Entscheidungsdatum
12.08.2019Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VStG §22Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Stemmer über die Beschwerde des AA, wohnhaft in Adresse 1, Z, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 24.05.2019, Zl ***, betreffend eine Übertretung nach dem Sicherheitspolizeigesetz,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, als dass die ausgesprochene Strafe in der Höhe von Euro 500,--, Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage, auf Euro 400,--, Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage, herabgesetzt wird. Zudem wird die vom Beschwerdeführer übertretene Norm im Spruch mit „§ 82 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz, BGBl Nr 566/1991 idF BGBl I Nr 61/2016“ konkretisiert.
2. Gemäß § 64 Abs 1 und 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) iVm § 38 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) werden die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens mit Euro 40,-- neu bestimmt.
3. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 24.05.2019, Zl ***, wurde dem Beschwerdeführer spruchgemäß folgender Sachverhalt zur Last gelegt:
„Datum/Zeit: 12.04.2019, 02:51 Uhr
Ort: Z, Adresse 1
Sie haben sich durch das unten beschriebene Verhalten trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzliche Aufgabe wahr nahm, aggressiv verhalten.
Sie haben konkret trotz vorausgegangener Abmahnung mit Ihren Händen vor dem Beamten wild gestikuliert und herumgefuchtelt, sodass die Amtshandlung immer wieder unterbrochen und in der Folge nicht mehr weitergeführt werden konnte.“
Dem Beschwerdeführer wurde eine Verletzung des § 82 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz (SPG), BGBl 566/91 idgF, vorgeworfen. Aufgrund dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 82 Abs 1 SPG eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 500,00, Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage, verhängt. Weiters wurde ein anteiliger Beitrag zu den Verfahrenskosten der Behörde in der Höhe von Euro 50,00 vorgeschrieben.
Dagegen hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin hat er auf seinen Einspruch vom 24.05.2019 gegen die Strafverfügung vom 10.05.2019 verwiesen, in welchem er das ihm vorgeworfene Verhalten eingestanden hatte. Weiter hat er ausgeführt, dass ein Fall der Doppelbestrafung vorliege, weil er für dieses Verhalten bereits vom Magistrat bestraft worden sei.
Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsicht in den verwaltungsbehördlichen Strafakt sowie den Akt des Landesverwaltungsgerichtes Tirol. Von der Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs 3 Z 1 und 3 VwGVG abgesehen werden. Der Beschwerdeführer wurde in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides explizit darauf hingewiesen, dass in der Beschwerde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht beantragt werden kann; er hat keinen diesbezüglichen Antrag gestellt. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer den Sachverhalt, insbesondere das ihm vorgeworfene Verhalten, außer Streit gestellt und war mit dem Vorwurf der Doppelbestrafung lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet worden.
II. Sachverhalt:
Am 12.04.2019 um 02:28 Uhr wurde die Streife BB *** wegen Lärmbelästigung durch Musik zu einem Einsatz in die Adresse 1, Z, gerufen. Die Beamten nahmen bereits vor dem Wohngebäude laute Musik wahr und konnten diese der Wohnung des Beschwerdeführers zuordnen. Nachdem die Beamten mehrere Minuten vergeblich versucht hatten, den Beschwerdeführer durch Klopfen auf sich aufmerksam zu machen und aufgrund einer möglichen Konfrontation mit dem sich in der Wohnung befindlichen Hund den Einsatz von Pfefferspray angedroht hatten, öffnete der Beschwerdeführer um 02:49 Uhr seine Wohnungstür und begann sogleich, die Beamten anzuschreien und bezeichnete diese als „Hilfsscheriff und Dodel“. Anschließend gestikulierte er wild mit seinen Händen vor dem Beamten mit der Dienstnummer *** und fuchtelte herum. Aufgrunddessen musste die Amtshandlung immer wieder unterbrochen werden. Den Beamten gelang es trotz Abmahnungen nicht, den immer aggressiver werdenden Beschwerdeführer zu beruhigen. Die Amtshandlung wurde daher in weiterer Folge abgebrochen.
Der Stadtmagistrat Z, Abteilung Verkehrs- und Sicherheitsstrafen, erlies aufgrund dieses Vorfalles gegen den Beschwerdeführer am 16.04.2019 drei Strafverfügungen, die bis dato nicht rechtskräftig sind:
? Mit der Strafverfügung Zl ***, wurde wegen der Lärmbelästigung durch Tonwiedergabegeräte über der zulässigen Zimmerlautstärke entgegen § 4 Abs 2 der Verordnung zur Lärmbekämpfung im Bereiche der Landeshauptstadt Z gemäß § 4 Abs 1 Tiroler Landespolizeigesetz (TLPG) eine Geldstrafe in Höhe von Euro 200,00, Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage verhängt.
? Mit der Strafverfügung Zl *** wurde wegen der Lärmbelästigung durch lautstarkes Schreien entgegen § 1 Abs 1 TLPG gemäß § 4 Abs 1 TLPG eine Geldstrafe in Höhe von Euro 300,00, Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage, verhängt.
? Mit der Strafverfügung Zl *** wurde wegen Ehrenkränkung durch den Ausspruch „Du Hilfsscheriff und Dodel“ entgegen § 20 lit c TLPG gemäß § 21 Abs 1 TLPG eine Geldstrafe von Euro 100,00, Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage, verhängt.
Am 10.05.2019 erließ die belangte Behörde eine Strafverfügung wegen des aggressiven Verhaltens gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht gemäß § 82 Abs 1 SPG und verhängte eine Geldstrafe von Euro 500,00, Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage. Dagegen hat der Beschwerdeführer fristgerecht Einspruch wie folgt erhoben: „Die Beamten haben mich damals aufgeweckt. Es stimmt, dass ich vor dem Gesicht des BB-Beamten gestikuliert und auch geschrien habe.“ In der Folge erließ die belangte Behörde das nunmehr verfahrensgegenständliche Straferkenntnis.
III. Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt stützt sich auf die dem Landesverwaltungsgericht vorliegende Aktenlage und ist im Wesentlichen unstrittig. Insbesondere hat der Beschwerdeführer wie festgestellt in seinem Einspruch vom 24.05.2019 eingeräumt, vor dem Gesicht des BB-Beamten gestikuliert und auch geschrien zu haben. In der Beschwerde gegen das Straferkenntnis hat er erneut auf diese Aussage verwiesen. Für das Landesverwaltungsgericht sind daher keine Bedenken entstanden, die Aktenlage der Entscheidung zugrunde zu legen.
IV. Rechtslage:
Die verfahrensgegenständlich relevante Bestimmung des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl Nr 566/1991 idF BGBl I Nr 61/2016, lautet wie folgt:
§ 82.
Aggressives Verhalten gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber militärischen Organen im Wachdienst
(1) Wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einem militärischen Organ im Wachdienst, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 500 Euro zu bestrafen. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden.
(2) Eine Bestrafung nach Abs. 1 schließt eine Bestrafung wegen derselben Tat nach § 81 aus.
Die verfahrenswesentliche Vorschrift des Verwaltungsstrafgesetzes lautet wie folgt:
Die relevanten Bestimmungen des Tiroler Landes-Polizeigesetzes (TLPG) lauten wie folgt:
1. Abschnitt
Schutz vor Störungen durch Lärm
§ 1
Verbot
(1) Es ist verboten, ungebührlicherweise störenden Lärm zu erregen.
(2) Soweit dadurch ungebührlicherweise störender Lärm erregt wird, ist insbesondere verboten:
a) auf Verkehrsflächen, die nicht Straßen mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs 1 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 39/2013, sind,
1. das Laufenlassen von Kraftfahrzeugmotoren bei stehendem Fahrzeug,
2. das Schließen von Fahrzeugtüren,
3. die Abgabe von Schallzeichen mittels Hupe;
b) das Befahren von Toreinfahrten, Hausvorplätzen und Höfen von Wohnhäusern, soweit es sich hiebei nicht um Straßen mit öffentlichem Verkehr handelt, mit Motorrädern und Motorfahrrädern bei laufendem Motor;
c) das Öffnen und Schließen von Türen und Rolläden;
d) die Benützung von Rundfunk- und Fernsehgeräten, Lautsprechern und Tonwiedergabegeräten.
§ 2
Verordnungsermächtigung
Die Gemeinde kann, soweit dies nach den örtlichen Gegebenheiten zur Abwehr ungebührlicherweise hervorgerufenen störenden Lärmes erforderlich ist, durch Verordnung zeitliche und örtliche Beschränkungen
a) für die Verwendung oder den Betrieb von
1. Garten- und sonstigen Arbeitsgeräten,
2. Schnee-Erzeugungsgeräten,
3. Modellflugkörpern,
4. Rundfunk- und Fernsehgeräten, Lautsprechern und Tonwiedergabegeräten;
b) für das Klopfen von Teppichen, Decken, Matratzen u.dgl. sowie für die Ausführung anderer Haus- und Gartenarbeiten festlegen.
§ 4
Strafbestimmung
(1) Wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt (§ 1), insbesondere einer Verordnung nach § 2, zuwiderhandelt, begeht, sofern die Tat nicht nach einer anderen Rechtsvorschrift strafbar ist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 1.450,- Euro zu bestrafen.
(2) Bei Vorliegen von erschwerenden Umständen kann der Verfall der zur Begehung der Tat verwendeten Gegenstände ausgesprochen werden, wenn diese Gegenstände dem Täter oder einem Mitschuldigen gehören.
6. Abschnitt
Schutz der Ehre
§ 20
Ehrenkränkungen
Eine Ehrenkränkung begeht, wer vorsätzlich
a) einen anderen einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung zeiht oder eines unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen;
b) einem anderen eine gerichtlich strafbare Handlung vorwirft, für welche die Strafe schon vollzogen oder wenn auch nur bedingt nachgesehen oder nachgelassen oder für die der Ausspruch der Strafe vorläufig aufgeschoben worden ist;
c) einen anderen beschimpft, verspottet, am Körper mißhandelt oder mit einer körperlichen Mißhandlung bedroht.
§ 21
Strafbestimmung
(1) Ehrenkränkungen sind als Verwaltungsübertretungen mit einer Geldstrafe bis zu 215,- Euro zu bestrafen.
(2) Ehrenkränkungen sind nur zu verfolgen und zu bestrafen, wenn der Verletzte binnen sechs Wochen von dem Zeitpunkt an, in dem er von der Übertretung und der Person des Täters Kenntnis erlangt hat, bei der zuständigen Behörde einen Strafantrag stellt.
(3) § 56 Abs. 2, 3 und 4 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991, BGBl. Nr. 52, ist anzuwenden.
Die verfahrensgegenständlich relevanten Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl Nr 52/1991 idF BGBl I Nr 33/2013 bzw BGBl I Nr 57/2018, lauten wie folgt:
Zusammentreffen von strafbaren Handlungen
§ 22.
(1) Soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, ist eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.
(2) Hat jemand durch mehrere selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen, so sind die Strafen nebeneinander zu verhängen. Dasselbe gilt bei einem Zusammentreffen von Verwaltungsübertretungen mit anderen von einer Verwaltungsbehörde zu ahndenden strafbaren Handlungen.
Zusammentreffen verschiedener strafbarer Handlungen
§ 30.
(1) Liegen einem Beschuldigten von verschiedenen Behörden zu ahndende Verwaltungsübertretungen oder eine Verwaltungsübertretung und eine andere von einer Verwaltungsbehörde oder einem Gericht zu ahndende strafbare Handlung zur Last, so sind die strafbaren Handlungen unabhängig voneinander zu verfolgen, und zwar in der Regel auch dann, wenn die strafbaren Handlungen durch ein und dieselbe Tat begangen worden sind.
(2) Ist aber eine Tat von den Behörden nur zu ahnden, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, und ist es zweifelhaft, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, so hat die Behörde das Strafverfahren auszusetzen, bis über diese Frage von der sonst in Betracht kommenden Verwaltungsbehörde oder vom Gericht rechtskräftig entschieden ist.
(3) Hat die Behörde vor dieser Entscheidung ein Straferkenntnis erlassen, so darf es vorläufig nicht vollstreckt werden. Ergibt sich später, daß das Verwaltungsstrafverfahren nicht hätte durchgeführt werden sollen, so hat die Behörde das Straferkenntnis außer Kraft zu setzen und das Verfahren einzustellen.
(4) Die Gerichte und die sonst in Betracht kommenden Verwaltungsbehörden haben eine entgegen Abs. 3 vollstreckte Verwaltungsstrafe auf die von ihnen wegen derselben Tat verhängte Strafe anzurechnen.
V. Erwägungen:
Der Beschwerdeführer hat sowohl in seinem Einspruch als auch in seiner Beschwerde eingeräumt, das ihm vorgeworfene Verhalten gesetzt zu haben und vor dem Gesicht des BB-Beamten gestikuliert und auch geschrien zu haben.
Nach § 82 Abs 1 SPG macht sich strafbar, wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzlichen Aufgaben wahrnimmt, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert. Unter aggressivem Verhalten wird dabei sowohl aggressive Gestik als auch bereits das lautstarke Schreien mit einem Aufsichtsorgan, sofern nach erfolgter Abmahnung das Verhalten fortgesetzt wird, verstanden (vgl Hauer/Keplinger, SPG Kommentar, 4. Aufl, 2011, Anm 5.1.2 zu § 82 SPG mwH). Aus obigen Sachverhaltsfeststellungen geht zweifelsfrei hervor, dass der Beschwerdeführer sich aggressiv verhalten hat – konkret geschrien und vor dem Gesicht des Beamten wild gestikuliert hat. Er hat sein Verhalten auch trotz Abmahnung nicht eingestellt. Durch das beschriebene aggressive Verhalten des Beschwerdeführers wurde die Amtshandlung behindert und schließlich sogar vollständig vereitelt (vgl VwGH 25.09.2018, Ra 2018/01/0291). Es wurde daher der objektive Tatbestand des § 82 Abs 1 SPG verwirklicht.
Bei der Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs 1 SPG handelt es sich um ein sogenanntes Erfolgsdelikt (vgl zur Vorgängerbestimmung ergangene Rechtsprechung des VwGH 04.11.1996, 91/10/0248), sodass gemäß § 5 Abs 1 erster Satz VStG dem Täter nicht nur die Erfüllung des objektiven Tatbestandes, sondern auch das Verschulden nachzuweisen ist. Bei dem festgestellten Verhalten des Beschwerdeführers steht für das Landesverwaltungsgericht Tirol außer Zweifel, dass dem Beschwerdeführer Vorsatz anzulasten ist. So wurde er abgemahnt bzw versucht zu beruhigen. Der Beschwerdeführer hat sich dennoch weiterhin aggressiv gegenüber dem Meldungsleger verhalten, wofür keine Rechtfertigung ersichtlich ist. Er hat somit das ihm vorgeworfene Delikt auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.
Der Beschwerdeführet hat in seiner Beschwerde die Verwirklichung des Tatbestandes des § 82 Abs 1 SPG auch nicht bestritten, sondern vielmehr vorgebracht, dass eine unzulässige Doppelbestrafung vorliege, da er diesbezüglich bereits vom Magistrat bestraft worden sei.
Gemäß § 22 Abs 2 VStG gilt: „Hat jemand durch mehrere selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen, so sind die Strafen nebeneinander zu verhängen. Dasselbe gilt bei einem Zusammentreffen von Verwaltungsübertretungen mit anderen von einer Verwaltungsbehörde zu ahndenden strafbaren Handlungen.“ Gemäß § 30 Abs 1 VStG – der mit Zusammentreffen verschiedener strafbarer Handlungen umschrieben ist – gilt: „Liegen einem Beschuldigten von verschiedenen Behörden zu ahndende Verwaltungsübertretungen oder eine Verwaltungsübertretung und eine andere von einer Verwaltungsbehörde oder einem Gericht zu ahndende strafbare Handlung zur Last, so sind die strafbaren Handlungen unabhängig voneinander zu verfolgen, und zwar in der Regel auch dann, wenn die strafbaren Handlungen durch ein und dieselbe Tat begangen worden sind.“ Beide Bestimmungen stehen in einem engen Sachbezug zum sog „Doppelbestrafungsverbot“. Nach dem gegenwärtigen Stand der verfassungsrechtlichen/konventionsrechtlichen Prozessgarantien bestehen keine Schranken gegenüber einer gleichzeitigen Mehrfachverfolgung im Sinne einer parallelen Strafverfolgung durch unterschiedliche Behörden. Bezugspunkt aller diesbezüglichen Verbürgungen ist (erst) die bestandskräftige Erledigung eines Strafverfahrens; es gilt das Verbot neuerlicher Strafverfolgung und Bestrafung in derselben Sache nach deren rechtskräftiger Entscheidung („ne bis in idem“). Diese Unwiederholbarkeit ergibt sich zunächst schon rein prozessual auf einfachgesetzlicher Ebene nach den allgemeinen Regeln („entschiedene Sache“). Sie ist aber auch mehrfach abgesichert; und zwar in Bezug auf „strafrechtliche Anklagen“ (iwS des Art 6 EMRK) desselben Staats durch Art 4 des 7. ZPMRK, sowie – staatenübergreifend – durch Art 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens. Beide Garantien enthalten ein Verbot neuerlicher Verfolgung und Bestrafung in Bezug auf den bereits rechtskräftig erledigten Sachverhalt. Nunmehr statuiert auch Art 50 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ein unionsrechtliches Doppelbestrafungsverbot. (vgl Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 30 Rz 2, Stand 1.5.2017)
In Lehre und Rechtsprechung äußerst umstritten ist die Reichweite des Art 4 7. ZPMRK. Die Rechtsprechung des EGMR hat sich in Richtung eines primär prozessualen Verständnisses des Doppelbestrafungsverbots entwickelt. Danach erfasst die Sperrwirkung einer bestandskräftigen Erledigung den gesamten ihr zugrundeliegenden Lebenssachverhalt und nicht nur die für den konkret angewendeten Straftatbestand subsumptionsrelevanten Tatsachen (Vergleiche idS EGMR (GK) 10. 2. 2009, 14939/03, Zolotukhin: Sperrwirkung, soweit eine nachträgliche Anklage oder Verurteilung „auf identen Tatsachen oder auf Tatsachen beruht, die im Wesentlichen dieselben sind“ (Urteil Rz 82)). Die österreichischen Höchstgerichte haben demgegenüber Art 4 7. ZPMRK in ihrer überkommenen Rechtsprechung – auch und primär – unter materiell-rechtlichen Gerechtigkeitsanforderungen gesehen und eine mehrfache Bestrafung des Beschuldigten für denselben Sachverhalt im Lichte unterschiedlicher normativer Beurteilungsgesichtspunkte für zulässig erachtet. IdS soll eine Erstverurteilung nur dann Sperrwirkung entfalten, wenn sie den Gesamtunwert einer Tat ausschöpft; ist dies nicht der Fall, so dürfen weitere Verfolgungen und Verurteilungen – jeweils unter anderen normativen Gesichtspunkten – so lange erfolgen, bis letztlich der materiell-rechtliche Gesamtunwert der Tat abgedeckt ist. Eine solche Sichtweise vermengt indes den prozessualen Charakter des Doppelbestrafungsverbots iSd Art 4 7. ZPMRK mit den verfassungsrechtlichen Garantien gegenüber einer ungerechtfertigten Strafenkumulierung nach den Regeln des Exzessverbots. Insbesonders gewährt diese Auslegung gerade in Fällen echter Idealkonkurrenz – also dann, wenn die Beurteilung nach einem Tatbestand definitionsgemäß nicht den Gesamtunwert desselben Handlungskomplexes ausschöpft – keinerlei Schutz gegen Doppelverfolgungen (dazu Lewisch in WK StPO Vor §§ 352 – 363 Rz 112 – 114). Die Rsp des VfGH folgt – ungeachtet der deutlich gegengerichteten Judikatur des EGMR – weiterhin ihrer bisherigen materiell-rechtlich orientierten Linie (vgl zB VfGH 2. 7. 2009, B 559/08). Die Rsp des VwGH ist stärker im Fluss (etwa VwGH 24. 2. 2011, 2007/09/0361 und 15. 4. 2016, Ra 2015/02/0226) und scheint sich nunmehr – bei teilweise immer noch fortwirkender Berücksichtigung auch materiell-rechtlicher Gesichtspunkte – mehr iS eines prozessualen Verständnisses iSv Zolotukhin zu verfestigen; zuletzt ausdrücklich idS VwGH 13. 9. 2016, Ra 2016/03/0083: ist „iSd gefestigten Rechtsprechung allein auf die Fakten abzustellen und nicht auf die rechtliche Qualifikation derselben; eine neuerliche Strafverfolgung ist dann unzulässig, wenn sie sich auf denselben oder zumindest im Wesentlichen denselben Sachverhalt bezieht“ (Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 30 Rz 3f, Stand 1.5.2017).
Unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und des Verwaltungsgerichtshofes liegt „dieselbe Sache“ iSd einer Doppelbestrafung somit dann vor, wenn sie sich auf idente Tatsachen oder auf Tatsachen, die im Wesentlichen dieselben sind, bezieht. Es ist daher vom Landesverwaltungsgericht Tirol im Gegenstandsfall zu prüfen, ob die verfahrensgegenständlich vorgeworfene Verwaltungsübertretung des aggressiven Verhaltens gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht nach § 82 SPG auf denselben Tatsachen beruht wie die von der Stadt Z verfolgten Verwaltungsübertretungen der Lärmbelästigungen des § 1 bzw § 4 TLPG und der Ehrenkränkung des § 20 TLPG. Dem gegenständlichen Strafverfahren liegt der festgestellte Sachverhalt zu Grunde, dass der Beschwerdeführer durch sein aggressives Verhalten – konkret dem spruchgemäß vorgeworfenen wilden Gestikulieren mit den Händen vor dem Beamten – eine Amtshandlung zunächst behindert und in der Folge vereitelt hat. Demgegenüber werden mit den Strafverfügungen der Stadt Z betreffend die Lärmerregung nach dem Tiroler Landes-Polizeigesetz zwei davon verschiedene Sachverhalte verfolgt, nämlich zum einen das laute Abspielen von Musik und zum anderen das laute Herumschreien. Auch die von Seiten der Stadt Z verfolgte Ehrenbeleidigung betrifft eine andere Tatsache, nämlich die Verwendung der Begriffe „Hilfssheriff und Dodel“. Somit liegen diesen Strafverfahren unterschiedliche Tatsachen zugrunde, sodass iSd der obigen Ausführungen nicht von einer unzulässigen Doppelbestrafung auszugehen ist. Nur der Vollständigkeit ist anzuführen, dass die Strafverfügungen des Stadtmagistrates Z zudem noch nicht in Rechtskraft erwachsen sind. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, es liege eine unzulässige Doppelbestrafung vor, erweist sich somit als nicht zutreffend und erfolgte die Bestrafung dem Grunde nach zu Recht.
Zur Strafbemessung:
Wer sich gemäß § 82 Abs 1 SPG trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einem militärischen Organ im Wachdienst, während diese ihre gesetzliche Aufnahmen wahrnehmen, aggressiv verhält, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu Euro 500,00 zu bestrafen.
Nach § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Nach § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.
Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer hat angegeben, über ein monatliches Nettoeinkommen von ca. Euro 600,00 zu verfügen, kein weiteres Vermögen und keine Sorgepflichten zu haben. Unter diesen Voraussetzungen ist von einem unterdurchschnittlichen Einkommen auszugehen.
Mildernd war im vorliegenden Fall nichts zu berücksichtigen, erschwerend waren 11 Vormerkungen, wovon vier einschlägig sind, zu werten, sowie die Tatsache, dass durch das Verhalten des Beschwerdeführers die Amtshandlung nicht nur behindert sondern sogar vollständig vereitelt wurde.
Die belangte Behörde hat im gegenständlichen Fall eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 500,00 verhängt und damit den Strafrahmen voll ausgeschöpft. In Anbetracht der unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse war die Strafe nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes zu hoch bemessen, weshalb eine Herabsetzung der Geldstrafe auf Euro 400,--, Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage, vorgenommen wurde. Dies scheint auch vor dem Hintergrund der bereits vierfachen einschlägigen Vormerkungen sowie der Tatsache, dass für die letzte relevante Übertretung des § 82 Abs 1 SPG Euro 350,-- Geldstrafe, Ersatzfreiheitsstrafe 9 Tage, verhängt wurde, angemessen.
Aufgrund der Herabsetzung der Strafe ist es erforderlich, die Kosten des Behördenverfahrens neu festzusetzen. Gemäß § 64 Abs 2 VStG ist der Beitrag zu den Kosten erster Instanz mit 10% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit Euro 10,00 zu bemessen. Der vom Beschwerdeführer zu leistende Kostenbeitrag für das Behördenverfahren beträgt somit im gegenständlichen Fall Euro 40,00.
Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Hinweis:
Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr.in Stemmer
(Richterin)
Schlagworte
Doppelbestrafung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2019.45.1232.2Zuletzt aktualisiert am
28.08.2019