TE Bvwg Beschluss 2019/7/5 W117 1426490-7

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.07.2019
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Entscheidungsdatum

05.07.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W 117 1426490-7/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Andreas Druckenthaner in der Beschwerdesache der XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit: Russische Föderation, über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, vom 02.07.2019, Zahl: 831759003 - 190565365, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Mit nach der Einvernahme am 02.07.2019 mündlich verkündetem Bescheid zur Zahl: 831759003 - 190565365 hob die Verwaltungsbehörde den faktischen Abschiebeschutz, den Asylantrag vom 04.06.2019 betreffend, gemäß § 12a Absatz 2 AsylG auf.

Begründend führte sie aus:

"A) Verfahrensgang

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Sie sind gemeinsam mit Ihrer Mutter XXXX und Ihrem volljährigen Bruder XXXX unter Umgehung der Grenzkontrolle von Russland nach Polen gereist und haben in Polen am 13.07.2011 einen Asylantrag gestellt.

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Anschließend sind Sie mit Ihrer Mutter und Ihrem Bruder weiter nach Frankreich zu einem anderen, dort aufhältigen Bruder weitergereist und haben am 14.10.2011 einen Asylantrag in Frankreich gestellt.

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Mitte März 2012 sind Sie illegal über Italien nach Österreich eingereist und haben am 27.03.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz (Zl. 1471729) in Österreich gestellt.

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Laut Bestätigung eines Imams der Vereinigung demokratischer Tschetschenen in Wien vom 02.04.2012 haben Sie den Konventionsflüchtling, XXXX , geb. XXXX , nach muslimischem Recht geheiratet. Sie gaben an, dass Sie ihn bereits am 30.10.2011 in Frankreich geheiratet hätten, dort aber keine schriftliche Bestätigung über die Hochzeit erhielten.

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Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.04.2012 wurde Ihr Asylantrag vom 27.03.2012 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen, es wurde festgestellt, dass für die Prüfung Ihres Antrages auf internationalen Schutz gemäß Dublin-Verordnung Polen zuständig ist und wurden Sie gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 iVm § 10 Abs. 4 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid vom 02.05.12 wurde vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 29.05.2012 gemäß §§ 5,10 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen und erwuchs am 30.05.2012 in 2. Instanz in Rechtskraft.

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Sie mussten sich am 13.06.2012 im Krankenhaus XXXX einer medizinisch indizierten gynäkologischen Operation unterziehen. Aufgrund dieser gesundheitlichen Probleme bzw. aufgrund des diagnostizierten Gesundheitszustandes Ihrer Mutter konnte eine Überstellung nach Polen nicht fristgerecht stattfinden.

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Sie haben am 25.10.2012 einen zweiten Antrag (Zl. 2115068) auf internationalen Schutz in Österreich gestellt.

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Bis zum 25.01.2013 haben Sie bei Ihrem muslimisch angetrauten Mann in XXXX gewohnt. Danach sind Sie wieder zu Ihrer Mutter und Ihrem Bruder in ein Flüchtlingsquartier der Caritas umgezogen und wurden neu in die Grundversorgung aufgenommen.

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Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.03.2013 wurde Ihr Antrag vom 25.10.12 (Zl. 2115068) abgewiesen, Ihnen gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten und gemäß § 8 AsylG Abs. 1 Z. 1 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Ihren Herkunftsstaat Russland nicht zuerkannt und Sie wurden gem. § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen. Dagegen brachten Sie am 08.04.2013 fristgerecht Beschwerde ein. Ihre Beschwerde wurde vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 02.07.2013 in Anwendung des § 66 Abs. 4 AVG 1991, iVm § 61 AsylG 2005, § 3 Abs 1 und § 8 Abs 1 Z 1 sowie § 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005, als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis des Asylgerichtshofes erwuchs am 09.07.2013 in 2. Instanz in Rechtskraft.

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Am 23.07.2013 brachten Sie beim Bundesasylamt Innsbruck einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG ein. Dieser wurde mit Beschluss des BVwG vom 02.01.2015 und Rechtskraft in 2. Instanz vom 15.01.2015 abgewiesen.

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Am 29.11.2013 haben Sie beim Bundesasylamt einen dritten Antrag (Zl.1760437) auf internationalen Schutz eingebracht. Dieser Antrag wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg vom 14.06.2014 gem. § 68 Abs. 1 AVG 1991 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Sie haben gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben. Die Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes am 02.01.2015 gem. § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG, BGBL. Nr. 51, als unbegründet abgewiesen und wurde am 15.01.2015 in 2. Instanz rechtskräftig.

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Am 23.05.2014 wurden Sie von der Polizei außerhalb des Gebietes aufgegriffen, auf das Ihr Aufenthalt beschränkt war und Sie wurden in einem Verwaltungsstrafverfahren der LPD Vorarlberg unter VStV/914100240025/001/2014 mit einer Geldstrafe bestraft.

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Am 26.11.2014 haben Sie Ihren nach muslimischem Recht angetrauten Ehegatten, XXXX , geb. XXXX , am Standesamt XXXX geheiratet. Die Ehe wurde am 14.04.2017 am Bezirksgericht XXXX geschieden.

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Am 18.03.2015 stellten Sie einen vierten Antrag (Zl. 150280715) auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.01.2016 gem. § 68 Abs. 1 AVG 1991 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Sie haben gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben.

Mit Beschluss des BVwG vom 26.01.2016 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes am 09.04.2018 wurde gem. § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG, Ihre Beschwerde als unbegründet abgewiesen und wurde am 11.04.2018 in 2. Instanz rechtskräftig.

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Am 13.12.2017 haben Sie den tschetschenischen Asylwerber XXXX , geb. XXXX , am Standesamt XXXX geheiratet. Am 25.01.2018 sind Sie in die Wohneinheit Ihres Ehegatten im Flüchtlingsquartier der Caritas umgezogen.

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Am 28.05.2018 stellten Sie einen Antrag auf einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 55 Abs. 1 AsylG.(Zl. 180494806)

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Am 09.11.2018 wurde Sie aus dem Grundversorgungssystem des Bundes wegen unbekannten Aufenthalts abgemeldet. Im ZMR erfolgte die Abmeldung am 12.11.2018.

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Der Antrag vom 28.05.2018 wurde mit Bescheid des BFA vom 26.03.2019 gem. §55 AsylG abgewiesen. Gem. §10 Abs.3 AsyG iVm §9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gem. §52 Abs.3 FPG erlassen und ein Abschiebung gem. §46 FPG in die russische Föderation als zulässig beurteilt. Mit dieser Rückkehrentscheidung wurde ein 3-jähriges Einreiseverbot gem. §53 Abs. 1 iVm Abs.2 Z.6 FPG erlassen. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gem. §18 Abs. 2 Z.1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Eine Frist gem. §55 Abs.4 FPG für die Ausreise wurde nicht gewährt.

Der Bescheid des BFA vom 26.03.2019 erwuchs mit 10.05.2019 in Rechtskraft.

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Nach Rücküerstellung aus Deutschland, stellten sie am 04.06.2019 Ihren fünften, gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. (Zl. 190565365).

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Bei der am 04.06.2019 durchgeführten Erstbefragung zum gegenwärtigen Asylantrag durch die Beamten der Fremden- und Grenzpolizeilichen Abteilung, EGFA PI Wels gaben Sie als Grund der Asylantragstellung Folgendes an:

Ich kann nicht nach Hause. Meine Mutter, mein Ehemann und meine Brüder leben hier in Europa. Meine Mutter und mein Ehemann haben noch keinen positiven Asylbescheid. Ein Bruder lebt in Wien, der andere in Frankreich. Beide sind Asylberechtigt. Mein Ehemann und mein Bruder haben Probleme in der Heimat, deshalb kann auch ich nicht zurück. Der Bruder meines Mannes wurde entführt und ist seitdem vermisst. Zwei andere Brüder meines Mannes wurden ebenfalls entführt, bei sind zurückgekehrt.

Zur Frage ob alle Ausreise-, Flucht- oder Verfolgungsgründe genannt wurden:

Ja

Bezüglich Ihrer Befürchtungen bei einer Rückkehr gaben Sie Folgendes an:

Da mein Ehemann und meine Brüder Probleme haben, würde ich auch Probleme haben. Ich würde belästigt werden.

Konkrete Hinweise dafür hätten Sie es jedoch nicht.

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Mit Verfahrensanordnung gem. § 15b AsylG wurde Ihnen die Unterkunftnahme in der BS West AIBE, Thalham 80, 4880 St. Georgen im Attergau aufgetragen. Sie haben diese Verfahrensanordnung und ein Informationsblatt in einer Ihnen verständlichen Sprache am 04.062019 nachweislich übernommen.

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Am 19.06.2019 wurden Sie beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West, niederschriftlich einvernommen. Die wesentlichen Passagen gestalteten sich wie folgt:

...

LA: Wie verstehen Sie den anwesenden Dolmetscher?

VP: Ich verstehe den Dolmetscher einwandfrei. (Anm.: Antwortet auf Deutsch)

LA: Welche ist Ihre Muttersprache und welche Sprachen sprechen Sie sonst noch?

VP: Meine Muttersprache ist Tschetschenisch. Ich spreche auch Russisch und Deutsch.

...

LA: Haben Sie einen Vertreter für Ihr Asylverfahren bzw. einen Zustellbevollmächtigten?

VP: Nein.

...

LA: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?

VP: Ja, mir geht es gut und ich kann der Einvernahme ohne Probleme folgen.

V: Es wurde Ihnen das Info- und Belehrungsblatt zum Ermittlungsverfahren (Wahrheits- und Mitwirkungspflicht, vertrauliche Behandlung, Konsequenzen von Falschaussagen, Rechtsberater, Ablauf der Niederschrift, Meldepflichten, etc.) in einer verständlichen Sprache bereits im Zuge der Erstbefragung zur Kenntnis gebracht und mit Ihnen gemeinsam erläutert.

Haben Sie den Inhalt verstanden und sind Ihnen die damit verbundenen Rechte und Pflichten bewusst?

VP: Ja.

LA: Ich möchte mit Ihnen ihre persönlichen Daten mit der Aktenlage abgleichen.

Ihr Name lautet XXXX , geboren am XXXX in Grozny.

Sie gehören der Volksgruppe der Tschetschenen an und sind Moslem/Sunnitin.

Sie sind Staatsangehörige der russischen Föderation.

Sie sind seit 13.12.2017, in zweiter Ehe, mit XXXX , geb. XXXX , StA: Russland (IFA:780551907 verheiratet. Das Asylverfahren Ihres Ehegatten wurde mit Rechtskraft vom 11.01.2019 in II. Instanz gem. §3 und §8 AsylG abgewiesen.

Es besteht kein gemeinsamer Haushalt seit November 2018

In Österreich befinden sich ihr aufenthaltsberechtigter Bruder XXXX (IFA:771203507) und Ihre Mutter XXXX (IFA:831758910).

Ein Bruder befindet sich in Frankreich, einer in Deutschland und drei Schwestern in Russland.

Sind diese Daten korrekt?

VP: Ich hatte mit meinem Mann früher in XXXX in Vorarlberg einen gemeinsamen Haushalt. Jetzt lebe ich hier im Lager. Der Rest stimmt.

LA: Entsprechen Ihre Angaben bei der Erstbefragung am 04.06.2019 den Tatsachen, oder möchten Sie jetzt etwas berichtigen?

VP: (Antwortet auf Deutsch)Ich habe die Wahrheit gesagt. Korrekturen oder Ergänzungen habe ich keine zu machen.

LA: Gibt es seit rechtskräftigem Abschluss Ihres letzten Verfahrens am 10.05.2019

(Antrag auf Aufenthaltstitel berücksichtigungswürdige Gründe: Zl. 831759003-180494806)

irgendeine Änderung in Ihrem Privat- oder Familienleben?

VP: Nein.

LA: Gibt es seit rechtskräftigem Abschluss Ihres letzten Verfahrens am 10.05.2019

(Antrag auf Aufenthaltstitel berücksichtigungswürdige Gründe; Zl. 831759003-180494806)

irgendeine Änderung bezüglich Ihrer Gesundheit?

VP: Nein, ich bin gesund und benötige auch keine Medikamente.

LA: Sind Sie damit einverstanden, dass ho. Behörde Einsicht in bereits vorliegende und künftig erhobene ärztliche Befunde nehmen kann, sowie dass die Sie behandelnden Ärzte, als auch behördlich bestellte ärztliche Gutachter wechselseitig Informationen zu den Ihre Person betreffenden erhobenen ärztlichen Befunde austauschen können? Sind Sie weiters mit der Weitergabe Ihrer medizinischen Daten an die Sicherheitsbehörde, Mitgliedstaaten und die für die Grundversorgung zuständigen Stellen einverstanden? Sie werden darauf hingewiesen, dass ein Widerruf Ihrer Zustimmung jederzeit möglich ist.

VP: Ja.

Anm.: Es wird von VP eine Einverständniserklärung unterzeichnet und dem Akt beigelegt.

Aufforderung: Sie werden aufgefordert, sämtliche sich in Ihrem Besitz befindlichen bzw. die sich in Zukunft in Ihrem Besitz befindlichen med. Unterlagen selbstständig und ohne weiterer Aufforderung der ho. Behörde in Vorlage zu bringen.

VP: Ja, das werde ich machen.

LA: Sie haben am 25.10.2012 Ihren dritten Asylantrag gestellt, der am 09.07.2013 in II. Instanz gem. §3 und §8 AsylG rechtskräftig abgewiesen wurde. Ihr vierter Asylantrag wurde am 11.04.2018 in II. Instanz gem. §68 AVG zurückgewiesen. Warum stellen Sie einen neuerlichen Asylantrag?

VP: Meine ganze Familie befindet sich hier. Wir sind zusammen gekommen. Ich kann in meine Heimat nicht alleine bleiben. Außerdem besteht für mich in meiner Heimat keine Sicherheit. Meine Brüder haben Problem in der Heimat und dürfen deswegen nicht zurück. Nachgefragt meinte ich, dass mein Brüder in Gefahr wären. Wegen dieser Problemen macht sich mein er Mutter viele Sorgen. Und es hat sich dihr gesundheitlicher Zustand verschlechtert.

Ich bin verheiratet und mein Mann befindet sich hier in Ö. Er ist ungefähr 11 Jahre in Österreich und kann wegen Lebensgefahr auch nicht zurück.

LA: Das Verfahren Ihre Manens wurde negativ entscheiden. Seine Probleme dürften daher nicht so schwerwiegend sein wie sie sagen.

VP: Er hat mit einem Rechtsanwalt eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemacht. Es besteht bei ihm eine Möglichkeit, dass er in Ö bleiben darf. Ich habe Deutsch gelernt und eine Arbeitsstelle gefunden.

LA: Das heißt, die Fluchtgründe für gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz sind dieselben Gründe, welche Sie bereits in Ihrem dritten Asylverfahren angegeben haben. Neue Fluchtgründe gibt es keine. Ist das so richtig?

VP: Nein. Es hat sich nicht daran geändert. Es sind die gleichen Probleme

LA: Sie haben im November Österreich verlassen?

VP: Ich war zuerst in Hamburg. Wir bekamen dann von den Behörden einen Transfer nach Chemnitz

LA: Stellten Sie einen Asylantrag in Deutschland?

VP: Ja. Wir wurden dann informiert, dass wir wegen der Dublinverordnung nach Ö abgeschoben werden.

LA: Warum sind Sie nach Deutschland gegangen?

VP: Es droht uns eine Abschiebung in die Heimat.

LA: Ihr Mann war nicht mit in Deutschland, oder?

VP: Er war nicht dabei, er wartete auf seine Entscheidung.

LA: Wie war der Kontakt zu ihm. Hatten Sie Kontakt?

VP: Ich hatte mit ihm telefonisch Kontakt. Nachgefragt kam er aber nie zum mir. Ich auch nie zu ihm nach Vorarlberg.

LA: Können Sie irgendwelche sonstigen Gründe namhaft machen, die für einen Verbleib in Österreich sprechen?

VP: Ich habe grundsätzlich alle Gründe genannt. Ich kann nicht in meinen Heimat zurück. Meine Brüder werden in der Heimat von den Behörden verfolgt. Das betrifft mich natürlich auch. Es wäre für mich dort auch finanziell sehr schwer dort zu leben. Alle meinen näheren Verwandten haben meine Heimat verlassen. Alleine werde ich dort nicht überleben können. Das war alles.

LA: Warum sollten die Probleme Ihre Brüder gerade Sie betreffen und die 3 Schwestern in der Heimat sind aber nicht betroffen?

VP: Die haben eigentlich nichts mehr mit unserer Familie zu tun gehabt. Sie waren am Anfang des Krieges bereist verheiratet und haben das Haus verlassen. Ich lebte damals bei meiner Mutter und war deswegen auch betroffen.

LA: Leben die Schwestern nicht mehr in Tschetschenien?

VP: Die leben in andern Ortschaften. Die sind etwa 40-50 km weg.

LA: Die haben aber keine Probleme dort?

VP: Die wurden auch nach uns gefragt. Nachgefragt habe ich Kontakt zu meinen Schwestern und 2 leben derzeit im Bezirk Grozny und eine im Rajon NADTERECKNY.

LA: Sind Sie in Österreich jemals mit dem Gesetz in Konflikt gekommen?

VP: Nein.

LA: Sind Sie je von einer gerichtlichen Untersuchung als Zeuge oder Opfer in Österreich betroffen gewesen?

VP: Nein.

LA: Sind Sie je von einem zivil- oder strafrechtlichen Gerichtsverfahren oder eine (einstweiligen) gerichtlichen Verfügung in Österreich betroffen gewesen?

VP: Nein.

LA: Laut den Akten gab es eine Anzeige in Vorarlberg. Um was ging es dabei?

VP: Ich weiß von keiner Anzeige. Mein Bruder ging manchmal in die Moschee um zu predigen. Aber das war nicht illegal. Von einer Anzeige gegen uns weiß ich nichts.

Mein Mann bekam eine Strafe. 5500 Euro. Er ging aber durch die Instanzen und bekam dann Recht zugesprochen und musste nicht bezahlen.

Die gesamte bisherige Niederschrift wird VP durch den anwesenden Dolmetscher rückübersetzt.

LA: Wurde Ihre Einvernahme richtig und vollständig protokolliert?

VP: Ja

LA: Wurden Sie alles gefragt, dessen Antwort relevant für Ihr Verfahren sein könnte?

VP: Ja

LA: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint oder wollen Sie noch etwas hinzufügen, was noch nicht zur Sprache gekommen ist?

VP: Ich konnte alles erzählen.

LA: Ihnen wird nun mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, Ihren Asylantrag wegen entschiedener Sache gem. §68 AVG zurückzuweisen und eine Rückkehrentscheidung gem. §52 FPG iVm einem Einreiseverbot gem. §53 FPG zu erlassen. Ebenso ist beabsichtigt, im gegenständlichen Fall den faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid aufzuheben.

Eine diesbezügliche Verfahrensanordnung wird ihnen mit der Ladung zum Parteiengehör zugestellt.

Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben?

VP: Ich weiß nicht was mit uns passieren wird, wenn wir abschoben werden. Ich meine auch wegen der Gesundheit meiner Mutter. Es besteht für uns auf alle Fälle ein Risiko.

Anm.: Es wird Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass Sie noch einmal im Beisein eines Rechtsberaters die Möglichkeit haben, zu diesem Sachverhalt Stellung zu beziehen.

Von diesem Termin werden Sie schriftlich in Kenntnis gesetzt.

LA: Haben Sie den Dolmetscher während der gesamten Befragung einwandfrei verstanden?

VP: Ja.

LA: Haben Sie alles verstanden was Sie gefragt wurden, sowohl von der Sprache als auch vom Verständnis her?

VP: Ja.

LA: Möchten Sie eine Ablichtung der Niederschrift?

VP: Ja

Anm.: Der Antragsteller wird über den weiteren Verlauf des Verfahrens aufgeklärt.

Anm.: Es wird rückübersetzt. VP wird aufgefordert genau aufzupassen und sofort bekannt zu geben, wenn etwas nicht korrekt sein sollte bzw. er noch etwas zu ergänzen hat.

LA: Wurde Ihre Einvernahme richtig und vollständig protokolliert?

VP: Nach erfolgter Rückübersetzung gebe ich an, dass alles richtig und vollständig ist und alles richtig wiedergegeben und auch rückübersetzt wurde.

...

-

Da das BFA auf Grund des bisherigen Verfahrensverlaufes beabsichtigte Ihren Antrag auf internationalen Schutz gemäß §68 Abs.1 AVG zurückzuweisen und Ihnen den faktischen Abschiebschutz aufzuheben, wurde Ihnen eine Verfahrensanordnung gem. §29 Abs.3 Z.4 und Z.6 AsylG gemeinsam mit den Länderinformationen zur russischen Föderation mit der Ladung zum Parteiengehör nachweislich am 24.06.2019 ausgefolgt.

B) Beweismittel - Sie brachten folgende Beweismittel in Vorlage:

SIe brachten im gegenständlichen Verfahren keine neuen Beweismittel in Vorlage

-

Von der Behörde wurden weiters zur Entscheidung herangezogen:

Ihre Erstbefragung bei der PI Fremdenpolizei Wels vom 04.06.2019,

Ihre Einvernahme zum gegenständlichen Verfahren am 19.06.2019,

Ihre heutige niederschriftliche Einvernahme,

Nationaler Reisepass der russ. Föderation Nr. 9603653579,

Zusage der russischen Botschaft zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates,

Zusammenstellung der Staatendokumentation zu Ihrem Herkunftsland,

Akteninhalt Ihrer Vorverfahren Zl. 1471729, Zl. 1760437, Zl. 2115068, Zl. 150280715, 180494806,

Erkenntnis des BVwG vom 10.01.2019 zum Ehemann XXXX , geb. XXXX

C) Feststellungen

Die Behörde gelangt daher zu folgenden Feststellungen:

-

zu Ihrer Person:

!! Identität, Alter, Gesundheit, Status, aufrechte RückkehrE od.

Ausweisung

Ihre Identität steht fest.

Sie sind volljährig.

Sie sind Staatsangehörige der russichen Föderation.

Sie leiden an keinen schweren, lebensbedrohenden Erkrankungen.

Sie verfügen über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung.

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zu Ihren Vorverfahren:

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.04.2012 wurde Ihr erster Asylantrag vom 27.03.2012 (Zl. 1471729) gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen. Es wurde festgestellt, dass für die Prüfung Ihres Antrages auf internationalen Schutz gemäß Dublin-Verordnung Polen zuständig ist und wurden Sie gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 iVm § 10 Abs. 4 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid vom 02.05.12 wurde vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 29.05.2012 gemäß §§ 5,10 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen und erwuchs am 30.05.2012 in 2. Instanz in Rechtskraft.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.03.2013 wurde Ihr zweiter Antrag vom 25.10.12 (Zl. 2115068) abgewiesen, Ihnen gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten und gemäß § 8 AsylG Abs. 1 Z. 1 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Ihren Herkunftsstaat Russland nicht zuerkannt und Sie wurden gem. § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

Dagegen brachten Sie fristgerecht Beschwerde ein. Ihre Beschwerde wurde vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 02.07.2013 in Anwendung des § 66 Abs. 4 AVG 1991, iVm § 61 AsylG 2005, § 3 Abs 1 und § 8 Abs 1 Z 1 sowie § 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005, als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis des Asylgerichtshofes erwuchs am 09.07.2013 in 2. Instanz in Rechtskraft.

Ihr dritter Asylantrag vom 29.11.2013 (Zl.1760437) wurde vom BFA, Regionaldirektion Vorarlberg am 14.06.2014 gem. § 68 Abs. 1 AVG 1991 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Sie haben gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben. Die Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes am 02.01.2015 gem. § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG, BGBL. Nr. 51, als unbegründet abgewiesen und wurde am 15.01.2015 in 2. Instanz rechtskräftig.

Am 18.03.2015 stellten Sie einen vierten Antrag (Zl. 150280715) auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des BFA vom 07.01.2016 gem. § 68 Abs. 1 AVG 1991 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Sie haben gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben. Mit Beschluss des BVwG vom 26.01.2016 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit Erkenntnis des BVwG vom 09.04.2018, wurde gem. § 68 Abs. 1 AVG, Ihre Beschwerde als unbegründet abgewiesen und erwuchs mit 11.04.2018 in 2. Instanz in Rechtskraft.

Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitel vom 28.05.2018 wurde mit Bescheid des BFA vom 26.03.2019 gem. §55 AsylG abgewiesen. Es wurde eine Rückkehrentscheidung gem. §10 Abs.3 AsyG iVm §9 BFA-VG erlassen und ein Abschiebung gem. §46 FPG in die russische Föderation als zulässig beurteilt. Mit dieser Rückkehrentscheidung wurde ein 3-jähriges Einreiseverbot gem. §53 Abs. 1 iVm Abs.2 Z.6 FPG erlassen. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gem. §18 Abs. 2 Z.1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Eine Frist gem. §55 Abs.4 FPG für die Ausreise wurde nicht gewährt.

Der Bescheid erwuchs mit 10.05.209 in Rechtskraft

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zu den Gründen für Ihren Antrag auf internationalen Schutz sowie zur voraussichtlichen Entscheidung im nunmehrigen Verfahren:

!! Gründe, die bei Erstantrag festgestellt wurden, Gründe, die wir nun für den Folgeantrag feststellen

Bei Ihrem 2. Asylantrag in Österreich führten Sie als Fluchtgrund an, dass Ihre Brüder in der Heimat Probleme gehabt hätten. Die beiden wären auch deswegen ausgereist. Ein Bruder würde in Frankreich leben und der andere Bruder in Wien.

Sie, Ihre Mutter und ein Bruder wären in der Heimat wegen der ausgereisten Brüder öfters befragt und auch bedroht worden. Deswegen wären Sie mir Ihrer Mutter und Ihrem Bruder dann ebenfalls ausgereist. 3 Schwestern wären in der Heimat geblieben und leben noch immer dort.

Sie führten weiter an, dass Sie mittlerweile in Österreich mit einem anerkannten Flüchtling verheiratet wären.

Auf die konkrete Frage, ob Ihre Fluchtgründe im gegenständlichen Verfahren dieselben wären, wie bei der inhaltlichen Prüfung Ihres 2. Asylantrags in Österreich, bestätigten sie das.

Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt hat sich daher seit Rechtskraft dieses Verfahrens nicht geändert.

In Ihrem Antrag auf Zuerkennung eine Aufenthaltstitels führten Sie an, dass die erste Ehe geschieden wurde und sie mit einem tschetschenischem Asylwerber in Österreich verheiratet wären. Wegen seiner Probleme in der Heimat hätten Sie auch Probleme in der Heimat. Diese Angaben waren nicht glaubhaft.

Auf die konkrete Frage, ob es in Ihrem Privat- und Familienleben seit der rechtskräftigen Entscheidung zu dem damaligen Antrag Änderungen gäbe, verneinten sie das.

Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt hat sich seit Rechtskraft dieses Verfahrens ebenfalls nicht geändert.

Ihr neuer Antrag auf internationalen Schutz wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

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zur Gefährdungssituation bei einer Abschiebung:

!! Art. 2,3 EMRK willkürl. Gewalt, internationaler oder innerstaatl. Konflikt?

Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände konnte nicht festgestellt werden, dass Ihre Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in die russiche Föderation eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

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zu Ihrem Privat- und Familienleben:

!! Ob sich etwas seit vorherigem Asylantrag geändert hat, Art 8 EMRK, ob er in Österreich Verwandte hat, ob inzwischen mehr integriert als vorher.

!! Ergebnis muss sein: alles unverändert!!!

Sie reisten gemeinsam mit Ihrer Mutter nach Österreich. Gegen Ihr Mutter gibt es, genauso wie bei Ihnen, eine aufrechte, rechtskräftige Rückkehrentscheidung vom Dezember 2018. Es ist daher auch bei Ihrer Mutter geplant, den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.

In Österreich befinden sich weiters Ihr Ehemann XXXX , geb. XXXX , StA. Russland, ebenfalls Asylwerber, und Ihr aufenthaltsberechtigter Bruder, XXXX , geb. XXXX, wohnhaft in Wien.

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zur Lage in Ihrem Herkunftsstaat:

!! Länderinfos der Staatendok

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

Der Inhalt dieser Kurzinformation wird mit heutigem Datum in das LIB Russische Föderation übernommen (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 18.4 Homosexuelle).

Ende 2018 kam es in Tschetschenien wieder zur Verhaftung von Homosexuellen. Laut Angaben des russischen LGBT-Netzwerkes wurden mindestens 40 Frauen und Männer inhaftiert, mindestens zwei sollen im Zuge von Folter getötet worden sein (LGBT Netzwerk 14.1.2019, vgl. Nowaja Gaseta 18.1.2019). Laut dem Leiter des LGBT-Netzwerkes, Igor Kotschetkow, kam es nicht nur zur physischen Bedrohung bis zur Inkaufnahme des Todes der Festgehaltenen, sondern die Sicherheitskräfte sollen auch versucht haben, die Frauen und Männer daran zu hindern, aus der Teilrepublik auszureisen oder vor Gericht zu ziehen (NZZ 18.1.2019, vgl. UN News 13.2.2019). Die Kampagne, deren Muster und auch der Ort der Inhaftierung, eine Anlage in der Stadt Argun, erinnern an eine erste Welle an Verhaftungen von tschetschenischen Homosexuellen vor zwei Jahren. Nach Einschätzung von Menschenrechtsaktivisten gingen die Einschüchterungen, Festnahmen und Gewalttaten gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender weiter. Im Frühsommer 2017 hatte das Ermittlungskomitee von höchster Stelle in Moskau aus wegen starken internationalen Drucks eine Untersuchung der schwerwiegenden Vorwürfe angeordnet. Diese brachte allerdings nie konkrete Resultate (NZZ 18.1.2019, vgl. Nowaja Gaseta 18.1.2019).

Quellen:

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Russisches LGBT-Netzwerk (14.1.2019): New wave of persecution against LGBT people in Chechnya: around 40 people detained, at least two killed,

https://lgbtnet.org/en/newseng/new-wave-persecution-against-lgbt-people-chechnya-around-40-people-detained-least-two-killed, Zugriff 28.2.2019

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Nowaja Gaseta (18.1.2019):

https://www.novayagazeta.ru/articles/2019/01/16/79205-legitimnye-zhertvy, Zugriff 28.2.2019

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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (18.1.2019): In Tschetschenien hat eine neue Welle der Verfolgung Homosexueller begonnen, https://www.nzz.ch/international/in-tschetschenien-hat-eine-neue-welle-der-verfolgung-homosexueller-begonnen-ld.1452401, Zugriff 28.2.2019

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UN News (13.2.2019): LGBT community in Chechnya faces 'new wave of persecution': UN human rights experts, https://news.un.org/en/story/2019/02/1032641, Zugriff 28.2.2019

Der Inhalt dieser Kurzinformation wird mit heutigem Datum in das LIB RUSS übernommen (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 16.3. Zeugen Jehovas).

Änderungen seit Mai 2018:

Erstens wurde weitere, die Zeugen Jehovas betreffende Literatur in die "Föderale Liste extremistischer Materialien" des Justizministeriums der RF

(http://minjust.ru/ru/extremist-materials?field_extremist_content_value) aufgenommen. Es handelt sich dabei um die Positionen 4471, 4472, 4485 bis 4488 und 4502, die aufgrund der Entscheidungen diverser russischer Gerichte am 5.7.2018 bzw. am 31.8.2018 in die Liste aufgenommen wurden. Zweitens wurde der Erlass N 11 "Über die gerichtliche Praxis in Strafsachen zu Verbrechen mit extremistischer Ausrichtung" des Plenums des Obersten Gerichts vom 28.6.2011 am 20.9.2018 novelliert, die Definition der Z 20 Abs. 2, was unter einer Teilnahme an einer extremistischen Organisation iSd Art. 282.2 russ. StGB zu verstehen ist, ist aber ebenso unverändert geblieben wie der Art. 282.2 russ. StGB ("Organisation der Tätigkeit einer extremistischen Organisation") selbst. Auch die Entscheidung des Obersten Gerichts der RF N AKPI 17-238 vom 20. April 2017, mit der das "Leitungszentrum der Zeugen Jehovas in Russland" als extremistische Organisation eingestuft und verboten wurde, ist unverändert gültig.

Unter dem Link http://gorod-che.ru/new/2018/10/10/58877 findet sich ein Artikel vom 10.10.2018, wonach fünf Bewohner der Kirowsker Oblast festgenommen wurden wegen des Versuches, die Tätigkeit einer religiösen Organisation, die die Glaubenslehre der Zeugen Jehovas weiterverbreitet, wieder aufzunehmen. Trotz der Verbotsentscheidung des Obersten Gerichts vom 20.4.2017 hätten die Festgenommenen laut Untersuchungskomitee - in voller Kenntnis der Gerichtsentscheidung - in der Zeit vom 16.8.2017 bis zum 29.9.2018 beschlossen, die religiöse Tätigkeit wieder aufzunehmen.

Unter Beachtung aller konspirativen Maßnahmen hätten sie jedes Mal in neuen Wohnungen Treffen von Jüngern und Teilnehmern der religiösen Vereinigung organisiert. Dort hätten sie biblische Lieder gesungen, die Fertigkeiten bei der Durchführung der missionarischen Tätigkeit vervollkommnet und in der Extremismus-Liste aufgeführte verbotene Literatur studiert (New World Translation of the Holy Scriptures, Nr. 4488 der Liste). Außerdem hätten sie eine verbotene religiöse Organisation finanziert, indem sie ca. 500.000 RUB von den Glaubensanhängern gesammelt hätten. Dieses Geld sei zwischen den Führern der Organisation für die Miete der Räumlichkeiten, für den Erwerb und die Wartung von Computern aufgewendet worden. Der Rest der Summe sei dem Leitungszentrum überwiesen worden.

Art. 282.3 des russ. StGB

(http://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_10699/51346ce1f845bc43ee6f3eadfa69f65119c941fa/) stellt die Finanzierung einer extremistischen Tätigkeit unter gerichtliche Strafe. Er lautet:

"Art. 282.3 Finanzierung einer extremistischen Tätigkeit

1. Die Zurverfügungstellung oder Sammlung von Mitteln oder die Erbringung finanzieller Dienstleistungen, wissentlich bestimmt für die Finanzierung der Organisation, der Vorbereitung und Begehung zumindest eines der Verbrechen extremistischer Ausrichtung oder für die Sicherstellung der Tätigkeit einer extremistischen Vereinigung oder extremistischen Organisation wird mit einer Geldstrafe in der Höhe von 300.000 bis 700.000 RUB bestraft oder in der Höhe des Arbeits- oder eines anderen Einkommens des Verurteilten für einen Zeitraum von 2 bis 4 Jahren oder mit Zwangsarbeiten für einen Zeitraum von 1 bis 4 Jahren mit dem Entzug des Rechts, bestimmte Positionen einzunehmen oder bestimmte Tätigkeiten auszuüben mit einer Frist bis zu 3 Jahren oder ohne einen solchen und mit einer Beschränkung der Freiheit mit einer Frist bis zu 1 Jahr oder mit Freiheitsstrafe von 3 bis 8 Jahren.

2. Diese Taten, begangen von einer Person unter Ausnutzung ihrer Amtsstellung wird mit einer Geldstrafe in der Höhe von 300.000 bis 700.000 RUB bestraft oder in der Höhe des Arbeits- oder eines anderen Einkommens des Verurteilten für einen Zeitraum von 2 bis 4 Jahren oder ohne eine solche oder mit Zwangsarbeiten für einen Zeitraum von 2 bis 5 Jahren mit dem Entzug des Rechts, bestimmte Positionen einzunehmen oder bestimmte Tätigkeiten auszuüben mit einer Frist bis zu 5 Jahren oder ohne einen solchen und mit einer Beschränkung der Freiheit mit einer Frist von 1 bis zu 2 Jahren oder mit Freiheitsstrafe von 5 bis 10 Jahren.

Anmerkung: Eine Person, die erstmals ein Verbrechen gemäß dieses Art. begangen hat, wird von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit frei, wenn sie mittels rechtzeitiger Benachrichtigung der Behörden oder auf andere Weise die Verhinderung des Verbrechens, das sie finanziert hat, sichergestellt hat, ebenso wenn sie die Verhinderung der Tätigkeit der extremistischen Gesellschaft oder der extremistischen Organisation sichergestellt hat, für deren Sicherstellung der Tätigkeit sie Mittel zur Verfügung gestellt oder gesammelt oder finanzielle Dienstleistungen erbracht hat, wenn in ihren Handlungen kein anderer Straftatbestand enthalten ist."

Teilnahmen an gemeinschaftlichen Zusammenkünften bzw. Missionierungen oder öffentlichen Handlungen (der Zeugen Jehovas) werden also von den russischen Behörden im Lichte der Verbotsentscheidung des Obersten Gerichts, des Auslegungserlasses und der Extremismus-Liste des russischen Justizministeriums im Rahmen der russischen Strafgesetze weiterhin verfolgt.

Eine nochmalige Internetrecherche der ÖB Moskau hat aber weiterhin keine Hinweise erbracht, dass einfache Gläubige der Zeugen Jehovas, die nicht an gemeinschaftlichen Zusammenkünften bzw. Missionierungen oder öffentlichen Handlungen teilnehmen,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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