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WehrrechtNorm
WehrG 1978 §15 Abs1 idF 1988/342Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des Dr. PK in W, vertreten durch Dr. Alfred Pribik, Rechtsanwalt in Wien XII, Aichholzgasse 6/13, gegen den Bescheid des Militärkommandos Wien vom 22. Februar 1989, Zl. 7222-1111/91E/89, betreffend Feststellung der Eignung zum Wehrdienst, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem von der Stellungskommission bei der belangten Behörde beschlossenen, als "Stellungsbeschluß" bezeichneten angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 15 Abs. 1 und § 23 Abs. 2 des Wehrgesetzes 1978 die Eignung des im Jahre 1960 geborenen Beschwerdeführers zum Wehrdienst mit dem Beschluß "Tauglich" festgestellt.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 15 Abs. 1 des Wehrgesetzes in der Fassung des Wehrrechtsänderungsgesetzes 1988, BGBl. Nr. 342, dürfen in das Bundesheer nur österreichische Staatsbürger männlichen Geschlechtes einberufen werden, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und die notwendige körperliche und geistige Eignung für eine im Bundesheer in Betracht kommende Verwendung besitzen. Gemäß § 21 Abs. 1 in Verbindung mit § 23 Abs. 2 des Wehrgesetzes 1978 (in der Stammfassung) haben die Militärkommanden durch die bei ihnen eingerichteten Stellungskommissionen die Eignung der Stellungspflichtigen zum Wehrdienst auf Grund der zur Feststellung dieser Eignung durchgeführten ärztlichen und psychologischen Untersuchung mit einem der folgenden Beschlüsse festzustellen:
"Tauglich", "Vorübergehend untauglich", "Untauglich".
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 4. Juli 1989, Zl. 89/11/0072, ausgesprochen, daß mit der durch das Wehrrechtsänderungsgesetz 1988 herbeigeführten Neufassung des § 15 Abs. 1 des Wehrgesetzes 1978 der Kreis der Wehrdienstpflichtigen erweitert werden sollte. Personen, die zwar nur in sehr eingeschränkter Weise militärisch ausgebildet werden können, die aber dennoch für bestimmte Dienstverrichtungen im Bundesheer in Betracht kommen, sollen als tauglich qualifiziert werden und gemäß § 44 Abs. 2 zweiter Satz leg. cit. ihrer - allenfalls eingeschränkten - Dienstfähigkeit entsprechend im Bundesheer eingesetzt werden.
Damit hat der Verwaltungsgerichtshof bereits zum Ausdruck gebracht, daß ein Stellungspflichtiger, der auf Grund seines körperlichen und geistigen Zustandes überhaupt keine militärische Ausbildung erfahren und späterhin auch überhaupt keinen militärischen Dienst verrichten kann, nicht zum Wehrdienst geeignet ist. Nicht jede Dienstleistung im Bundesheer ist militärischer Art; daß sie letztlich militärischen Zwecken zu dienen geeignet ist, macht sie noch nicht zu einer militärischen Dienstleistung. Der Umstand, daß eine bestimmte Person zu irgendwelchen Dienstverrichtungen im Bundesheer in der Lage ist, bewirkt daher noch nicht ihre Tauglichkeit im Sinne des Gesetzes. Wie sich aus der Bezeichnung des im Bundesheer zu leistenden Dienstes als "Wehrdienst", der im Falle des ordentlichen Präsenzdienstes als "Grundwehrdienst" bzw. als "Truppenübung" zu leisten ist, ergibt, haftet dem Wehrdienst jedenfalls primär ein militärisches Element (im engeren Sinn) an. Dem Bundesheer obliegt auch nach Art. 79 Abs. 1 B-VG in der Fassung BGBl. Nr. 341/1988 die militärische Landesverteidigung. Gemäß § 45 Abs. 1 des Wehrgesetzes 1978 hat die Ausbildung allen Soldaten neben der militärischen Ausbildung auch die Kenntnis ihrer staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten, insbesondere der aus dem Völkerrecht abgeleiteten, zu vermitteln. Gemäß § 28 Abs. 2 des Wehrgesetzes 1978 sind Truppenübungen Waffenübungen, die u.a. der Erhaltung des Ausbildungsstandes dienen. Unter dem zu erhaltenden Ausbildungsstand sind die im Grundwehrdienst erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse, also auch die militärischen im engeren Sinn, zu verstehen. Die altersmäßige Begrenzung der Truppenübungspflicht läßt - wie die der Wehrpflicht schlechthin - ebenfalls darauf schließen, daß die dabei zu entfaltenden Tätigkeiten jedenfalls auch eine gewisse körperliche Leistungsfähigkeit voraussetzen.
Zu einem ähnlichen Ergebnis führt die Berücksichtigung der Verfassungsbestimmung des § 2 des Zivildienstgesetzes 1986, BGBl. Nr. 679. Demnach sind Wehrpflichtige von dieser Pflicht zu befreien, wenn sie es - von den Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen - aus schwerwiegenden, glaubhaften Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen andere Menschen anzuwenden und daher bei Leistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot geraten würden. Der Zivildienst ist außerhalb des Bundesheeres zu leisten. Wer aus Gewissensgründen die Anwendung von Waffengewalt gegen Menschen ablehnt, wird demnach zu einer Dienstleistung außerhalb des Bundesheeres und nicht etwa - wie nach den §§ 25 ff (insbesondere § 27 Abs. 2) des Wehrgesetzes 1955 in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Zivildienstgesetzes zu einem Wehrdienst ohne Waffe im Bundesheer verpflichtet.
Aus all den genannten Bestimmungen ergibt sich insgesamt, daß der Dienst im Bundesheer jedenfalls eine militärische Komponente im engeren Sinn umfaßt, auf die sich auch die Ausbildung der Grundwehrdiener zu erstrecken hat. In diesem Sinne ist auch § 15 Abs. 1 des Wehrgesetzes 1978 zu verstehen. Dies bringt die Anforderung mit sich, daß der Betreffende jedenfalls eine Waffe bedienen und ein gewisses Mindestmaß an Kraftanstrengung und Beweglichkeit entwickeln kann.
Das schließt nicht aus, daß Präsenzdiener auch zu sogenannten "systemerhaltenden" Funktionen - wie in Kanzleien oder im Rahmen der Versorgung - herangezogen werden dürfen. Eine Auffassung, daß Personen, die lediglich für solche Funktionen ausgebildet werden können, und die aus diesem Grund nur in solchen Funktionen einsetzbar sind, auch als zum Wehrdienst geeignet anzusehen sind, ist verfehlt.
Von dieser Vorstellung war offenbar auch die Bundesregierung bei Erlassung der Allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer (ADV), BGBl. Nr. 43/1979, - mit Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates - getragen, wenn sie etwa im § 3 Abs. 2 den Schutz von Volk und Vaterland mit der Waffe zur Aufgabe des Soldaten erklärt hat.
Die belangte Behörde gelangte auf Grund des Ermittlungsverfahrens zu der Auffassung, der Beschwerdeführer sei mit einer Einschränkung tauglich. Aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten fachärztlichen Attesten, wonach dem Beschwerdeführer von längerem Gehen und längerem Stehen abgeraten werde und das Heben und Tragen von schweren Gegenständen nicht zweckmäßig sei, hat sie "trotz eingehender Prüfung" keine Untauglichkeit ableiten können. Auf die ausdrückliche Behauptung des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren (Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme vom 25. Oktober 1988), daß jede im Bundesheer in Betracht kommende Verwendung mit einer militärischen Ausbildung und damit mit körperlicher Tätigkeit verbunden sei, wozu er nicht in der Lage sei, ist die belangte Behörde nicht eingegangen. Sie hat in diesem Zusammenhang in der Begründung des angefochtenen Bescheides lediglich ausgeführt, daß beabsichtigt sei, den Beschwerdeführer "in systemerhaltender Funktion, eventuell im Kanzleidienst, nach Möglichkeit Ihren beruflichen Kenntnissen entsprechend" - der Beschwerdeführer ist Rechtsanwaltsanwärter - einzusetzen.
In der Gegenschrift führt sie dazu aus, daß der Beschwerdeführer trotz seiner gesundheitlichen Mängel als "Kraftfahrer B", "Flugmelder/Funker", "Luftlagereportagegehilfe", "Zeichner", "Schreiber", "Wettermelder" ausgebildet und eingesetzt werden kann. Auch wenn der Beschwerdeführer in den genannten Funktionen Dienst versehen kann, sagt dies noch nichts darüber aus, daß er einer militärischen Ausbildung im oben beschriebenen Sinn unterzogen werden kann.
Die belangte Behörde ist daher offensichtlich der oben als verfehlt erkannten Ansicht, die bloße Eignung zum "Systemerhalter" bewirke allein schon die Tauglichkeit. Ausgehend davon hat sie sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht ausreichend auseinandergesetzt. Sie hat damit den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden brauchte.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Wien, am 28. November 1989
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1989:1989110105.X00Im RIS seit
02.09.2019Zuletzt aktualisiert am
02.09.2019