Entscheidungsdatum
05.07.2019Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
W 117 1426491-7/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Andreas Druckenthaner in der Beschwerdesache der XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit: Russische Föderation, über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, vom 02.07.2019, Zahl: 831758910 - 190565379, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG beschlossen:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 22 BFA-VG rechtmäßig.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Mit nach der Einvernahme am 02.07.2019 mündlich verkündetem Bescheid zur Zahl: 831759003 - 190565365 hob die Verwaltungsbehörde den faktischen Abschiebeschutz, den Asylantrag vom 04.06.2019 betreffend, gemäß § 12a Absatz 2 AsylG auf.
Begründend führte sie aus:
A) Verfahrensgang
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Sie sind gemeinsam mit Ihrem volljährigen Sohn XXXX und Ihrer
volljährigen Tochter XXXX unter Umgehung der Grenzkontrolle von
Russland nach Polen gereist und haben am 13.07.2011 einen Asylantrag in Polen
gestellt.
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Anschließend sind Sie mit Ihren volljährigen Kindern weiter nach Frankreich zu
einem dort aufhältigen Sohn gereist und haben am 14.10.2011 einen Asylantrag in
Frankreich gestellt.
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Mitte März 2012 sind Sie illegal über Italien nach Österreich eingereist und haben am
27.03.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz (Zl. 1471745) gestellt.
Im fachärztlichen Gutachten vom 13.04.12 wurden keine psychischen Probleme und Erkrankungen festgestellt. Sie haben eine Bestätigung über einen stationären Aufenthalt vom 12.05.12 - 19.05.12 im Kaiser-Franz-Josef Spital in Wien vorgelegt, wo Diabetes
Mellitus Typ II, Hypertonie und Vorhofflimmern diagnostiziert und Medikamente
verschrieben wurden.
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Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.04.2012 wurde Ihr Asylantrag vom
27.03.2012 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen, es wurde
festgestellt, dass für die Prüfung Ihres Antrages auf internationalen Schutz gemäß
Dublin-Verordnung Polen zuständig ist und wurden Sie gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 iVm §
10 Abs. 4 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen.
Die Zustellung erfolgte am 26.04.12. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid vom
02.05.12 wurde vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 29.05.2012 gemäß §§ 5,10
AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen und erwuchs am 30.05.2012 in 2.
Instanz in Rechtskraft.
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Bei Ihnen wurden im Jahr 2012 Bluthochdruck, Vorhofflimmern und eine
Zuckerkrankheit diagnostiziert. Aufgrund Ihrer gesundheitlicher Probleme und einer
indizierten Operation bei Ihrer Tochter konnte eine fristgemäße Überstellung der
Familie nach Polen nicht stattfinden.
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Sie haben am 25.10.2012 beim Bundesasylamt einen zweiten Antrag auf
internationalen Schutz (Zl. 2110745) eingebracht.
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Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.03.2013 wurde Ihr Antrag vom 25.10.12
mangels Glaubhaftigkeit abgewiesen, Ihnen gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status
des Asylberechtigten und gemäß § 8 AsylG Abs. 1 Z. 1 der Status des subsidiär
Schutzberechtigten in Bezug auf Ihren Herkunftsstaat Russland nicht zuerkannt und
Sie wurden gem. § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in
die Russische Föderation ausgewiesen. Dagegen brachten Sie am 08.04.2013
fristgerecht Beschwerde ein. Ihre Beschwerde wurde vom Asylgerichtshof mit
Erkenntnis vom 02.07.2013 in Anwendung des § 66 Abs. 4 AVG 1991, iVm
§ 61
AsylG 2005, § 3 Abs 1 und § 8 Abs 1 Z 1 sowie § 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 , als
unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis des Asylgerichtshofes erwuchs am
09.07.2013 in 2. Instanz in Rechtskraft.
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Am 23.07.2013 brachten Sie beim Bundesasylamt Innsbruck einen Antrag auf
Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG ein. Dieser wurde mit Beschluss
des BVwG vom 02.01.2015 und Rechtskraft in 2. Instanz vom 15.01.2015
abgewiesen.
In diesem Verfahren wurde im Auftrag des BVwG ein psychiatrisch-neurologische Gutachten am 20.06.2014 erstellt. Daraus geht zusammengefasst hevor, dass aus psychiatrischer Sicht eine Anpassungsstörung mit längerdauernder depressiver Reaktion (ICD-10: F43.21) vorliege. Hierbei handle es sich um einen Zustand von subjektiven Leiden und Beeinträchtigung der Befindlichkeit, vor allem durch die derzeitige Migrationssituation, Ungewissheit der weiteren Zukunft, Angst vor einer möglichen Rückkehrnotwendigkeit, sowie auch Belastung durch körperliche Erkrankungen bedingt sei.
Hinweise auf eine posttraumatische Belastungsstörung, wie in Vorbefunden als Verdachtsdiagnose angeführt, hätten sich zum Untersuchungszeitpunkt nicht gefunden. Zur Fragestellung der Folgen einer Abschiebung werde ausgeführt, dass eine solche entgegen den Wünschen und Zielen der Beschwerdeführerin stünde und eine weitere psychische Irritation in einem solchen Fall nicht auszuschließen sei, welche eventuell zu einer vorübergehenden Verschlechterung der Anpassungsstörung führen könnte. Jedoch sei keine psychische Krankheit in einem Ausmaß fassbar, welche die Reisefähigkeit beeinträchtigen oder die BF1 daran hindern würde, in der Russischen Föderation den Geschäften des täglichen Lebens nachzukommen. Auch hätten sich keine Hinweise auf eine eigen- oder fremdgefährdende Symptomatik gefunden. Aus psychiatrischer Sicht sei die Einvernahme- und Verhandlungsfähigkeit daher als gegeben zu erachten. Ferner sei auch keine psychische Erkrankung fassbar gewesen, welche die Geschäftsfähigkeit der BF1 zu beeinträchtigen geeignet sei.
Aus einem ebenfalls seitens des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen der Prüfung des Antrages auf Wiederaufnahme in Auftrag gegebenem fachärztlichen Gutachten vom 30.06.2014 ergibt sich zusammengefasst, dass die BF1 an einer diabetischen Stoffwechselerkrankung (Diabetes Mellitus Typ II), arteriellem Bluthochdruck, vergrößerter linker Herzkammer und Reizleitungsstörung (AV-Block I) aufgrund von Bluthochdruck, Gallensteinleiden (derzeit symptomlos) sowie altersgemäßen bis mäßiggradigen Degenerationserscheinungen des Achsenskeletts vor allem im Lendenbereich, leide. Aufgrund von in der Vergangenheit aufgetretenen fallweisen Perioden absoluter Arythmie des Herzschlages (paroxysmales Vorhofflimmern) werde zusätzlich zu blutdrucksenkenden, antidiabetischen, blutfettsenkenden Medikamenten auch ein Medikament zur Gerinnungsprophylaxe eingenommen, um die Bildung allfälliger thrombotischer Gerinnsel im Herzen zu unterbinden. Die Blutdruckmedikation erschöpfe sich derzeit in selbständig einzunehmender, oraler Medikation. Gleiches gelte für die aktuelle Stoffwechsellage von Blutzucker und Blutfetten - durch die derzeit verschriebene Medikation seien auch diesbezüglich keinerlei Probleme oder eine besondere Gesundheitsgefährdung zu befürchten. Im Falle einer Abschiebung in ihren Herkunftsstaat würde sich der physische Zustand der BF1 nicht vorhersehbar ändern, diesfalls bestünde keine Lebensgefahr. Die BF1 bedürfe derzeit verschiedener oraler Medikation, welche dem dem Gutachten beigeschlossenen Vorschlag zu entnehmen sei und die in allen Staaten Europas üblicherweise verfügbar gehalten werde.
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Am 29.11.2013 haben Sie beim Bundesasylamt einen dritten Antrag (Zl. 1760445) auf
internationalen Schutz eingebracht. Dieser Antrag wurde vom Bundesamt, Regionaldirektion Vorarlberg vom 14.06.2014 gem. § 68 Abs. 1 AVG 1991 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Sie haben gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben. Die Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes am 02.01.2015 gem. § 68 Abs.1 AVG, BGBL. Nr. 51, als unbegründet abgewiesen und wurde am 15.01.2015 in 2. Instanz rechtskräftig.
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Am 18.03.2015 stellten Sie einen vierten Antrag auf internationalen Schutz (Zl. 150280731), der mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.01.2016 gem. §§ 3 und 8 AsylG abgewiesen
wurde, es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine
Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist. Es wurde keine Frist für die
freiwillige Ausreise gewährt und einer Beschwerde gegen die Entscheidung wurde
die aufschiebende Wirkung aberkannt. Mit Beschluss des BVwG vom 26.01.2016
wurde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit Erkenntnis des BVwG vom
09.04.2018 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, mit der Maßgabe,
dass die Spruchpunkte I und II wegen entschiedener Sache zurückzuweisen waren.
Das Erkenntnis erwuchs am 11.04.2018 in 2. Instanz in Rechtskraft.
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Am 09.05.2018 stellten Sie einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur
Erhebung einer ao. Revision gegen das Erkenntnis zum vierten Asylantrag beim
dafür unzuständigen Bundesverwaltungsgericht. Nach Verständigung des
Verwaltungsgerichtshofes über die verspätete Einbringung und Möglichkeit zur
Stellungnahme haben Sie am 27.06.2018 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand beim Verwaltungsgerichtshof gestellt. Mit Beschluss vom 10.09.2018
wurde Ihr Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen.
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Am 28.05.2018 stellten Sie persönlich bei der Regionaldirektion Vorarlberg einen
Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. §55 Abs.1 AsylG (Zl. 180404041).
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Am 09.11.2018 wurde Sie aus dem Grundversorgungssystem des Bundes wegen unbekannten Aufenthalts abgemeldet. Im ZMR erfolgte die Abmeldung am 12.11.2018.
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Der Antrag vom 28.05.2018 wurde mit Bescheid des BFA vom 24.11.2018 gem. §55 AsylG abgewiesen. Gem. §10 Abs.3 AsyG iVm §9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gem. §52 ABs.3 FPG erlassen und ein Abschiebung gem. §46 FPG in die russische Föderation als zulässig beurteilt. Mit dieser Rückkehrentscheidung wurde ein 3-jähriges Einreiseverbot gem. §53 Abs. 1 iVm Abs.2 Z.6 FPG erlassen. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gem. §18 Abs. 2 Z.1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Eine Frist gem. §55 Abs.4 FPG für die Ausreise wurde nicht gewährt.
Der Bescheid des BFA vom 24.11.2018 erwuchs mit 27.12.2018 in Rechtskraft.
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Nach Rücküerstellung aus Deutschland, stellten sie am 04.06.2019 Ihren fünften, gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. (Zl. 190565365).
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Bei der am 04.06.2019 durchgeführten Erstbefragung zum gegenwärtigen Asylantrag durch die Beamten der Fremden- und Grenzpolizeilichen Abteilung, EGFA PI Wels gaben Sie als Grund der Asylantragstellung Folgendes an:
Ich habe zuhause Probleme, deshalb kann ich nicht zurück. Meine Söhne wurden von Beamten gesucht und diese belästigten mich. Einer meiner Söhne ist in Österreich, ein anderer in Frankreich. Gesundheitlich geht es mir nicht gut. Ich habe Bluthochdruck und Diabetes. Mein Herz macht mir auch Probleme.
Zur Frage ob alle Ausreise-, Flucht- oder Verfolgungsgründe genannt wurden:
Ja
Bezüglich Ihrer Befürchtungen bei einer Rückkehr gaben Sie Folgendes an:
Ich würde ständig belästigt werden von diesen Beamten. Dies würde ich nicht aushalten.
Konkrete Hinweise dafür hätten Sie es jedoch nicht.
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Mit Verfahrensanordnung gem. § 15b AsylG wurde Ihnen die Unterkunftnahme in der BS West AIBE, Thalham 80, 4880 St. Georgen im Attergau aufgetragen. Sie haben diese Verfahrensanordnung und ein Informationsblatt in einer Ihnen verständlichen Sprache am 04.062019 nachweislich übernommen.
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Am 19.06.2019 wurden Sie beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West, niederschriftlich einvernommen. Die wesentlichen Passagen gestalteten sich wie folgt:
...
LA: Wie verstehen Sie den anwesenden Dolmetscher?
VP: Ich verstehe den Dolmetscher einwandfrei.
LA: Welche ist Ihre Muttersprache und welche Sprachen sprechen Sie sonst noch?
VP: Meine Muttersprache ist Tschetschenisch. Ich spreche auch Russisch.
...
LA: Haben Sie einen Vertreter für Ihr Asylverfahren bzw. einen Zustellbevollmächtigten?
VP: Nein.
...
LA: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?
VP: Ja, mir geht es gut und ich kann der Einvernahme ohne Probleme folgen. Ich mache mir halt Sorgen wegen dem Verfahren
V: Es wurde Ihnen das Info- und Belehrungsblatt zum Ermittlungsverfahren (Wahrheits- und Mitwirkungspflicht, vertrauliche Behandlung, Konsequenzen von Falschaussagen, Rechtsberater, Ablauf der Niederschrift, Meldepflichten, etc.) in einer verständlichen Sprache bereits im Zuge der Erstbefragung zur Kenntnis gebracht und mit Ihnen gemeinsam erläutert.
Haben Sie den Inhalt verstanden und sind Ihnen die damit verbundenen Rechte und Pflichten bewusst?
VP: Ja.
VP wird Wasser angeboten und gesagt, dass die Einvernahme jederzeit unterbrochen werden kann, sollte eine Pause notwendig sein.
LA: Ich möchte mit Ihnen ihre persönlichen Daten mit der Aktenlage abgleichen.
Ihr Name lautet XXXX , geboren am XXXX .
Sie gehören der Volksgruppe der Tschetschenen an und sind Moslem/Sunnitin.
Sie sind Staatsangehörige der russischen Föderation.
Sie sind verwitwet und Mutter von 7 Kindern. In Österreich befinden sich ihr aufenthaltsberechtigter Sohn XXXX (IFA:771203507) und Ihre Tochter XXXX (IFA:831759003).
Ein Sohn befindet sich in Frankreich, einer in Deutschland und drei Töchter in Tschetschenien.
Es besteht kein gemeinsamer Haushalt mit einem Ihrer Kinder.
Sind diese Daten korrekt?
VP: Ja. Alles Stimmt. In Deutschland habe ich mit meinem Sohn und meiner Tochter zusammengelebt. In Chemnitz. Jetzt lebe ich mit meiner Tochter hier im Lager.
LA: Entsprechen Ihre Angaben bei der Erstbefragung am 04.06.2019 den Tatsachen, oder möchten Sie jetzt etwas berichtigen?
VP: Ich habe die Wahrheit gesagt. Ich habe aber Erinnerungsstörungen.
Anm.: VP wird Pkt.6. (Grund für neuerlichen Antrag) und Pkt 8 (Furcht bei Rückkehr)erneut rückübersetzt.
Stimmt das?
VP: Ja
LA: Gibt es seit rechtskräftigem Abschluss Ihres letzten Verfahrens am 27.12.2018
(Antrag auf Aufenthaltstitel berücksichtigungswürdige Gründe: Zl. 831758910-180494792)
irgendeine Änderung in Ihrem Privat- oder Familienleben?
VP: Nein.
LA: Gemäß Ihren eigenen Angaben und der Aktenlage (aufliegende medizinischen Unterlagen inkl. Gutachten) leiden Sie unter folgenden
Beschwerden:
Zuckerkrankheit, Vorhofflimmern meist aufgrund Bluthochdrucks, Gallensteinleiden, sowie altersgemäßen Degenerationserscheinungen des Achsenskeletts. Sie nehmen wegen dieser Beschwerden regelmäßig Medikamente ein.
Stimmen diese Angaben?
VP: Ja
LA: Gibt es seit rechtskräftigem Abschluss Ihres letzten Verfahrens am 27.12.2018
(Antrag auf Aufenthaltstitel berücksichtigungswürdige Gründe: Zl. 831758910-180494792)
irgendeine Änderung bezüglich Ihrer Gesundheit?
VP: Nur Kleinigkeiten zu den angesprochenen Beschwerden. Das schlimmste sind die Herzprobleme. Das bereitet mir schon Schwierigkeiten.
Ich habe Unterlagen aus Deutschland mit.
VP legt vor
Bescheinigung zu stationären Aufenthalt in Chemnitz
Arztbrief aus Klinikum Chemnitz
Medikationsplan
Konvolut med. Unterlagen aus dem Jahr 2018
LA: Wie lange waren Sie in Chemnitz im Krankenhaus?
VP: Ca. 9 Tage wegen der Herzprobleme.
LA: Waren Sie in Österreich seit der letzten Einreise schon bei einem Arzt?
VP: Hier im Lager. Ich gehe jeden Tag zum Zuckertest. Dort bekomme ich meine Medikamente.
LA: Waren Sie seit der Wiedereinreise in Österreich stationär in einem Krankenhaus aufhältig?
VP: Nein
LA: Sind Sie damit einverstanden, dass ho. Behörde Einsicht in bereits vorliegende und künftig erhobene ärztliche Befunde nehmen kann, sowie dass die Sie behandelnden Ärzte, als auch behördlich bestellte ärztliche Gutachter wechselseitig Informationen zu den Ihre Person betreffenden erhobenen ärztlichen Befunde austauschen können? Sind Sie weiters mit der Weitergabe Ihrer medizinischen Daten an die Sicherheitsbehörde, Mitgliedstaaten und die für die Grundversorgung zuständigen Stellen einverstanden? Sie werden darauf hingewiesen, dass ein Widerruf Ihrer Zustimmung jederzeit möglich ist.
VP: Ja.
Anm.: Es wird von VP eine Einverständniserklärung unterzeichnet und dem Akt beigelegt.
Aufforderung: Sie werden aufgefordert, sämtliche sich in Ihrem Besitz befindlichen bzw. die sich in Zukunft in Ihrem Besitz befindlichen med. Unterlagen selbstständig und ohne weiterer Aufforderung der ho. Behörde in Vorlage zu bringen.
VP: Ja, das werde ich machen.
LA: Sie haben am 25.10.2012 Ihren dritten Asylantrag gestellt. Dieser wurde am 09.07.2013 in II. Instanz gem. §3 und §8 AsylG rechtskräftig abgewiesen. Ihr vierter Asylantrag wurde am 11.04.2018 in II. Instanz gem. §68 AVG zurückgewiesen. Warum stellen Sie einen neuerlichen Asylantrag?
VP: Mein gesundheitlicher Zustand. Ich bin fähig in meinem Herkunftsstaat weiterzuleben. Alle Kinder leben in Europa und keiner kann sich um mich kümmern. Ich würde in meiner Heimat auch nicht ausreichend med. Versorgung erhalten.
LA: Das heißt, die Fluchtgründe für gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz sind dieselben Gründe, welche Sie bereits in Ihrem dritten Asylverfahren angegeben haben. Neue Fluchtgründe gibt es keine. Ist das so richtig?
VP: Es gibt auch finanzielle Schwierigkeiten in meiner Heimat. Ich werde nicht ausreichend finanzielle Möglichkeiten haben um mein Medikamente zu kaufen. Es ist dort nicht wie in Österreich. Man muss dort für Medikamente bezahlen. Ich möchte hier einen Aufenthalt bekommen.
LA: Gibt es noch andere Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben?
VP: Wie kann ich dort allein leben können. Es muss sich jemand um mich kümmern. Bisher haben sich meine Tochter und mein Sohn um mich gekümmert. Mein Sohn ist in Chemnitz geblieben.
LA: Warum haben Sie Österreich verlassen und sind nach Chemnitz gegangen?
VP: Wir lebten damals in Vorarlberg und uns drohte eine Abschiebung. Deswegen sind wir nach Deutschland geflüchtet. Wir haben dort einen Asylantrag gestellt wurden aber nach Österreich abgeschoben. Nachgefragt wurde mein Sohn XXXX nicht abgeschoben weil er zu dem Zeitpunkt gerade nicht daheim war.
LA: Können Sie irgendwelche sonstigen Gründe namhaft machen, die für einen Verbleib in Österreich sprechen?
VP: Nein.
LA: Sind Sie in Österreich jemals mit dem Gesetz in Konflikt gekommen?
VP: Nein. Die gesamte Familie nicht.
LA: Sind Sie je von einer gerichtlichen Untersuchung als Zeuge oder Opfer in Österreich betroffen gewesen?
VP: Nein.
LA: Sind Sie je von einem zivil- oder strafrechtlichen Gerichtsverfahren oder eine (einstweiligen) gerichtlichen Verfügung in Österreich betroffen gewesen?
VP: Nein.
Die gesamte bisherige Niederschrift wird VP durch den anwesenden Dolmetscher rückübersetzt.
LA: Wurde Ihre Einvernahme richtig und vollständig protokolliert?
VP: Ja
LA: Sie gaben an, dass Sie mit Ihrer Tochter in Chemnitz wohnten. Wo war der Mann Ihre Tochter zu der Zeit. Blieb er in Vorarlberg?
VP: Ja. Er ist auch noch immer dort. Nachgefragt gab es telefonischen Kontakt.
LA: Wurden Sie alles gefragt, dessen Antwort relevant für Ihr Verfahren sein könnte?
VP: Ja
LA: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint oder wollen Sie noch etwas hinzufügen, was noch nicht zur Sprache gekommen ist?
VP: Ich konnte alles erzählen. Ich dachte, dass ich wegen meiner Gesundheit hier in Österreich leben darf. Ein negativer Bescheid hätte einen schlechten Einfluss auf meine Gesundheit.
LA: Ihnen wird nun mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, Ihren Asylantrag wegen entschiedener Sache gem.§ 68 AVG zurückzuweisen und eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 FPG iVm einem Einreiseverbot gem. § 53 FPG zu erlassen. Ebenso ist beabsichtigt, im gegenständlichen Fall den faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid aufzuheben.
Die Verfahrensanordnung dazu wird ihnen mit der Ladung zum Parteiengehör zugestellt.
Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben?
VP: Warum macht ihr so etwas und habt uns dann nicht in Deutschland gelassen.
Anm.: Es wird Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass Sie noch einmal im Beisein eines Rechtsberaters die Möglichkeit haben, zu diesem Sachverhalt Stellung zu beziehen.
Von diesem Termin werden Sie schriftlich in Kenntnis gesetzt.
LA: Haben Sie den Dolmetscher während der gesamten Befragung einwandfrei verstanden?
VP: Ja.
LA: Haben Sie alles verstanden was Sie gefragt wurden, sowohl von der Sprache als auch vom Verständnis her?
VP: Ja.
Anm.: Es wird rückübersetzt. VP wird aufgefordert genau aufzupassen und sofort bekannt zu geben, wenn etwas nicht korrekt sein sollte bzw. er noch etwas zu ergänzen hat.
LA: Wurde Ihre Einvernahme richtig und vollständig protokolliert?
VP: Nach erfolgter Rückübersetzung gebe ich an, dass alles richtig und vollständig ist und alles richtig wiedergegeben und auch rückübersetzt wurde.
...
-
Da das BFA auf Grund des bisherigen Verfahrensverlaufes beabsichtigte Ihren Antrag auf internationalen Schutz gemäß §68 Abs.1 AVG zurückzuweisen und Ihnen den faktischen Abschiebschutz aufzuheben, wurde Ihnen eine Verfahrensanordnung gem. §29 Abs.3 Z.4 und Z.6 AsylG gemeinsam mit den Länderinformationen zur russischen Föderation mit der Ladung zum Parteiengehör nachweislich am 24.06.2019 ausgefolgt.
B) Beweismittel - Sie brachten folgende Beweismittel in Vorlage:
Med. Unterlagen zu einem Krankenhausaufenthalt in Chemnitz vom 25.01. bis 01.02.2019
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Von der Behörde wurden weiters zur Entscheidung herangezogen:
Ihre Erstbefragung bei der PI Fremdenpolizei Wels vom 04.06.2019,
Ihre Einvernahme zum gegenständlichen Verfahren am 19.06.2019,
Ihre heutige niederschriftliche Einvernahme,
Nationaler Reisepass der russ. Föderation Nr. 9600320767,
Zusage der russischen Botschaft zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates
Zusammenstellung der Staatendokumentation zu Ihrem Herkunftsland,
Akteninhalt Ihrer Vorverfahren Zl. 1471745, Zl. 2110745, Zl. 1760445, Zl. 150280731, Zl. 180494792
Antwortschreiben der Arztstation BS West vom 01.07.2019 zum Gesundheitszustand
C) Feststellungen
Die Behörde gelangt daher zu folgenden Feststellungen:
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zu Ihrer Person:
!! Identität, Alter, Gesundheit, Status, aufrechte RückkehrE od.
Ausweisung
Ihre Identität steht fest.
Sie sind volljährig.
Sie sind Staatsangehörige der russichen Föderation.
Sie leiden an keinen lebensbedrohenden Erkrankungen.
Sie verfügen über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung.
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zu Ihren Vorverfahren:
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.04.2012 wurde Ihr erster Asylantrag vom 27.03.2012 (Zl. 1471745) gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen. Es wurde festgestellt, dass für die Prüfung Ihres Antrages auf internationalen Schutz gemäß Dublin-Verordnung Polen zuständig ist und wurden Sie gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 iVm § 10 Abs. 4 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid vom 02.05.12 wurde vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 29.05.2012 gemäß §§ 5,10 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen und erwuchs am 30.05.2012 in 2. Instanz in Rechtskraft.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.03.2013 wurde Ihr zweiter Antrag vom 25.10.12 (Zl. 2110745) abgewiesen, Ihnen gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten und gemäß § 8 AsylG Abs. 1 Z. 1 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Ihren Herkunftsstaat Russland nicht zuerkannt und Sie wurden gem. § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.
Dagegen brachten Sie fristgerecht Beschwerde ein. Ihre Beschwerde wurde vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 02.07.2013 in Anwendung des § 66 Abs. 4 AVG 1991, iVm § 61 AsylG 2005, § 3 Abs 1 und § 8 Abs 1 Z 1 sowie § 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005, als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis des Asylgerichtshofes erwuchs am 09.07.2013 in 2. Instanz in Rechtskraft.
Ihr dritter Asylantrag vom 29.11.2013 (Zl.1760445) wurde vom BFA, Regionaldirektion Vorarlberg am 14.06.2014 gem. § 68 Abs. 1 AVG 1991 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Sie haben gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben. Die Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes am 02.01.2015 gem. § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG, BGBL. Nr. 51, als unbegründet abgewiesen und wurde am 15.01.2015 in 2. Instanz rechtskräftig.
Am 18.03.2015 stellten Sie einen vierten Antrag (Zl. 150280731) auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des BFA vom 07.01.2016 gem. § 68 Abs. 1 AVG 1991 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Sie haben gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben. Mit Beschluss des BVwG vom 26.01.2016 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Mit Erkenntnis des BVwG vom 09.04.2018, wurde gem. § 68 Abs. 1 AVG, Ihre Beschwerde als unbegründet abgewiesen und erwuchs mit 11.04.2018 in 2. Instanz in Rechtskraft.
Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitel vom 28.05.2018 (Zl. 180404041) wurde mit Bescheid des BFA vom 24.11.2018 gem. §55 AsylG abgewiesen. Es wurde eine Rückkehrentscheidung gem. §10 Abs.3 AsyG iVm §9 BFA-VG erlassen und ein Abschiebung gem. §46 FPG in die russische Föderation als zulässig beurteilt. Mit dieser Rückkehrentscheidung wurde ein 3-jähriges Einreiseverbot gem. §53 Abs. 1 iVm Abs.2 Z.6 FPG erlassen. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gem. §18 Abs. 2 Z.1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Eine Frist gem. §55 Abs.4 FPG für die Ausreise wurde nicht gewährt. Der Bescheid vom 24.11.2018 erwuchs mit 27.12.2018 in Rechtskraft
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zu den Gründen für Ihre Anträge auf internationalen Schutz sowie zur voraussichtlichen Entscheidung im nunmehrigen Verfahren:
!! Gründe, die bei Erstantrag festgestellt wurden, Gründe, die wir nun für den Folgeantrag feststellen
Bei Ihrem 2. Asylantrag in Österreich führten Sie als Fluchtgrund an, dass Ihre Söhne in der Heimat Probleme gehabt hätten. Die beiden Söhne wären auch deswegen ausgereist. Ein Sohn würde in Frankreich leben und der andere Sohn in Wien.
Sie, Ihre Tochter und ein Sohn wären in der Heimat wegen der ausgereisten beiden Sohne öfters befragt und auch bedroht worden. Deswegen wären Sie mir Ihrer Tochter und Ihrem Sohn dann ebenfalls ausgereist. 3 Töchter wären in der Heimat geblieben und leben noch immer dort.
Sie führten weiter an, dass Sie gesundheitliche Probleme hätten.
Auf die konkrete Frage, ob Ihre Fluchtgründe im gegenständlichen Verfahren dieselben wären, wie bei der inhaltlichen Prüfung Ihres 2. Asylantrags in Österreich, bestätigten sie das.
Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt hat sich daher seit Rechtskraft dieses Verfahrens nicht geändert.
In Ihrem Antrag auf Zuerkennung eine Aufenthaltstitels führten Sie erneut Ihre gesundheitliche Probleme und die Heirat Ihrer Tochter an.
Auf die konkrete Frage, ob es seit der rechtskräftigen Entscheidung zu dem damaligen Antrag Änderungen bezüglich Ihres Gesundheitszustandes gäbe, gaben Sie an, dass es nur Kleinigkeiten zu den bereits bekannten Beschwerden gäbe.
Auf die konkrete Frage, ob es in Ihrem Privat- und Familienleben seit der rechtskräftigen Entscheidung zu dem damaligen Antrag Änderungen gäbe, verneinten sie das.
Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt hat sich seit Rechtskraft der Vorverfahren ebenfalls nicht geändert.
Ihr neuer Antrag auf internationalen Schutz wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.
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zur Gefährdungssituation bei einer Abschiebung:
!! Art. 2,3 EMRK willkürl. Gewalt, internationaler oder innerstaatl. Konflikt?
Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände konnte nicht festgestellt werden, dass Ihre Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in die russiche Föderation eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
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zu Ihrem Privat- und Familienleben:
!! Ob sich etwas seit vorherigem Asylantrag geändert hat, Art 8 EMRK, ob er in Österreich Verwandte hat, ob inzwischen mehr integriert als vorher.
!! Ergebnis muss sein: alles unverändert!!!
Sie reisten gemeinsam mit Ihrer Tochter nach Österreich. Gegen Ihr Tochter gibt es, genauso wie bei Ihnen, eine aufrechte, rechtskräftige Rückkehrentscheidung vom Mai 2019. Es ist daher auch bei Ihrer Tochter geplant, den faktischen Abschiebeschutz abzuerkennen.
In Österreich befinden sich weiters Ihr aufenthaltsberechtigter Sohn.
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zur Lage in Ihrem Herkunftsstaat:
!! Länderinfos der Staatendok
1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
Der Inhalt dieser Kurzinformation wird mit heutigem Datum in das LIB Russische Föderation übernommen (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 18.4 Homosexuelle).
Ende 2018 kam es in Tschetschenien wieder zur Verhaftung von Homosexuellen. Laut Angaben des russischen LGBT-Netzwerkes wurden mindestens 40 Frauen und Männer inhaftiert, mindestens zwei sollen im Zuge von Folter getötet worden sein (LGBT Netzwerk 14.1.2019, vgl. Nowaja Gaseta 18.1.2019). Laut dem Leiter des LGBT-Netzwerkes, Igor Kotschetkow, kam es nicht nur zur physischen Bedrohung bis zur Inkaufnahme des Todes der Festgehaltenen, sondern die Sicherheitskräfte sollen auch versucht haben, die Frauen und Männer daran zu hindern, aus der Teilrepublik auszureisen oder vor Gericht zu ziehen (NZZ 18.1.2019, vgl. UN News 13.2.2019). Die Kampagne, deren Muster und auch der Ort der Inhaftierung, eine Anlage in der Stadt Argun, erinnern an eine erste Welle an Verhaftungen von tschetschenischen Homosexuellen vor zwei Jahren. Nach Einschätzung von Menschenrechtsaktivisten gingen die Einschüchterungen, Festnahmen und Gewalttaten gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender weiter. Im Frühsommer 2017 hatte das Ermittlungskomitee von höchster Stelle in Moskau aus wegen starken internationalen Drucks eine Untersuchung der schwerwiegenden Vorwürfe angeordnet. Diese brachte allerdings nie konkrete Resultate (NZZ 18.1.2019, vgl. Nowaja Gaseta 18.1.2019).
Quellen:
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Russisches LGBT-Netzwerk (14.1.2019): New wave of persecution against LGBT people in Chechnya: around 40 people detained, at least two killed,
https://lgbtnet.org/en/newseng/new-wave-persecution-against-lgbt-people-chechnya-around-40-people-detained-least-two-killed, Zugriff 28.2.2019
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Nowaja Gaseta (18.1.2019):
https://www.novayagazeta.ru/articles/2019/01/16/79205-legitimnye-zhertvy, Zugriff 28.2.2019
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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (18.1.2019): In Tschetschenien hat eine neue Welle der Verfolgung Homosexueller begonnen, https://www.nzz.ch/international/in-tschetschenien-hat-eine-neue-welle-der-verfolgung-homosexueller-begonnen-ld.1452401, Zugriff 28.2.2019
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UN News (13.2.2019): LGBT community in Chechnya faces 'new wave of persecution': UN human rights experts, https://news.un.org/en/story/2019/02/1032641, Zugriff 28.2.2019
Der Inhalt dieser Kurzinformation wird mit heutigem Datum in das LIB RUSS übernommen (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 16.3. Zeugen Jehovas).
Änderungen seit Mai 2018:
Erstens wurde weitere, die Zeugen Jehovas betreffende Literatur in die "Föderale Liste extremistischer Materialien" des Justizministeriums der RF
(http://minjust.ru/ru/extremist-materials?field_extremist_content_value) aufgenommen. Es handelt sich dabei um die Positionen 4471, 4472, 4485 bis 4488 und 4502, die aufgrund der Entscheidungen diverser russischer Gerichte am 5.7.2018 bzw. am 31.8.2018 in die Liste aufgenommen wurden. Zweitens wurde der Erlass N 11 "Über die gerichtliche Praxis in Strafsachen zu Verbrechen mit extremistischer Ausrichtung" des Plenums des Obersten Gerichts vom 28.6.2011 am 20.9.2018 novelliert, die Definition der Z 20 Abs. 2, was unter einer Teilnahme an einer extremistischen Organisation iSd Art. 282.2 russ. StGB zu verstehen ist, ist aber ebenso unverändert geblieben wie der Art. 282.2 russ. StGB ("Organisation der Tätigkeit einer extremistischen Organisation") selbst. Auch die Entscheidung des Obersten Gerichts der RF N AKPI 17-238 vom 20. April 2017, mit der das "Leitungszentrum der Zeugen Jehovas in Russland" als extremistische Organisation eingestuft und verboten wurde, ist unverändert gültig.
Unter dem Link http://gorod-che.ru/new/2018/10/10/58877 findet sich ein Artikel vom 10.10.2018, wonach fünf Bewohner der Kirowsker Oblast festgenommen wurden wegen des Versuches, die Tätigkeit einer religiösen Organisation, die die Glaubenslehre der Zeugen Jehovas weiterverbreitet, wieder aufzunehmen. Trotz der Verbotsentscheidung des Obersten Gerichts vom 20.4.2017 hätten die Festgenommenen laut Untersuchungskomitee - in voller Kenntnis der Gerichtsentscheidung - in der Zeit vom 16.8.2017 bis zum 29.9.2018 beschlossen, die religiöse Tätigkeit wieder aufzunehmen.
Unter Beachtung aller konspirativen Maßnahmen hätten sie jedes Mal in neuen Wohnungen Treffen von Jüngern und Teilnehmern der religiösen Vereinigung organisiert. Dort hätten sie biblische Lieder gesungen, die Fertigkeiten bei der Durchführung der missionarischen Tätigkeit vervollkommnet und in der Extremismus-Liste aufgeführte verbotene Literatur studiert (New World Translation of the Holy Scriptures, Nr. 4488 der Liste). Außerdem hätten sie eine verbotene religiöse Organisation finanziert, indem sie ca. 500.000 RUB von den Glaubensanhängern gesammelt hätten. Dieses Geld sei zwischen den Führern der Organisation für die Miete der Räumlichkeiten, für den Erwerb und die Wartung von Computern aufgewendet worden. Der Rest der Summe sei dem Leitungszentrum überwiesen worden.
Art. 282.3 des russ. StGB
(http://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_10699/51346ce1f845bc43ee6f3eadfa69f65119c94