TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/5 W161 2172839-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.06.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

05.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W161 2172839-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.09.2017, Zl. 151044068-1081702500, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.04.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger von Afghanistan und stellte am 09.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei seiner Erstbefragung am 09.08.2015 gab der BF an, er sei am

XXXX in XXXX , XXXX , Iran, geboren und ledig. Seine Muttersprache sei Dari. Er habe noch seine Eltern, 2 Brüder, 2 Schwestern und 3 Nichten. Er habe mit seiner Familie Afghanistan verlassen, weil sich in seinem Heimatort Kunduz die Sicherheitslage weiter verschlechtert habe und sein Bruder vor sechs Monaten bei einem Selbstmordanschlag verletzt worden wäre, bei dem sieben Personen ums Leben gekommen wären. Dessen rechte Hand habe jetzt eine Behinderung. Aus diesem Grund habe er nicht dortbleiben können. Es gäbe keine Arbeit und sein Leben sei in Gefahr. Er sei schiitischer Moslem und in seiner Heimatregion seien die sunnitischen Extremisten gegen Schiiten. Darum sei sein Leben in Gefahr.

3. Aus dem eingeholten Sachverständigengutachten zur Volljährigkeitsbeurteilung von Dr. E. XXXX geht hervor, dass der BF zum Asylangtragsdatum ein wahrscheinliches Alter von 22,73 Jahren hatte. Es sei von einem spätest möglichen "fiktiven" Geburtsdatum am

XXXX auszugehen. Das vom Antragsteller behauptete Lebensalter sei mit der erhobenen Befundlage nicht vereinbar. Dem Gutachten wurden eine Anamnese und körperliche Untersuchung, eine Orthopantomogramm, ein Panorama-Röntgen, ein Dünnschicht-CT der Sternoclavikulargelenksregion beidseitig, sowie ein Handröntgen-Befund linksseitig, zu Grunde gelegt.

4.1. Am 29.10.2015 erfolgte eine Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), die sich im Wesentlichen auf das eventuelle Vorliegen eines Dublin-Sachverhaltes und eine mögliche Zuständigkeit Ungarns zur Führung des Asylverfahrens bezog. Der BF gab bei dieser Einvernahme an, er habe eine ausführliche Rechtsberatung in Anspruch genommen, bisher im Verfahren der Wahrheit entsprechende Angaben getätigt, seine Tazkira habe bereits sein Bruder vorgelegt. In Österreich würden seine Eltern, sein Bruder und dessen Familie leben. Sie hätten alle gemeinsam Afghanistan verlassen, er habe aber an der türkisch-iranischen Grenze seine Eltern und 3 Nichten verloren. Sie hätten sich nach ca. 1 Monat in Österreich wiedergefunden und lebten hier jetzt alle zusammen. Er habe eine sehr gute Beziehung zu seinen Eltern und zu seinem Bruder. Er habe in Ungarn keinen Asylantrag gestellt. Er möchte mit seinen Eltern, seinem Bruder und dessen Familie hier in Österreich zusammenbleiben.

4.2. Am 28.04.2018 wurde der BF beim BFA niederschriftlich zu seinen Fluchtgründen einvernommen. Er gab an, dass er sich gesundheitlich gut fühle und psychisch und physisch dazu in der Lage sei, die Befragung durchzuführen. Seine bisherigen Aussagen würden der Wahrheit entsprechen. Es seien ihm nicht so viele Fragen gestellt worden, im Großen und Ganzen wären die Antworten seines Bruders übernommen worden. Seine Muttersprache sei Dari. Außerdem spreche er ein bisschen Englisch und ein wenig Deutsch. Er gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an. Befragt nach seiner Religion gab er an, er habe keine Religion, er sei Atheist. Über Vorhalt seiner Angabe er sei Moslem mit schiitischem Glauben bei der Erstbefragung, gab der BF an, bei der Erstbefragung seien lediglich die Angaben seines Bruders übernommen worden. Man habe ihn nicht nach seiner Religion gefragt, sondern nur nach seinem Namen und ob die Angaben seines Bruders stimmen würden. Er sei im Iran geboren und hätte dort bis zum Jahr 2004 gelebt. Auf Grund der fehlenden Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung sei seine Familie gezwungen gewesen, wieder nach Afghanistan, Kunduz, zu gehen. Sie hätten sich in Kunduz ungefähr ein Monat aufgehalten. Wegen der schwierigen Situation dort seien sie wieder in den Iran gegangen und hätten dort bis zum Jahr 2015 gelebt, bis iranische Polizisten sie wieder zurück nach Afghanistan abgeschoben hätten. Sie hätten dann wieder an derselben Adresse in Afghanistan wie damals gelebt. Im Jahr 2015 sei er dann aus Afghanistan Richtung Europa ausgereist. Sie hätten sich zuvor ca. vier Monate in Afghanistan aufgehalten. In Österreich befänden sich aktuell seine Eltern, zwei Brüder und eine Schwester. Ein weiterer Bruder und eine weitere Schwester würden sich im Iran aufhalten. Seine Familie lebe derzeit von der Grundversorgung in Österreich. Im Iran sei sein Vater als Verkäufer tätig gewesen, sein Bruder als Hilfsarbeiter, er selbst habe als Bauarbeiter gearbeitet und zwar für einen Zeitraum von ca. acht Jahren. Von seiner Familie sei niemand mehr in Afghanistan aufhältig. Sie hätten in Kunduz ein Grundstück. Er sei nicht verheiratet und habe keine Kinder. Er sei im Iran sieben Jahre lang in eine afghanische Schule gegangen.

Zu seinen Fluchtgründen gab der BF an, nachdem sie sich für 20 Tage in Afghanistan aufgehalten hätten, sei es zu einer Bombenexplosion gekommen, bei welcher sein Bruder sich an der Hand verletzt und auch zwei Zähne verloren hätte. Nach diesem Erlebnis hätten sie Ängste gehabt und sich entschieden, Kunduz zu verlassen. Die Sicherheit dort sei immer geringer geworden und hätten die Frauen ohne Kopftuch nicht mehr herumgehen dürfen. Auf Grund der Tatsache, dass seine Familie dem schiitischen Glauben angehört hätte, hätten sie Angst gehabt, nicht zu überleben, sobald die Taliban in Kunduz einmarschieren. Wegen dieser unsicheren Situation in Kunduz hätten sie entschieden, ihre Heimat Afghanistan zu verlassen.

Befragt nach weiteren Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, er erzähle nun einen Vorfall, den er noch nie jemanden erzählt habe. Er habe in Kunduz auch als Hilfsarbeiter gearbeitet. Bei einer Arbeit, bei welcher drei Hilfsarbeiter benötigt worden wären, sei es am zweiten Tag zu einem Vorfall gekommen. Während die beiden anderen ihr Mittagsgebet verrichtet hätten, habe er gesagt, er könne nicht mit ihnen beten, da seine Kleidung zu schmutzig dafür sei. Nach Beendigung der Arbeit hätten sie ihre Telefonnummern ausgetauscht. Am nächsten Tag hätten ihn die beiden Mitarbeiter gefragt, woher er komme und sich gewundert, warum er abermals nicht mit ihnen gebetet habe. Er hätte ihnen geantwortet, sie sollten ihn in Ruhe lassen, es gehe sie nichts an, ob er Moslem sei oder nicht. Dann hätten sie behauptet, dass er Schiite sei, obwohl er keiner sei und hätten ihn geschimpft, weil er aus dem Iran komme. Im Zuge der Diskussion hätte er gesagt, er möge keine Gläubigen und der Großteil der Probleme, die es in Afghanistan gäbe, sei wegen der Gläubigen entstanden. Nach dieser Aussage hätten die beiden Mitarbeiter gemeint, dass sie ihn jetzt umbringen werden. Dann hätten die beiden ihn geschlagen und gesagt, dass sie ihn jetzt vergewaltigen würden. Dann habe ihn einer der beiden mit dem Namen XXXX vergewaltigt. In diesem Moment hätte der andere sein Handy holen wollen, um es aufzunehmen. Währenddessen habe der BF es jedoch geschafft, sich von XXXX zu befreien und wegzulaufen. Bevor er weggelaufen sei, habe er ein Holzstück genommen und den anderen damit verletzt. XXXX hätte ihn auch schlagen wollen, es jedoch nicht mehr geschafft, weil er weggelaufen wäre und dieser ihn nicht mehr eingeholt hätte. Er sei danach nach Hause gelaufen. Am Abend habe er von den beiden noch einige Nachrichten auf sein Handy bekommen, wonach sie ihn, sofern sie ihn fänden, umbringen würden. Die beiden hätten ihm dann noch öfters Drohnachrichten gesendet. Dann habe er seine SIM-Karte weggeschmissen und sich zwei Wochen zu Hause versteckt. Er hätte es niemanden erzählen können, weil er sich dafür geschämt habe. Das wäre ein weiterer Fluchtgrund gewesen.

Er habe vor ungefähr drei Jahren seinen Glauben aufgegeben und bezeichne sich als Atheist. Er habe sich oft gefragt, wieso es in so gut wie allen islamischen Ländern Krieg gäbe. Auf Grund dieser Tatsache habe er sich dazu entschlossen, nicht mehr an den Islam zu glauben. Auf Grund dieser Religion werde vieles schlimmer, beispielsweise gäbe es dadurch die ISIS und die Taliban.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 08.09.2017 wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde der Antrag des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde dem BF unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). In Spruchpunkt VI. wurde festgehalten, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Der Bescheid stellt fest, die Identität des Antragstellers stehe nicht fest. Dieser habe keine Kinder bzw. keine Sorgepflichten und sei weder verheiratet, noch lebe er in einer Lebensgemeinschaft. Er sei gesund und nehme keine Medikamente. Er habe sieben Jahre lang eine afghanische Schule besucht und sei für acht Jahre lang als Bauarbeiter beschäftigt gewesen. Er sei spätestens am 09.08.2015 illegal unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet eingereist, strafrechtlich unbescholten und lägen keine Asylausschlussgründe gegen ihn vor. Es könne nicht festgestellt werden, dass er Atheist sei bzw. keinem Glauben mehr angehöre.

Beweiswürdigend wird ausgeführt, der Antragsteller habe als Hauptgrund für seine Ausreise die allgemein schlechte Lage seiner Heimatregion Kunduz angeführt. Da dieses Fluchtvorbringen jedoch keine individuell, speziell gegen ihn gerichtete Bedrohung vorweise, sondern die gesamte Bevölkerung seiner Heimatprovinz von dieser Situation betroffen sei, entfalte dieses keine Asylrelevanz.

Des Weiteren habe er behauptet, auf Grund seines angeblichen Abkommens vom Islam von zwei Arbeitskollegen bedroht und misshandelt worden zu sein, was von der Behörde allerdings als völlig unglaubwürdig betrachtet werde. Zusammenfassend habe nicht festgestellt werden können, dass der Antragsteller in Afghanistan asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre bzw. eine solche Verfolgung zukünftig zu befürchten hätte. Er sei ein Mann arbeitsfähigen Alters, der sieben Jahre lang in eine afghanische Schule gegangen sei und acht Jahre lang als Bauarbeiter beschäftigt gewesen wäre. Er habe die afghanische Landessprache Dari als seine Muttersprache definiert und zusätzlich verfüge er über Englischkenntnisse und bereits wenige Deutschkenntnisse. Außerdem stehe fest, dass er in Afghanistan weiterhin über Familienangehörige in Gestalt seiner Großmutter, seiner Tante und zwei Cousins verfüge und sei seine Familie außerdem im Besitz eines Grundstücks.

5. Gegen den Bescheid des BFA richtet sich die vollumfängliche Beschwerde.

Darin wird insbesondere ausgeführt, der BF habe in seiner Einvernahme vorgebracht, Atheist zu sein und lege dazu nunmehr eine Bestätigung der XXXX vom 27.09.2017 vor. Wäre er in seiner Einvernahme dazu näher befragt worden, hätte er angeben können, dass weder sein Bruder XXXX , noch seine restliche Familie darüber Bescheid wissen. Deshalb habe sein Bruder in seinem Asylverfahren auch angegeben, der BF sei ebenfalls Schiit. Der BF gehe davon aus, von seiner Familie verstoßen zu werden, wenn sein Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft bekannt würde. Da er seine Familie nicht verlieren wolle, habe er sich deshalb dazu entschlossen, diese Entscheidung vor seinen Verwandten geheim zu halten. Zwar sei der Familie des BF bereits aufgefallen, dass dieser weder bete, noch faste, jedoch habe der BF dazu bisher ausweichende Antworten geben können. Zum vorgebrachten Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung werde betont, dass der BF diesen Vorfall vor seiner Einvernahme aus Schamgefühl bisher niemandem anvertraut habe. Hätte die belangte Behörde das Vorbringen des BF unter Berücksichtigung der Länderberichte entsprechend gewürdigt, hätte sie zu der Feststellung kommen müssen, dass der BF auf Grund seines Abfalls vom islamischen Glaubens mit asylrelevanter Verfolgung bis hin zur Todesstrafe zu rechnen habe. Dem BF sei sowohl die Denk- als auch die Lebensweise in Afghanistan gänzlich fremd, weshalb er sich nicht vorstellen könne, sich jemals in die afghanische Gesellschaft einzufügen.

Zu Spruchpunkt II. wurde in der Beschwerde vorgebracht, im Fall des BF würden sich konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Hindernisses bei Rückverbringung nach Afghanistan ergeben. Die Sicherheits- und Versorgungslage in ganz Afghanistan sei prekär, weshalb eine existenzielle Bedrohung des BF und damit die reale Gefahr einer Verletzung seiner durch Artikel 2 und 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehe. Der BF sei im Iran geboren worden und habe insgesamt nur fünf Monate in seinem Heimatland verbracht. Während seines Aufenthaltes in Afghanistan sei es ihm nicht gelungen, eine Lebensgrundlage für sich aufzubauen und sei auf Grund der wirtschaftlichen Situation und des fehlenden sozialen Netzwerks auch nicht davon auszugehen, dass ihm dies bei einer erneuten Rückkehr in sein Heimatland gelingen würde.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 16.04.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der BF in Anwesenheit seiner Vertreterin und einer Vertreterin der belangten Behörde ausführlich zu seinen Fluchtgründen, zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie seiner Integration in Österreich befragt wurde.

Im Laufe des Verfahrens legte der BF folgende Unterlagen vor:

-

zwei Zertifikate über die Absolvierung eines Deutschkurses A1 im Zeitraum 13.01.2016 bis 30.03.2016, sowie 04.04.2016 bis 27.06.2016

-

Teilnahmebestätigung XXXX

-

Bestätigung über Besuch eines Gitarrenkurses bei Verein XXXX

-

Tazkira

-

Rechnung/Kurskarte VHS für den Kurs Basisbildung für Jugendliche und junge Erwachsene B1

-

Anmeldebestätigung VHS

-

Zertifikat über Deutschprüfung B1

-

Zertifikat über erfolgreichen Kursbesuch Deutschkurs A2

-

Zertifikat über erfolgreichen Kursbesuch Deutschkurs B1

-

Bestätigung der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich vom 27.09.2017, dass der BF kein Mitglied der Islamischen Glaubensgemeinschaft ist

-

Anmeldebestätigung VHS Pflichtschulabschluss-Kurs

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der bereits bei seiner Einreise nach Österreich volljährige BF ist ein Staatsangehöriger Afghanistans und gehört der Volksgruppe der Sadat an. Seine genaue Identität steht nicht fest. Seine Muttersprache ist Dari. Er spricht einwandfrei Dari ohne Einflüsse des Farsi aus dem Iran.

Der BF wurde im Iran geboren und lebte dort mit seinen Eltern und Geschwistern bis zum Jahr 2004. Im Jahr 2004 wurde die ganze Familie nach Afghanistan abgeschoben und lebte in der Folge für ein Monat in Afghanistan in der Stadt Kunduz. Die Familie kehrte in der Folge in den Iran zurück und hielt sich dann dort durchgehend bis zum Jahr 2015 auf. Nach einer neuerlichen Abschiebung nach Afghanistan lebte die Familie wieder in Kunduz und zwar für einen Zeitraum von fünfeinhalb bis sechs Monaten bis zur Flucht nach Europa. Der BF hat im Iran sieben Jahre lang die Schule besucht und sowohl im Iran, als auch in Afghanistan als Hilfsarbeiter auf einer Baustelle gearbeitet, dies für einen Zeitraum von etwa sieben bis acht Jahren.

Der BF ist gesund, anpassungsfähig, arbeits- und leistungsfähig, kinderlos und nicht verheiratet. Er kann bei einer Rückkehr Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen.

1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Der BF wuchs als schiitischer Moslem auf. Eine völlige Abkehr von seinem Glauben (Apostasie) kann nicht festgestellt werden. Der BF tritt auch nicht religionsfeindlich oder gar spezifisch gegen den Islam auf. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der BF Verwandten oder sonstigen Personen in Afghanistan mitgeteilt hat, dass er keinen religiösen Glauben mehr ausübt.

Selbst bei Wahrunterstellung, dass der BF kein Interesse mehr an einer Glaubensausübung hat, kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr nach Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.

Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret der BF als Angehöriger der Volksgruppe der Sadat in Afghanistan psychischer oder physischer Gewalt aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wäre bzw. eine solche im Falle seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten hätte.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in Afghanistan eine an seine Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seine politische Überzeugung anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität droht.

Der BF war in Afghanistan keiner Verfolgung bzw. Zwangsrekrutierung durch die Taliban ausgesetzt und ist im Falle der Rückkehr nach Afghanistan keiner konkreten gegen ihn gerichteten Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt.

Er wurde in seinem Herkunftsstaat niemals inhaftiert und hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder aufgrund seiner Rasse, Nationalität, seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwo Probleme. Er war nie politisch tätig und gehörte keiner politischen Partei an.

Dem BF droht individuell und konkret, im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan, weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die Taliban oder die afghanische Regierung.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:

Der Beschwerdeführer hätte im Rückkehrfall keine aktuelle gegen ihn gerichtete Verfolgung oder Bedrohung durch staatliche Organe oder durch Private, sei es vor dem Hintergrund seiner ethnischen Zugehörigkeit, seiner Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung (oder aus anderen Gründen) zu erwarten. Es besteht für ihn keine reale (über die bloße Möglichkeit hinausgehende) Gefahr einer Tötung (einschließlich der Verhängung und/oder Vollstreckung der Todesstrafe) durch den Staat oder tödlicher Übergriffe durch Dritte.

Eine mit der Rückkehr in den Herkunftsstaat verbundene reale (über die bloße Möglichkeit hinausgehende) Gefahr, der Folter ausgesetzt zu sein oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe unterworfen zu sein, besteht nicht, insbesondere nicht im Hinblick auf eine drohende Kettenabschiebung, im Hinblick auf eine drohende Todesstrafe, im Hinblick auf den Gesundheitszustand in Verbindung mit einer Unzulänglichkeit der medizinischen Bedingungen im Herkunftsstaat, im Hinblick auf die allgemeinen humanitären Bedingungen im Herkunftsstaat in Verbindung mit der persönlichen Lage des Beschwerdeführers (etwa im Sinne einer existenzgefährdenden Notlage oder des Entzugs der notdürftigsten Lebensgrundlage) oder im Hinblick auf psychische Faktoren, auf Haftbedingungen oder aus anderen Gründen.

Eine solche mit der Rückkehr in den Herkunftsstaat verbundene Gefahr besteht auch nicht im Hinblick auf eine etwaige ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit als Zivilperson im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

Weiters kann nicht festgestellt werden, dass der BF aufgrund seines Aufenthaltes in Österreich oder der Nichtpraktizierung des muslimischen Glaubens bei seiner Rückkehr einer Verfolgung ausgesetzt wäre.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif kann der BF grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befriedigen, ohne in eine auswegslose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall einer Rückkehr in die Städte Mazar-e Sharif oder Herat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde.

Es ist dem BF möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedelung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Im Falle der Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif läuft er nicht Gefahr, aufgrund seines Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten oder dass sich seine Gesundheit in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern würde. Es sind auch sonst keine Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstünden.

Er kann die Städte Herat und Mazar-e Sharif von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen.

Der BF kann bei einer Rückkehr Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen.

1.4. Zum (Privat) Leben des BF in Österreich:

Der unbescholtene BF hält sich seit etwa drei Jahren und 9 Monaten im Bundesgebiet auf. Er bezieht laufend Leistungen aus der Grundversorgung und - lebt gemeinsam mit seinen Eltern in einer Privatwohnung. Der BF hat in Österreich bereits Deutschkurse besucht und Deutschprüfungen (bis B2) absolviert. Der Beschwerdeführer machte in Österreich auch den Pflichtschulabschluss (bis 2018). Aktuell besucht er die erste Klasse eines Abendgymnasiums. Er arbeitet freiwillig in einem Verein und gibt dort Deutsch- und Gitarrenunterricht. In seiner Freizeit betreibt er Sport (Judo) und ist Mitglied einer Musikgruppe, bestehend aus Studenten und Flüchtlingen. Dort singt er und spielt Gitarre.

Der BF konnte mehrere Empfehlungsschreiben vorlegen und gab an, auch eine Freundin in Österreich zu haben. Ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis oder ein gemeinsamer Haushalt zu dieser besteht nicht. Eine nachhaltige Integration des BF im Sinne einer tiefgreifenden Verwurzelung im Bundesgebiet kann nicht erkannt werden. in Österreich leben noch die Eltern, zwei Brüder, sowie eine Schwester des Beschwerdeführers. Die Eltern, die Schwester und der ältere Bruder haben in Österreich Asyl erhalten, das Verfahren des anderen Bruders ist noch offen.

In Afghanistan leben nach den Angaben des Beschwerdeführers keine Verwandten, im Iran leben noch und ein Bruder und eine Schwester. Zu diesen Geschwistern im Iran hat der Beschwerdeführer regelmäßig Kontakt.

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Unter Bezugnahme auf das aktuellste Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Stand 08.01.2019), die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, die ACCORD-Anfrage vom 01.06.2017 sowie der Anfrage der Staatendokumentation vom 12.07.2017 werden folgende entscheidungsrelevante, die Person des BF individuell betreffende Feststellungen zu Lage in Afghanistan getroffen:

KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 21/Grundversorgung und Wirtschaft).

Anschläge in Kabul-Stadt

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).

Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und USVertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte USUnterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen USVertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen" welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

KI vom 1.3.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2018 (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436

sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).

Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).

Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).

KI vom 31.1.2019, Friedensgespräche zwischen den USA und den Taliban (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.1.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).

KI vom 22.1.2019, Anschlag auf Ausbildungszentrum des National Directorate of Security (NDS) in der Provinz Wardak und weitere (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.-amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Katar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).

Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).

Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).

KI vom 8.1.2019, Anschlag in Kabul und Verschiebung der Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul

Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der

Präsidentschaftswahl

Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.).

Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach der Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).

KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018).

Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018).

Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefängnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage und Abschnitt 2/Politische Lage)

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:

Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten