TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/27 W251 2137851-1

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Veröffentlicht am 27.06.2019
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Entscheidungsdatum

27.06.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W2512137851-1/38E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Somalia, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.09.2016 zu Zl 1088408303 - 151412709 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 und 4 AsylG der Status einer Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass der Beschwerdeführerin damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die leibliche Mutter der Beschwerdeführerin reiste im November 2011 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 22.11.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 06.06.2013 wurde der leiblichen Mutter gemäß § 8 Abs 4 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

2. Die Beschwerdeführerin stellte, vertreten durch ihren Vater als gesetzlichen Vertreter, am 13.04.2015 an der Österreichischen Botschaft in Nairobi Asyl- und Einreiseanträge und gab dabei an die minderjährige Tochter der in Österreich lebenden Mutter zu sein und mit dieser aus familiären Gründen in Österreich zusammenleben zu wollen. Nach Einholung eines DNA-Gutachtens wurde der Beschwerdeführerin am 15.07.2016 in der österreichischen Botschaft in Nairobi ein Visum D ausgestellt.

Die Beschwerdeführerin reiste am 26.07.2016 gemeinsam mit ihrem Vater und den 11 Geschwistern über den Flughafen Wien Schwechat ein.

3. Das Bundesamt wies mit Bescheid vom 19.09.2016, der Beschwerdeführerin zugestellt am 23.09.2016, den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und erkannte der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs 1 iVm §34 Abs 3 AsylG den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II).

4. Die Beschwerdeführerin erhob gegen Spruchpunkt I. des Bescheides fristgerecht Beschwerde.

5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 10.07.2017 und am 11.09.2017 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und im Beisein des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin, ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, eine mündliche Verhandlung durch.

6. Mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 11.09.2017 wurde drei minderjährigen Schwestern der Beschwerdeführerin der Status der Asylberechtigten gemäß §3 Abs 1 AsylG zuerkannt. Mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 11.09.2017 wurde dem Vater der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs 1 iVm § 34 Abs 2 und 4 AsylG der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

II. Entscheidungsgründe:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Sie ist somalische Staatsangehörige und sunnitischer Moslem (AS 3-5, Protokoll vom 11.09.2017 OZ 18, Seite 27). Ihr Vater heißt XXXX , ihre Mutter heißt XXXX . Die Beschwerdeführerin hat elf Geschwister.

Die Mutter der Beschwerdeführerin war 2015 subsidiär Schutzberechtigte in Österreich und lebte in Österreich. Die Beschwerdeführerin, ihr Vater und ihre Geschwister lebten in Somalia.

Die Beschwerdeführerin stellte, vertreten durch ihren Vater als gesetzlichen Vertreter, am 13.04.2015 an der Österreichischen Botschaft in Nairobi Einreiseanträge und gab dabei an die minderjährige Tochter der in Österreich lebenden Mutter zu sein und mit dieser aus familiären Gründen in Österreich zusammenleben zu wollen. Nach Einholung eines DNA-Gutachtens wurde der Beschwerdeführerin am 15.07.2016 in der österreichischen Botschaft in Nairobi ein Visum D ausgestellt.

Die Beschwerdeführerin reiste am 26.07.2016 gemeinsam mit ihrem Vater und den 11 Geschwistern über den Flughafen Wien Schwechat ein

Der Vater der Beschwerdeführerin stellte für sich und alle seine Kinder, sohin auch für die Beschwerdeführerin, Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.

Mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.09.2017 wurde drei minderjährigen Schwestern der Beschwerdeführerin der Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 AsylG zuerkannt. Mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.09.2017 wurde dem Vater der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs 1 iVm § 34 Abs 2 und 4 AsylG der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Die Beschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten (Strafregisterauszug vom 21.06.2109). Gegen den Vater der Beschwerdeführerin wird kein Aberkennungsverfahren geführt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt, der unbestritten geblieben ist sowie aus dem Strafregisterauszug.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Spruchpunkt I. des Bescheides - Asyl gemäß § 3 AsylG

1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Dem leiblichen Vater der Beschwerdeführerin wurde gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 und 4 AsylG der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde. Da die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Antragstellung auf internationalen Schutz minderjährig und ledig war, ist diese Familienangehörige ihres leiblichen Vaters im Sinne des Asylgesetzes.

Es ist daher zu prüfen, ob der Beschwerdeführerin nach den Bestimmungen des Familienverfahrens des § 34 AsylG von ihrem Vater der Status einer Asylberechtigten abzuleiten ist.

2. Die Behörde hat gemäß § 34 Abs 2 AsylG auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist, die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist. Diese Bestimmung ist gemäß § 34 Abs. 5 AsylG ebenso auf Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht anzuwenden.

Die Beschwerdeführerin ist nicht straffällig geworden. Der Beschwerdeführerin und ihrem Vater ist die Fortsetzung des Familienlebens nicht in einem anderen Staat möglich. Es besteht gegen den Vater der Beschwerdeführerin kein Aberkennungsverfahren.

3. § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG sieht vor, dass die Bestimmungen über das Familienverfahren nicht auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, anzuwenden sind, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind.

Auch wenn in § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG nicht ausdrücklich auf den "Zeitpunkt der Antragstellung" hingewiesen wird, ergeben sich aus den Erläuterungen keine Hinweise darauf, dass der Begriff "Familienangehöriger" innerhalb des § 34 AsylG unterschiedlich ist und insbesondere der in § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG verwendete Begriff des "minderjährigen ledigen Kindes" als "Familienangehöriger" nicht im Sinn der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG zu verstehen wäre.

Dies bedeutet, dass die im Antragszeitpunkt minderjährige (und ledige) Beschwerdeführerin als Familienangehörige ihres Vaters, der zeitgleich mit ihr einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, anzusehen ist, sodass die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Z 3 AsylG vorliegen und die Bestimmungen des Familienverfahrens umfänglich anzuwenden sind.

In einem solchen Fall schließt § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG eine nach den Bestimmungen des Familienverfahrens erfolgte Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an den Vater nicht aus, dass auch der Beschwerdeführerin wiederum im Weg des Familienverfahrens der Status der Asylberechtigten in Ableitung von ihrem Vater zuerkannt werden kann (VwGH vom 29.04.2019, Ra 2018/20/0031).

Es war daher der Beschwerde der Beschwerdeführerin statt zu geben und dieser der Status einer Asylberechtigten zuzuerkennen.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalem Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen sowohl auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als auch auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, mangelnde Asylrelevanz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W251.2137851.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.09.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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