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60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AMSG 1994 §16 Abs1;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 98/08/0088 E 12. Dezember 2000 97/09/0170 E 10. Februar 1999 97/09/0178 E 12. Jänner 1999 97/09/0207 E 7. Juli 1999 97/09/0208 E 7. Juli 1999 97/09/0216 E 12. Jänner 1999 97/09/0259 E 12. Jänner 1999 97/09/0268 E 12. Jänner 1999 97/09/0274 E 12. Jänner 1999 97/09/0282 E 12. Jänner 1999 97/09/0283 E 12. April 2000 97/09/0290 E 12. Jänner 1999 97/09/0296 E 12. Jänner 1999 97/09/0303 E 12. Jänner 1999 97/09/0309 E 12. Jänner 1999 97/09/0317 E 12. Jänner 1999 97/09/0320 E 12. Jänner 1999 97/09/0325 E 12. Jänner 1999 97/09/0328 E 17. Dezember 1998 97/09/0347 E 12. Jänner 1999 97/09/0348 E 12. Jänner 1999 97/09/0351 E 12. Jänner 1999 97/09/0375 E 12. Jänner 1999 97/09/0382 E 12. Jänner 1999 97/09/0385 E 12. Jänner 1999 98/09/0021 E 12. Jänner 1999 98/09/0025 E 12. Jänner 1999 98/09/0038 E 12. Jänner 1999 98/09/0086 E 12. Jänner 1999 98/09/0089 E 12. Jänner 1999 98/09/0092 E 12. Jänner 1999 98/09/0093 E 12. Jänner 1999 98/09/0099 E 12. Jänner 1999 98/09/0101 E 12. Jänner 1999 98/09/0186 E 12. Jänner 1999 98/09/0188 E 12. Jänner 1999 98/09/0192 E 12. Jänner 1999 98/09/0196 E 12. Jänner 1999 98/09/0234 E 12. Jänner 1999 98/09/0236 E 12. Jänner 1999 98/09/0253 E 10. Februar 1999 98/09/0255 E 12. Jänner 1999 98/09/0269 E 10. Februar 1999 98/09/0285 E 10. Februar 1999 98/09/0286 E 12. Jänner 1999 98/09/0292 E 10. Februar 1999Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde des GS (geboren am 11. September 1973) in W, vertreten durch Mag. Otto Unger, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Lerchenfelderstraße 16, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle Wien des Arbeitsmarktservice vom 26. September 1997, Zl. LGSW/Abt. 10/13115/796.411/1997, betreffend Befreiungsschein, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Arbeitsmarktservice hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die vorliegende Beschwerde ist gegen einen "(f)ür die stellvertretende Landesgeschäftsführerin" von "Dr. M eh" gefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle Wien des Arbeitsmarktservice vom 26. September 1997 gerichtet, mit welchem der Antrag des Beschwerdeführers, eines kroatischen Staatsbürgers, auf Ausstellung eines Befreiungsscheines gemäß § 15 Abs. 1 Z. 4 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) abgewiesen wurde.
Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführer bis zum 23. Juli 1994 über einen allgemeinen Sichtvermerk verfügt habe. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung" sei wegen Verspätung mit rechtskräftigem Bescheid vom 3. Mai 1995 zurückgewiesen worden. Am 12. März 1996 und am 26. Juli 1996 seien weitere Anträge des Beschwerdeführers zurückgewiesen worden. Die nächste Aufenthaltsberechtigung habe der Beschwerdeführer am 27. Juni 1997 erhalten. Für den Zeitraum vom 24. Juli 1994 bis zum 26. Juni 1997 habe der Beschwerdeführer weder über eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Aufenthaltsgesetz noch über einen gültigen Sichtvermerk, der vor dem 1. Juli 1993 ausgestellt wurde, verfügt. "Sowohl ein interpretatives Abweichen von einer Voraussetzung, als auch eine Ausübung eines Ermessens im Zuge sozialer Umstände" sei "durch die genau bestimmte Textur der Gesetzesbestimmung dem vollziehenden Organ unmöglich gemacht".
Der Beschwerdeführer macht gegen diesen Bescheid inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt dessen Aufhebung.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil das Gesetz eine Entscheidungskompetenz der "stellvertretenden Landesgeschäftsführerin" nicht vorsehe, die Entscheidung entgegen § 20 Abs. 3 AuslBG ohne Anhörung des Landesdirektoriums ergangen sei sowie deswegen, weil es nach der in § 15 Abs. 1 Z. 4 AuslBG für die Ausstellung eines Befreiungsscheines normierten Voraussetzung, daß sich der Antragsteller während der letzten fünf Jahre mindestens zweieinhalb Jahre im Bundesgebiet aufgehalten habe, nicht erforderlich sei, daß dieser Aufenthalt rechtmäßig gewesen sei.
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 475/1992, haben folgenden Wortlaut:
"§ 15. (1) Einem Ausländer ist auf Antrag ein Befreiungsschein auszustellen, wenn
...
3. der Ausländer das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (jugendlicher Ausländer) und sich wenigstens ein Elternteil mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, wen n
a) er sich mehr als die halbe Lebenszeit rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat oder
b) er seine Schulpflicht zumindest zur Hälfte im Bundesgebiet erfüllt und auch beendet hat, oder
4. der Ausländer das 19. Lebensjahr vollendet hat, die Voraussetzungen der Z 3 bei Vollendung des 19. Lebensjahres erfüllt waren und er sich während der letzten fünf Jahre mindestens zweieinhalb Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hat, ...
...
§ 20. ...
...
(3) Über Berufungen gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice entscheidet die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice nach Anhörung des Landesdirektoriums. Eine weitere Berufung ist nicht zulässig."
Die maßgeblichen Bestimmungen des Arbeitsmarktservicegesetzes, BGBl. Nr. 313/1994, lauten:
"§ 16. (1) Der Landesgeschäftsführer hat die Geschäfte der Landesorganisation des Arbeitsmarktservice im jeweiligen Bundesland unter eigener Verantwortung so zu leiten und nach außen zu vertreten, wie das Wohl des Arbeitsmarktservice unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 31 Abs. 5 erster Satz es erfordert.
...
(3) Der Landesgeschäftsführer ist bei der Ausübung seiner Tätigkeit an die vom Landesdirektorium festgelegten Schwerpunkte gebunden. Der Stellvertreter vertritt den Landesgeschäftsführer bei dessen Verhinderung.
...
§ 17. ...
...
(3) Der Landesgeschäftsführer kann im Interesse einer raschen und zweckmäßigen Geschäftsbehandlung die ihm nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zustehenden Befugnisse hinsichtlich bestimmter Angelegenheiten auf seinen Stellvertreter oder Träger von bestimmten Funktionen oder namentlich bezeichnete Mitarbeiter der Landesgeschäftsstelle zur selbständigen Erledigung übertragen. Der Landesgeschäftsführer behält jedoch auch bei einer Übertragung die Verantwortung für die ordnungsgemäße Erledigung der Angelegenheiten. Das Weisungsrecht der vorgesetzten Organe wird durch die Übertragung zur selbständigen Erledigung bestimmter Angelegenheiten nicht berührt."
Die belangte Behörde meint in ihrer Gegenschrift, der angefochtene Bescheid sei deswegen auf eine gesetzeskonforme Weise gezeichnet, weil der Landesgeschäftsführer gemäß § 17 Abs. 3 AMSG bestimmte Befugnisse hinsichtlich bestimmter Angelegenheiten auf seinen Stellvertreter zur selbständigen Erledigung übertragen habe.
Im vorliegenden Fall wurde der Bescheid der Landesorganisation (Landesgeschäftsstelle) Wien des Arbeitsmarktservice von "Dr. M eh" "Für die stellvertretende Landesgeschäftsführerin" gefertigt. Zweifel an der Approbationsbefugnis von Dr. M wurden in der Beschwerde nicht geltend gemacht und sind auch seitens des Verwaltungsgerichtshofes nicht entstanden. Auch ist im Kopf sowie im Spruch der angefochtenen Erledigung die Landesgeschäftsstelle Wien des Arbeitsmarktservice ausdrücklich genannt, weshalb es sich im Hinblick auf § 20 Abs. 3 AuslBG um einen Bescheid dieser Behörde handelt.
Die belangte Behörde hat jedoch die im Bereich der Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice geltenden Vorschriften verkannt. Soweit nämlich der Stellvertreter des Landesgeschäftsführers oder andere namentlich bezeichnete Mitarbeiter der Landesgeschäftsstelle im Rahmen der ihnen vom Landesgeschäftsführer gemäß § 17 Abs. 3 AMSG zur selbständigen Erledigung übertragene hoheitliche Aufgaben der Landesgeschäftsstelle besorgen, sind diese stets im Namen des Landesgeschäftsführers zu fertigen. Dieser allein hat gemäß § 16 Abs. 1 AMSG die Landesgeschäftsstelle unter eigener Verantwortung zu leiten und nach außen hin zu vertreten. Eine Genehmigung im Namen der stellvertretenden Landesgeschäftsführerin entspricht deswegen nicht dem Gesetz, weil diese nur Trägerin einer Approbationsbefugnis gemäß § 17 Abs. 3 AMSG sein kann und im übrigen auch im Falle der Vertretung des Landesgeschäftsführers wegen dessen Verhinderung nicht im eigenen Namen, sondern für den Landesgeschäftsführer tätig wird. Das AMSG sieht keine Ermächtigung vor, den Bescheid einer Landesorganisation (Landesgeschäftsstelle) des Arbeitsmarktservice nicht im Namen des allein gemäß § 16 Abs. 1 AMSG leitungs- und vertretungsbefugten Landesgeschäftsführers, sondern der bloß approbationsbefugten stellvertretenden Landesgeschäftsführerin zu genehmigen. Der angefochtene Bescheid enthält auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß Dr. M den angefochtenen Bescheid in Wahrheit im Rahmen einer vom Landesgeschäftsführer gemäß § 17 Abs. 3 AMSG übertragenen Approbationsbefugnis im Namen des Landesgeschäftsführers genehmigt und sich bei der Beifügung "(f)ür die stellvertretende Landesgeschäftsführerin" bloß - etwa durch eine vorübergehende Verhinderung des Landesgeschäftsführers motiviert - im Ausdruck vergriffen habe.
Die belangte Behörde hat somit verkannt, daß die selbständige Erledigung der hoheitlichen Aufgaben der Landesorganisation des Arbeitsmarktservice durch seine Mitarbeiter gemäß § 16 Abs. 1 und § 17 Abs. 3 AMSG im Namen des Landesgeschäftsführers als Leiter der monokratischen Behörde Landesorganisation (Landesgeschäftsstelle) zu erfolgen hat und damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet (§ 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG).
Aus diesem Grunde war der angefochtene Bescheid aufzuheben.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 3 AuslBG vor Erlassung ihres Bescheides das Landesdirektorium anzuhören haben.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde ferner gemäß § 63 Abs. 1 VwGG zu beachten haben, daß die in § 15 Abs. 1 Z. 4 AuslBG normierte Voraussetzung eines Aufenthaltes von zweieinhalb Jahren auch dann erfüllt ist, wenn es sich hiebei um einen nicht rechtmäßigen Aufenthalt gehandelt hat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1998, Zl. 97/09/0279, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren wurde im Hinblick auf den in Art. I lit A Z. 1 der genannten Verordnung angeführten Pauschbetrag abgewiesen.
Wien, am 18. November 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997090342.X00Im RIS seit
18.02.2002