TE Vfgh Erkenntnis 1996/11/28 G195/96, G196/96, G198/96, G199/96, G200/96, G201/96, G202/96, G203/96

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Veröffentlicht am 28.11.1996
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art89 Abs1
B-VG Art97 Abs2
B-VG Art118 Abs3 Z9
B-VG Art119a Abs9
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art139 Abs3 dritter Satz
B-VG Art139 Abs3 zweiter Satz lita
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs3 zweiter Satz
B-VG Art140 Abs4
B-VG Art140 Abs5 / Fristsetzung
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
StGG Art5
EMRK 1. ZP Art1
Tir RaumOG 1994
Tir RaumOG 1994 §15 ff
Tir RaumOG 1994 §118
Tir RaumOG-Nov 1996, LGBl 4
Tir LandesO 1989 Art38 Abs7
Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Kirchberg in Tirol vom 12.08.92, soweit darin ein Grundstück als allgemeines Mischgebiet ausgewiesen ist
Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Oberndorf vom 17.11.81, soweit darin ein Grundstück als Freiland ausgewiesen ist
Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Schönberg in Tirol vom 05.12.83, soweit darin ein Grundstück als Tourismusgebiet ausgewiesen ist
Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Kitzbühel vom 26.04.95 und 08.06.95, soweit darin ein Grundstück als Kerngebiet ausgewiesen ist

Leitsatz

Verletzung im Eigentumsrecht durch die Unverhältnismäßigkeit des Verbotes der Schaffung und Vergrößerung von Freizeitwohnsitzen in Verbindung mit der Anmeldungsverpflichtung und Verwendungsbeschränkungen für bestehende Freizeitwohnsitze ohne Rücksichtnahme auf regionale Erfordernisse gemäß dem Tir RaumOG 1994; Verletzung im Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde durch die Ausnahme dieser Angelegenheiten aus dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde; Verfassungswidrigkeit des gesamten Tir RaumOG 1994 bzw der Tir RaumOG-Nov 1996 infolge Kundmachung ohne neuerliche Beschlußfassung durch den Landtag trotz Verweigerung der Zustimmung der Bundesregierung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung; Ausdehnung der Anlaßfallwirkung; Aufhebung von Flächenwidmungsplänen mangels gesetzlicher Deckung nach Feststellung der Verfassungswidrigkeit der diese Verordnungen tragenden Gesetzesbestimmung, jedoch nur im präjudiziellen Umfang infolge nicht auszuschließender, einer gänzlichen Aufhebung zuwiderlaufender Interessen der Parteien

Spruch

I. 1. Das Gesetz vom 6. Juli 1993 über die Raumordnung in Tirol (Tiroler Raumordnungsgesetz 1994), LGBl. für Tirol Nr. 81/1993, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol Nr. 6/1995 und Nr. 68/1995, wird insoweit als verfassungswidrig aufgehoben, als ihm nicht durch die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. für Tirol Nr. 4/1996, derogiert wurde,

und es war insoweit verfassungswidrig, als ihm durch die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. für Tirol Nr. 4/1996, derogiert wurde.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. Juni 1998 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

2. Das verfassungswidrige Gesetz ist auch in den beim Verwaltungsgerichtshof zu den Zlen. 95/06/0133 (A74/96), 95/06/0149 (A75/96), 95/06/0215 (A73/96), 95/06/0228 (A68/96), 95/06/0197, 96/06/0028 bis 0030 (A63-66/96), 96/06/0149 (A67/96), 96/06/0190 (A99/96) und 96/06/0147 sowie in dem beim Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol zu Zl. 14/183-1/1996 anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden.

3. Der Landeshauptmann von Tirol ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt für Tirol verpflichtet.

II. Folgende Verordnungen werden - im bezeichneten Umfang - als gesetzwidrig aufgehoben:

1. Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Schönberg in Tirol vom 5. Dezember 1983, Zl. 031-2/1984, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 29. Mai 1984 bis 13. Juni 1984, soweit darin die GP 137 als Tourismusgebiet ausgewiesen ist;

2. Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Kirchberg in Tirol vom 12. August 1992, Zl. 031-2/111/1992, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 14. Jänner 1993 bis 29. Jänner 1993, soweit darin die GP 2375/3, KG Kirchberg, als allgemeines Mischgebiet ausgewiesen ist;

3. Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Kitzbühel vom 26. April 1995 und 8. Juni 1995, genehmigt durch Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 11. Juli 1995, Zl. Ve1-546-411/75-1, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 13. Juli 1995 bis 28. Juli 1995, soweit darin das Grundstück Nr. 574/1, Teilfläche, KG Kitzbühel-Stadt, als Kerngebiet ausgewiesen ist;

4. Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Oberndorf vom 17. November 1981, genehmigt durch Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 23. März 1982, Zl. Ve-546-89/173, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 2. April 1982 bis 17. April 1982, soweit darin die GP 3904, KG Oberndorf, als Freiland ausgewiesen ist.

Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt für Tirol verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zahlreiche Beschwerden gegen im Instanzenzug ergangene Bescheide der Tiroler Landesregierung anhängig, die sich (u.a.) auf das Gesetz vom 6. Juli 1993 über die Raumordnung in Tirol (Tiroler Raumordnungsgesetz 1994), LGBl. für Tirol 81/1993, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 6/1995 (betrifft §15 Abs1, erster Satz, leg.cit.) und 68/1995 (betrifft §39 Abs2 leg.cit.) - also idF vor der 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. für Tirol 4/1996 - (im folgenden: TROG 1994), stützen:

a) Zum einen wurde mit dem zu B1952/95 bekämpften Bescheid gemäß §16 Abs2 TROG 1994 festgestellt, daß eine Wohnung nicht als Freizeitwohnsitz verwendet werden dürfe. Das diesbezügliche Gesetzesprüfungsverfahren wird zu G195/96 geführt.

b) Zum anderen wurden Vorstellungen gegen die Abweisung von Bauansuchen - das sind die zu B434/96, 3044/95, B858/96 und B3584/95 bekämpften Bescheide (G196/96, V90/96; G199/96; G313/96; G320/96, V126/96) - sowie Vorstellungen bzw. Berufungen gegen die Abweisung von Nachbarbeschwerden in Baubewilligungsverfahren - diese Beschwerden sind zu B1334/95, B912/96, B1308/96, B1311/96, B1508/96, B1693/96 und B2561/96 protokolliert und betreffen die Normprüfungsverfahren G198/96, V92/96; G298/96; G314/96, V120/96; G315/96; G316/96; G317/96; G319/96 - als unbegründet abgewiesen bzw. es wurde ihnen Folge gegeben.

c) Der zu B2163/96 (G318/96) protokollierten Beschwerde liegt ein Bescheid zugrunde, mit dem einer Änderung eines Flächenwidmungsplanes die aufsichtsbehördliche Genehmigung versagt wurde.

1.2. Zu V295/94, V161-163/95 und V22/95 wurden Anträge gemäß Art139 B-VG auf Aufhebung (von Teilen) von Verordnungen eingebracht, mit denen ein Teilbebauungsplan (V295/94), eine Bausperre erlassen (V161-163/95) bzw. eine näher bezeichnete Fläche als Freiland gewidmet wurde (V22/95). Die diesbezüglichen Gesetzesprüfungsverfahren sind zu G200/96, G201-203/96 und G212/96 protokolliert.

2. Die Beschwerdeführer machen in ihren Beschwerden die Verletzung verschiedener verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte (B3584/95) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (B1952/95, B434/96, B858/96, B1308/96, B1508/96, B2163/96, B2561/96) bzw. einer gesetzwidrigen Verordnung (B1334/95, B3044/95, B912/96, B858/96, B1308/96, B1311/96, B1508/96, B1693/96, B2561/96) geltend und begehren jeweils die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides.

Die Antragsteller behaupten, durch die jeweilige Verordnung unmittelbar und aktuell in Rechten verletzt zu werden und tun das Vorliegen der Prozeßvoraussetzungen im einzelnen dar.

3.1. Bei Behandlung dieser Beschwerden und Anträge sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des TROG 1994 entstanden. Der Gerichtshof hat deshalb jeweils gemäß Art140 Abs1 B-VG beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit der §§15 und 16 sowie der Wortfolge "§15 Abs3 und 5, §16," in §118 (G195/96), §§38 Abs2 bis 4, 40 Abs4 und 109 Abs3, letzter Satz (G196/96), §§40 Abs1 und 2 und 109 Abs3, zweiter Satz (G198/96), §§36, 65, 66, 67, 68 und 69 (G199/96), §114 Abs1 (G200/96), §70 (G201-203/96), §§41 und 109 Abs1 (G212/96), §§53 und 109 Abs4, erster Satz (G298/96), §§29 Abs3, 38 Abs1, 3 und 4, 63 und 109 Abs3, erster Satz (G313/96), §40 Abs1, 3, 7 und 8 (G314/96), §§27, 38, 55 bis 63, 109 Abs1 und 114 Abs1 (G315/96), einer Wortfolge in §40 Abs1, §40 Abs3, §§55, 56, 58 bis 63, 65, 66, 67 Abs1, 4 bis 8, 68 und 109 Abs1 (G316/96), §§38 Abs1, 3 und 4, 108 Abs2, zweiter Satz, einer Wortfolge in §108 Abs4, und §109 Abs3, erster Satz (G317/96), §§27, 36, 65, 66, 67 Abs1 bis 3, 6 und 7, 68, 69 und 108 (G318/96), §§10 Abs1 bis 3, 40 Abs1, 7 und 8, 109 Abs3, zweiter Satz, und 115 (G319/96) und §41, einer Wortfolge in §42 Abs1, §§42 Abs2, 61 Abs3 und 109 Abs1 (G320/96) des TROG 1994 zu prüfen.

3.2. Hinsichtlich der in Prüfung gezogenen Verordnungen hegte der Verfassungsgerichtshof das vorläufige Bedenken, daß sie sich auf ein verfassungswidriges Gesetz stützten.

4.1. Die Tiroler Landesregierung erstattete in den Normprüfungsverfahren teils im wesentlichen gleichlautende Äußerungen, in denen sie den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entgegentritt und beantragt, das TROG 1994 nicht als verfassungswidrig aufzuheben, für den Fall der Aufhebung aber für das Außerkrafttreten die nach Art140 Abs5, letzter Satz, B-VG höchstzulässige Frist festzusetzen. Teils verzichtete sie im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. September 1996, G50/96 u.a., auf eine Äußerung.

4.2. Insbesondere in ihrer Äußerung vom 1. Oktober 1996 zu G195/96 ging die Tiroler Landesregierung auf die vom Verfassungsgerichtshof gegen die Freizeitwohnsitze regelnden Bestimmungen des TROG 1994 aufgeworfenen, inhaltlichen Bedenken ausführlich ein.

5. Beim Verfassungsgerichtshof sind ferner Gesetzesprüfungsanträge des Verwaltungsgerichtshofes anhängig, mit denen begehrt wird, der Verfassungsgerichtshof möge einzelne Bestimmungen des TROG 1994 als verfassungswidrig aufheben bzw. feststellen, daß weitere näher bezeichnete Bestimmungen des TROG 1994 verfassungswidrig waren. Im einzelnen handelt es sich um den zu G322/96 protokollierten Antrag des Verwaltungsgerichtshofes, aus Anlaß des bei ihm zu Zl. 95/06/0228 (A68/96) anhängigen Verfahrens §115 Abs2 und §116 Abs2 TROG 1994 als verfassungswidrig aufzuheben, um die zu G325/96 (VwGH Zl. 95/06/0215, A73/96), G326/96 (VwGH Zl. 95/06/0133, A74/96) und G327/96 (VwGH Zl. 95/06/0149, A75/96) protokollierten Anträge des Verwaltungsgerichtshofes, aus Anlaß der bei ihm anhängigen Verfahren festzustellen, daß §16 Abs1 lite leg.cit. (in eventu §16 Abs1 lite und §16 Abs2, zweiter Satz, leg.cit., in eventu §§15 und 16 leg.cit.) verfassungswidrig war(en), um den zu G356/96 (VwGH Zlen. 95/06/0197, 96/06/0028 bis 0030, A63-66/96) protokollierten Antrag, festzustellen, daß die §§15 und 16 TROG 1994 verfassungswidrig waren, und eine Wortfolge in §118 leg.cit. als verfassungswidrig aufzuheben, um den zu G358/96 (VwGH Zl. 96/06/149, A67/96) protokollierten Antrag, festzustellen, daß §42 Abs2, erster Satz, TROG 1994 verfassungswidrig war, und den zweiten und dritten Satz dieser Regelung sowie §61 Abs3 leg.cit. aufzuheben, sowie um den zu G383/96 (VwGH Zl. 96/06/0190, A99/96) protokollierten Antrag, festzustellen, daß §40 Abs2 TROG 1994 verfassungswidrig war, und §109 Abs1 und 3, zweiter Satz, leg.cit. als verfassungswidrig aufzuheben. Der zuletzt angeführte Antrag enthält das Ersuchen, die Anlaßfallwirkung auch auf das bei ihm zu Zl. 96/06/0147 anhängige Verfahren auszudehnen.

Weiters beantragte der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol zu G373,374/96 aus Anlaß des bei ihm zu Zl. 14/183-1/1996 anhängigen Verfahrens, Art38 Abs7 TLO 1989 und die §§15 und 16 TROG 1994 als (bundes-)verfassungswidrig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof wie auch der unabhängige Verwaltungssenat erachten die jeweils angefochtenen Bestimmungen des TROG 1994 aus jenen Gründen für verfassungswidrig, die den Verfassungsgerichtshof zu seinem Prüfungsbeschluß vom 27. Juni 1996, B1952/95, bewogen haben.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat in den - in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm.

§35 VerfGG 1953 zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Normprüfungsverfahren erwogen:

1.1. Zur Zulässigkeit der von Amts wegen eingeleiteten Normprüfungsverfahren:

1.1.1. In den Verfahren zu G195/96; G198/96, V92/96; G200/96; G201-203/96 und G212/96 ist weder vorgebracht worden noch sonst hervorgekommen, daß die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes über die Zulässigkeit der Beschwerden und über die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen des TROG 1994 unzutreffend wären.

Hiebei ist zu beachten, daß §15 Abs1 TROG 1994 idF der Kundmachung LGBl. für Tirol 6/1995 anzuwenden ist. Zum - insofern beachtlichen - Zeitpunkt der Zustellung des zu B1952/95 angefochtenen Bescheides am 11. Mai 1995 war die mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Dezember 1994, G76/94 (VfSlg. 13964/1994), ausgesprochene Aufhebung der Wortfolge "Zubauten und" in §15 Abs1, erster Satz, TROG 1994 im LGBl. - als Nr. 6/1995 - kundgemacht. Zwar war die vom Verfassungsgerichtshof für das Inkrafttreten der Aufhebung gesetzte Frist (das war der 31. Dezember 1995) noch nicht abgelaufen und die aufgehobene Wortfolge solange im Sinne der ständigen Rechtsprechung unanfechtbar geworden. Inzwischen ist diese Aufhebung aber voll wirksam geworden; eine - abermalige - Aufhebung ein- und derselben Anordnung kommt aber von vorneherein nicht in Betracht.

1.1.2. In den zu G196/96, V90/96 protokollierten Verfahren hält die Äußerung der Tiroler Landesregierung die Präjudizialität der in Prüfung genommenen Gesetzesbestimmungen und des in Prüfung genommenen Teiles des betreffenden Flächenwidmungsplanes deshalb für fraglich, weil sich die Gemeinde in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Selbstverwaltung verletzt erachte, solches jedoch im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bei bloß gesetzwidriger Ausübung des Aufsichtsrechtes nicht der Fall sei; letztlich stelle sich dann "die Frage nach der Widmungsmäßigkeit des betreffenden Bauvorhabens" gar nicht.

In seinem Erkenntnis VfSlg. 11633/1988 hat der Verfassungsgerichtshof aus dem in Art119a Abs9 B-VG enthaltenen Verweis auf Art144 B-VG abgeleitet, daß er aufgrund einer Beschwerde einer durch einen aufsichtsbehördlichen Bescheid betroffenen Gemeinde auch zu prüfen hat, ob die Gemeinde durch den Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt wurde. Denn anders als bei einem Antrag der Gemeinde auf Überprüfung einer Verordnung gemäß Art139 Abs1, letzter Satz, B-VG, dessen Unzulässigkeit mangels Eingriffes der Verordnung in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Gemeinde auf Selbstverwaltung der Verfassungsgerichtshof angenommen hat (VfSlg. 9533/1982 und 10399/1985), ist mit Rücksicht auf die den Gemeinden in Art119a Abs9 B-VG ausdrücklich eingeräumte Beschwerdebefugnis nach Art144 B-VG die Beschwerde gegen einen aufsichtsbehördlichen Bescheid wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm zulässig.

Ist die Beschwerde aber zulässig, kann auch die Präjudizialität der in Prüfung genommenen Rechtsvorschriften nicht verneint werden. Die Tiroler Landesregierung hat diese im zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren angewendet und auch der Verfassungsgerichtshof hat sie bei seiner Entscheidung über die Beschwerde anzuwenden.

Da neben der Präjudizialität auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind auch diese Normprüfungsverfahren zulässig.

In dem zu G199/96 geführten Verfahren wurde zwar seitens der Tiroler Landesregierung die Präjudizialität einzelner in Prüfung gezogener Bestimmungen verneint, doch kann dies im Hinblick darauf, daß der Verfassungsgerichtshof nach Art140 Abs4 B-VG vorzugehen hatte (s. unten II.4.1.), auf sich beruhen.

1.1.3. Da alle Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind alle von Amts wegen eingeleiteten Normenprüfungsverfahren zulässig.

1.2. Zu den Anträgen des Verwaltungsgerichtshofes und des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol:

Die Anträge des Verwaltungsgerichtshofes und des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol auf Gesetzesprüfung konnten in das vorliegende Verfahren wegen des fortgeschrittenen Prozeßgeschehens nicht mehr einbezogen werden (vgl. aber die Ausdehnung der Anlaßfallwirkung im Spruch und laut II.4.2.).

Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei aber darauf hingewiesen, daß der Verwaltungsgerichtshof im übrigen in einigen Anträgen zutreffend davon ausging, daß der vom Verfassungsgerichtshof aufgegriffene Mangel - möge er auch verkürzt als "Kundmachungsmangel" bezeichnet werden - nicht die gehörige Kundmachung eines Gesetzes im Sinne des Art89 Abs1 B-VG betrifft, sondern einen Verstoß gegen eine (bundes- bzw. landes-)verfassungsgesetzliche Erzeugungsbedingung für ein Landesgesetz darstellt. Insoferne liegt also ein im Sinne des Art89 Abs1 B-VG gehörig kundgemachtes Gesetz vor, das einer Anfechtung (ua.) des Verwaltungsgerichtshofes zugänglich ist (so im Ergebnis schon VfGH 28.9.1996, G50/96 u.a.).

2.1. In der Sache begründete der Verfassungsgerichtshof seine Bedenken sowohl im Prüfungsbeschluß des führenden Verfahrens G195/96 (B1952/95) vom 27. Juni 1996 wie auch in den übrigen Verfahren damit, daß die Kundmachung des vom Tiroler Landtag beschlossenen Tiroler Raumordnungsgesetzes ohne neuerliche Befassung des Tiroler Landtages verfassungswidrig erfolgt sei. Die auch hier maßgeblichen Erwägungen des am 4. Dezember 1995 zu B266/94 gefaßten Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes betreffend die amtswegige Prüfung der Novelle zum Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983 LGBl. für Tirol 74/1991 (im folgenden: TGVG-Novelle 1991) bestünden hier umso mehr, als sich aus dem im Landesgesetzblatt kundgemachten Text keinerlei Hinweis darauf ergebe, daß die erwähnten Teile des Gesetzesbeschlusses des Landtages im Hinblick auf die Verweigerung der Zustimmung der Bundesregierung zur Mitwirkung an der Vollziehung des Gesetzes der Kundmachung nicht zugeführt worden seien. Vielmehr habe es eines ins Detail gehenden Vergleiches des Wortlautes des Gesetzesbeschlusses des Landtages mit jenem im Landesgesetzblatt bedurft, um den Unterschied zwischen beschlossenem und kundgemachtem Gesetzestext erkennen zu können.

2.2. Der Tiroler Landtag hat am 6. Juli 1993 einen Gesetzesbeschluß über die Raumordnung in Tirol (Tiroler Raumordnungsgesetz 1994) gefaßt. Dessen §3 statuierte eine Informationspflicht der Organe sowohl des Bundes als auch des Landes, der Gemeinden sowie der sonstigen Körperschaften öffentlichen Rechts dahingehend, daß sie "der Landesregierung möglichst früh die von ihnen beabsichtigten, für die Raumordnung des Landes wesentlichen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen mitteilen und Auskunft über die sonstigen hiefür wesentlichen Umstände erteilen" sollten.

Die Bundesregierung beschloß jedoch in ihrer Sitzung vom 7. September 1993, ihre Zustimmung zur vorgesehenen Verpflichtung von Organen des Bundes zur Mitwirkung an der Vollziehung des Landesgesetzes gemäß Art97 Abs2 B-VG zu verweigern.

In der Folge wurde der Gesetzesbeschluß des Tiroler Landtages vom 6. Juli 1993 im 25. Stück des Jahrganges 1993 des Landesgesetzblattes für Tirol als Nr. 81 (herausgegeben und versendet am 28. September 1993) in der Weise kundgemacht, daß in §3 die Wortfolge "des Bundes" weggelassen wurde.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem - aufgrund des erwähnten Prüfungsbeschlusses vom 4. Dezember 1995, B266/94, ergangenen - Erkenntnis vom 28. September 1996, G50/96 u.a., ausgesprochen, daß das Gesetz vom 3. Juli 1991, mit dem das Grundverkehrsgesetz 1983 geändert wird, LGBl. für Tirol 74/1991, verfassungswidrig war, da es nach Verweigerung der Zustimmung der Bundesregierung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung ohne neuerliche Beschlußfassung durch den Landtag vom Landeshauptmann kundgemacht worden war und sohin Art38 Abs7 TLO 1989 widersprach.

Auch das TROG 1994 wurde nach Verweigerung der Zustimmung der Bundesregierung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung ohne neuerliche Beschlußfassung durch den Landtag vom Landeshauptmann kundgemacht. Es sind deshalb im vorliegenden Fall die gleichen Überlegungen maßgeblich, die den Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28. September 1996, G50/96 u.a., zur Feststellung gezwungen haben, die TGVG-Novelle 1991 sei insgesamt wegen Verstoßes gegen Art38 Abs7 der TLO 1989 verfassungswidrig gewesen. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird im einzelnen auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.

Für die vorliegenden Gesetzesprüfungsverfahren resultiert daraus die Verfassungswidrigkeit der in Prüfung genommenen Regelungen (zu den sich daraus ergebenden Konsequenzen - zumal im Hinblick auf die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. für Tirol 4/1996 - vgl. unten II.4.1.).

3. Der Verfassungsgerichtshof hegte im führenden Verfahren zu G195/96 aber auch noch weitere, inhaltliche Bedenken, die sich gegen die Freizeitwohnsitze regelnden Bestimmungen des TROG 1994 richten.

3.1.1. Durch §15 Abs1 TROG 1994 wird die Errichtung von Gebäuden, die ganz oder teilweise als Freizeitwohnsitze verwendet werden sollen, ausgeschlossen. Gleiches galt bis zur Aufhebung der betreffenden Wortfolge durch den Verfassungsgerichtshof (s. die Kundmachung im LGBl. für Tirol 6/1995) für Zubauten und gilt für Änderungen des Verwendungszweckes von bisher anderweitig verwendeten Gebäuden oder Gebäudeteilen, durch die Freizeitwohnsitze neu geschaffen oder bestehende Freizeitwohnsitze vergrößert werden sollen. Infolgedessen ist - anders als nach dem Tiroler Raumordnungsgesetz 1984, LGBl. für Tirol 4/1984, zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. für Tirol 76/1990 - keine eigene Widmungskategorie für solche Einrichtungen mehr vorgesehen. Bestehende Freizeitwohnsitze unterliegen einer Anmeldungspflicht gemäß §16 TROG 1994 und Wohnsitze dürfen in nur sehr eingeschränkter Weise als Freizeitwohnsitze benützt werden (vgl. §15 Abs3 leg.cit.). Rechtserwerbe an Freizeitwohnsitzen werden dem Regime des Gesetzes vom 7. Juli 1993 über den Verkehr mit Grundstücken in Tirol (Tiroler Grundverkehrsgesetz), LGBl. für Tirol 82/1993 (im folgenden: TGVG 1993), bzw. nunmehr dem Gesetz vom 3. Juli 1996 über den Verkehr mit Grundstücken in Tirol (Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996), LGBl. für Tirol 61/1996 (im folgenden: TGVG 1996), unterstellt. Eine Begriffsbestimmung des Freizeitwohnsitzes findet sich in §15 Abs2 TROG 1994 und in gleicher Weise auch in §2 Abs6 TGVG 1993 sowie in §2 Abs6 TGVG 1996.

Die Umsetzung der raumordnungspolitischen Zielsetzung der Einschränkung der Schaffung bzw. Benützung von Freizeitwohnsitzen erfolgt insbesondere durch §14 TGVG 1993 bzw. nunmehr durch §14 TGVG 1996. Bei allen der grundverkehrsbehördlichen Genehmigungspflicht unterworfenen Rechtserwerben sowohl an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken, vor allem aber an Baugrundstücken ist neben den sonstigen Voraussetzungen nach dem zweiten bzw. dritten Abschnitt des Gesetzes auch zu prüfen, ob durch den beabsichtigten Rechtserwerb nicht etwa ein Freizeitwohnsitz geschaffen werden soll. Die Prüfung dieser Frage entfällt bei jenen Rechtserwerben, die nach den §§5, 10 und 12 Abs2 TGVG 1993 bzw. TGVG 1996 von der Genehmigungspflicht ausgenommen sind.

Wurde bzw. wird ein zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TROG 1994 (das war der 1. Jänner 1994 - s. §119 Abs1 leg.cit.) bestehender, den Tiroler Raumordnungsvorschriften nicht widersprechender Freizeitwohnsitz ordnungsgemäß nach §16 leg.cit. angemeldet, kann dieser zur Verwendung als Freizeitwohnsitz erworben werden, wenn der Rechtserwerb im Sinne der zitierten Regelungen keiner grundverkehrsbehördlichen Genehmigungspflicht unterliegt. Besteht aber eine grundverkehrsrechtliche Genehmigungspflicht, so ist zu unterscheiden, ob die Freizeitwohnsitze für eine ganzjährige Wohnnutzung geeignet sind oder nicht. Sind sie hiefür nicht geeignet, können sie von jedermann erworben werden, der einen mindestens fünfjährigen ordentlichen Wohnsitz in Österreich nachweisen kann (§14 Abs2 TGVG 1993; §14 des mit 1. Oktober 1996 in Kraft getretenen TGVG 1996 sieht dem gegenüber weiters vor, daß Personen mit mindestens fünfjährigen Wohnsitz in Österreich auch dann Freizeitwohnsitze erwerben dürfen, wenn es sich um Wohnungen handelt, die sich in Wohnanlagen mit mehr als zehn angemeldeten Freizeitwohnsitzen befinden, oder für die nachweislich kein Erwerber gefunden werden kann, der den betreffenden Freizeitwohnsitz zur Befriedigung eines ganzjährigen Wohnbedürfnisses verwenden würde - darauf ist hier jedoch nicht weiter einzugehen). Bei ganzjährig zur Wohnnutzung geeigneten Freizeitwohnsitzen liegt ein grundverkehrsbehördlicher Versagungsgrund vor, wenn der Rechtserwerber nicht glaubhaft macht, daß durch den Rechtserwerb kein Freizeitwohnsitz geschaffen werden soll. Bei Verletzung des gesetzlichen Verbotes der Schaffung von Freizeitwohnsitzen droht nicht nur die Verhängung einer Verwaltungsstrafe (§36 Abs1 litd TGVG 1993 bzw. §36 Abs1 litc TGVG 1996), sondern ist letztlich auch die Zwangsversteigerung des betreffenden Freizeitwohnsitzes möglich (§14 Abs4 TGVG 1993 bzw. §14 Abs3 TGVG 1996).

3.1.2. Die hier vornehmlich maßgeblichen §§15 und 16 TROG 1994 - §15 Abs1 idF der Kundmachung LGBl. für Tirol 6/1995, also idF vor der 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. für Tirol 4/1996 - haben folgenden Wortlaut:

"§15

Verbot von Freizeitwohnsitzen

(1) Für Neubauten, die ganz oder teilweise als Freizeitwohnsitze verwendet werden sollen, sowie für Änderungen des Verwendungszweckes von bisher anderweitig verwendeten Gebäuden oder Gebäudeteilen, durch die Freizeitwohnsitze neu geschaffen oder bestehende Freizeitwohnsitze vergrößert werden sollen, darf die Baubewilligung nicht mehr erteilt werden. Im übrigen dürfen nur mehr Wohnsitze, die

a) im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften rechtmäßig als Freizeitwohnsitze verwendet worden sind oder bei denen sich der Verwendungszweck als Freizeitwohnsitz auf Grund der Baubewilligung ergibt und

b) nach §16 Abs1 rechtzeitig als Freizeitwohnsitze angemeldet worden sind,

als Freizeitwohnsitze verwendet werden. Bescheide, mit denen entgegen dem ersten Satz die Baubewilligung erteilt wird, leiden an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler.

(2) Freizeitwohnsitze sind Gebäude, Teile von Gebäuden oder Wohnungen, die nicht der Befriedigung eines ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnisses dienen, sondern zum Aufenthalt während des Urlaubs, der Ferien, des Wochenendes oder sonst nur zeitweilig zu Erholungszwecken verwendet werden. Gastgewerbebetriebe zur Beherbergung von Gästen, Kur- und Erholungsheime, die von öffentlichen Einrichtungen, Betrieben oder Einrichtungen der freien Jugendwohlfahrt erhalten werden, sowie Wohnräume, die im Rahmen der Privatzimmervermietung verwendet werden, gelten nicht als Freizeitwohnsitze.

(3) Wohnsitze, auf die die Voraussetzungen nach Abs1 lita und b nicht zutreffen, dürfen nur auf Grund einer Bewilligung des Bürgermeisters als Freizeitwohnsitze verwendet werden. Die Bewilligung ist zu erteilen

a) auf Antrag des Erben oder Vermächtnisnehmers, wenn die Voraussetzungen nach §5 lita des Tiroler Grundverkehrsgesetzes, LGBl. Nr. 82/1993, in der jeweils geltenden Fassung vorliegen und der betreffende Wohnsitz nicht anderweitig der Befriedigung eines Wohnbedürfnisses dient;

b) auf Antrag des Eigentümers des betreffenden Wohnsitzes oder des sonst hierüber Verfügungsberechtigten, wenn ihm auf Grund geänderter Lebensumstände, insbesondere auf Grund beruflicher oder familiärer Veränderungen, eine andere Verwendung des Wohnsitzes nicht weiter möglich oder zumutbar ist, der Wohnsitz auch nicht anderen Personen der Befriedigung eines Wohnbedürfnisses dient und er insbesondere im Hinblick auf seine persönlichen oder familiären Verhältnisse oder seine Rechtsbeziehung zum Wohnsitz ein Interesse an der Aufrechterhaltung des Wohnsitzes glaubhaft macht.

(4) Der Inhaber einer Bewilligung nach Abs3 darf den Freizeitwohnsitz nur für sich, seine Familie und seine Gäste verwenden. Die entgeltliche Überlassung des Freizeitwohnsitzes ist nicht zulässig.

(5) Um die Erteilung der Bewilligung nach Abs3 ist schriftlich anzusuchen. Der Antrag hat den betreffenden Wohnsitz zu bezeichnen und die zur Beurteilung des Vorliegens der Bewilligungsvoraussetzungen erforderlichen Angaben sowie die zum Nachweis der Richtigkeit dieser Angaben oder zu deren Glaubhaftmachung erforderlichen Unterlagen zu enthalten. Der Bürgermeister hat über den Antrag mit schriftlichem Bescheid zu entscheiden. Der Bescheid hat den betreffenden Wohnsitz genau zu bezeichnen. Der Bescheid, mit dem die Bewilligung erteilt wird, ist aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für seine Erlassung nicht mehr vorliegen. Über Berufungen gegen Bescheide des Bürgermeisters entscheidet die Landesregierung.

(6) Wer

a) einen Wohnsitz innerhalb der Anmeldefristen nach §16 Abs1 als Freizeitwohnsitz verwendet oder verwenden läßt, ohne daß eine der Voraussetzungen nach Abs1 lita oder eine Bewilligung nach Abs3 vorliegt,

b) einen Wohnsitz nach Ablauf der Anmeldefristen nach §16 Abs1 als Freizeitwohnsitz verwendet oder verwenden läßt, ohne daß eine Feststellung nach §16 Abs2 über die Zulässigkeit der Verwendung des betreffenden Wohnsitzes als Freizeitwohnsitz oder eine Bewilligung nach Abs3 vorliegt,

c) einen Wohnsitz ungeachtet einer Feststellung nach §16 Abs2, wonach die Verwendung des betreffenden Wohnsitzes als Freizeitwohnsitz unzulässig ist, und ohne daß eine Bewilligung nach Abs3 vorliegt, als Freizeitwohnsitz verwendet oder verwenden läßt oder

d) einen Freizeitwohnsitz, für den eine Bewilligung nach Abs3 vorliegt, durch andere als die im Abs4 genannten Personen oder entgeltlich als Freizeitwohnsitz verwenden läßt,

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 500.000,-- Schilling zu bestrafen.

§16

Anmeldung von Freizeitwohnsitzen

(1) Freizeitwohnsitze, auf die eine der Voraussetzungen nach §15 Abs1 lita zutrifft und die weiterhin als Freizeitwohnsitze verwendet werden sollen, sind vom Eigentümer oder vom sonst hierüber Verfügungsberechtigten innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes beim Bürgermeister anzumelden. Die Anmeldung kann auch zu einem späteren Zeitpunkt, längstens jedoch innerhalb von fünf Jahren nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erfolgen, wenn der Eigentümer des Freizeitwohnsitzes bzw. der sonst hierüber Verfügungsberechtigte glaubhaft macht, daß er von der Anmeldepflicht nicht rechtzeitig Kenntnis erlangt hat. In diesem Fall ist der Freizeitwohnsitz innerhalb von sechs Monaten nach Kenntnis der Anmeldepflicht anzumelden. In der Anmeldung ist außer im Falle, daß sich der Verwendungszweck als Freizeitwohnsitz auf Grund der Baubewilligung ergibt, auf Grund geeigneter Unterlagen oder sonstiger Beweismittel glaubhaft zu machen, daß der Freizeitwohnsitz bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bestanden hat. Die Anmeldung hat weiters zu enthalten:

a) Name, Geburtsdatum und Adresse des Eigentümers des Freizeitwohnsitzes und des allenfalls sonst hierüber Verfügungsberechtigten;

b) die Bezeichnung des Grundstückes, auf dem sich der Freizeitwohnsitz befindet;

c)

die Adresse des Freizeitwohnsitzes;

d)

die Wohnnutzfläche des Freizeitwohnsitzes, bei als Freizeitwohnsitzen verwendeten Gebäudeteilen oder Wohnungen die genaue Bezeichnung und erforderlichenfalls eine planliche Darstellung der betreffenden Räumlichkeiten;

              e)              die Angabe, ob der Freizeitwohnsitz auch für eine ganzjährige Wohnnutzung geeignet ist.

(2) Der Bürgermeister hat auf Grund einer Anmeldung nach Abs1 mit schriftlichem Bescheid festzustellen, ob der betreffende Freizeitwohnsitz nach §15 Abs1 lita und b weiterhin als Freizeitwohnsitz verwendet werden darf. Der Bescheid, mit dem dies bejaht wird, hat die Angaben nach Abs1 lita bis e zu enthalten. Parteien des Verfahrens sind der Eigentümer des Freizeitwohnsitzes und der sonst hierüber Verfügungsberechtigte. Über Berufungen gegen Bescheide des Bürgermeisters entscheidet die Landesregierung.

(3) Die Landesregierung kann durch Verordnung die bei der Anmeldung von Freizeitwohnsitzen zu verwendenden Formulare festlegen.

(4) Der Bürgermeister hat ein Verzeichnis der angemeldeten Freizeitwohnsitze, die weiterhin als solche verwendet werden dürfen, zu führen. Das Verzeichnis hat hinsichtlich der einzelnen Freizeitwohnsitze die Angaben nach Abs1 lita bis e und die Widmung des Grundstückes, auf dem sich der betreffende Freizeitwohnsitz befindet, zu enthalten.

(5) Die Gemeinde darf zum Zwecke der Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes über Freizeitwohnsitze folgende Daten ermitteln und automationsunterstützt verarbeiten:

a)

die Daten nach Abs1 lita bis e;

b)

die Widmung der Grundstücke, auf denen sich Freizeitwohnsitze befinden, und

              c)              die Bescheide nach Abs2 und §15 Abs3.

(6) Die Gemeinde darf die Daten nach Abs5 weiters den mit der Vollziehung des Tiroler Grundverkehrsgesetzes und des Aufenthaltsabgabegesetzes 1991, LGBl. Nr. 35, in der jeweils geltenden Fassung betrauten Behörden zum Zweck der Wahrnehmung der ihnen danach übertragenen Aufgaben sowie den Tourismusverbänden und Kurfonds zum Zweck der Überwachung der Entrichtung der Aufenthaltsabgabe übermitteln. Die Gemeinde darf die Daten nach Abs5 weiters in anonymisierter Form zu statistischen Zwecken benützen und der Landesregierung übermitteln."

§118 TROG 1994 lautet (die zu G195/96 in Prüfung genommene Wortfolge ist hervorgehoben):

"§118

Eigener Wirkungsbereich der Gemeinde

Die Aufgaben der Gemeinde nach diesem Gesetz - mit Ausnahme jener nach §3 Abs1, §11 Abs2, §15 Abs3 und 5, §16, §26 Abs5, §73 Abs6, §75 Abs2, §76 Abs4, §81 Abs3, §84

Abs5, §85 Abs2, 3 und 4, §87 Abs3, §90 Abs1 litb und §110 Abs1 dritter Satz - sind solche des eigenen Wirkungsbereiches."

3.1.3. Die Erläuternden Bemerkungen zum Entwurf eines Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994 (Beilagen zu den Stenographischen Berichten des Tiroler Landtages XI. Periode, 4. Sitzung der 9. Tagung am 6., 7. und 8. Juli 1993, S 45ff.) begründen die restriktive Zulassung von Freizeitwohnsitzen mit den zahlreichen schon bestehenden Freizeitwohnsitzen (laut Häuser- und Wohnungszählung 1991 ca. 21.300, zu denen eine nicht unbeträchtliche Dunkelziffer hinzuzuzählen sei) und mit der Enge des Tiroler Siedlungsraumes. Daraus ergebe sich die Notwendigkeit eines besonders haushälterischen Umgangs mit Grund und Boden. Die Zunahme der Freizeitwohnsitze übe eine preistreibende Wirkung auf den Bodenmarkt aus, wodurch die Wohnraumbeschaffung für die ansässige Bevölkerung zunehmend schwieriger werde. Deswegen und wegen der damit verknüpften Verstärkung der Zersiedelungstendenzen sowie letztlich auch der verstärkten finanziellen Belastung der Gemeinden durch unwirtschaftliche und kostspielige Erschließungen und überhöhter Kosten für die Bereitstellung und Erhaltung der Infrastruktur könne ein Fortschreiten der Freizeitwohnsitzentwicklung im Interesse der geordneten Gesamtentwicklung des Landes nicht weiter hingenommen werden.

Im übrigen könnten Freizeitwohnsitze außerhalb des unmittelbaren Siedlungsgebietes (etwa durch die Zweckentfremdung von Almhütten, Asten und Kochhütten) zwar zur Stärkung bäuerlicher Einkommen beitragen, sie zögen jedoch zusätzlichen Individualverkehr in den alpinen Erholungsraum. Auch brächten sie Abwasserprobleme mit sich, stellten eine Konkurrenz für die Tourismusbetriebe und Privatzimmervermieter im Dauersiedlungsraum dar und führten letztlich dazu, daß Bauten, die als Notwendigkeit bergbäuerlicher Bewirtschaftsformen entstanden seien, zu sinnentleerten Attrappen würden.

Da der allergrößte Teil Tirols als Standort für Freizeitwohnsitze grundsätzlich attraktiv sei, könne eine Lösung des Problems nicht darin liegen, die Weiterentwicklung nur in den derzeit schon hoch belasteten Gebieten zu stoppen und eine Verlagerung der Freizeitwohnsitzentwicklung auf die übrigen Landesteile zuzulassen. Besonders im Hinblick auf die von der Raumordnung zu beachtende Zukunftsvorsorge könne es keine sachgerechte Lösung sein, eine in den "Intensivzonen" schon jetzt als falsch erkannte Entwicklung künftig in derzeit noch weniger betroffenen Gebieten zuzulassen.

3.2.1. Der Verfassungsgerichtshof nahm vorläufig an, das TROG 1994 weise die Vollziehung eines nicht unerheblichen Teiles der Regelungen über Freizeitwohnsitze der überörtlichen Raumordnung zu. Dies dürfte sich zum einen daraus ergeben, daß sie gesetzessystematisch zum I. Teil des TROG 1994, der den Titel "Überörtliche Raumordnung" trägt, gehören (s. auch die EB zum Entwurf eines TROG 1994, Beilagen zu den Stenographischen Berichten des Tiroler Landtages XI. Periode, 4. Sitzung der 9. Tagung am 6.,7. und 8. Juli 1993, S 6 und 45ff.); zum anderen aber daraus, daß §118 TROG 1994 die Aufgaben ua. nach §15 Abs3 und 5 sowie nach §16 ausdrücklich von der Zuordnung zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden ausnimmt.

Demgegenüber ging der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, daß auch diese Angelegenheiten - neben dem im ersten Satz des §15 Abs1 TROG 1994 umschriebenen Bereich - der örtlichen Raumplanung bzw. der örtlichen Baupolizei zuzurechnen seien. Wenn auch der Gemeinde der Vollzug bestimmter Aufgaben, darunter der örtlichen Raumplanung und der örtlichen Baupolizei gemäß Art118 Abs4 B-VG lediglich "im Rahmen der Gesetze und Verordnu

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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