TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/4 G301 2220551-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.07.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

04.07.2019

Norm

AsylG 2005 §55 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

G301 2220551-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Peru, gesetzlich vertreten durch XXXX als Erwachsenenvertreterin, diese vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe in Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, XXXX, vom 21.05.2019, Zl. XXXX, betreffend Zurückweisung des Antrages wegen Unzuständigkeit, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid

aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), XXXX, dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) zugestellt am 24.05.2019, wurde der Antrag des BF vom 08.06.2018 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 gemäß § 47 Abs. 2 NAG iVm. § 3 NAG wegen Unzuständigkeit der Behörde als unzulässig zurückgewiesen.

Mit dem am 19.06.2019 beim BFA,XXXX, eingebrachten und mit demselben Tag datierten Schriftsatz erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den oben angeführten Bescheid. Darin wurde nach Darlegung der Beschwerdegründe zur behaupteten Rechtswidrigkeit des Bescheides unter anderem beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid aufheben und eine mündliche Verhandlung durchführen.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 27.06.2019 vom BFA vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger von Peru und befindet sich im österreichischen Bundesgebiet.

Der BF stellte am 08.06.2018 beim BFA, XXXX, einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX2019, GZ: XXXX, wurde die Tochter des BF, XXXX, geboren am XXXX, österreichische Staatsbürgerin, wohnhaft in Wien, zur einstweiligen Erwachsenenvertreterin zur Besorgung dringender Angelegenheiten, wie die Vertretung vor Gerichten und Behörden, bestellt.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

Die getroffenen Feststellungen werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Aufhebung des Bescheides (Spruchpunkt A.):

Die belangte Behörde hat mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid den Antrag des BF vom 08.06.2019 ausschließlich mit Berufung auf die Bestimmungen des § 47 Abs. 2 in Verbindung mit § 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) wegen Unzuständigkeit der Behörde als unzulässig zurückgewiesen.

Dieser Bescheid erweist sich jedoch infolge völliger Verkennung der geltenden Rechtslage in seiner Gesamtheit als rechtswidrig:

Die belangte Behörde begründete ihre behördliche Unzuständigkeit und die daraus folgende Unzulässigkeit des Antrages vom 08.06.2019 lediglich damit, dass die Tochter des BF österreichische Staatsbürgerin und Zusammenführende sei, von welcher für den BF ein Aufenthaltstitel abgeleitet werden könne, und dass es sich im gegenständlichen Fall "um eine Zuwanderung nach den NAG-Bestimmungen" handle, weshalb die "Zuständigkeit bei der Magistratsabteilung 35" liege.

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich unzweifelhaft, dass der BF am 08.06.2019 beim BFA, XXXX, einen Antrag gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eingebracht hat (siehe AS 1 ff), über welchen offensichtlich auch noch keine verfahrensbeendende Entscheidung ergangen ist.

Gemäß § 3 Abs. 2 Z 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Gewährung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß dem AsylG 2005.

Die belangte Behörde ist somit entgegen ihrer irrigen Ansicht in der gegenständlichen Verwaltungssache betreffend Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 die - einzige in Betracht kommende - (sachlich und örtlich) zuständige Behörde.

Wenn die belangte Behörde vermeint, dass der BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG stellen hätte müssen bzw. auch künftig noch stellen müsste, so ist diese Annahme schon aus dem Grund völlig verfehlt, als es keinerlei gesetzliche Grundlage für eine derartige Annahme gibt, wonach einer - aus Sicht der belangten Behörden sich offenbar zwingend ergebende - Antragstellung nach dem NAG (hier: nach § 47 Abs. 2) gleichsam eine rechtlich verbindliche "Vorrangstellung" zukommen würde, welche einer gesonderten Antragstellung nach § 55 AsylG 2005 vorgehen und diese wegen Vorliegens eines - von Amts wegen wahrzunehmenden - Prozesshindernisses unzulässig machen würde.

Im Übrigen stützt die belangte Behörde im Spruch ihre Zurückweisungsentscheidung auf § 47 Abs. 2 NAG, wobei sie hier völlig übersieht, dass es sich bei dieser Bestimmung nicht um eine für eine behördliche Zuständigkeit maßgebliche, sondern um eine materiell-rechtliche Bestimmung handelt, welche die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" nach dem NAG regelt.

Wenn die belangte Behörde weiters vermeint, dass es sich im gegenständlichen Fall um eine "Zuwanderung nach den NAG-Bestimmungen" handle, weshalb die Zuständigkeit bei der "Magistratsabteilung 35" (ohne nähere Bestimmung der sachlich und örtlich zuständigen Behörde) liege, so kommt dieser Aussage keinerlei rechtliche Relevanz zu, zumal es der belangten Behörde - welche für sich ja ihre Unzuständigkeit in Anspruch nimmt - gar nicht zusteht, das Erfüllen von materiellen und/oder formellen Voraussetzungen nach einem nicht in ihren Vollzugsbereich fallenden Bundesgesetzes - hier: des NAG - gleichsam inhaltlich für eine dafür (potenziell) zuständige Behörde vorwegzunehmen.

Die belangte Behörde bezeichnet als zuständige Behörde lediglich die "Magistratsabteilung 35", nähere Angaben dazu fehlen jedoch. Dabei ist festzuhalten, dass es sich bei der Magistratsabteilung 35 (von der belangten Behörde offenbar gemeint: die Magistratsabteilung 35 des Magistrats der Stadt Wien bzw. des Amtes der Wiener Landesregierung) um keine Behörde handelt, sondern lediglich um eine behördeninterne Organisationseinheit ohne eigenständige Behördenqualität. Insofern lässt der angefochtene Bescheid ohnehin schon eine korrekte Bezeichnung einer Verwaltungsbehörde vermissen.

Aufgrund des von der belangten Behörde im Bescheid von ihr selbst angeführten Wortlauts des § 3 Abs. 1 NAG hätte sie ersehen müssen, dass als für die Vollziehung des NAG zuständige Behörde ausschließlich der örtlich zuständige Landeshauptmann angeführt ist. Unbeachtlich dessen legt die belangte Behörde aber auch in keiner Weise dar, welche der mehrfach in Frage kommenden Aufenthaltsbehörden nach dem NAG nun aus ihrer Sicht für die gegenständliche Sache örtlich zuständig wäre.

Gemäß § 6 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung, hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie dies ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.

Dass die belangte Behörde auch "ohne unnötigen Aufschub" tätig geworden wäre, hat sich im vorliegenden Fall jedenfalls nicht ergeben. Vielmehr sah sich die belangte Behörde ab Einbringung des Antrages offenbar noch zu keinem früheren Zeitpunkt als unzuständige Behörde an, zumal sie kontinuierlich Verfahrens- und Ermittlungsschritte setzte und sowohl am 04.12.2018 als auch am 17.05.2019 eine niederschriftliche Einvernahme in der Sache durchführte. Ab wann oder aufgrund welcher konkreten Umstände die belangte Behörde trotz der von ihr bereits durchgeführten Ermittlungsschritte letztlich zur Überzeugung gelangte, sich für unzuständig zu halten, lässt sich den vorgelegten Verwaltungsakten überhaupt nicht entnehmen.

Der Vollständigkeit halber ist noch festzuhalten, dass die belangte Behörde irrig vermeint, dass die (volljährige) Tochter des BF als Zusammenführende im Sinne des § 47 Abs. 2 NAG in Frage käme, was wiederum den Anwendungsbereich eines Aufenthaltstitelverfahrens nach dieser Bestimmung eröffnen würde.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 erster Halbsatz NAG ist Familienangehöriger, wer Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie).

Der BF ist fast 96 Jahre, seine Tochter 70 Jahre alt. Eine Familienangehörigeneigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG liegt daher gar nicht vor, weshalb auch ein Verfahren nach § 47 Abs. 2 NAG schon aus diesem Grund gar nicht in Frage kommen kann.

Insgesamt war der belangten Behörde somit vorzuwerfen, dass sie die gegenständliche Zurückweisungsentscheidung in völliger Verkennung der geltenden und hier maßgeblichen Rechtslage und unter irriger Annahme ihrer behördlichen Unzuständigkeit mit Berufung auf gänzlich unzutreffende gesetzliche Grundlagen erlassen und begründet hat.

Die belangte Behörde wird daher über die in der gegenständlichen und ausschließlich in ihre behördliche Zuständigkeit fallende Verwaltungssache betreffend Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 den maßgeblichen Sachverhalt abschließend zu ermitteln und letztlich inhaltlich in der Sache zu entscheiden haben, sofern sich nicht ausnahmsweise ein Grund für die Annahme einer Unzulässigkeit ergeben sollte, wofür jedoch aufgrund der Aktenlage derzeit keinerlei Hinweis besteht.

Da sich der angefochtene Bescheid auf Grund der dargelegten Erwägungen in seiner Gesamtheit als rechtswidrig erweist, war der Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 iVm. § 27 VwGVG in Stattgebung der Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.

3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

3.3. Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Unzuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G301.2220551.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.09.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten