schreiben vom 09.04.2019 mit, dass eine Teilnahme eines informierten Vertreters an der Verhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei, und beantragte die Abweisung der Beschwerden.
Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 23.05.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die Beschwerdeführer, ihr bevollmächtigter Vertreter und ein Dolmetscher für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.
In der mündlichen Verhandlung wurden die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer zu ihren Fluchtgründen befragt und hielten ihr bisheriges Fluchtvorbringen aufrecht. Die Erstbeschwerdeführerin gab zu ihrem Leben in Österreich an, dass sie einen Malworkshop besuche und sich alleine mit Freundinnen treffe. Sie stehe gewöhnlich um sieben oder acht Uhr auf und putze nach dem Frühstück gemeinsam mit ihrem Mann die Wohnung. Dann gehe ihr Gatte in den Deutschkurs und sie gehe mit dem Drittbeschwerdeführer in ein Sprach-Spielcafé. Einkäufe erledige sie auch ohne ihren Mann und besuche einen Frauentanzkurs. Weiter besuche sie auch einen Deutschkurs und wünsche sich, als Zahnarztassistentin zu arbeiten. Mit zwei Jahren wolle sie den Sohn in den Kindergarten schicken. Arztbesuche erledige sie zum Teil allein. Betreffend den gemeinsamen Sohn würde sie Entscheidungen gemeinsam mit dem Zweitbeschwerdeführer treffen. Der Zweitbeschwerdeführer gab an, dass er die Erstbeschwerdeführerin bei ihrem Vorhaben, arbeiten zu gehen, unterstützen werde. Er werde auf das gemeinsame Kind aufpassen, die Haushaltsarbeit mit der Erstbeschwerdeführerin teilen oder ihr abnehmen. Weiter gab er an, die Erstbeschwerdeführerin betreibe Yoga, sie besuche einen Fitnessclub und einen Tanzkurs und gehe alleine schwimmen. Den Namen für den Drittbeschwerdeführer hätten sie gemeinsam ausgesucht.
Die Beschwerdeführer legten im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:
* Tazkira der Erstbeschwerdeführerin;
* Österreichische Geburtsurkunde des Drittbeschwerdeführers;
* Islamische Heiratsurkunde Nr. XXXX vom 23.01.2018;
* Aufenthaltsberechtigungskarte gem. § 51 AsylG der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers;
* Kopie des Mutter-Kind-Passes der Erstbeschwerdeführerin;
* ÖSD Zertifikat A1 (bestanden) betreffend die Erstbeschwerdeführerin vom 21.12.2016;
* ÖSD Zertifikat A2 (bestanden) betreffend die Erstbeschwerdeführerin;
* ÖSD Zertifikat A1 (bestanden) betreffend den Zweitbeschwerdeführer vom 06.12.2016;
* ÖSD Zertifikat A2 (bestanden) betreffend den Zweitbeschwerdeführer vom 25.04.2017;
* ÖSD Zertifikat B1 (nicht bestanden) betreffend den Zweitbeschwerdeführer vom 27.03.2018;
* Diverse Teilnahmebestätigungen für Deutsch- und Basisbildungskurse betreffend die Erstbeschwerdeführerin;
* Diverse Teilnahmebestätigungen für Deutsch- und Integrationskurse betreffend den Zweitbeschwerdeführer;
* Bestätigung für einen Kurs zur Vorqualifizierung zum Einstieg in Gesundheits- und Pflegeberufe, der im Oktober 2019 beginnen wird, betreffend die Erstbeschwerdeführerin;
* Bestätigung über ehrenamtliche Tätigkeit beim Verein XXXX vom 05.02.2018 betreffend die Erstbeschwerdeführerin;
* Teilnahmebestätigung " XXXX "-Workshopreihe des XXXX vom 05.08.2016 betreffend den Zweitbeschwerdeführer;
* Freiwilligenpass der Erstbeschwerdeführerin mit Eintragungen des Vereins XXXX ;
* Bestätigungen über die Teilnahme an Freizeitbeschäftigungen der Erstbeschwerdeführerin;
* Mitgliedskarte Fitnessstudio betreffend die Erstbeschwerdeführerin;
* Österreichischer Freiwilligenpass des Zweitbeschwerdeführers;
* Bestätigung der XXXX GmbH über die freiwillige Mithilfe des Zweitbeschwerdeführers vom 18.04.2018;
* Medizinische Unterlagen betreffend einen Krankenhausaufenthalt des Zweitbeschwerdeführers vom XXXX ; vom XXXX sowie vom XXXX ;
* Medizinische Unterlagen betreffend einen Krankenhausaufenthalt der Erstbeschwerdeführerin vom XXXX ;
* Empfehlungsschreiben vom 03.05.2018 betreffend den Zweitbeschwerdeführer;
* Empfehlungsschreiben einer diplomierten Sozialpädagogin des Vereins XXXX (undatiert).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Beweisaufnahme:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
* Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl;
* Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht;
* Einsichtnahme in folgende vom Bundesverwaltungsgericht eingebrachte Berichte:
-
Länderinformationsblatt Afghanistan der Staatendokumentation, Stand 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 26.03.2019;
-
European Asylum Support Office (EASO): Country Guidance:
Afghanistan, June 2018;
https://www.easo.europa.eu/sites/default/files/easo-country-guidance-afghanistan-2018.pdf
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European Asylum Support Office (EASO): Country of Origin Information Report: Afghanistan, Individuals targeted by armed actors in the conflict, December 2017;
https://www.easo.europa.eu/information-analysis/country-origin-information/country-reports
-
European Asylum Support Office (EASO): Bericht Afghanistan Netzwerke (Übersetzung durch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation), Stand Jänner 2018;
https://www.easo.europa.eu/information-analysis/country-origin-information/country-reports
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Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 31.05.2018;
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Ecoi.net - European Country of Origin Information Network:
Anfrage-beantwortung zu Afghanistan: Fähigkeit der Taliban, Personen (insbesondere Dolmetscher, die für die US-Armee gearbeitet haben) in ganz Afghanistan aufzuspüren und zu verfolgen (Methoden; Netzwerke), 15.02.2013;
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Landinfo, Informationszentrum für Herkunftsländer: Afghanistan:
Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne (Arbeitsübersetzung durch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staaten-dokumentation), 23.08.2017;
https://landinfo.no/asset/3590/1/3590_1.pdf
* Einsichtnahme in die von den Beschwerdeführern vorgelegten Dokumente und Berichte.
2. Feststellungen:
2.1. Zur Person und den Lebensumständen der Beschwerdeführer
Die Beschwerdeführer tragen den im Spruch angeführten Namen und sind Staatsangehörige der Islamischen Republik Afghanistan. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sind Ehegatten nach islamischem Recht und Eltern des minderjährigen Drittbeschwerdeführers.
Die Erstbeschwerdeführerin wurde am XXXX in Kabul in Afghanistan geboren. Sie besuchte dort fünf Jahre lang die Grundschule und war anschließend als Hausfrau tätig. Die Erstbeschwerdeführerin ist Angehörige der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Ihre Muttersprache ist Dari, die sie in Wort und Schrift beherrscht. Sie verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Die Erstbeschwerdeführerin ist volljährig, im Wesentlichen gesund und strafrechtlich unbescholten.
Eine Schwester und eine Tante väterlicherseits der Erstbeschwerdeführerin leben im Herkunftsstaat in Kabul. Sie hat keine weiteren Angehörigen in Afghanistan. Die Eltern und ein Bruder der Erstbeschwerdeführerin kamen mit ihr gemeinsam nach Österreich und sind derzeit ebenfalls im Bundesstaat aufhältig. Zwei weitere Brüder und eine Schwester der Erstbeschwerdeführerin leben in Deutschland.
Der Zweitbeschwerdeführer wurde am XXXX in XXXX , Provinz Baghlan in Afghanistan geboren. Dort besuchte er vier bis fünf Jahre die Schule. Der Beschwerdeführer ist Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Dari, er spricht auch etwas Paschtu. Der Zweitbeschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Er ist volljährig, im Wesentlichen gesund und erwerbsfähig. Er ist strafgerichtlich unbescholten.
Mit etwa elf oder zwölf Jahren reiste der Zweitbeschwerdeführer mit seiner Familie aus seinem Herkunftsstaat aus und lebte im Iran in XXXX . Dort arbeitete er sieben bis acht Jahre als Autolackierer. Anfang 2015 verließ er den Iran und reiste wieder in seinen Herkunftsstaat Afghanistan. Dort lebte er mit seiner Mutter ca. ein Jahr bis zu seiner Ausreise im Elternhaus in XXXX , Provinz Baghlan.
Die Mutter des Zweitbeschwerdeführers kam mit dem Zweitbeschwerdeführer gemeinsam nach Österreich und ist ebenfalls im Bundesstaat aufhältig. Ihr wurde mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Der Bruder des Beschwerdeführers ist seit vier Jahren in Österreich aufhältig. Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. Der Zweitbeschwerdeführer hat keine Angehörigen in seinem Herkunftsstaat Afghanistan, jedoch einen guten Bekannten in seinem Heimatdorf in Baghlan.
Der Drittbeschwerdeführer ist der minderjährige Sohn der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers und wurde am XXXX in XXXX , Österreich geboren. Er ist gesund und strafrechtlich unbescholten.
Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer halten sich zumindest seit sie am 10.12.2015 (Erstbeschwerdeführerin) bzw. am 25.11.2015 (Zweitbeschwerdeführer) ihren Antrag auf internationalen Schutz stellten, durchgehend im Bundesgebiet auf. Der Drittbeschwerdeführer hält sich seit seiner Geburt am XXXX in XXXX durchgehend in Österreich auf.
Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer lernten einander im Flüchtlingsquartier in Österreich kennen und heirateten am 16.07.2017 in Österreich nach islamischem Recht. Die Beschwerdeführer bewohnen zusammen ein Zimmer im Asylheim der XXXX in XXXX , sind nicht erwerbstätig und leben von der Grundversorgung.
Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer haben einen gemeinsamen Freundeskreis in Österreich, mit dem sie auch am Wochenende etwas unternehmen. Beide nehmen in ihrer Freizeit regelmäßig am Sprachcafé des Vereins XXXX teil. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer unterstützen den Verein XXXX ehrenamtlich bei verschiedenen Aktivitäten, Festen und Workshops. Die Erstbeschwerdeführerin malt bei Veranstaltungen Henna-Zeichnungen auf die Haut, während der Zweitbeschwerdeführer beim Aufbau und Aufräumarbeiten, beim Buffet und als Servicekraft mithilft.
Die Erstbeschwerdeführerin hat zu ihren Deutschkenntnissen eine Prüfung aus der Stufe A2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen abgelegt. Derzeit besucht sie einen Deutschkurs und möchte die Prüfung aus der Stufe B1 ablegen. Vormittags geht sie alleine mit dem Drittbeschwerdeführer in ein Sprach-Spielcafé. Den Einkauf erledigt die Erstbeschwerdeführerin alleine ohne den Zweitbeschwerdeführer. Auch Arztbesuche nimmt sie ohne männliche Begleitung wahr. Wichtige Entscheidungen betreffend den Drittbeschwerdeführer treffen die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer gemeinsam. An Österreich schätzt die Erstbeschwerdeführerin besonders die Gleichberechtigung von Mann und Frau und dass Frauen in Österreich selbständig sind. Für ihre Zukunft plant die Erstbeschwerdeführerin, ihren Führschein zu machen. Sie möchte eine Arbeit finden und selbst arbeiten gehen. Sobald der Drittbeschwerdeführer zwei Jahre alt ist, möchte sie ihn in den Kindergarten schicken und ihren Hauptschulabschluss absolvieren, um eine Ausbildung zur Zahnarztassistentin zu machen. Sie hat sich bereits für einen Kurs zur Vorqualifizierung zum Einstieg in Gesundheits- und Pflegeberufe angemeldet, der im Oktober 2019 beginnen wird. Der Zweitbeschwerdeführer unterstützt die Erstbeschwerdeführerin bei diesem Vorhaben. In ihrer Freizeit besucht die Erstbeschwerdeführerin einen Malworkshop, einen Tanzkurs für Frauen, betreibt Yoga, geht schwimmen oder ins Fitnessstudio. Mit Freundinnen trifft sie sich auch ohne Begleitung ihres Gatten.
Der Zweitbeschwerdeführer hat zu seinen Deutschkenntnissen eine Prüfung aus der Stufe A2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen abgelegt und einen Deutschkurs Stufe B1 besucht. Er hat einen Werte- und Orientierungskurs des ÖIF und eine Workshopreihe für Freiwillige mit Migrationsgeschichte (" XXXX ") besucht. Der Zweitbeschwerdeführer engagiert sich ehrenamtlich und arbeitete freiwillig bei der XXXX mit. Von Bekannten wird der Zweitbeschwerdeführer als sehr höflich, aufgeschlossen, kontaktfreudig, fleißig und integrationswillig beschrieben. Der Zweitbeschwerdeführer hat sich bislang erfolglos um Arbeit in Österreich bemüht, weshalb er derzeit seinen Hauptschulabschluss nachholt.
2.2. Zu den Fluchtgründen und der Rückkehrsituation der Beschwerdeführer
Die Erstbeschwerdeführerin ist in ihrer Wertehaltung überwiegend an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" zu bezeichnenden Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert. In diesem Zusammenhang droht ihr im Fall ihrer Rückkehr asylrelevante Verfolgung aus Gründen ihrer politischen Gesinnung bzw. Religion sowie aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der westlich orientierten afghanischen Frauen. Von einer solchen Verfolgung ist im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan auszugehen.
Zu den Angaben der Erstbeschwerdeführerin über die Gründe, aus denen sie ihr Herkunftsland verlassen hat, werden keine Feststellungen getroffen.
Dass der Zweitbeschwerdeführer von unbekannten Männern in Afghanistan bedroht und verprügelt wurde, konnte nicht festgestellt werden. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass der Zweitbeschwerdeführer von seinem Arbeitgeber bedroht wurde. Es ist daher nicht zu erwarten, dass dem Zweitbeschwerdeführer im Herkunftsstaat Verfolgung bzw. Übergriffe bis hin zur Ermordung durch unbekannte Männer, seinen (ehemaligen) Arbeitgeber oder durch sonstige Personen droht.
Dass dem Zweitbeschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat Verfolgung aus Gründen der Religion wegen seiner Heirat mit einer Schiitin droht, ist nicht zu erwarten.
Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.
Die Heimatprovinz des Zweitbeschwerdeführers (Baghlan) zählt zu den volatilen, stark vom Konflikt betroffenen Provinzen. Die Sicherheitslage hat sich in den letzten Jahren verschlechtert. Die Taliban führen koordinierte Angriffe in Schlüsseldistrikten in der Nähe der Hauptstadt aus. Es werden militärische Operationen durchgeführt und es kommt zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Tailban und den Sicherheitskräften. Baghlan zählt zu jenen Provinzen, in denen eine hohe Anzahl an Zivilisten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben kam.
Im Fall einer Rückkehr des Zweitbeschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Baghlan droht ihm die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.
Die Hauptstadt Kabul ist von innerstaatlichen Konflikten und insbesondere stark von öffentlichkeitswirksamen Angriffen der Taliban, des Haqqani-Netzwerkes und des IS betroffen. Kabul verzeichnet die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans. Die afghanische Regierung führt regelmäßig Sicherheitsoperationen in der Hauptstadt durch. Im Fall einer Niederlassung in Kabul droht dem Zweitbeschwerdeführer die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.
Die Provinzen Balkh und Herat gehören zu den friedlichsten Provinzen Afghanistans und sind vom Konflikt relativ wenig betroffen. Insbesondere Balkh gehört zu den stabilsten Provinzen Afghanistans mit im Vergleich zu anderen Provinzen geringen Aktivitäten von Aufständischen. Die Provinz Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen Afghanistans. Sie verzeichnet Aktivitäten von Aufständischen in einigen Distrikten. Die Städte Mazar-e Sharif in Balkh und Herat in der Provinz Herat stehen unter Regierungskontrolle. Beide Städte verfügen über einen internationalen Flughafen, über den die Stadt sicher erreicht werden kann.
Die Provinzen Balkh und Herat sind von einer Dürre betroffen. Ernährungssicherheit, Zugang zu Wohnmöglichkeiten, Wasser und medizinische Versorgung sind in Mazar-e Sharif und Herat (Stadt) grundsätzlich gegeben. Die Arbeitslosigkeit im Herkunftsstaat ist hoch und Armut verbreitet.
Dass dem Zweitbeschwerdeführer im Fall einer Niederlassung in den Städten Mazar-e-Sharif oder Herat (Stadt) die Gefahr droht, aufgrund der angespannten Sicherheitslage verletzt, misshandelt oder getötet zu werden, kann nicht festgestellt werden. Auch kann nicht festgestellt werden, dass der Zweitbeschwerdeführer im Fall seiner Rückführung in eine der genannten Städte keine Lebensgrundlage vorfinden würde bzw. nicht in der Lage wäre, die Grundbedürfnisse seiner menschlichen Existenz zu decken.
Es gibt in Afghanistan unterschiedliche Unterstützungsprogramme für Rückkehrer von Seiten der Regierung, von NGOs und durch internationalen Organisationen. IOM bietet in Afghanistan Unterstützung bei der Reintegration an.
2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat
2.3.1. Staatendokumentation (Stand 29.06.2018, außer wenn anders angegeben):
Allgemeine Sicherheitslage
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).
Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).
Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).
Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).
Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).
Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).
Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).
Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).
Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).
Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).
Quellen siehe Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kap.
3.
Sicherheitslage Kabul
Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z).
Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).
In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).
Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).
Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).
Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.
Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).
Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).
Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani- Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).
Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018).
Folgende öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele wurden im Jahr 2018 registriert (kein Anspruch auf Vollständigkeit).
* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).
* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)
* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).
* Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).
* Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).
* Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).
* Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).
* Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:
Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).
Quellen siehe Länderinformationsbl