TE Vwgh Erkenntnis 1985/3/28 84/16/0070

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Veröffentlicht am 28.03.1985
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Verfahren vor dem VwGH

Norm

VwGG §42 Abs2 Z2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schöller, über die Beschwerde der Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien I, Singerstraße 17 - 19, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 17. Jänner 1984, GZ. GA 11 - 1443/83, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Begründung

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich im wesentlichen folgendes:

Mit Punkt 2) des Beschlusses des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 17. August 1982, dg. GZ. A 395/80-37, war der reine Nachlaß nach der am 29. April 1980 verstorbenen AE infolge fruchtlosen Ablaufes der Frist zur Einberufung der unbekannten Erben gemäß § 130 AußStrG erblos erklärt und zufolge des Antrages der Finanzprokuratur dem Staat übergeben worden. Zu diesem Nachlaß hatte das Grundstück EZ. 583 des Grundbuches der KG. X mit einem Einfamilienhaus gehört (Einheitswert zum 1. Jänner 1980 S 207.000,- - und S 49.000,--).

Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien setzte (unter Verwendung eines Formulares ihrer Lager-Nr. GV 10) mit Bescheid vom 7. April 1983 gegenüber der "Finanzprokuratur Singerstraße 17 - 19 1011 Wien" mit dem Betreff: "Verlassenschaft

n. AE, gest. 1980" gemäß § 14 Abs. 1 Z. 2 lit. b GrEStG - ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 256.000,-- - 8 % Grunderwerbsteuer mit einem Betrag von S 20.480,-- fest, wobei es als sonstige Erläuterung lediglich folgendes anführte:

 

"Erwerbsvorgang gem. § 1 (1)/2

EW: 207.000,--

49.000,--

256.000,--

Keine Gegenleistung, daher wird vom Einheitswert vorgeschrieben."

Gegen diesen Bescheid brachte die Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, rechtzeitig Berufung ein.

Nachdem über diese Berufung die abweisende Berufungsvorentscheidung des genannten Finanzamtes vom 27. Mai 1983 erlassen und darauf von der Beschwerdeführerin rechtzeitig der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt worden war, wies die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit Bescheid vom 17. Jänner 1984 die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den angeführten erstinstanzlichen Bescheid vom 7. April 1983 als unbegründet ab.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor. In dieser wird die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 41 Abs. 1 erster Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof, soweit er nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde oder wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gegeben findet (§ 42 Abs. 2 Z. 2 und 3) und nicht § 38 Abs. 2 anwendbar ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte (§ 28 Abs. 1 Z. 4) oder im Rahmen der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 28 Abs. 2) zu überprüfen.

Nach § 93 Abs. 2 BAO ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht. Auf Grund des § 93 Abs. 3 lit. a BAO hat der Bescheid ferner eine Begründung zu enthalten, wenn ihm ein Anbringen (§ 85 Abs. 1 oder 3) zugrunde liegt oder wenn er von Amts wegen erlassen wird. Der Spruch hat den Bescheidadressaten zu nennen, das ist bei Abgabenbescheiden derjenige, an den das Leistungsgebot gerichtet wird, von dem also die Erbringung der Leistung verlangt wird. Gegen Personen, die nicht als Bescheidadressat genannt sind, vermag der Bescheid keine Wirkung zu entfalten. Über die vom Bescheid namentlich Genannten hinausgehend begründet ein Bescheid ausnahmsweise nur dann Rechte und Pflichten, wenn dies gesetzlich ausdrücklich angeordnet ist (vgl. § 97 Abs. 2, § 191 Abs. 2 sowie die Fälle der Gesamtrechtsnachfolge und der Gesamtschuldverhältnisse).

Abgesehen von den mit der Aufnahme eines Adressaten in den Bescheide verbundenen allgemeinen Wirkungen, auf die vorstehend hingewiesen wurde, gewinnt die spruchmäßige Bezeichnung des Bescheidempfängers im Abgabenverfahren auch die Bedeutung, daß nur gegen die vom Spruch des Leistungsgebotes erfaßten Personen aufgrund eines hinsichtlich der Nennung der Person des Schuldners gleichlautenden Rückstandsausweises Exekution geführt werden kann. Soll der Leistungsbescheid zwangsvollstreckt werden, muß der von der Abgabenfestsetzung Betroffene ebenso wie der im Rückstandsausweis Genannte prozessual rechtsfähig sein (§ 79 BAO). Im Hinblick auf die exekutionsrechtlichen Folgewirkungen kommt also von vornherein nur ein Bescheidadressat in Betracht, der fähig ist, Träger von Rechten und Pflichten zu sein (siehe z. B. Stoll, Bundesabgabenordnung, Handbuch, Wien 1980, Seite 221).

Ganz abgesehen davon, daß die Finanzprokuratur nicht Abgabenschuldner sein kann, ist aus dem angeführten erstinstanzlichen Bescheid allein auch in keiner Weise zu entnehmen, daß er inhaltlich für die Republik Österreich bestimmt wäre, zumal die Finanzprokuratur nicht nur die Republik Österreich sondern auch die anderen in dem § 2 Abs. 1 ProkuraturG genannten Rechtsträger sowie die in den auf Grund des § 2 Abs. 2 desselben Gesetzes erlassenen zahlreichen Verordnungen jeweils angeführten juristischen Personen zu vertreten und zu beraten berufen bzw. ermächtigt ist.

Schon aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich, daß die belangte Behörde die gegenständliche Berufung der Republik Österreich rechtmäßig gemäß § 278 BAO in Verbindung mit § 273 Abs. 1 lit. a BAO hätte zurückweisen und den erstinstanzlichen Bescheid aus Anlaß dieser Berufung in Ausübung ihres Aufsichtsrechtes aufheben müssen (ein berichtigungsfähiger Fehler bzw. eine berichtigungsfähige Unrichtigkeit des erstinstanzlichen Bescheides vom 7. April 1983 lag hier im Sinne des § 293 Abs. 1 BAO nicht vor).

Durch die vorliegende meritorische Erledigung der gegenständlichen Berufung belastete die belangte Behörde ihren nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge ihrer Unzuständigkeit, was vom Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen wahrzunehmen ist (siehe z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. November 1970, Zl. 870/70, Slg. Nr. 7902/A, - in dem damals zu entscheidenden Fall hatte der Magistrat der Stadt Innsbruck einer Nichtperson eine Bewilligung "erteilt").

Aus allen dargelegten Erwägungen ist der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.

Wien, am 28. März 1985

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1985:1984160070.X00

Im RIS seit

03.09.2019

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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