TE Vwgh Erkenntnis 1998/11/19 98/06/0131

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Veröffentlicht am 19.11.1998
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Index

20/05 Wohnrecht Mietrecht;
98/03 Wohnbaufinanzierung;
98/04 Wohnungsgemeinnützigkeit;

Norm

MRG §30 Abs2 Z15 idF 1991/068;
MRG §30 Abs2 Z15;
WÄG 02te 1991;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde der M in L, vertreten durch W, K, D, M, R und F, Rechtsanwälte in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 18. Juni 1998, Zl. Wo-020002/477 1998/SÜ/Ka, betreffend Feststellung gemäß § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG (mitbeteiligte Partei: H in V, vertreten durch D, Rechtsanwalt in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 7. Jänner 1993 wurde dem Mitbeteiligten die Baubewilligung für die Errichtung eines unterkellerten viergeschossigen Wohn- und Geschäftshauses samt Tiefgarage mit 9 Kfz-Stellplätzen und ausgebautem Dachgeschoß erteilt.

Mit Schreiben vom 30. August 1993 (beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz eingelangt am 31. August 1993) stellte der Mitbeteiligte den Antrag auf Feststellung gemäß § 30 Abs. 2 Z. 15 Mietrechtsgesetz, daß das beabsichtigte Projekt im öffentlichen Interesse im Sinne dieser Bestimmung liege. Statt der bisherigen Wohnungen (zu 84 m2 und 65 m2) sollen im ersten bis vierten Obergeschoß acht Wohnungen zu 81 m2 bzw. im Dachgeschoß zwei Wohnungen zu 72,85 m2 (also insgesamt 793,70 m2 Wohnfläche im Vergleich zu den bisherigen 149 m2) geschaffen werden. Die Beschwerdeführerin als Mieterin des abzubrechenden Gebäudes erhob im Verfahren Einwendungen dahingehend, daß im schriftlichen Mietvertrag vom 22. August 1949 ein Kündigungsverzicht vereinbart worden sei, der sich auch auf den derzeitigen Eigentümer und Vermieter erstrecke. Dies sei bereits rechtskräftig durch Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 27. August 1992 festgestellt worden. Weiters sei vom erkennenden Gericht im Rahmen der Sachverhaltsfeststellungen festgehalten worden, daß die Beschwerdeführerin nicht in die Wohnung eingezogen wäre, wenn der Kündigungsverzicht nicht ausgesprochen worden wäre.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 24. Jänner 1994 wurde im Spruchpunkt I. festgestellt, daß gemäß § 30 Abs. 2 Z. 15 Mietrechtsgesetz die geplante Errichtung eines Neubaues auf den näher angeführten Grundstücken im öffentlichen Interesse liege. In Spruchpunkt II. wurde den von den Mieterinnen (u.a. die Beschwerdeführerin) vorgebrachten Einwendungen nicht stattgegeben. Im erstinstanzlichen Bescheid wurde ausgeführt, daß der geplante Neubau zur Milderung des in Linz zweifelsfrei bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfes geeignet sei, weil insgesamt zehn Wohnungen mit einer Gesamtnutzfläche von 890,40 m2 neu geschaffen werden sollten. Dem gegenüber stehe der Verlust von zwei Wohnungen mit insgesamt ca. 149 m2 Nutzfläche. Das bedeute acht zusätzliche Wohnungen und den Gewinn von etwa 740 m2 Wohnnutzfläche. Ein weiteres öffentliches Interesse sei aber auch in der Arbeitsplatzbeschaffung bzw. -sicherung gegeben. Zu der Einwendung der Beschwerdeführerin wurde ausgeführt, daß eine derartige Vereinbarung über einen Kündigungsverzicht im Vorfeld eines Kündigungsverfahrens nicht zu prüfen sei und ausschließlich in diesem ins Gewicht falle. Daran vermöge auch der angeführte Beschluß des Bezirksgerichtes Linz nichts zu ändern. Die Prüfung der schutzwürdigen Interessen der bisherigen Mieter würden somit zu einem negativen Ergebnis führen.

Die dagegen erhobene Berufung u.a. der Beschwerdeführerin wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen und der Spruch des bekämpften erstinstanzlichen Bescheides bestätigt. Diese Entscheidung wurde nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges und nach Anführung des § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG im wesentlichen damit begründet, daß unter öffentlichem Interesse nur das Interesse der Allgemeinheit an der ordnungsgemäßen Erfüllung der dem Rechtsträger zukommenden Aufgaben verstanden werden könne. Keinesfalls seien private Interessen des Mieters mit dem öffentlichen Interesse oder gar dem privaten Interesse des Bauwerbers abzuwägen. Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsverfahrens sei daher allein die Frage, ob ein geplanter Neubau, der nicht unbedingt dem gleichen Verwendungszweck wie der aufzukündigende Mietgegenstand dienen müsse, im öffentlichen Interesse liege. Alle anderen mit der Frage der Berechtigung der Kündigung zusammenhängenden Erwägungen müßten unberücksichtigt bleiben. Es sei somit festzustellen, ob der geplante Neubau zur Vermehrung der Wohnungen, die zur Beseitigung oder Milderung eines im Ortsgebiet bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfes oder eines qualitativen Wohnungsfehlbestandes geeignet seien, im öffentlichen Interesse liege. Von einem Wohnungsbedarf in einem bestimmten Ortsgebiet müsse dann gesprochen werden, wenn in diesem Ortsgebiet das Angebot solcher Wohnungen, die nach ihrer Beschaffenheit zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses der Wohnungssuchenden ausreichten und deren Entgelt mit den wirtschaftlichen Verhältnissen dieser Wohnungssuchenden im Einklang stehe, wesentlich hinter jener Nachfrage zurückbleibe, die sich nicht nur auf einen vorübergehenden Bedarf gründe. Richtig sei das Vorbringen, daß die Behörde erster Instanz bei ihrer Feststellung, daß insgesamt zehn Wohnungen mit einer Gesamtnutzfläche von 890,40 m2 neu geschaffen würden, übersehen habe, daß bei dieser Fläche auch das im Erdgeschoß befindliche Geschäftslokal mit einer Größe von 96,70 m2 enthalten sei. Es müßten daher die zehn Wohnungen mit einer Gesamtnutzfläche von 793,70 m2 den zwei Wohnungen mit einer Gesamtnutzfläche von 149 m2 gegenübergestellt werden. Es würden somit acht Wohnungen zusätzlich geschaffen, wobei 644,70 m2 an Wohnnutzfläche neu hinzukomme. Wie aus den eingeholten Unterlagen der Abteilung Statistischer Dienst hervorgehe, liege die Zahl der Wohnungswerber allein bei den gemeinnützigen Bauvereinigungen im Jahr 1997 bei 16.692, wobei

8.799 Wohnungswerber einen triftigen Grund zur Wohnungssuche angegeben hätten. Bei der Wunschwohngemeinde hätten 72,1 % angegeben, daß sie eine Wohnung in Linz wünschten. Auch wenn sechs (gemeint wohl 8) zusätzliche Wohnungen keine große Anzahl darstellten, so könne dies durchaus auch aufgrund der Ausstattung der Wohnungen ein Beitrag sein, den quantitativen (qualitativen) Wohnungsfehlbedarf zu lindern. Daß die Wohnungen nicht dem Eigenbedarf dienten, sondern vermietet würden, sei vom Hauseigentümer mit Schreiben vom 8. Juni 1998 ausdrücklich festgelegt worden. Dem Einwand, daß durch den Neubau keine Arbeitsplätze geschaffen bzw. gesichert werden könnten, könne die belangte Behörde nicht folgen, da sich der Mitbeteiligte festgelegt habe, daß ein Umbau des bestehenden Gebäudes nicht in Frage komme. Daher sei auch eine Prüfung, ob die Errichtung eines eigenen Wohn- und Geschäftshauses auch ohne Abbruch des bestehenden Gebäudes durch Aufstockung und Umbau möglich wäre, nicht erforderlich. Der Verlust von Arbeitsplätzen im vorhandenen Geschäftslokal werde durch die Neuerrichtung eines Geschäftslokales kompensiert. Es stehe somit fest, daß diese zusätzlichen Wohnungen in Verbindung auch mit einer Arbeitsplatzbeschaffung bzw. -sicherung geeignet seien, daß ein öffentliches Interesse im Sinne der angeführten Gesetzesstelle gegeben sei. Gründe, die gegen die Annahme eines öffentlichen Interesses sprechen würden und bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen wären, lägen nicht vor.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 30 Abs. 1 Mietrechtsgesetz, BGBl. Nr. 520/1981 (MRG), kann der Vermieter nur aus wichtigen Gründen den Mietvertrag kündigen. Gemäß § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG in der Fassung des zweiten MietrechtsänderungsG BGBl. Nr. 68/1991 ist als ein wichtiger Grund u. a. anzusehen, wenn

"15. ein Miethaus ganz oder in dem Teil, in dem sich der Mietgegenstand befindet, abgetragen oder umgebaut werden soll, mit dem Abbruch (Umbau) die Errichtung eines neuen (geänderten) Baues sichergestellt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Bauwerbers mit Bescheid erkannt hat, daß selbst unter Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen der bisherigen Mieter der geplante Neubau (Umbau) aus Verkehrsrücksichten, zu Assanierungszwecken, zur Vermehrung der Wohnungen, die zur Beseitigung oder Milderung eines im Ortsgebiet bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfs oder eines qualitativen Wohnfehlbestandes geeignet sind, oder aus anderen Gründen im öffentlichen Interessen liegt und dem Mieter Ersatz beschafft wird;".

Die Beschwerdeführerin macht geltend, daß es sich bei § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG um eine auf die Einschränkung bestehender Privatrechte gerichtete und daher im Zweifel restriktiv auszulegende Norm handle. Ein projektierter Neubau müsse daher so beschaffen sein, daß er nach Art und Umfang geeignet sei, Wohnraum zu schaffen, der der Milderung bestehender Wohnungsnot diene, und es rechtfertige, im Interesse der Allgemeinheit auch bestehende Mietrechte einzelner aufzuheben. Ein solcher Fall liege nicht vor, wenn durch das Vorhaben die Anzahl der Wohnungen oder die gesamte Wohnfläche nur geringfügig vermehrt werde. Dies sei nach Auffassung der Beschwerdeführerin gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt darauf verwiesen (siehe das hg. Erkenntnis vom 20. April 1995, Zl. 94/06/0093, und die in diesem angeführte Vorjudikatur), daß es sich bei der Bestimmung des § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG um eine auf die Einschränkung bestehender Privatrechte gerichtete und daher im Zweifel restriktiv auszulegende Norm handelt. Für diese restriktive Auslegung spricht auch die Novellierung dieser Gesetzesstelle durch das zweite Wohnrechtsänderungsgesetz, BGBl. Nr. 68/1991, wonach nunmehr neben der schon immer vorgesehenen Interessenabwägung im Falle von widerstreitenden öffentlichen Interessen auch eine Interessenabwägung gegenüber schutzwürdigen Interessen der durch die Kündigung betroffenen Mieter vorgesehen ist (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 20. April 1995, Zl. 94/06/0093). Nach der hg. Judikatur (vgl. das Erkenntnis vom 20. Oktober 1991, Zl. 90/19/0492) wird dieser Tatbestand der Schaffung von Wohnräumen im Sinne des § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG nicht erfüllt, wenn Ziel der beabsichtigten Bauführung lediglich die Schaffung von Luxuswohnungen ist oder durch das Vorhaben die Anzahl der Wohnungen oder die gesamte Wohnfläche nur geringfügig vermehrt wird. So hat der Verwaltungsgerichtshof (siehe das Erkenntnis vom 19. März 1986, Slg. Nr. 12.080/A), zu den Kriterien des quantitativen Wohnungsbedarfes bzw. qualitativen Wohnfehlbestandes ausgesprochen, daß der projektierte Neu- oder Umbau jedenfalls nach Art und Umfang geeignet sein muß, Wohnraum zu schaffen, der der Minderung der in einem bestimmten Ort bestehenden Wohnungsnot dient, und es solcherart rechtfertigt, im Interesse der Allgemeinheit auch bestehende Mietrechte einzelner aufzuheben. Im Sinne der hg. Judikatur (siehe die Erkenntnisse vom 27. April 1973, Slg. Nr. 8409/A, und vom 21. September 1973, Slg. Nr. 8465/A) kann von einer Wohnungsnot in einem bestimmten Ortsgebiet dann gesprochen werden, wenn im Ortsgebiet das Angebot solcher Wohnungen, welche nach ihrer Beschaffenheit zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses der Wohnungssuchenden ausreichen und deren Entgelt mit den wirtschaftlichen Verhältnissen dieser Wohnungssuchenden im Einklang steht, in erheblichem Umfang hinter jener Nachfrage zurückbleibt, die sich nicht nur auf einen vorübergehenden Bedarf gründet. Als nicht bloß geringfügige Vermehrung von Wohnungen hat es der Verwaltungsgerichtshof angesehen, wenn durch das konkrete Bauvorhaben anstelle bestehender neun Bestandobjekte bei einer Vermehrung der Gesamtwohnfläche um etwa ein Viertel 22 neue Wohnobjekte errichtet werden (vgl. das Erkenntnis vom 8. Juni 1973, Slg. Nr. 8427/A). Demgegenüber stellt die Vermehrung der vorhandenen Wohnungen um eine Wohnung jedenfalls nur eine geringfügige Vermehrung von Wohnungen dar (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Oktober 1991, Zl. 90/19/0492, und vom 19. März 1986, Slg. Nr. 12.080/A). Allerdings ist nunmehr § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG, also auch der Tatbestand der Vermehrung von Wohnungen im Sinne dieser Bestimmung in einem nicht bloß geringfügigen Ausmaß, seit dem zweiten Wohnrechtsänderungsgesetz unter Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen der bisherigen Mieter zu beurteilen. In diesem Zusammenhang rügt die Beschwerde, daß sich der angefochtene Bescheid nicht mit den schutzwürdigen Interessen der bisherigen Mieter befaßt habe, da offenbar die alte Fassung dieser Bestimmung herangezogen worden sei. Es sei im Verfahren auf das langjährige Wohnrecht der Beschwerdeführerin verwiesen worden, das, da die Beschwerdeführerin 1913 geboren sei und somit im 86. Lebensjahr stehe, als schutzwürdiges Interesse zu berücksichtigen sei. Ein schutzwürdiges Interesse ergebe sich aber auch aus dem vereinbarten Kündigungsverzicht.

Demgegenüber vertritt die belangte Behörde in der Gegenschrift die Auffassung, daß § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG in der Fassung des zweiten Mietrechtsänderungsgesetzes angewendet worden sei. Diese Fassung sei auch im erstinstanzlichen Bescheid angeführt worden. Im erstinstanzlichen Bescheid seien die schutzwürdigen Interessen der bisherigen Mieter berücksichtigt worden. Ausgehend von dieser Entscheidung habe die belangte Behörde ihre Entscheidung getroffen.

Die erstinstanzliche Behörde hat zum Kündigungsverzicht des Mitbeteiligten gegenüber der Beschwerdeführerin die Auffassung vertreten, daß eine derartige Vereinbarung im Vorfeld eines Kündigungsverfahrens von ihr nicht zu prüfen sei. Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Berufung nicht nur neuerlich ihr aus dem vereinbarten Kündigungsverzicht abzuleitendes rechtliches Interesse am Verbleib in der Wohnung geltend gemacht, sondern sich auch darauf berufen, daß sie im Hinblick auf ihr jahrzehntelanges Wohnrecht ein gravierendes schutzwürdiges Interesse am Weiterverbleib in der Wohnung habe. Die belangte Behörde hat sich mit diesem Berufungsvorbringen nicht auseinandergesetzt

Der Beschwerdeführerin ist zuzustimmen, daß aus dem vereinbarten Kündigungsverzicht ein schutzwürdiges Interesse der Beschwerdeführerin am Verbleib in der Wohnung im Sinne des § 30 Abs. 2 Z. 15 leg. cit. abzuleiten ist. Auch aus dem Umstand, daß die 1913 geborene Beschwerdeführerin seit 1949 in der in Frage stehenden Wohnung wohnt, ergibt sich ein schutzwürdiges Interesse der Beschwerdeführerin am Verbleib in ihrer Wohnung. Es stellt sich nun als sekundärer Verfahrensmangel dar, wenn sich die belangte Behörde - wie die Behörde erster Instanz - ausgehend von einer unrichtigen Rechtsauffassung mit den schutzwürdigen Interessen der Beschwerdeführerin im Verfahren nicht auseinandergesetzt hat. Es wird daher im fortgesetzten Verfahren abzwägen sein, ob die in Frage stehende Vermehrung von Wohnungen - deren Eignung zur Deckung eines allfälligen quantitativen Wohnungsbedarfes bzw. qualitativen Wohnungsfehlbestandes auch noch zu klären ist, wie im folgenden noch dargelegt wird - im Lichte der schutzwürdigen Interessen der Beschwerdeführerin ausreichend ist, daß das öffentliche Interesse an diesen zusätzlichen Wohnungen die schutzwürdigen Interessen der Beschwerdeführerin überwiegt.

Die Beschwerdeführerin macht weiters geltend, daß zur Frage des Vorliegens eines Wohnungsbedarfes keine Ermittlungen stattgefunden hätten. Im erstinstanzlichen Bescheid werde davon ausgegangen (Seite 5), daß in Linz "zweifelsfrei" ein Wohnungsbedarf gegeben sei. Im angefochtenen Bescheid werde auf eine Unterlage der Abteilung Statistischer Dienst verwiesen, nach der die Zahl der Wohnungswerber im Jahr 1997 bei 16.692 gelegen sei, wobei 8.799 Wohnungsbewerber einen Primärbedarf angegeben hätten, wobei als Wunschwohngemeinde 72,1 % angegeben hätten, daß sie eine Wohnung in Linz wünschten. Zu den Angaben des Statistischen Dienstes sei der Beschwerdeführerin kein Parteiengehör eingeräumt worden. Wäre ihr diese vorgehalten worden, hätte sie darauf verwiesen, daß in jenem Ortsgebiet, in dem sich das vorliegende Haus befinde, nämlich im sogenannten Neustadtviertel in Linz und im inneren Stadtbereich von Linz ein Wohnungsbedarf und ein qualitativer Wohnungsfehlbestand nicht vorliege. Es stünden dort Wohnungen und Wohnräume leer. In den genannten Vierteln liege kein quantitativer Wohnungsbedarf und qualitativer Wohnungsfehlbestand vor und es sei auch in Linz ein Wohnungsbedarf und ein qualitativer Wohnungsfehlbestand nicht mehr gegeben.

Auch mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Recht. Bei der Klärung der Frage, ob ein quantitativer Wohnungsbedarf oder ein qualitativer Wohnfehlbestand im Ortsgebiet vorliegt, sind entsprechende Ermittlungen darüber anzustellen. Sofern in einem Ortsgebiet leerstehende Wohnungen bestehen, müßte sich die Behörde ebenfalls mit diesem Umstand auseinandersetzen. Im Lichte des § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG müßte auch geklärt werden, ob die neu zu schaffenden Wohnungen überhaupt solche sind, daß sie zur Deckung des allenfalls im Ortsgebiet festgestellten quantitativen Wohnungsbedarfes oder qualitativen Wohnfehlbestandes geeignet sind. Es wird insbesondere auch zu berücksichtigen sein, ob die zu schaffenden Wohnungen für die Wohnungssuchenden (vgl. das hg. Erkenntnis Slg. Nr. 12.080/A) zu erschwinglichen Preisen erworben werden können. Es stellt sich somit als wesentlicher Verfahrensfehler dar, daß die belangte Behörde der Beschwerdeführerin - wie von ihr gerügt - zu der Unterlage des Statistischen Dienstes kein Parteiengehör eingeräumt hat. Darüberhinaus sind die vorgenommenen Ermittlungen und Feststellungen der belangten Behörde zum quantitativen Wohnungsbedarf bzw. qualitativen Wohnfehlbestand nicht als ausreichend anzusehen, um das Vorliegen dieser Kriterien beantworten zu können.

Die Frage, ob der Eigentümer des in Frage stehenden Hauses tatsächlich vor hat, den bewilligten Neubau aufzuführen, ist - wie dies der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 8. Juni 1973, Slg. Nr. 8427/A - ausgesprochen hat, nicht Gegenstand des Verfahrens gemäß § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG. Diese Frage ist Gegenstand des in die Kompetenz der Gerichte fallenden Kündigungsverfahrens.

Da die Rechtswidrigkeit des Inhaltes eines Bescheides einer allfälligen weiteren Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Es erübrigt sich daher eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 19. November 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998060131.X00

Im RIS seit

18.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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