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StVONorm
AVG §37Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein des Schriftführers Regierungskommissär Dr. Kundegraber, über die Beschwerde des MH in W, vertreten durch Dr. Herbert Neuhauser, Rechtsanwalt in Wien I, Schubertring 3, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 1. April 1986, Zl. MA 70 - 10/574/86/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, insoweit der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs. 1 lit. d StVO 1960 schuldig erkannt und hiefür bestraft wurde, einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Kostenaussprüche, aufgehoben.
Im übrigen wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 1. April 1986 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 24. Jänner 1985 um 11.40 Uhr in Wien 10, Favoritenstraße 186, Richtung Altes Landgut, einen dem Kennzeichen nach näher bestimmten Pkw gelenkt "und dabei 1) ein Kraftfahrzeug auf dem Schutzweg überholt, obwohl der Verkehr im Bereich des Schutzweges nicht durch Arm- oder Lichtzeichen geregelt wurde, 2) die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet überschritten" und dadurch Verwaltungsübertretungen zu
1) nach § 16 Abs. 1 lit. d StVO 1960 und zu 2) nach § 20 Abs. 2 leg. cit. begangen, und hiefür bestraft.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
I. Zur Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs. 1 lit. d StVO 1960:
In Ansehung dieser Verwaltungsübertretung macht der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend, daß Schutzwege einer entsprechenden Verordnung bedürften, ansonsten ihnen keine rechtsverbindliche Kraft zukomme, und eine solche Verordnung im vorliegenden Fall nicht existiere. Mit Recht weist er hinsichtlich des Erfordernisses einer entsprechenden Verordnung bei Schutzwegen (zur Tatzeit, auf die es im gegebenen Zusammenhang allein ankommt, weshalb hier nicht zu untersuchen ist, ob sich allenfalls insofern die Rechtslage durch die 13. Straßenverkehrsordnungs-Novelle, BGBl. Nr.105/1986, geändert hat) auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1985, Zl. 85/02/0055, hin.
Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes, den betreffenden Verordnungsakt vorzulegen, hat die belangte Behörde ihrer "Gegenschrift" ein Schreiben der MA 46 vom 25. Juli 1986 angeschlossen, wonach "die Aktkopie zur Festlegung des Schutzweges in Wien 10, Favoritenstraße/Schleiergasse (MA 46-A 10-257/79) übermittelt" werde. Beigefügt waren die Ablichtungen einer zu dieser Zahl ergangenen, mit 20. September 1979 datierten "Einladung zu einer Ortsverhandlung", betreffend die "Überprüfung der Verkehrssituation für die Fußgänger an der Kreuzung 10., Favoritenstraße-Schleiergasse", eines vom Verhandlungsleiter unterfertigten Aktenvermerkes der MA 46 über die darüber stattgefundene Ortsverhandlung vom 2. Oktober 1979, sowie einer Planskizze. Dem Aktenvermerk läßt sich unter Punkt 2. als "Ergebnis: a) Markierung von 4 Schutzwegen an Kreuzung 10., Favoritenstraße-Schleiergasse. b) Kennzeichnung dieser Schutzwege mit VZ § 53/2a" entnehmen. Zusätzlich wird darin noch bemerkt, daß die "Markierung erst nach Oberflächenbegradigung im Gleiskörper-Bereich erfolgen kann". In der Planskizze, die mit den Worten "Schutzwege 10., Favoritenstr.-Schleierg." überschrieben ist, links unten die Worte "Kennzeichnung der Schutzwege mit VZ § 53/2a" enthält, das Datum 2. 10. 1979 trägt und eine (offenbar nicht vom Verhandlungsleiter stammende) Unterschrift aufweist, sind die Schutzwege im genannten Kreuzungsbereich eingezeichnet.
Bei dem Aktenvermerk handelt es sich eindeutig um die schriftliche Niederlegung des Verhandlungsergebnisses vom 2. Oktober 1979, ohne daß bereits darin die Erlassung einer generellen Anordnung (die sich an Rechtsunterworfene, also nach außen, gerichtet haben müßte, zum Ausdruck kommt. Aber auch die Planskizze läßt unter Berücksichtigung ihrer Zusätze nicht den zweifelsfreien Schluß zu, daß eine derartige Verordnung erlassen worden sei, fehlt doch darin jeder Hinweis in dieser Richtung. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß dem gegenständlichen Schutzweg (zur Tatzeit) keine entsprechende Verordnung zugrunde lag, weshalb sich daraus auch keine rechtlichen Verpflichtungen für den Beschwerdeführer ergeben konnten.
Der angefochtene Bescheid war somit hinsichtlich dieser Verwaltungsübertretung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, ohne daß diesbezüglich noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war. II. Zur Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960:
Der Beschwerdeführer bringt (auch) in diesem Punkt u.a. vor, daß seine schriftliche Stellungnahme vom 14. März 1986 mit den darin enthaltenen Anträgen von der belangten Behörde nicht berücksichtigt worden sei. Dieser Schriftsatz ist der Aktenlage nach am 17. März 1986 bei der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Favoriten und in der Folge (auf Grund der verfügten Weiterleitung) bei der belangten Behörde am 18. April 1986, also auch noch zu einem Zeitpunkt eingelangt, in dem im Hinblick darauf, daß der angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer erst am 24. April 1986 zugestellt wurde, dieser Bescheid noch nicht erlassen war. In ihrer "Gegenschrift" stellt die belangte Behörde diesen Umstand "außer Streit" und erklärt nach den Hinweisen, daß am 18. April 1986 der angefochtene Bescheid bereits abgefertigt gewesen sei und nach der herrschenden Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes "besagter Schriftsatz durchaus der Sphäre der Berufungsbehörde zuzurechnen ist, da diese sich im Rechtsmittelverfahren zur ergänzenden Beweisaufnahme in der Regel der Erstinstanz bedient", von weiteren Ausführungen Abstand zu nehmen. Ob bzw. inwieweit dies der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes tatsächlich entspricht (in dem dem Erkenntnis vom 18. Oktober 1985, Zl. 85/18/0054, zugrundeliegenden Beschwerdefall war ausschlaggebend, daß die Berufungsbehörde - anders als im vorliegenden Beschwerdefall - ergänzende Ermittlungen durch die Erstbehörde durchführen ließ), kann bei Erledigung dieser Beschwerde dahingestellt bleiben, weil für die Beurteilung der Frage, ob der belangten Behörde ein Verfahrensmangel unterlaufen ist, ausschließlich der Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgebend, dieser aber - wie gesagt - nach Einlangen des Schriftsatzes vom 14. März 1986 bei der belangten Behörde gelegen ist.
Der Beschwerdeführer hat sich im Schriftsatz vom 14. März 1986 darauf berufen, daß auf Grund seines näher geschilderten Fahrverhaltens die Überschreitung der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit "faktisch unmöglich" sowie zufolge des starken Verkehrs und auf Grund der Kolonnenbildung die Sicht des Meldungslegers bei der von ihm vorgenommenen Geschwindigkeitsschätzung eingeschränkt gewesen sei. Er hat zum Beweis seines Vorbringens die nochmalige zeugenschaftliche Vernehmung des Meldungslegers, dem auch aufgetragen werden möge, "eine maßstabgetreue Situationsskizze über seinen Standort und meine Fahrtlinie einzuzeichnen", beantragt. Die belangte Behörde hätte sich auch mit diesem, teilweise über sein bisheriges Vorbringen hinausgehendem entscheidungsrelevantem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandersetzen müssen, wobei dazu jedenfalls auch der Meldungsleger als Zeuge ergänzend zu befragen gewesen wäre. Daß es sich bei dieser Unterlassung um einen wesentlichen Verfahrensmangel handelt, hat die belangte Behörde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren selbst erkannt.
Da somit die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid insoweit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Hinsichtlich der zitierten Entscheidungen wird an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am 23. Oktober 1986
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseParteiengehör RechtsmittelverfahrenSachverhalt Sachverhaltsfeststellung RechtsmittelverfahrenVerwaltungsstrafverfahrenZeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1986:1986020078.X00Im RIS seit
30.08.2019Zuletzt aktualisiert am
30.08.2019