TE Lvwg Erkenntnis 2019/8/20 LVwG-AV-1367/001-2018

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.08.2019
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Entscheidungsdatum

20.08.2019

Norm

NAG 2005 §2 Abs1
NAG 2005 §8 Abs1 Z2
NAG 2005 §46 Abs1 Z2 litc
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §35 Abs5

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Dr. Köchle als Einzelrichterin über die Beschwerde der A, Geburtsdatum: ***, StA. Afghanistan, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 12. November 2018, Zl. ***, betreffend Abweisung des Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Z 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 lit. c iVm § 8 Abs. 1 Z 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Verfahrensgegenstand:

1.1. Mit dem vorliegend in Beschwerde gezogenen Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich (im Folgenden: belangte Behörde) vom 12. November 2018, Zl. ***, wurde der am 13.08.2018 persönlich bei der österreichischen Botschaft in Teheran, Islamische Republik Iran, gestellte Antrag von Frau A, einer im Iran lebenden afghanischen Staatsangehörigen (im Folgenden: Beschwerdeführerin) auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ abgewiesen.

Die Abweisung wurde auf § 46 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 9 NAG gestützt und auf das Wesentliche zusammengefasst damit begründet, die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels sei nicht möglich, weil die Beschwerdeführerin nicht als „Familienangehörige“ von Herrn C (im Folgenden: Bezugsperson), der im Antrag als Ehemann der Beschwerdeführerin angegeben wurde, angesehen werden könne.

Dies deshalb, weil davon auszugehen sei, dass es sich bei der im Iran am 01.12.2010 traditionell-religiös geschlossenen und am 08.03.2016 bei der afghanischen Botschaft im Iran registrierten Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson um eine ordre public-widrige sogenannte „Stellvertreter-Ehe“ handle, da die Registrierung der Ehe am 08.03.2016 und somit zu einen Zeitpunkt erfolgt sei, zu dem die seit April 2012 in Österreich lebende asylberechtigte Bezugsperson bereits in Österreich aufhältig gewesen sei und somit bei der nach der Ortsform für die Gültigkeit der Eheschließung erforderlichen Registrierung der Ehe nicht persönlich habe anwesend sein können.

Zu diesem Ergebnis sei auch das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in seinem (– im Verfahren über den vor dem gegenständlichen Antrag nach dem NAG gestellten Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Einreisetitels gem. § 35 AsylG ergangenen –) Erkenntnis vom 06.09.2018, GZ ***, gekommen.

1.2. Mit der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen, ausführlich begründeten Beschwerde wird die Erteilung des Aufenthaltstitels an die Beschwerdeführerin beantragt und vorgebracht, der in Beschwerde gezogene Bescheid sei inhaltlich rechtswidrig und mit Verfahrensmängeln, insbesondere dadurch, dass der Beschwerdeführerin kein rechtliches Gehör gewährt worden sei, belastet.

Das zentrale inhaltliche Vorbringen der Beschwerde besteht – neben dem Vorbringen, dass die Beschwerdeführerin auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen erfülle – darin, dass mit näherer Begründung ausgeführt wird, die Beschwerdeführerin erfülle die Familienangehörigeneigenschaft iSd NAG, da es sich bei der zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson geschlossenen Ehe entgegen der Annahme der Behörde sehr wohl um eine nach dem nach dem Beschwerdevorbringen primär maßgeblichen afghanischem Recht rechtsgültige Ehe handle, deren Anerkennung in Österreich der ordre public nicht entgegenstehe, zumal die Bezugsperson entgegen der Annahme der Behörde sowohl bei der traditionellen Eheschließung im Jahr 2010 als auch bei der nachträglichen Registrierung der Ehe im Jahr 2016 anwesend gewesen sei. Auch entfalte die über den Antrag der Beschwerdeführerin gestellten Antrag nach § 35 AsylG ergangene Entscheidung des BVwG keine Bindungswirkung für das vorliegende Verfahren nach dem NAG.

1.3. Nach Durchführung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zwischen den Verfahrensparteien strittig sind insbesondere die Frage nach der Rechtsgültigkeit und Anerkennung der zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson geschlossenen Ehe und die Frage nach dem Verhältnis zwischen den Verfahren nach § 35 AsylG einer- und § 46 Abs. 1 Z 2 lit. c NAG andererseits.

2.    Verfahrensgang:

2.1. Verwaltungsbehördliches Verfahren:

2.1.1. Die Beschwerdeführerin, eine im Iran lebende afghanische Staatsangehörige, stellte am 13.08.2018 persönlich bei der österreichischen Botschaft in Teheran, Iran, einen Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“. Als Bezugsperson wird im Antrag Herr C, ein am *** geborener Staatsangehöriger Afghanistans, dem mit Erkenntnis des BVwG vom 26.09.2014, Zl. ***, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde, und der im Antrag als Ehemann der Beschwerdeführerin bezeichnet wird, angeführt.

Dem Antrag war ein Konvolut an Unterlagen beigelegt. Neben Kopien des Reisepasses und der Geburtsurkunde (samt Übersetzung) der Beschwerdeführerin, dem in Österreich ausgestellten Konventionsreisepass der Bezugsperson und einer Reihe an Unterlagen betreffend die Wohnsituation sowie die berufliche und finanzielle Situation der Bezugsperson waren dem Antrag insbesondere (jeweils mit Übersetzung) eine „Bestätigung“ des islamischen Rates der Moschee der ***, wonach D am 01.12.2010 die Eheschließung zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson vorgenommen habe und die Eheworte nach der Sitte des Propheten gesprochen habe (samt Übersetzung), weiters eine von der afghanischen Botschaft in Teheran am 08.03.2016 ausgestellte Heiratsurkunde mit der Nr. ***, worin als Datum der Eheschließung der 01.12.2010 angegeben ist, die die Fingerabdrücke sowohl der Beschwerdeführerin als auch der Bezugsperson aufweist und in der festgehalten ist, dass zwei namentlich genannte Zeugen die Eheleute bei der Eheschließung gesehen und die Erklärungen der Eheleute gehört hätten, und eine Bestätigung der afghanische Botschaft im Iran, dass die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Ausstellung eines Führungszeugnisses in Teheran gestellt habe, beigelegt.

2.1.2. Nach erteiltem Verbesserungsauftrag durch die österreichische Botschaft in Teheran vom 14.08.2018 wurde seitens der Beschwerdeführerin mit Eingabe ihres anwaltlichen Vertreters vom 16.08.2018 eine Reihe an Unterlagen (zT erneut und mit Erläuterungen) vorgelegt.

2.1.3. In der Folge wurden der Antrag der Beschwerdeführerin sowie die seitens der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen an die belangte Behörde weitergeleitet, wo der Antrag, dem bereits im Zeitpunkt der Antragstellung ein Quotenplatz zugewiesen werden konnte, am 12.09.2018 einlangte.

2.1.4. Die Behörde führte in der Folge Register-Abfragen (insbesondere im Zentralen Fremdenregister) durch und wurden der Behörde am 08.11.2018 auf deren entsprechende Anfragen hin durch die Österreichische Botschaft in Teheran aus dem Akt betreffend das Verfahren über den durch die Beschwerdeführerin am 30.10.2016 gestellten Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gem. § 35 AslyG stammende Unterlagen übermittelt.

Konkret befinden sich im verwaltungsbehördlichen Akt (jeweils in Kopie).

-    Die Mitteilung des BFA gem. § 35 Abs. 4 AsylG 2005 vom 31.01.2017 inklusive Stellungnahme des BFA vom 31.01.2017

-    die seitens der Beschwerdeführerin im Verfahren über ihren Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gem. § 35 AsylG abgegebene Stellungnahme vom 20.02.2017 samt Beilagen (nämlich die Vertretungsvollmacht, eine Kopie des Reisepasses der Beschwerdeführerin, eine Kopie der Geburtsurkunde der Beschwerdeführerin, eine Kopie der Heiratsurkunde, eine Kopie des Konventionspasses und des Meldezettels der Bezugsperson, ein Hochzeitsfoto, eine Kopie des Bescheides des BFA vom 18.04.2012, Zl. *** betreffend den Antrag auf Internationalen Schutz der Bezugsperson und eine Kopie des Erkenntnisses des BVwG vom 26.09.2014, Zl. ***, mit dem der Bezugsperson der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde)

-    Bescheid der österreichischen Botschaft in Teheran vom 06.03.2017, Zl. *** mit dem deren Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gem. § 35 AsylG in erster Instanz abgewiesen wurde

-     Erkenntnis des BVwG vom 06.09.2018, Zl. ***, mit dem die gegen den den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Einreisetitels gem § 25 AsylG abweisenden Bescheid der österreichischen Botschaft in Teheran vom 06.03.2017, Zl.  ***, erhobene Beschwerde abgewiesen wurde.

2.1.5. Nachdem der Behörde am 08.11.2018 seitens des BVwG telefonisch bestätigt worden war, dass das Erkenntnis des BVwG vom 06.09.2018, Zl. *** (– mit dem die gegen den den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Einreisetitels gem § 25 AsylG abweisenden Bescheid der österreichischen Botschaft in Teheran vom 06.03.2017, Zl.  ***, erhobene Beschwerde abgewiesen worden war –), der Beschwerdeführerin am 18.09.2018 zugestellt worden sei, wies die Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 12.11.2018, Zl. ***, den verfahrensgegenständlichen Antrag der Beschwerdeführerin vom 13.08.2018 auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gestützt auf § 46 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 9 NAG ab.

2.2. Bescheidbegründung

In der Begründung des in Beschwerde gezogenen Bescheides vom 12.11.2018, Zl. ***, mit dem der verfahrensgegenständlicher Antrag der Beschwerdeführerin vom 13.08.2018 auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gestützt auf § 46 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 9 NAG abgewiesen wurde, wird auf das Wesentliche zusammengefasst ausgeführt, die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson könne in Österreich nicht als „legal geschlossene Ehe anerkannt“ werden, weshalb die Beschwerdeführerin nicht Familienangehörige der Bezugsperson sei und somit auch die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels mangels Familienangehörigeneigenschaft nicht möglich sei.

Im Einzelnen wird im in Beschwerde gezogenen Bescheid die Auffassung der Behörde, dass die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson nicht anzuerkennen sei, wie folgt begründet:

Im Zuge des Verfahrens sei zum Nachweis des Bestehens einer Ehe eine Heiratsurkunde vorgelegt worden, aus der hervorgehe, dass die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson am 01.12.2010 geschlossen und am 08.03.2016 registriert worden sei. Im Hinblick darauf, dass die Bezugsperson seit dem Jahr 2012 in Österreich aufhältig sei, sei die Registrierung der Ehe zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem die Bezugsperson bereits in Österreich gewesen sei und somit bei der Registrierung nicht habe anwesend sein können.

Nach der Rechtsprechung des BVwG und des Verwaltungsgerichtshofes stelle eine Stellvertreterehe bzw. eine „Ferntrauung“ einen Verstoß gegen den ordre public dar und sei daher nicht anzuerkennen.

Wenn – wie dies etwa in Syrien oder in Afghanistan der Fall sei – die Registrierung einer Eheschließung nach der Ortsform für die Gültigkeit der Ehe erforderlich sei, sei nach Auffassung der Behörde ein Verstoß gegen den ordre public auch dann anzunehmen, wenn der religiöse Akt der Eheschließung in Anwesenheit beider Ehepartner erfolgt, die nachfolgende Registrierung der Eheschließung aber durch Stellvertreter eines oder beider Eheleute erfolgt sei.

Da vorliegend die Eintragung bzw. Registrierung ausweislich der vorliegenden Unterlagen am 08.03.2016 erfolgt sei, die Bezugsperson aber bereits seit 2012 in Österreich aufhältig sei, habe diese bei der Registrierung nicht anwesend sein können. Es handle sich somit um eine Stellvertreterehe, die nicht anzuerkennen sei.

Zu diesem Ergebnis sei auch das BVwG in seinem Erkenntnis vom 06.09.2018 (mit der GZ ***) gekommen, das dem ausgewiesenen Vertreter der Beschwerdeführerin zugestellt worden sei, weshalb (im gegenständlichen Verfahren) von der Gewährung von Parteiengehör Abstand genommen werden habe können.

Da die Ehe „nicht als legal geschlossene Ehe anerkannt“ werde, sei die Beschwerdeführerin nicht Familienangehörige der Bezugsperson und sei die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels daher nicht möglich.

2.3. Beschwerdevorbringen und Beschwerdeergänzung:

2.3.1. Gegen diesen ihrem anwaltlichen Vertreter am 13.11.2019 zugestellten Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch Eingabe ihres anwaltlichen Vertreters vom 20.11.2018 fristgerecht Beschwerde.

In dieser wird mit näherer Begründung auf das Wesentliche zusammengefasst insbesondere vorgebracht, der Bescheid sei zum einen insbesondere durch die Nichteinräumung von Parteiengehör und durch die nicht von Amts wegen erfolgte Ermittlung des maßgeblichen ausländischen Rechts mit Verfahrensmängeln behaftet und zum anderen inhaltlich rechtswidrig, weil entgegen der Annahme der Behörde eine rechtsgültige Eheschließung vorliege, deren Anerkennung in Österreich auch der ordre public-Vorbehalt des § 6 IPRG nicht entgegenstehe, womit die Beschwerdeführerin Ehegattin und damit Familienangehörige der Bezugsperson sei, zumal auch die sonstigen Erteilungsvoraussetzungen nach dem NAG erfüllt seien.

2.3.2. Im Einzelnen wird in der Beschwerde zunächst zum Vorliegen einer rechtsgültigen, in Österreich anzuerkennenden Eheschließung vorgebracht, die Entscheidung des BVwG vom 06.09.2018, GZ ***, entfalte insofern keine Bindungswirkung für das vorliegende Verfahren über den Antrag nach dem NAG, als das BVwG das Vorliegen einer gültigen Ehe nur vorfrageweise zu beurteilen gehabt habe und zum anderen der Verfahrensgegenstand ein anderer gewesen sei, da im Verfahren vor dem BVwG die Angehörigeneigenschaft gem. § 35 Abs. 5 AsylG, vorliegend jedoch die Angehörigeneigenschaft iSd § 2 Abs. 1 Z 9 NAG jeweils vorfragweise zu beurteilen sei. Im Beschwerdeverfahren über die Abweisung eines Einreiseantrages gem. § 35 AsylG bestehe gem. § 11a Abs. 2 FPG und § 22b Abs. 2 BFA-VG ein Neuerungsverbot und habe die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zu ergehen. Daher habe insbesondere die nach dem Beschwerdevorbringen unrichtige Tatsachenfeststellung, wonach die Bezugsperson bei der Registrierung der Ehe im Jahr 2016 nicht anwesend gewesen sei, im Verfahren über den Antrag nach § 35 AsylG nicht ausgeräumt werden können. Wäre der Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren (über ihren Antrag nach § 46 Abs. 1 Z 2 lit c NAG) die Gelegenheit dazu eingeräumt worden, hätte diese entsprechendes Vorbringen erstatten und Beweisanträge stellen könne, weshalb der Ausschluss des Parteiengehörs (im Verfahren über ihren Antrag nach § 46 Abs. 1 Z 2 lit c NAG) die Parteienrechte der Beschwerdeführerin verletze.

2.3.3. Weiters wird in der Beschwerde ausgeführt, die Behörde habe es rechtswidrig unterlassen, amtswegig das anzuwendende ausländische Recht zu ermitteln. Aufgrund des gemäß § 16 Abs. 2 IPRG primär heranzuziehenden Personalstatuts der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson, die beide afghanische Staatsangehörige seien und im maßgeblichen Zeitpunkt des (Ehe-)Vertragsabschlusses im Iran gelebt hätten, sei die Wirksamkeit der traditionell-muslimischen Eheschließung am Maßstab des afghanischen Rechts zu beurteilen. Das afghanische Zivilgesetzbuch sehe zwar die staatliche Registrierung von traditionell-muslimisch geschlossenen Ehen vor, von afghanischen Behörden werde aber die Rechtsgültigkeit eines vor einem islamischen Geistlichen erfolgten Abschlusses eines Ehevertrages nicht in Frage gestellt. Da somit die formellen aber auch die materiell-rechtlichen Eheschließungsvoraussetzungen nach dem afghanischen Recht erfüllt seien, bestehe bereits seit dem 01.12.2010 eine nach afghanischem Recht wirksame Ehe.

2.3.4. Weiter wird in der Beschwerde ausgeführt, der kollisionsrechtliche ordre public-Vorbehalt stünde einer Anerkennung der Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson selbst dann nicht entgegen, wenn – was in der Beschwerde unter Berufung auf mit der Beschwerde Beweis vorgelegte Unterlagen ausdrücklich bestrittenen wird – die Bezugsperson wie im in Beschwerde gezogenen Bescheid angenommen bei der Eheschließung nicht persönlich anwesend gewesen wäre, da die Vorbehaltsklausel „Stellvertreter-Ehen“ nicht in jedem Fall, sondern nur dann, wenn die Eheschließungsfreiheit nicht gewahrt werde, entgegenstehe.

Die kollisionsrechtliche Beurteilung von „Stellvertreter-Ehen“ könne vorliegend aber dahinstehen, da sich die Bezugsperson von 03.03.2016 bis zum 21.04.2016 im Iran aufgehalten habe und bei der Registrierung der Ehe am 08.03.2016 ebenso wie die Beschwerdeführerin persönlich anwesend gewesen sei. Aufgrund der 2010 erfolgten traditionellen Eheschließung und der 2016 erfolgten Registrierung liege eine wirksame Ehe der Beschwerdeführerin mit der in Österreich asylberechtigten Bezugsperson vor, die auch in Österreich anzuerkennen sei, da keine Stellvertreterehe vorliege und auch kein sonstiger Verstoß gegen den ordre public vorliege. Der in Beschwerde gezogene Bescheid sei somit rechtswidrig, da die Beschwerdeführerin als Ehegattin auch Familienangehörige iSd § 2 Abs. 1 Z 9 NAG sei.

2.3.5. Auch gelte – so das Beschwerdevorbringen weiter – § 34 Abs. 2 AsylG vorliegend nicht, weil sich die Beschwerdeführerin nicht in Österreich befinde. Auch sei kein Ehegattennachzug nach § 35 AsylG möglich, weil das BVwG rechtskräftig zu Recht erkannt habe, dass die Ehe nicht vor Ausreise der Bezugsperson bestanden habe und somit die Voraussetzungen des § 35 Abs. 5 AsylG nicht erfüllt seien. Bei § 46 Abs. 1 Z 2 lit c NAG handle es sich um eine komplementäre Auffangnorm.

2.3.6. Schließlich wird in der Beschwerde vorgebracht, die Beschwerdeführerin erfülle auch die sonstigen Erteilungsvoraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel, wobei zum Nachweis der vorgebrachten Selbsterhaltungsfähigkeit und der Höhe der Miete für die durch die Bezugsperson angemietete und durch die Beschwerdeführerin zu beziehenden Wohnung Verdienstnachweise und Kontoauszüge der Bezugsperson mit der Beschwerde vorgelegt und auf die sich aus ihrer Eigenschaft als Ehefrau der Bezugsperson ergebenden gesetzlichen Ansprüche der Beschwerdeführerin als Ehefrau auf Mitbenutzung der durch die Bezugsperson gemieteten Wohnung, auf Unterhalt und auf Mitversicherung bei der gesetzlichen Krankenversicherung verwiesen wird.

2.4. Beschwerdeergänzung, Beschwerdevorlage, verwaltungsgerichtliches Verfahren

2.4.1. Mit Eingabe an die belangte Behörde vom 06.12.2018 wurde durch den anwaltlichen Vertreter der Beschwerdeführerin in Ergänzung der Beschwerde mitgeteilt, die (im Akt befindliche) vom Islamischem Rat der Moschee der *** ausgestellte „Bestätigung“ über die am 01.12.2010 durch den „Mullah“ (Religionsdiener) mach islamischem Ritus vorgenommene Eheschließung sei nach Angaben der Bezugsperson im Juni 2018 ausgestellt worden, nachdem der anwaltliche Vertreter die Beschwerdeführerin aufgefordert hatte, eine solche Bestätigung für die Vorlage im Verfahren zu beschaffen. Die Bezugsperson habe gegenüber dem anwaltlichen Vertreter der Beschwerdeführerin erläutert, dass bei der am 08.03.2016 erfolgten Registrierung der Ehe bei der afghanischen Botschaft in Teheran keine schriftliche Bestätigung des Mullah vorgelegt habe werden müssen, da die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson sowie Trauzeugen persönlich bei der Botschaft anwesend gewesen seien und nach Wissen der Bezugsperson ein schriftlicher Ehevertrag von der afghanischen Botschaft nur dann verlangt werde, wenn nicht beide Ehegatten persönlich bei dieser vorsprechen.

2.4.2. Nach Einlagen der Beschwerde, mit der ua Flugtickets für die Bezugsperson zum Beleg für das Beschwerdevorbringen, dass die Bezugsperson für die nachträgliche Registrierung in den Iran gereist und bei der Registrierung persönlich anwesend gewesen sei, vorgelegt wurden, gab die belangte Behörde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Schreiben vom 04.12.2018 die Vorlage dieser Unterlagen, ausweislich derer die Bezugsperson bei der nachträglichen Registrierung der Ehe in der afghanischen Botschaft persönlich zugegen gewesen sei und den Umstand, dass der damals gültige Konventionspass der Bezugsperson für alle Staaten außer Afghanistan gültig gewesen sei, bekannt. Weiters ersuchte die belangte Behörde in ihrem Schreiben vom 04.12.2018 das BFA um Bekanntgabe, ob ein Asyl-Entziehungsverfahren betreffend die Bezugsperson eingeleitet werde. Mit E-Mail vom 17.12.2018 teilte das BFA mit, dass nach den fortgeschrittenen Ermittlungen eine infolge der Anfrage der belangten Behörde zunächst anberaumte Einvernahme der Bezugsperson wieder abberaumt werde, da sich keine Anhaltspunkte für deren Einreise nach Afghanistan ergeben hätten. Es werde daher, so das BFA mit Schreiben vom 17.12.2018 weiter, keine weitere Prüfung des Falles geben, das Aberkennungsverfahren werde eingestellt und würden aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht angedacht.

2.4.3. In der Folge legte die belangte Behörde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die vorliegende Beschwerde samt Bezug habendem Verwaltungsakt unter Abstandnahme von einer Beschwerdevorentscheidung zur Entscheidung vor.

2.4.4. Das Verwaltungsgericht ersuchte in der Folge sowohl die Österreichischen Botschaften in Islamabad und Teheran als auch ACCORD um Mitteilung, ob eine Reihe an angeführten Fragen, insbesondere zur iranischen und afghanischen Rechtslage betreffend die Rechtsgültigkeit von zwischen zwei im Iran lebenden afghanischen Staatsangehörigen sunnitischen Glaubens im Iran traditionell-religiös geschlossenen und nachträglich registrierten Ehen, beantwortet werden können. Seitens der österreichischen Botschaft in Islamabad langte keine Rückmeldung beim Verwaltungsgericht ein, seitens der Österreichischen Botschaft in Teheran wurde mit Schreiben vom 09.04.2019 mitgeteilt, dass eine Beantwortung der durch das Gericht gestellten Fragen durch die Botschaft selbst nicht möglich sei, sondern allenfalls kostenpflichtig ein Vertrauensanwalt befasst werden könne. Durch ACCORD langten in der Folge zwei Anfrage-Beantwortungen jeweils vom 17.05.2019, (Anfragebeantwortung *** betreffend die iranische Rechtslage und Anfragebeantwortung Nr. *** (***) betreffend die afghanische Rechtslage) ein.

2.4.5. Mit Ladung vom 11.04.2019 beraumte das Verwaltungsgericht für den 22.05.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung an, die aufgrund einer am 12.04.2019 gestellten Vertagungsbitte mit Schreiben vom 15.04.2019 auf den 21.05.2019 vertagt wurde. Mit der Ladung wurde zum einen die Beschwerdeführerin zur Vorlage näher genannter Unterlagen aufgefordert und wurde zum anderen den Verfahrensparteien die Rückmeldung der Österreichischen Botschaft in Teheran, wonach diese die vom Verwaltungsgericht gestellten Fragen nicht beantworten könne, zu Kenntnis übermittelt und mitgeteilt, dass im Hinblick auf die mit der Beauftragung des Vertrauensanwaltes verbundenen Kostenfolgen vorläufig von deiner solchen Beuaftragung abgesehen werde, zumal auch Anfragen an ACCORD zur iranischen und afghanischen Rechtslage betreffend die Anforderungen an die Rechtsgültigkeit einer Eheschließung zweier im Iran lebender, afghanischer Staatsangehöriger gestellt wurden.

2.4.6. Seitens der belangten Behörde erfolgte keine Stellungnahme zur mitgeteilten geplanten Vorgehensweise des Verwaltungsgerichts. Seitens der Beschwerdeführerin wurde mit Eingabe vom 15.04.2019 bekannt gegeben, dass sich die Beschwerdeführerin mit der durch vom Verwaltungsgericht vorgeschlagenen Vorgehensweise, von der kostenpflichtigen Einholung einer Stellungnahme der Österreichischen Botschaft inTeheran vorläufig abzusehen, ausdrücklich einverstanden erkläre, wobei ausgeführt wurde, dass es nach Auffassung der Beschwerdeführerin für die Frage nach der Gültigkeit der 2010 geschlossenen und 2016 registrierten Ehe (primär) nicht auf das iranische, sondern auf das afghanische Recht ankomme, weil letzteres das maßgebliche Personalstatut beider Verlobten/Eheleute ( § 16 Abs 2 erster Fall IPRG) darstelle und das iranische Recht nur dann relevant sei, wenn sich nicht bereits nach dem Personalstatut der beiden Verlobten die Gültigkeit der Ehe ergäbe und deshalb hinsichtlich der Form ersatzweise (§ 16 Abs 2 zweiter Fall IPRG) auf die Ortsform abgestellt werden müsse. Ein Abstellen auf die Ortsform sei vorliegend aber nicht erforderlich, da sich bereits aus dem (primär berufenen) afghanischen Recht die staatliche Wirksamkeit der Ehe ergebe. Des Weiteren wurde mit der Eingabe vom 15.04.2019 seitens der Beschwerdeführerin zum Beweis für die nach dem Beschwerdevorbringen im Jahre 2010 erfolgte Eheschließung der Beschwerdeführerin mit der Bezugsperson und für das Zusammenleben der beiden im Iran bis zur Ausreise der Bezugsperson nach Österreich die zeugenschaftliche Einvernahme von Herrn E, dem Cousin der Bezugsperson, der auch bei der Hochzeit anwesend gewesen sei, bei der mündlichen Verhandlung beantragt.

2.4.7. In weiterer Folge langten am 04.05.2019 und am 08.05.2019 E-Mails der Bezugsperson beim Verwaltungsgericht ein, mit der eine Reihe an – zum Akt genommenen und den Verfahrensparteien übermittelten – Unterlagen übermittelt wurden.

Insbesondere wurden durch die Bezugsperson mit diesen Eingaben eine Farbkopie aller Seiten des bis 04.4.2021 gültigen Reisepasses der Beschwerdeführerin, eine Bestätigung des D über die Vornahme der Eheschließung am 01.12.2010 samt Übersetzung, Kopien eines Einreise-Visums und von Ein- bzw. Ausreisestempeln in den bzw. aus dem Iran ausgestellt für die Bezugsperson, Kopien von Flugtickets und Boardingpässen, ein iranischer Strafregisterauszug betreffend die Beschwerdeführerin vom 23.04.2019 mit beglaubigter Übersetzung, eine Kopie eines durch die Bezugsperson hinsichtlich die Beschwerdeführerin bei der Sozialversicherung gestellten Antrags auf Prüfung einer Anspruchsberechtigung für Angehörige, eine Kopie des Mietvertrags, eine KSV-Auskunft betreffend die Bezugsperson vom 16.04.2019, der Einkommenssteuerbescheid der Bezugsperson vom 18.03.2019, Verdienstnachweise der Bezugsperson für die Monate Mai 2018 bis März 2019, Versicherungsdatenauszug mit Beitragsgrundlagen betreffend die Bezugsperson vom 17.04.2019 sowie Kontoauszüge bzw. Transaktionslisten der Bezugsperson für 11/2018 – 04/2019, übermittelt.

2.4.8. Mit Eingabe des anwaltlichen Vertreters der Beschwerdeführerin vom 15.05.2019 wurde ein weiteres Konvolut an Unterlagen vorgelegt, wobei zusätzlich zu den bereits im Akt befindlichen Unterlagen und zu den durch die Bezugsperson übermittelten Unterlagen insbesondere ein tagesaktueller Kontoauszug der Bezugsperson, eine Bestätigung der Vermieterin vom 10.05.2019, wonach das Mietverhältnis aufrecht sei, Meldebestätigungen der zum damaligen Zeitpunkt acht in dieser Wohnung lebenden Personen und ein Wohnungsplan, zu dem in der Eingabe ausgeführt wird, wer in dieser Wohnung aktuell lebe (neben der Bezugsperson und dessen Mutter der Cousin des Beschwerdeführers, dessen Ehefrau und deren vier minderjährige Kinder), dass der Beschwerdeführerin und deren Ehemann in dieser Wohnung zwei Zimmer zur Verfügung stünden und dass nach Zuzug der Beschwerdeführerin die Familie des Cousins der Bezugsperson aus dieser Wohnung ausziehen werde, sodass in der Wohnung nach Zuzug der Beschwerdeführerin nur mehr die Beschwerdeführerin, die Bezugsperson und deren Mutter leben würden.

Weiters wird in der Eingabe des anwaltlichen Vertreters der Beschwerdeführerin vom 15.05.2019 zum Beweis für das Vorbringen, dass nach dem afghanischen Recht die Nicht-Registrierung einer traditionell-religiös geschlossenen Ehe keine Auswirkungen auf die Rechtsgültigkeit der Ehe im staatlichen Wirkungsbereich habe, auf (zum Teil auszugsweise in der Eingabe wiedergegebene) Fachaufsätze und auf die durch das BVwG in dessen Erkenntnis vom 05.02.2018, GZ ***, getroffenen Feststellungen zur afghanischen Rechtslage verwiesen und beantragt, die Rechtsmeinungen der angeführten Autoren bei der Feststellung des anwendbaren ausländischen Eherechts zugrunde zu legen. Aus Sicht der Beschwerdeführerin könne auf Grundlage der in der Eingabe vom 15.05.2019 angeführten und auszugsweise wiedergegebenen Rechtsmeinungen die Frage, ob eine traditionell-religiös geschlossene Ehe auch vor deren Registrierung von Anfang an Rechtswirksamkeit für den staatlichen Wirkungsbereich entfalte, eindeutig geklärt werden. Sollte dies aus Sicht des erkennenden Gerichts auf Grundlage dieser Literatur nicht möglich sein, werde beantragt, eine Stellungnahme der Staatendokumentation, die sich bereits mit dem Thema „Ehe im Islam“, deren Beischaffung beantragt werde, befasst habe bzw. eine neuerliche gutachterliche Stellungnahme der Staatendokumentation oder ein wissenschaftliches Gutachten einzuholen.

2.4.9. Nachdem das Verwaltungsgericht die Stadt *** um Beurteilung der Ortsüblichkeit der von der Beschwerdeführerin in Aussicht genommenen Unterkunft ersucht hatte, übermittelte das Stadtamt *** einen Bericht vom 15.05.2019. Darin wird ausgeführt, an der Adresse ***, ***, seien zum Überprüfungszeitpunkt acht Personen Hauptwohnsitz gemeldet sei. Bei einer Unterkunftnahme auch der Beschwerdeführerin wären somit insgesamt neun Personen an der genannten Adresse gemeldet wären, was augenscheinlich nicht mehr ortsüblich sei. Es handle sich bei den an der Adresse gemeldeten Personen um zwei Familien, die sich ein Bad, eine Toilette, eine Küche und einen Aufenthaltsraum teilten. Schlafmöglichkeiten seien vorhanden, jedoch sehr beengt. Im Übrigen hielt das Stadtamt *** fest, dass die Wohnhausanlage baubehördlich genehmigt und eine Benutzungsbewilligung erteilt worden sei und dass die Wohnung über eine Wohnnutzfläche von 96,55m2 mit drei Zimmern, einem Wohnzimmer, Vorzimmer, Bad, WC, Abstellraum und einer Loggia verfüge.

2.4.10. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 21.05.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der anwaltliche Vertreter der Beschwerdeführerin teilnahm. Seitens der belangten Behörde, der die Ladung sowohl zum ursprünglich anberaumten Termin als auch zum nach Vertagungsbitte vertagten Termin nachweislich zugestellt worden war, was ua. zu Beginn der Verhandlung durch telefonische Nachfrage des Verwaltungsgerichts seitens der Behörde, ohne dass bei dieser Gelegenheit eine Vertagungsbitte gestellt worden wäre, bestätigt wurde, nahm kein Vertreter teil, wobei die Behörde mit Schreiben vom 23.06.2019 mitgeteilte, dass aufgrund unerklärlicher, interner organisatorischer Schwierigkeiten die Behörde keine Kenntnis vom Vertagen der Verhandlung erlangt habe.

In der mündlichen Verhandlung wurde Beweis aufgenommen insbesondere durch Einsichtnahme in die als verlesen in das Verfahren einbezogenen Bezug habenden Akten und durch zeugenschaftliche Befragung der Bezugsperson und von Herrn E, dem Cousin der Bezugsperson, wobei die Zeugen insbesondere zu den Umständen der traditionell-religiösen Eheschließung im Jahr 2010, zum vorgebrachten, an die traditionell-religiöse Eheschließung anschließenden Zusammenleben der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson im Iran und zur Wohnung und Wohnsituation an der Adresse ***, ***, befragt wurden und die Bezugsperson zusätzlich zur Registrierung der Ehe im Jahr 2016 und zu deren beruflicher und finanzieller Situation zeugenschaftlich befragt wurde.

2.4.11. Die Verhandlungsschrift samt Beilagen wurde den Verfahrensparteien zur Kenntnis übermittelt, wobei eine Frist von 4 Wochen für allfällige Stellungnahmen und die Vorlage eines neuen Mietvertrages durch die Beschwerdeführerin eingeräumt wurde.

2.4.12. Seitens der Beschwerdeführerin langten am 01.06.2019 zwei, der belangten Behörde zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelte Stellungnahmen beim Verwaltungsgericht ein.

Mit diesen wurden ein seit 01.06.2019 geltender, durch den Cousin der Bezugsperson als Mieter abgeschlossener, unbefristeter Mietvertrag über eine Wohnung mit der Adresse ***, ***, und Meldebestätigungen betreffend den Cousin der Bezugsperson, dessen Ehefrau und deren zwei jüngste Kinder, ausweislich derer diese vier Personen nunmehr nicht mehr an in der ***, sondern an der Adresse der durch den Cousin des Beschwerdeführers nunmehr angemieteten Wohnung Hauptwohnsitz gemeldet sind, vorgelegt und ausgeführt, dass auch die beiden schulpflichtigen älteren Töchter des Cousins der Bezugsperson auch noch aus der Wohnung in der ***, ***, ausziehen würden. Im Hinblick darauf, dass in der Wohnung in der *** bereits aktuell der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson zwei Zimmer zur Verfügung stünden, ein Zimmer durch die beiden schulpflichtigen Töchter des Cousins und ein weiteres Zimmer durch die Mutter der Bezugsperson bewohnt würden, sei jedoch bereits derzeit von einer ortsüblichen Unterkunft auszugehen.

Weiters wurde – im Hinblick darauf, dass die als Zeuge in der Verhandlung vernommene Bezugsperson in der Verhandlung angegeben hatte, das genaue Geburtsdatum der Beschwerdeführerin nicht nennen zu können – auf die ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan vom 07.02.2017, [***] zu Wissen und Bedeutung von persönlichen Daten und Umgang mit Zeitangaben verwiesen.

Der Schwerpunkt der Stellungnahme vom 01.06.2019 besteht im näher - begründeten Vorbringen, dass auch die Voraussetzung des § 46 Abs. 1 Z 2 lit. c NAG „und § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt“ vorliegend erfüllt sei.

Dazu wird zusammengefasst insbesondere Folgendes ausgeführt:

Die Voraussetzung – „und § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt“ – sei vorliegend schon deshalb erfüllt, da der durch die Beschwerdeführerin gestellte Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG rechtskräftig abgewiesen worden sei, woraus sich ergebe, dass § 34 AsylG vorliegend nicht gelte.

Allgemein zum Verhältnis zwischen § 46 Abs. 1 Z 2 lit c NAG zu § 35 AsylG wird seitens der Beschwerdeführerin ausgeführt, beide Verfahren zielten auf den Familiennachzug zu im Inland befindlichen Asylberechtigten ab, wobei das Verfahren nach § 35 AsylG eine rasche(re) Familienzusammenführung ermögliche, gegenüber dem Verfahren nach dem NAG für die Nachzugswilligen aus einer Reihe an näher aufgezählten Gründen vorteilhafter sei und diesen auch einen „besseren“ Status als das NAG vermittle.

Das Familienverfahren gem. § 34 AsylG sei weiters nur „auf Antrag eines Familienangehörigen“ anwendbar, was ebenso wie die sonstigen – unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien, darauf, dass die Ermöglichung des Familiennachzugs im AsylG in Umsetzung der Verpflichtungen nach der Familienzusammenführungs-RL 2003/96/EG diene und unter Anführung von Familienzusammenführungs-Konstellationen zwischen Eltern und Kindern betreffender Judikatur vorgebrachten Gründe – dafür spreche, dass dem Verfahren nach dem NAG gegenüber jenen nach § 35 AsylG eine „Auffangfunktion“ zukomme und es der Zuzugswillige in der Hand habe, ob er ein Familienverfahren nach § 34 AsylG in Anspruch nehmen wolle oder sich – wie die Beschwerdeführerin vorliegend – „(freiwillig) dem strengeren NAG-Regime“ unterwerfe. Die Beschwerdeführerin sei aufgrund von Art. 9 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 1 lit. a Familienzusammenführungs-RL zum Zuzug zu ihrem in Österreich asylberechtigten Ehemann berechtigt. Im Verfahren nach § 35 AsylG könne und solle zwecks Verfahrensbeschleunigung aber oft kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren geführt werden, sondern werde die Entscheidung über einen Einreisetitel aufgrund einer „Wahrscheinlichkeitsprognose“ erteilt, wobei im Beschwerdeverfahren gegen eine abschlägig Entscheidung der Botschaft gem § 11a Abs. 2 FPG keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden dürften und die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu ergehen habe. Angesichts dieser Ausgestaltung des „Botschaftsverfahrens“ habe die Beschwerdeführerin in einem Verfahren nach § 35 AsylG nicht die Möglichkeit, ihr sich aus der Familienzusammenführung ergebendes Recht auf Zuzug zu ihrem Ehegatten unter Einhaltung der sich aus Art 47 GRC ergebenden vollen Verfahrensgarantien durchzusetzen. Sie dürfe daher auch schon aus unionsrechtlichen Gründen nicht mit dem Verweis, dass ihr (abstrakt) die Möglichkeit zukomme, einen Antrag gem. § 35 AsylG zu stellen, vom die vollen Verfahrensgarantien zur Durchsetzung ihres sich aus dem Unionsrecht ergebenden Recht auf Zuzug zu ihrem asylberechtigten Ehemann gewährleisteten NAG-Verfahren ausgeschlossen werden.

2.4.13. Seitens der Behörde wurde mit Schreiben vom 13.06.2019 die Fortsetzung der Verhandlung, in eventu die Verlängerung der durch das Verwaltungsgericht bei Übermittlung der Verhandlungsschrift gesetzten Frist zur Abgabe einer Stellungnahme bis zum 03.07.2019 sowie die Befragung der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Zustandekommens der Ehe beantragt, wobei in der Eingabe ausgeführt wird, dass für den Fall dass – wie auch seitens der Beschwerdeführerin behauptet werde – bereits ab 01.12.2010 eine rechtsgültige Ehe bestanden habe, ein Verfahren nach § 35 Abs. 2 AsylG zu führen wäre, zumal (in diesem Fall) ein Eheleben schon bestanden habe, bevor die Bezugsperson einen Asylantrag in Österreich gestellt habe.

Mit dieser Stellungnahme der belangten Behörde vom 13.06.2019 wurden zwei Erlässe des Bundesministers für Inneres übermittelt, die – wie es in der Eingabe der Behörde formuliert ist – auf „die Problematik der Stellvertreterehe und der Abgrenzung hinsichtlich der Anwendbarkeit des Asylgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes Bezug nehmen“:

In dem mit Eingabe der belangten Behörde vom 13.06.2019 übermittelten Erlass des BMI vom 13.09.2018, BMI-FW1700/0933-III/4/2018, wird ausgeführt, sogenannte Stellvertreterehen, auch „Handschuhehen“ genannt, bei denen einer oder beide Verlobte nicht anwesend sei/en, sondern durch einen Dritten vertreten würde/n, seien nach der ständigen Rechtsprechung des BVwG nicht anzuerkennen, da sie einen Verstoß gegen den ordre public darstellten, wobei der Verwaltungsgerichtshof gegen derartige Entscheidungen bereits mehrfach die Revision nicht zugelassen habe. Ein Verstoß gegen den ordre public sei daher zum einen dann anzunehmen, wenn bei der nach traditionellem/religiösen Ritus erfolgenden Eheschließung eine Stellvertretung vorliege und zum anderen – wenn die Registrierung der Ehe für die Gültigkeit der Ehe erforderlich sei – auch dann, wenn der religiöse Akt in Anwesenheit beider Ehepartner erfolgt sei, aber die Registrierung durch Stellvertreter für einen oder beide Ehepartner oder durch Zuschaltung eines der Ehepartner im Wege moderner Telekommunikation erfolgt sei. Solche „Stellvertreterehen“ seien nicht anzuerkennen und könne sich ein Antragsteller im Rahmen der Familienzusammenführung nicht auf eine solche Ehe berufen.

In dem zweiten mit Eingabe der belangten Behörde vom 13.06.2019 übermittelten, an alle Ämter der Landesregierungen gerichteten, mit „NAG – Informationen Abgrenzung Anwendbarkeit AsylG/NAG bei der Familienzusammenführung mit einem Asylberechtigten“ überschriebenen Schreiben des BMI vom 03.04.2019, wird ausgeführt, gem. § 46 Abs. 1 Z 2 lit c NAG seien die Bestimmungen des NAG nur auf jene Fälle der Familienzusammenführung mit einem Asylberechtigten anzuwenden, in denen die Eheschließung erst nach der Einreise des nunmehrigen Zusammenführenden erfolgte. Es sei daher für die Frage der Anwendbarkeit des AsylG oder des NAG bei der Familienzusammenführung entscheidend, zu welchem Zeitpunkt die Ehe des nunmehr Zusammenführenden mit dem Antragsteller rechtsgültig zustande gekommen sei, was anhand der Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der Rechtslage im Staat der Eheschließung geprüft werden müsse. Unter Hinweis auf die Entscheidung des VwGH vom 25.10.2018, Ra 2017/20/0513, wird weiters ausgeführt, dass nach syrischem Recht auch einer erst nach Ausreise des Zusammenführenden erfolgten Registrierung einer Eheschließung ex-tunc-Wirkung zukomme, sodass in jenen Fällen, in denen die traditionelle Eheschließung vor Ausreise des Zusammenführenden aus Syrien, die Registrierung der Eheschließung jedoch erst nach dessen Ausreise erfolge, auf die begehrte Familienzusammenführung das AsylG und nicht das NAG Anwendung finde.

2.4.14. Das Verwaltungsgericht gab dem durch die Behörde im oben genannten Schreiben eventualiter gestellten Antrag auf Fristverlängerung statt, übermittelte die Stellungnahme der Behörde samt Beilagen dem Vertreter der Beschwerdeführerin und stellte weiters eine Anfrage an die Österreichische Botschaft in Teheran, ob eine Befragung der Beschwerdeführerin via Videokonferenz in den Räumlichkeiten der Botschaft möglich wäre. Mit den Verfahrensparteien in der Folge übermittelter E-Mail vom 24.06.2019 teilte die österreichische Botschaft in Teheran in Beantwortung der Anfrage des Verwaltungsgerichts vom 18.06.2019 mit, dass die Österreichische Botschaft in Teheran über keine Möglichkeit zur Durchführung einer Videokonferenz (zur Einvernahme der Beschwerdeführerin) verfüge.

2.4.15. Am 03.07.2019 langten beim Verwaltungsgericht Stellungnahmen sowohl der belangten Behörde als auch des anwaltlichen Vertreters der Beschwerdeführerin ein.

2.4.16. Seitens der belangten Behörde wird in deren Stellungnahme vom 03.07.2019 unter Berufung auf der Stellungnahme beigelegte Informationen der Staatendokumentation betreffend afghanisches und iranisches Eherecht zunächst ausgeführt, dass nach diesen Informationen afghanische Staatsangehörige während ihres Aufenthaltes im Iran eine rechtwirksame Ehe schließen könnten. Die muslimische „Nikah“ (Hochzeit) werde von einem „Mullah“ vollzogen, dieser erfasse Unterschriften des Brautpaares und der Zeugen und werde auch ein traditioneller Ehevertrag aufgesetzt. Es sei davon auszugehen, dass „auch in diesem Rechtsbereich eine Registrierung der Ehe nur für offizielle Zwecke vorgenommen [werde], aber am Bestand der Ehe nichts [ändere]“.

Aus Sicht der Behörde sei die Ehe der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson aus mehrere Gründen als ungültig angesehen: So sei im gesamten Verfahren kein Ehevertrag oder Dokument auf denen die Unterschriften oder Fingerabdrücke des Brautpaares ersichtlich seien und durch das die Einhaltung der Formvorschriften überprüft werden könne, vorgelegt worden.

Weiters sei zu hinterfragen, ob bei der Beschwerdeführerin das „legale Heiratsalter vorgelegen“ habe. Nach dem afghanischen Zivilgesetz müsse vor (Abschluss des) Ehevertrages das Alter der Braut festgestellt werden. Da die Bezugsperson bei der mündlichen Verhandlung angegeben habe, das tatsächliche Alter der Beschwerdeführerin nicht zu kennen, sei diese Formalität nicht eingehalten worden und könnte aufgrund dessen keine Ehe vorliegen.

Schließlich habe die Bezugsperson bei der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sich die Beschwerdeführerin bei der (traditionell-religiösen) Trauung im Nebenzimmer befunden habe und deren Bruder als Stellvertreter fungiert habe. Im Hinblick auf die essenziell notwendige Zustimmung zur Eingehung der Ehe sei die gleichzeitige Anwesenheit beider Partner erforderlich und könne im Fall einer Stellvertretung die freie Zustimmung zur Eheschließung nicht gewährleistet werden. Es möge zwar zutreffen, dass die Beschwerdeführerin im Nebenzimmer persönlich anwesend gewesen sei, jedoch könne eine erzwungene Zustimmung nicht völlig ausgeschlossen werden. Wenn sogar eine Eheschließung, die im Wege moderner Telekommunikationsmittel, etwa über Skype, erfolge, wo das Ehepaar einander sehen und eine unfreiwillige Zustimmung seitens Dritter wahrgenommen werden könne, nicht anzuerkennen sei, treffe dies auf den Fall, wo zwar eine persönliche, aber räumlich getrennte Anwesenheit gegeben sei, womit ein Stellvertreter erforderlich sei, ebenso zu.

Sofern das Verwaltungsgericht zum Schluss gelangen sollte, dass die traditionell durchgeführte Ehe(schließung) rechtsgültig sei, habe die 2016 erfolgte Registrierung ex-tunc-Wirkung, womit die Ehe bereits zum Zeitpunkt der Flucht der Bezugsperson bestanden hätte, sodass – so die Behörde in ihrer Stellungnahme vom 03.07.2019 der Sache nach weiter – für die begehrte Familienzusammenführung nicht das NAG, sondern die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG anwendbar wären.

2.4.17. Seitens der Beschwerdeführerin wurden mit Eingabe vom 03.07.2019 Lohnabrechnungen der Bezugsperson für Mai 2019, eine Finanzübersicht des Kontos der Bezugsperson sowie eine schriftliche Stellungnahme der Beschwerdeführerin zum Zustandekommen der Ehe samt beglaubigter Übersetzung sowie eine (weitere) Übersetzung der Bestätigung des Mullahs vom 26.06.2018 vorgelegt.

Im Hinblick auf die Stellungnahme der Behörde und auf die mit dieser übermittelten Erlässe des BMI wird seitens der Beschwerdeführerin ausgeführt, der Erlass betreffend Stellvertreterehen sei vorliegend nicht einschlägig, da die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson beide sowohl bei der traditionellen Eheschließung als auch bei der nachträglichen Registrierung anwesend gewesen seien. Die Frage, wann die Ehe zustande gekommen sei, sei vorliegend nicht relevant, da es nur darauf ankomme, dass eine aufrechte Ehe bestehe, es werde jedoch diesbezüglich auch eine Stellungnahme der Beschwerdeführerin zur Eheschließung (samt Übersetzung) übermittelt.

Im Übrigen wird seitens der Beschwerdeführerin der dem durch die Behörde vorgelegten Schreiben des BMI vom 03.04.2019 offenbar zugrundeliegenden Auffassung, wonach zwischen dem Verfahren nach dem NAG und dem Verfahren nach § 35 AsylG ein Ausschließlichkeitsverhältnis bestehe, (erneut) mit näherer Begründung entgegengetreten.

2.4.18. Mit Schreiben vom 04.07.2019 übermittelte das Verwaltungsgericht den Verfahrensparteien die beim Verwaltungsgericht am 03.07.2019 eingelangten Stellungnahmen samt Beilagen zur Kenntnis und teilt mit, dass davon ausgegangen werde, dass für den Fall, dass bis zum 12.07.2019 keine Gegenteiliges erfordernde Stellungnahme bzw. kein ausdrücklicher Antrag auf Fortsetzung der Verhandlung einlangen sollte, davon ausgegangen werde, dass seitens der Verfahrensparteien auf eine Fortsetzung der Verhandlung verzichtet werde und dass die Entscheidung, diesfalls auf Grundlage der bisherigen Ermittlungsergebnisse und unter Berücksichtigung der übermittelten Stellungnahmen samt Beilagen ergehen werde, ohne dass in der Folge seitens der Verfahrensparteien ein Antrag auf Fortsetzung der Verhandlung gestellt oder eine weitere inhaltliche Stellungnahme der Parteien (– es wurden lediglich seitens der Beschwerdeführerin sowohl dem Verwaltungsgericht als auch der Behörde aktuelle Verdienstnachweise und Kontoauszüge der Bezugsperson, übermittelt –) vorgelegt worden wäre.

3.   Feststellungen:

3.1. Die Beschwerdeführerin, Frau A, ist Staatsangehörige Afghanistans und in Besitz eines bis zum 04.04.2021 gültigen afghanischen Reisepasses. Von den afghanischen und iranischen Behörden wird der *** als Geburtsdatum der Beschwerdeführerin angeführt. Die in Afghanistan geborene Beschwerdeführerin war noch nie in Österreich und lebt aktuell in *** im Iran.

3.2. Den verfahrensgegenständlichen Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) stellte die Beschwerdeführerin am 13.08.2018 persönlich bei der österreichischen Botschaft in Teheran, Iran.

3.3. Als Bezugsperson wird in diesem Antrag nach dem NAG bei „Daten des Ehegatten“ Herr C, ein Staatsangehöriger Afghanistans, dem in Österreich der Status eines Asylberechtigten zukommt (im Folgenden: die Bezugsperson), angeführt.

3.4. Die in Afghanistan geborene Bezugsperson flüchtete nach dem Tod ihres Vaters im Alter von ungefähr sieben Jahren mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern in den Iran, wo sie – mit einer rund einmonatigen (durch eine Abschiebung aus dem Iran nach Afghanistan mit anschließender Wiedereinreise in den Iran bedingten) Unterbrechung im Jahr 2007 – bis zu ihrer Ausreise Richtung Europa im August 2011 lebte, ohne über eine Aufenthaltsberechtigung verfügt oder einen Antrag auf Internationalen Schutz im Iran gestellt zu haben.

Am 10.04.2012 stellte die Bezugsperson in Österreich – wo diese seither lebt – einen Antrag auf Internationalen Schutz. Mit rechtskräftigem Erkenntnis des BVwG vom 26.09.2014, Zl. *** wurde der Bezugsperson der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Die Bezugsperson verfügt bis dato über den Status eines Asylberechtigten in Österreich. Ein Asyl-Aberkennungsverfahren ist nicht anhängig.

3.5. Feststellungen iZm den Umständen der traditionell-religiösen Eheschließung im Jahr 2010 und der nachträglichen Registrierung der Ehe im Jahr 2016:

3.5.1. Am 01.12.2010 schlossen die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson in *** im Iran in einer durch einen „Mullah“ (Iman, muslimischer Glaubensgelehrter) geleiteten traditionell-religiösen Zeremonie die Ehe („Nikah“).

3.5.2. Während der von einem Mullah geleiteten Eheschließungszeremonie („Nikah“) waren sowohl die Beschwerdeführerin als auch die Bezugsperson im Elternhaus der Beschwerdeführerin anwesend.

Die weiblichen und männlichen Gäste befanden sich in voneinander getrennten, aber zueinander in Hörweite befindlichen Räumen des Elternhauses der Beschwerdeführerin.

Die Bezugsperson befand sich während der gesamten Zeremonie in jenem Raum, in dem sich die in etwa 15 bis 20 männlichen Gäste befanden und in dem auch die durch den Mullah geleitete Zeremonie stattfand, und in dem der Mullah im Rahmen dieser Zeremonie aus dem Koran vorlas, die Eheansprache hielt und wo auch die Höhe des „Mahr“, worunter das zu verstehen ist, was die Beschwerdeführerin als Braut von der Bezugsperson als Bräutigam (etwa im Fall einer Scheidung) aufgrund der Ehe erhalten soll, vereinbart wurde.

Die Beschwerdeführerin selbst befand sich während der Zeremonie in jenem in Hörweite befindlichen Raum, in dem sich die weiblichen Gäste aufhielten.

Die Bezugsperson bejahte im Zuge der Eheschließungszeremonie („Nikah“) unter Verwendung einer traditionellen Eheschließungsformel dreimal mündlich unmittelbar gegenüber dem Mullah, dass sie die Beschwerdeführerin heiraten wolle.

Die Beschwerdeführerin sprach ihre Einwilligung in die Ehe nicht selbst gegenüber dem die Zeremonie leitenden Mullah bzw. gegenüber der Bezugsperson aus. Vielmehr wurde die Beschwerdeführerin, die sich während der „Nikah“ in dem für die weiblichen Gäste vorgesehenen, in Hörweite zum den männlichen Gästen vorbehaltenen Raum, in dem die Zeremonie durchgeführt wurde, befand, im Rahmen der Zeremonie („Nikah“) durch ihren als ihr Bevollmächtigter („Padarwakil“ oder „Wali“) agierenden Bruder, der sich zu diesem Zweck während der Zeremonie in den Raum, in dem sich die weiblichen Gäste befanden, begab, unter Verwendung einer religiösen Formel gefragt, ob sie in die Ehe mit der Bezugsperson einwillige, und bejahte in der Folge ihr als Bevollmächtigter („Padarwakil“; „Wali“) agierender Bruder – zurück im Raum, in dem sich der Mullah, die Bezugsperson und die männlichen Gäste befanden – mündlich unter Verwendung einer traditionellen Eheschließungsformel in Anwesenheit der Bezugsperson, des Mullah und jedenfalls mehr als zwei Zeugen, dass die Beschwerdeführerin drei Mal bejaht habe, dass sie in die Eheschließung mit der Bezugsperson einwillige.

Neben der mündlichen Abgabe der Ehe-Einwilligungs-Erklärungen (– die die Bezugsperson persönlich gegenüber dem Mullah aussprach, während die Beschwerdeführerin ihre mündliche Einwilligung gegenüber ihrem als Bevollmächtigter („Padarwakil“, „Wali“) agierenden Bruder aussprach, der in der Folge mündlich in Anwesenheit sowohl des die Zeremonie leitenden Mullahs und der Bezugsperson mündlich aussprach, dass die Beschwerdeführerin in die Ehe mit der Bezugsperson einwillige –) wurde im Zuge der Eheschließungszeremonie („Nikah“) auch die Höhe des „Mahr“ festgelegt.

Nach Abschluss der Zeremonie sprach der Mullah unter Verwendung einer traditionellen Formel aus, dass die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson verheiratet seien.

Eine große Hochzeitsfeier iS eines Banketts oder einer Party fand im Abschluss an die Eheschließungszeremonie („Nikah“) am 01.12.2010 nicht statt.

3.5.3. Unmittelbar im Anschluss an die Eheschließungszeremonie zog die Beschwerdeführerin zur Bezugsperson in das durch diese und deren Mutter bewohnte (und ebenso wie das Elternhaus der Beschwerdeführerin in *** im Iran befindliche) Haus, wo die Beschwerdeführerin bis zur Ausreise der Bezugsperson im August 2011 mit dieser zusammenlebte.

Seit der Ausreise der Bezugsperson nach Europa lebt die Beschwerdeführerin wieder bei deren Eltern in ***, Iran.

Seit der Ausreise der Bezugsperson aus dem Iran halten diese und die Beschwerdeführerin telefonisch bzw. unter Nutzung des Internets Kontakt und besuchte die Bezugsperson die Beschwerdeführerin seit ihrer Ausreise drei Mal, zuletzt im Jahr 2017, im Iran.

Im Zuge des ersten Besuchs der Bezugsperson im Jahr 2015 wurde nachträglich eine kleinere Hochzeitsfeier abgehalten, bei der das im Akt befindliche Hochzeitsfoto aufgenommen wurde.

3.5.4. Während des zweiten Besuchs der Bezugsperson im Jahr 2016 wurde die 2010 nach traditionell-religiösem Ritus („Nikah“) geschlossene Ehe nachträglich am 08.03.2016 bei der afghanischen Botschaft in Teheran registriert.

Die nachträgliche Registrierung der Ehe erfolgte in Anwesenheit der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson sowie in Anwesenheit zweier Zeugen, die auch bei der traditionell-religiösen Eheschließung „Nikah“ im Jahr 2010 anwesend gewesen waren. Der Bezugsperson kam im Zeitpunkt der Registrierung im Jahr 2016 der Status eines Asylberechtigten zu und verfügte diese über einen österreichischen Konventions-Reisepass, der für alle Staaten der Welt mit Ausnahme Afghanistans gültig war.

3.5.5. Die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson stehen insofern in einem Verwandtschaftsverhältnis zueinander, als der Vater der Beschwerdeführerin der Cousin der Großmutter der Bezugsperson war.

Vor der traditionell-religiösen Eheschließung am 01.12.2012 hatten die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson einander zwar gesehen, aber nicht miteinander gesprochen.

Vor der traditionell-religiösen Eheschließung („Nikah“) erklärten sowohl die Bezugsperson gegenüber ihrer Mutter, die in der Folge der Familie der Beschwerdeführerin das Hochzeits-Angebot überbrachte, als auch die Beschwerdeführerin gegenüber deren Familie, dass sie in die Eheschließung mit dem jeweils anderen einwilligen würden.

Dass die Beschwerdeführerin oder die Bezugsperson gegen deren Willen zur Eheschließung gezwungen worden wäre, kann nicht festgestellt werden.

Die Beschwerdeführerin (offizielles Geburtsdatum: ***) war bei der traditionellen Eheschließung über 16 Jahre alt. Die Bezugsperson (offizielles Geburtsdatum: ***) war bei der traditionellen Eheschließung über 18 Jahre alt.

Die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson wurde ohne Bedingungen und auf Dauer abgeschlossen. Es handelte sich sowohl für die Beschwerdeführerin als auch für die Bezugsperson, die beide Sunniten sind, um die erste und einzige Eheschließung.

Die Ehe wurde zwischenzeitig nicht geschieden, aufgelöst oder für nichtig erklärt.

3.6. Feststellungen zum iranischen Recht:

Die Gültigkeit einer Eheschließung nach iranischem Recht setzt an positiven Voraussetzungen die Ehefähigkeit der Ehepartner im Zeitpunkt der Eheschließung (§ 1210 iran. ZGB), eine klare Festlegung bzw. Bezeichnung der beiden Eheleute (§ 1067 iran. ZGB) und mündlich ausgesprochene Willenserklärungen (Angebot zur Eheschließung und Annahme des Angebots zur Eheschließung), aus denen der Wille, eine Ehe schließen zu wollen, hervorgehen muss (§ 1062 iran. ZGB), voraus, wobei eine Stellvertretung bei der Eheschließung gem. § 1071 iran. ZGB zulässig ist.

Die eine Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Eheschließung darstellende Ehefähigkeit ist gemäß § 1041 iran. ZGB ab Beginn der Pubertät, hinsichtlich derer davon ausgegangen wird, dass diese bei Mädchen nicht vor dem neun und bei Jungen nicht vor dem fünfzehnten Lebensjahr vorliegt, gegeben. Eine förmliche Überprüfung oder Feststellung des genauen Alters der Eheschließenden vor Abschluss des Ehevertrages ist keine durch das iranische Recht geforderte Voraussetzung für die Gültigkeit einer Eheschließung. Werden die geforderten Altersgrenzen für die Ehefähigkeit nicht eingehalten, ist die Ehe zivilrechtlich nicht wirksam. Wird eine Ehe von einer Bedingung abhängig gemacht, bewirkt dies gem. § 1068 iran. ZGB die Unwirksamkeit der Eheschließung.

Im Iran. ZGB ist eine Registrierung oder Eintragung einer Ehe in ein staatliches Register nicht als Voraussetzung für die Gültigkeit einer Eheschließung vorgesehen.

§ 1 iran. EheschlG enthält eine Verpflichtung zur Eintragung geschlossener Ehen. Die Nicht-Eintragung einer Ehe, also ein Verstoß gegen die gesetzliche Verpflichtung zur Eintragung einer Ehe, kann strafrechtlich geahndet werden, bewirkt aber weder die zivilrechtliche Aufhebbarkeit der Ehe, noch ist die Eintragung nach iranischem Recht Voraussetzung für die Gültigkeit und zivilrechtliche Wirksamkeit einer Ehe.

Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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