Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Salzburg zu FN ***** eingetragenen E***** GmbH mit dem Sitz in S***** über den Revisionsrekurs der Gesellschaft, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 19. November 2018, GZ 6 R 146/18k-14, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 12. September 2018, GZ 24 Fr 3497/18b-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Gesellschaft, vertreten durch V*****, wird aufgetragen, binnen 14 Tagen eine Erklärung dahin abzugeben, ob der am 7. 12. 2018 eingebrachte (ordentliche) Revisionsrekurs genehmigt wird, bejahendenfalls ob auch die im Verfahren erster Instanz gestellten Eintragungsbegehren vom 30. 7. (Hauptbegehren) und/oder vom 6. 9. (Eventualbegehren) 2018 aufrecht erhalten werden.
Text
Begründung:
Die E***** GmbH mit Sitz in S***** ist im Firmenbuch zu FN ***** eingetragen. Gesellschafter sind je zur Hälfte Dipl.-Ing. W***** und V*****.
Am 20. 7. 2018 beschloss Dipl.-Ing. W***** in einer außerordentlichen Generalversammlung die Auflösung und Liquidation der Gesellschaft und die Bestellung von DDr. J***** zum Liquidator. V***** war zu dieser Generalversammlung nicht erschienen.
Am 30. 7. 2018 beantragte die Gesellschaft, vertreten durch den Liquidator, dieser vertreten durch einen öffentlichen Notar die Eintragung der Auflösung der Gesellschaft durch Generalversammlungsbeschluss vom 20. 7. 2018, die Löschung des Geschäftsführers V***** und die Eintragung des Liquidators sowie des Beisatzes „in Liqu.“.
Am 6. 9. 2018 beantragte die Gesellschaft „eventualiter“ die Eintragung der Auflösung der Gesellschaft durch Kündigung gemäß Punkt 4 des Gesellschaftsvertrags vom 30. 7. 2018. Nach dieser Bestimmung bedürfe eine wirksame Kündigungserklärung der Übermittlung eines eingeschriebenen Briefs, tatsächlich sei V***** das Kündigungsschreiben am 9. 1. 2017 persönlich übergeben worden. Im Übrigen könne eine wirksame Kündigungserklärung nur dann zur Auflösung der Gesellschaft führen, wenn der Geschäftsanteil des aufkündigenden Gesellschafters nicht vom anderen Gesellschafter aufgegriffen wird; dieses Aufgriffsrecht sei zeitlich nicht befristet. V***** habe zwar die Aufkündigung bestätigt, knüpfe den Aufgriff aber an sachfremde Bedingungen. Da „der Nachweis der Nichtausübung nicht erbringbar“ sei, sei in der außerordentlichen Generalversammlung die Auflösung der Gesellschaft mit sofortiger Wirkung beschlossen worden.
Das Erstgericht bewilligte die Eintragung der Auflösung der Gesellschaft aufgrund der Kündigung gemäß Punkt 4 des Gesellschaftsvertrags, des Firmenzusatzes „in Liqu.“, die Löschung des Geschäftsführers V***** und die Eintragung des Liquidators.
Über Rekurs von V***** wies das Rekursgericht den Eventualantrag der Gesellschaft zurück und hob alle mit dem angefochtenen Beschluss bewilligten Firmenbucheintragungen auf. Darüber hinaus sprach das Rekursgericht aus, dass die Entscheidung über das Eintragungsbegehren vom 30. 7. 2018 dem Erstgericht obliegt und dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Bedingungsfeindlichkeit von Firmenbuchanmeldungen gemäß § 16 Abs 1 FBG.
In der Sache selbst vertrat das Rekursgericht die Auffassung, Firmenbuchanträge seien grundsätzlich bedingungsfeindlich. Die Gesellschaft habe ihr Eventualbegehren deshalb unzulässigerweise unter die Bedingung gestellt, „sollte das Firmenbuchgericht dennoch von einer wirksamen Kündigung ausgehen […]“. Im Übrigen könne über ein Eventualbegehren erst entschieden werden, wenn das Hauptbegehren abgewiesen wurde; hievon könne hier jedoch nicht ausgegangen werden. Und schließlich stünde der vom Erstgericht vorgenommenen Eintragung das Vorbringen der Gesellschaft entgegen, wonach ein schriftlicher Nachweis der Entgegennahme des Kündigungsschreibens nicht existiere; die Vorlage des Kündigungsschreibens samt Postaufgabescheins durch die Gesellschaft in ihrer Rekursbeantwortung verstoße gegen § 49 Abs 2 AußStrG.
Am 7. 12. 2018 erhob die Gesellschaft einen Revisionsrekurs und beantragte die Abweisung des Rekurses des V***** gegen den Beschluss des Erstgerichts.
Am 13. 12. 2018 erließ das Landesgericht Salzburg zu AZ 4 Cg 76/18t ein (rechtskräftiges) Versäumungsurteil gegen die Gesellschaft, wonach die in der außerordentlichen Generalversammlung vom 20. 7. 2018 gefällten Beschlüsse (Auflösung der Gesellschaft mit sofortiger Wirkung, Abberufung des Klägers V***** mit sofortiger Wirkung, Bestellung des Liquidators) unwirksam und sämtliche „Bezug habenden Einträge“ zu löschen sowie der zuvor bestehende Firmenbuchstand wiederherzustellen sind. Über Antrag des V***** nahm daraufhin das Erstgericht am 15. 4. 2019 unter Bezugnahme auf dieses Versäumungsurteil die angeordneten Löschungen vor; im Firmenbuch scheint nunmehr (wieder) die Gesellschaft ohne Zusatz „in Liqu.“ auf, als Geschäftsführer ist V***** eingetragen.
Rechtliche Beurteilung
1. Es entspricht herrschender Auffassung, dass die Unwirksamerklärung eines angefochtenen Generalversammlungsbeschlusses mit Rechtskraft des klagsstattgebenden Urteils eintritt und ex tunc gilt (RS0060077; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ [2007] § 42 Rz 13); die Wirkung des Urteils erstreckt sich nicht nur auf die Gesellschafter, sondern auch auf die Geschäftsführer (Koppensteiner/Rüffler aaO; Linder in FAH [2017] § 42 GmbHG Rz 43 mwN in FN 105; Harrer in Gruber/Harrer, GmbHG² [2018] §§ 41, 42 Rz 68). Damit steht aber im vorliegenden Verfahren fest, dass die Gesellschaft nicht aufgrund eines Beschlusses in der Generalversammlung vom 20. 7. 2018 aufgelöst und DDr. J***** nicht zum Liquidator bestellt wurde.
2. Der Liquidator hat nicht nur den verfahrenseinleitenden Antrag vom 30. 7. 2018 unterfertigt, sondern in Vertretung der Gesellschaft sowohl dem öffentlichen Notar im Verfahren erster Instanz als auch der im Rechtsmittelverfahren (Rekursbeantwortung, Revisionsrekurs) einschreitenden rechtsfreundlichen Vertretung der Gesellschaft Vollmacht erteilt. Aufgrund der Rückwirkung des Versäumungsurteils sind diese Vertretungshandlungen (nunmehr) als unwirksam anzusehen.
Ein Fall des Vertrauensschutzes eines Dritten, der im Vertrauen auf den Firmenbuchstand mit der Gesellschaft in Liquidation kontrahiert hat, liegt hier nicht vor.
3. Nach § 5 Abs 1 AußStrG ist der Mangel der gesetzlichen Vertretung einer Partei in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen; zur Beseitigung eines derartigen Mangels hat das Gericht das Erforderliche anzuordnen. Nach ständiger Rechtsprechung hat in einem solchen Fall das Rechtsmittelgericht die nach seiner Meinung unterlassenen Verfügungen gemäß § 5 Abs 1 AußStrG selbst zu treffen und kann dabei auch im Verfahren außer Streitsachen angemessene Fristen setzen, auch wenn § 5 Abs 1 AußStrG im Gegensatz zu § 6 Abs 2 ZPO solches nicht ausdrücklich vorsieht (RS0125145). Es hat die Einbeziehung des gesetzlichen Vertreters zu veranlassen und ihm die Möglichkeit einer Genehmigung bisher unwirksamer Verfahrenshandlungen der vom Vertretungsmangel betroffenen Partei zu eröffnen (RS0118612).
Textnummer
E125915European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00012.19M.0627.000Im RIS seit
01.09.2019Zuletzt aktualisiert am
21.02.2020