TE Vwgh Erkenntnis 1987/6/4 87/02/0027

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Veröffentlicht am 04.06.1987
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Index

KFG

Norm

KFGNov 03te Art3 Abs1 Satz1 idF 1984/253
KFGNov 03te Art3 Abs2 Z2
VStG §21

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sittenthaler als Richter im Beisein des Schriftführers Regierungskommissär Dr. Kundegraber, über die Beschwerde des RB in O, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Rechtsanwalt in Linz, Wischerstraße 30, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 15. Jänner 1987, Zl. VerkR-3833/1-1986-II/Bi, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der 3. Kraftfahrgesetz-Novelle, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. Jänner 1987 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, am 29. Jänner 1986 um 10.45 Uhr in Wels, Stadtplatz (einer Straße mit öffentlichem Verkehr), von der Einmündung der Traungasse bis auf Höhe des Hauses Nr. 43, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges, dessen Lenkerplatz nach kraftfahrgesetzlicher Anordnung mit einem Sicherheitsgurt ausgerüstet sei, diesen Sicherheitsgurt nicht bestimmungsgemäß gebraucht zu haben, ohne daß einer der Ausnahmetatbestände des Art. III Abs. 2 der 3. KFG-Novelle (BGBl. Nr. 352/1976, in der Fassung der 11. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 253/1984) vorgelegen sei, was bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs. 5 StVO festgestellt wurde. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach Art. III Abs. 1 erster Satz in Verbindung mit Abs. 5 lit. a der 3. KFG-Novelle begangen; es wurde eine Geldstrafe von S 100,-- verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ist ein Sitzplatz eines Kraftfahrzeugs nach kraftfahrgesetzlicher Anordnung mit einem Sicherheitsgurt ausgerüstet, so sind nach Art. III Abs. 1 erster Satz der 3. KFG-Novelle Lenker und beförderte Personen, die einen solchen Sitzplatz benützen, je für sich zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Sicherheitsgurts verpflichtet.

Unter anderem nach Abs. 2 Z. 2 gilt der erwähnte Absatz 1 nicht bei ganz geringer Gefahr, wie etwa beim Einparken oder langsamen Rückwärtsfahren, oder bei besonderer Verkehrslage, die den Nichtgebrauch des Sicherheitsgurts rechtfertigt.

Auf diese beiden Ausnahmsfälle beruft sich der Beschwerdeführer, allerdings nicht zu Recht:

In der Begründung des Straferkenntnisses der Behörde erster Instanz vom 21. November 1986 führte diese beim als erwiesen angenommenen Sachverhalt aus, der Beschwerdeführer sei zur erwähnten Tatzeit, ohne den Sicherheitsgurt angelegt zu haben, aus der Traungasse kommend in den Stadtplatz eingefahren und sei, nachdem er auf diesem eine Fahrtstrecke von etwa 50 m zurückgelegt hatte, auf der Höhe des Hauses Nr. 43 (Eisenhandlung C.) vom Zeugen Inspektor K. zu einer Verkehrskontrolle angehalten worden, wobei dieser und Revierinspektor B. festgestellt hätten, daß der Beschwerdeführer den Sicherheitsgurt nicht bestimmungsgemäß, weil gar nicht, gebraucht habe. Die Feststellung, daß vom Beschwerdeführer allein auf dem Stadtplatz eine Wegstrecke von ca. 50 m zurückgelegt worden sei, gründe sich auf die - unbestritten gebliebene - Aussage des Revierinspektors B., der Wagen des Beschwerdeführers sei aus der Traungasse gekommen, und auf die Angaben über den Ort der Anhaltung. Wie der Behörde bekannt sei, betrage die Entfernung zwischen der Kreuzung Stadtplatz/Traungasse und dem Haus Stadtplatz Nr. 43 etwa 50 m.

Die belangte Behörde schloß sich diesem, von der Erstbehörde angenommenen Sachverhalt vollinhaltlich an. Außerdem führte sie aus, der Sachbearbeiterin bei der belangten Behörde sei der Bereich Stadtplatz-Traungasse aufgrund vorheriger beruflicher Tätigkeit in Wels ausreichend bekannt.

Der Beschwerdeführer rügt die Feststellung der Verwaltungsstrafbehörden, er habe auf dem Stadtplatz eine Strecke von etwa 50 m zurückgelegt, dahin, dies sei durch Verfahrensergebnisse nicht gedeckt; die Verwaltungsstrafbehörden hätten diese Feststellung nicht durch entsprechende Erhebungen untermauert.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag allerdings die soeben dargestellte, in Streit stehende Feststellung der belangten Behörde nicht als rechtswidrig zu erkennen, kommt doch nach § 46 AVG 1950 als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist, und hat der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde ein konkretes Vorbringen gegen die von der belangten Behörde angenommene, vom Beschwerdeführer zurückgelegte Wegstrecke erstattet.

Zu den vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Ausnahmetatbeständen des Art. III Abs. 2 Z. 2 der 3. KFG-Novelle wird in der Regierungsvorlage (57 d. Blg. zu den Sten. Prot. des NR, XIV. GP, dort noch als Art. IV bezeichnet) wörtlich ausgeführt:

"In der Z. 2 werden Lagen berücksichtigt, die den Nichtgebrauch des Sicherheitsgurts wegen Unzumutbarkeit entschuldigen. Hierzu gehören die Fälle der ganz geringen Gefahr, so daß kein vernünftiger Grund besteht, den Sicherheitsgurt anzulegen (entsprechend dem § 114 Abs. 4 KFG 1967 in der Fassung der 2. KFG-Novelle), aber auch die Besonderheiten der Verkehrslage, die eine uneingeschränkte Bewegungsfreiheit des Fahrers erfordern, wie etwa bei schwierigen Ausweichbewegungen oder - möglicherweise im Einzelfall - bei Fahrten auf einer engen Straße unmittelbar am Seeufer oder im Gebirge."

Unter Bedachtnahme auf diese Motive vermag der Verwaltungsgerichtshof zunächst nicht zu finden, daß dem Beschwerdeführer der Ausnahmetatbestand der "ganz geringen Gefahr" zugute käme: Dem Beschwerdeführer ist zwar im Hinblick auf die dort angeführten Beispiele ("beim Einparken oder langsamen Rückwärtsfahren") zuzustimmen, daß ein "In-Bewegung-Setzen" des Kraftfahrzeuges nicht schon in jedem Fall die Annahme dieses Ausnahmetatbestandes ausschließt. Allerdings ist aus den erwähnten Beispielen zu schließen, daß jedenfalls das dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Vorwärtsfahren auf einer Strecke von 50 m nicht unter diese Ausnahmebestimmung fällt.

Was die zweite Ausnahmebestimmung ("bei besonderer Verkehrslage") anlangt, so ergibt sich unter Berücksichtigung der zitierten Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, daß darunter der dem Beschwerdeführer vorgeworfene Sachverhalt jedenfalls nicht zu subsumieren ist, liegt doch kein Anhaltspunkt dafür vor, daß die besondere Verkehrslage eine "uneingeschränkte Bewegungsfreiheit" des Beschwerdeführers - sohin den Nichtgebrauch des Sicherheitsgurts - erfordert hätte. Auch der Beschwerdeführer hat derartiges nicht behauptet, sodaß die von ihm in diesem Zusammenhang gerügten Verfahrensmängel nicht wesentlich sein können.

Der Schuldspruch ist daher frei von Rechtsirrtum.

Der Beschwerdeführer bringt auch vor, die belangte Behörde hätte, da ihn lediglich ein Verschulden im Bereich der Fahrlässigkeit treffe, von der Bestimmung des § 21 VStG 1950 Gebrauch zu machen gehabt.

Eine Anwendung dieser Bestimmung kommt allerdings nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. September 1986, Zl. 86/18/0059) nur in Frage, wenn die Schuld des Beschuldigten nur geringfügig ist; davon kann aber nur die Rede sein, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt. Der Verwaltungsgerichtshof kann allerdings schon wegen der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Länge der Tatortstrecke (was, wie oben erwähnt, nicht als rechtswidrig zu erkennen ist) nicht finden, daß dies im vorliegenden Fall zuträfe.

Die sohin zur Gänze unbegründete Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 4. Juni 1987

Schlagworte

Gurtenanlegepflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1987:1987020027.X00

Im RIS seit

30.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

30.08.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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