TE OGH 2019/7/5 4Ob115/19v

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Veröffentlicht am 05.07.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache der M***** H*****, geboren am *****, wegen Anordnung eines Genehmigungsvorbehalts, über den Revisionsrekurs des Erwachsenenvertreters Dr. Christoph Arbeithuber, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 2. April 2019, GZ 15 R 120/19a-295, mit dem der Rekurs des Erwachsenenvertreters gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Traun vom 11. Februar 2019, GZ 27 P 423/05t-288, zurückgewiesen und im Übrigen diese Entscheidung bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit Beschluss des Erstgerichts vom 28. Oktober 2008 wurde der bis zu diesem Zeitpunkt eingeschränkte Wirkungsbereich des Sachwalters der Betroffenen dahin erweitert, dass der Sachwalter alle Angelegenheiten zu besorgen hat.

Mit Note vom 3. Dezember 2018 teilte das Erstgericht dem nunmehrigen gerichtlichen Erwachsenenvertreter mit, dass es zu überprüfen habe, ob aufgrund der übergeleiteten Sachwalterschaft in eine gerichtliche Erwachsenenvertretung nach dem Zweiten Erwachsenenschutzgesetz auch für die Zeit nach dem 30. Juni 2019 ein Genehmigungsvorbehalt gemäß § 242 Abs 2 ABGB anzuordnen sei. Daraufhin teilte der gerichtliche Erwachsenenvertreter mit, dass in der vorliegenden Erwachsenenschutzsache nicht ohne Genehmigungsvorbehalt vorgegangen werden könne.

Das Erstgericht sprach – nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung – aus, dass von der Anordnung eines Genehmigungsvorbehalts für die Zeit nach dem 30. Juni 2019 bis auf weiteres abgesehen werde. Nach dem Akteninhalt und den Ergebnissen der Anhörung der Betroffenen sei derzeit nicht davon auszugehen, dass sie ohne Anordnung eines Genehmigungsvorbehalts einer ernstlichen und erheblichen Gefahr ausgesetzt sei. Die Betroffene habe überzeugend dargelegt, dass sie mit den ihr zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln sparsam umgehen könne.

Das Rekursgericht wies den vom Erwachsenenvertreter im eigenen Namen erhobenen Rekurs zurück und gab dem Rekurs (im Namen) der Betroffenen nicht statt. Eine eigene Rechtsmittellegitimation des Erwachsenenvertreters bestehe nicht, weil in dessen Rechtsposition nicht eingegriffen und sein Aufgabenbereich von der Nichtanordnung eines Genehmigungsvorbehalts nicht berührt werde. Im Hinblick auf den im Namen der Betroffenen erhobenen Rekurs sei die angefochtene Entscheidung zu bestätigen, weil eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Betroffene derzeit nicht vorliege. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil insbesondere zur Frage, ob der gerichtliche Erwachsenenvertreter ein Rechtsmittel gegen einen Beschluss, mit dem von der Anordnung eines Genehmigungsvorbehalts abgesehen werde, im eigenen Namen einlegen könne, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der vom gerichtlichen Erwachsenenvertreter im eigenen Namen erhobene Revisionsrekurs, der auf eine Bejahung der Rechtsmittellegitimation und auf die Anordnung eines Genehmigungsvorbehalts auch für die Zeit nach dem 30. Juni 2019 abzielt.

Rechtliche Beurteilung

Im Anlassfall ist die Frage zu klären, ob dem gerichtlichen Erwachsenenvertreter gegen den zugrunde liegenden Beschluss des Erstgerichts ein eigenes Rechtsmittel (im eigenen Namen) zusteht. Nach der Rechtsprechung ist derjenige, dem im Verfahren die Parteistellung oder die Rechtsmittellegitimation abgesprochen wird und dessen Rechtsmittel dementsprechend zurückgewiesen wurde, grundsätzlich legitimiert, die Überprüfung dieser Rechtsansicht im Rechtsmittelweg zu verlangen (vgl RIS-Justiz RS0006793; 1 Ob 72/15t; vgl auch 7 Ob 149/15k; 6 Ob 13/18g). Der Revisionsrekurs kann daher nicht etwa schon mangels Rechtsmittellegitimation des gerichtlichen Erwachsenenvertreters zurückgewiesen werden.

Inhaltlich hat das Erstgericht nach § 242 Abs 2 ABGB in Verbindung mit dem Übergangsrecht nach § 1503 Abs 9 Z 12 ABGB zutreffend geprüft, ob der (im Fall einer Sachwalterbestellung vor dem 1. Juli 2018) bis einschließlich 30. Juni 2019 zu unterstellende Genehmigungsvorbehalt über diesen Zeitpunkt durch gerichtliche Anordnung „zu erstrecken“ ist und dazu ausgesprochen, dass von der Anordnung eines Genehmigungsvorbehalts für die Zeit nach dem 30. Juni 2019 (bis auf weiteres) abgesehen wird. Da ein erfolgreiches Rechtsmittel theoretisch zur gerichtlichen Anordnung eines Genehmigungsvorbehalts für die Zeit nach dem 30. Juni 2019 führen könnte und es dementsprechend nicht etwa um die Aufhebung eines bis 30. Juni 2019 zu unterstellenden Genehmigungsvorbehalts geht, ist der Revisionsrekurs zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Zur Rechtsmittellegitimation des gerichtlichen Erwachsenenvertreters im eigenen Namen wird im Revisionsrekurs ausgeführt, dies ergebe sich schon daraus, dass durch das Absehen vom Genehmigungsvorbehalt auch der Wirkungskreis des Erwachsenenvertreters und damit der Umfang der ihn treffenden Rechte und Pflichten normativ bestimmt werde. Ohne Genehmigungsvorbehalt bestehe die Aufgabe des Erwachsenenvertreters vor allem darin, die sich daraus ergebenden nachteiligen (finanziellen) Folgen für den Betroffenen aufzuarbeiten.

Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

1. Nach den Grundwertungen des Außerstreitgesetzes steht ein Rechtsmittel – abgesehen von einer gesetzlichen Sonderregelung – nur demjenigen zu, der durch die Entscheidung in seinem eigenen rechtlich geschützten Interesse beeinträchtigt ist (RS0006641). In Bezug auf den Beschluss auf Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters besteht eine gesetzliche Sonderregelung nach § 127 Abs 3 AußStrG für die Angehörigen der betroffenen Person. Ohne gesetzliche Sonderregelung werden im Erwachsenenschutzverfahren ausschließlich die Interessen der betroffenen Person selbst geschützt (vgl RS0123647).

2. Durch das Zweite Erwachsenenschutzgesetz, BGBl I 2017/59, wurde dieser Ansatz noch verstärkt. Das zentrale Anliegen des neuen Erwachsenenschutzrechts besteht darin, die Autonomie einer schutzberechtigten Person möglichst umfassend zu wahren und dementsprechend die Selbstbestimmung im größtmöglichen Umfang so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Dementsprechend statuiert § 242 Abs 1 ABGB den Grundsatz, dass die Bestellung eines Erwachsenenvertreters nicht automatisch (konstitutiv) mit dem Verlust der Handlungsfähigkeit verbunden ist. Für die Rechtswirksamkeit einer konkreten Rechtshandlung ist daher maßgebend, ob die betroffene Person im jeweiligen Einzelfall die erforderliche Handlungsfähigkeit aufweist (Zierl/Schweighofer/Wimberger, Erwachsenenschutzrecht Rz 149 ff).

Zur Einschränkung der Handlungsfähigkeit der betroffenen Person bedarf es (im Wirkungsbereich des gerichtlichen Erwachsenenvertreters) eines vom Gericht angeordneten Genehmigungsvorbehalts, der sich auf konkrete rechtsgeschäftliche Handlungen oder konkrete Verfahrenshandlungen bei Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten beziehen kann (siehe zudem § 258 Abs 4 ABGB und § 1 Abs 2 ZPO) und für den strenge materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Vorgaben (§ 242 Abs 2 ABGB und § 129 AußStrG) bestehen. Der Genehmigungsvorbehalt darf nur in Ausnahmefällen angeordnet werden und setzt eindeutige Anhaltspunkte für eine ernstliche und erhebliche Gefährdung für die betroffene Person voraus (Zierl/Schweighofer/Wimberger, Erwachsenenschutzrecht Rz 151 f, 159 ff und 579 ff; Deixler-Hübner in Deixler-Hübner/Schauer, Erwachsenenschutzrecht Rz 5.124; Schauer, Die vier Säulen des Erwachsenenschutzrechts, iFamZ 2017, 148 [156]).

3. Wie bereits ausgeführt, besteht der Zweck eines Erwachsenenschutzverfahrens ausschließlich im Schutz der Interessen der betroffenen Person. Dies gilt insbesondere auch für die Anordnung oder Aufhebung eines Genehmigungsvorbehalts. Der Genehmigungsvorbehalt soll ausschließlich die vertretene Person selbst schützen (Zierl/Schweighofer/Wimberger, Erwachsenenschutzrecht Rz 152 und 583a).

Bei der Beurteilung, ob ein Genehmigungsvorbehalt angeordnet werden muss oder nicht, ist daher ausschließlich auf die Interessen der betroffenen Person Rücksicht zu nehmen, wobei die vom Gesetz ausdrücklich vorgegebene Zielrichtung in der größtmöglichen Wahrung der Autonomie und der Selbstbestimmung der betroffenen Person besteht. Ebenso wenig wie ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter aus seiner Bestellung eigene (subjektive) Rechte erwirbt, in die eingegriffen werden könnte (vgl RS0007280; RS0006229 [T10 und T25]; 4 Ob 67/13a; 3 Ob 195/13t), wird auch durch die Anordnung oder Aufhebung eines Genehmigungsvorbehalts nicht in dessen eigene Rechtssphäre eingegriffen.

4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass dem gerichtlichen Erwachsenenvertreter gegen den vorliegenden Beschluss des Erstgerichts, mit dem von der Anordnung eines Genehmigungsvorbehalts auch für die Zeit nach dem 30. Juni 2019 abgesehen wird, keine Rechtsmittellegitimation zukommt. Der vom gerichtlichen Erwachsenenvertreter im eigenen Namen eingebrachte Rekurs wurde vom Rekursgericht zutreffend zurückgewiesen. Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

Textnummer

E125914

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00115.19V.0705.000

Im RIS seit

01.09.2019

Zuletzt aktualisiert am

09.08.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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