TE Vwgh Erkenntnis 1998/11/19 98/07/0094

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Veröffentlicht am 19.11.1998
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Index

L66508 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Vorarlberg;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/01 Land- und forstwirtschaftliches Organisationsrecht;
80/06 Bodenreform;

Norm

AgrBehG 1950 §7 Abs2 Z1;
AVG §73 Abs2;
FlVfGG §15 Abs1;
FlVfGG §35 Abs1;
FlVfLG Vlbg 1979 §31 Abs1;
FlVfLG Vlbg 1979 §32 Abs1;
FlVfLG Vlbg 1979 §84 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über die Beschwerde des HZ in B, vertreten durch Dr. Ernst Stolz, Dr. Sepp Manhart und Dr. Meinrad Einsle, Rechtsanwälte in Bregenz, Römerstraße 19, gegen den Bescheid des Obersten Agrarsenates beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 7. Mai 1997, Zl. 711.019/01-OAS/97, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Zuerkennung von Nutzungsrechten an einer Agrargemeinschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 24. November 1995 an die Agrargemeinschaft N. behauptete der Beschwerdeführer seine Mitgliedschaft mit ruhenden Rechten nach § 6 der Statuten der Agrargemeinschaft N. Für den Fall, daß die Agrargemeinschaft diese Mitgliedschaft verneinen sollte, beantragte der Beschwerdeführer die Feststellung der "Mitgliedschaft mit ruhenden Rechten als Eventualantrag".

Die Agrargemeinschaft teilte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 15. Dezember 1995 mit, daß seinem Antrag deshalb nicht entsprochen werden könne, weil ihre Statuten eine Aufnahme im Falle des Antragstellers nicht vorsähen.

Aufgrund dieser Mitteilung der Agrargemeinschaft beantragte der Beschwerdeführer bei der Agrarbezirksbehörde Bregenz (ABB) am 22. Jänner 1996 den bescheidmäßigen Abspruch über sein bei der Agrargemeinschaft gestelltes Ansuchen. Infolge Untätigkeit der ABB stellte der Beschwerdeführer am 23. Juli 1996 einen Devolutionsantrag an den Landesagrarsenat beim Amt der Vorarlberger Landesregierung (LAS). Da auch der LAS mit seiner Entscheidung zuwartete, stellte der Beschwerdeführer am 12. Februar 1997 einen Antrag gemäß § 73 AVG an den Obersten Agrarsenat (OAS).

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 7. Mai 1997 wurde der Antrag des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen. Aus dem festgestellten Sachverhalt gehe klar hervor, was Absicht des Beschwerdeführers und somit auch Gegenstand des Verfahrens sei. Die ABB sollte in Ausübung ihres Aufsichtsrechtes (§§ 34 und 35 Vorarlberger Flurverfassungs-Landesgesetz 1979, LGBl. 1979/2, in der geltenden Fassung) eine positive Erledigung des Ansuchens des Beschwerdeführers an die Agrargemeinschaft erwirken. Für Angelegenheiten, in denen die ABB als Aufsichtsbehörde tätig werde, sei jedoch ein Instanzenzug an den OAS nicht vorgesehen. Vom gegenständlichen Fall sei § 7 Abs. 2 Z. 1 Agrarbehördengesetz zu unterscheiden, wonach die Berufung an den OAS hinsichtlich der Fragen, ob einer Liegenschaft oder einer Person ein agrargemeinschaftliches Anteilsrecht zustehe, ebenfalls zulässig sei. In diesen Fällen sei die Zuständigkeit der Agrarbehörde normiert, an diese wende sich der Rechtsuchende mit einem Antrag, um ein Rechtsverhältnis klar festgelegt zu bekommen. Dies sei etwas anderes als ein Antrag an die ABB, ein bescheidmäßig nicht erledigtes Ansuchen an eine Agrargemeinschaft erledigen zu lassen. Dem OAS käme daher keine Zuständigkeit in der Angelegenheit zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 8. Juni 1998, B 2017/97-5, an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetretene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht auf Sachentscheidung verletzt. Der zur Entscheidung vorgelegene Antrag betreffe inhaltlich die Frage, ob dem Beschwerdeführer ein agrargemeinschaftliches Recht zustehe. Die Agrargemeinschaft N. sei der Ansicht, daß der Beschwerdeführer nicht Mitglied oder Nutzungsberechtigter sei. Der Beschwerdeführer sei gegenteiliger Ansicht; dies habe er im Antrag an die ABB klar zu erkennen gegeben. Das Rechtsverhältnis bestehe an sich bereits ungeachtet allfälliger Entscheidungen zwischen ihm und der Agrargemeinschaft. Um die Klarstellung eines solchen Rechtsverhältnisses gehe es im vorliegenden Fall. Hiefür sei der oberste Agrarsenat zuständig; diese Zuständigkeit erstrecke sich auch auf Devolutionsanträge.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.

Die Verwaltungsakten wurden vom Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof übermittelt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In seiner an die ABB gerichteten Eingabe vom 22. Jänner 1996 führte der Beschwerdeführer aus, die Agrargemeinschaft N. habe ihm mit Schreiben vom 15. Dezember 1995 mitgeteilt, daß "laut Statut" seinem Antrag auf Zuerkennung von Nutzungsrechten, in eventu der Mitgliedschaft nicht entsprochen werden könne. In der Folge wurde ausgeführt:

"Herr (Beschwerdeführer) ersucht um bescheidmäßige Erledigung seines Antrages durch die Bezirksbehörde B., da er mit dem abschlägigen Bescheid des Ausschusses der Agrargemeinschaft N. nicht einverstanden ist."

Nach rechtlichen Erwägungen wurde abschließend der Antrag "auf bescheidmäßige Absprache durch die Agrarbezirksbehörde über das Ansuchen des (Beschwerdeführers)" gestellt.

Die belangte Behörde bewertete diesen Sachverhalt dahingehend, daß Absicht des Beschwerdeführers sei, die Agrarbehörde soll in Ausübung ihres Aufsichtsrechtes eine positive Erledigung des Ansuchens an die mitbeteiligte Partei erwirken. In ihrer Gegenschrift ergänzte die belangte Behörde hiezu, der Antrag des Beschwerdeführers vom 17. Jänner 1996 sei in seiner Gesamtheit inhaltlich als ein solcher auf Satzungsänderung und Aufnahme in die Mitgliederliste der Agrargemeinschaft zu verstehen. Sowohl der Antrag auf Satzungsänderung als auch die Aufnahme in die Mitgliederliste stellten sich inhaltlich als ein Akt der Regulierung dar.

Gemäß § 84 Abs. 1 leg. cit. steht den Agrarbehörden auch außerhalb eines Verfahrens nach § 83 (Zusammenlegungs-, Flurbereinigungs-, Teilungs- oder Regulierungsverfahrens) die Entscheidung über die Frage zu, ob in einem gegebenen Falle eine Agrargemeinschaft im Sinne dieses Gesetzes vorhanden ist, auf welches Gebiet sie sich erstreckt, wer Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Grundstücke ist, ferner die Entscheidung über den Bestand oder Nichtbestand sowie den Umfang von Anteilsrechten an agrargemeinschaftlichen Grundstücken und über die Frage, ob Gemeindegut oder Gemeindevermögen vorliegt.

Der Beschwerdeführer hat von der ABB ausdrücklich die Entscheidung über sein an die Agrargemeinschaft gerichtetes Ansuchen, welches auf die Feststellung der Mitgliedschaft (mit ruhenden Rechten) gelautet hat, verlangt. Die im Beschwerdefall strittige Frage eines Rechtsanspruches des von der Agrargemeinschaft abgelehnten Aufnahmewerbers ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes aus den schon im hg. Beschluß vom 29. Oktober 1998, Zlen. 98/07/0122, 0123, näher dargelegten Gründen als eine Frage zu beurteilen, mit deren Beantwortung zwangsläufig die Frage entschieden wird, ob den betroffenen Personen ein agrargemeinschaftliches Anteilsrecht zusteht oder nicht.

Gemäß § 7 Abs. 2 Z. 1 Agrarbehördengesetz 1950 ist die Berufung an den Obersten Agrarsenat gegen abändernde Erkenntnisse des Landesagrarsenates hinsichtlich der Fragen zulässig, ob ein agrargemeinschaftliches Grundstück vorliegt, wem das Eigentumsrecht daran zusteht, ob eine Agrargemeinschaft vorhanden ist und ob einer Liegenschaft oder einer Person ein agrargemeinschaftliches Anteilsrecht zusteht.

In den Fällen, in denen sowohl die Agrarbezirksbehörde als auch der im Devolutionswege zuständig gewordene LAS über eine unter § 7 Abs. 2 Z. 1 Agrarbehördengesetz 1950 zu subsumierende Angelegenheit nicht innerhalb der im § 73 Abs. 2 AVG genannten Frist entschieden haben, ist ein Devolutionsantrag an den OAS zulässig, weil das Recht der Berufung an den OAS eröffnet ist (vgl. hiezu den hg. Beschluß vom 15. Jänner 1998, 97/07/0162).

Aus den dargelegten Erwägungen hätte die belangte Behörde als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde daher zu prüfen gehabt, ob der vom Beschwerdeführer in seinem an die ABB gerichteten Antrag vom 22. Jänner 1996 geltend gemachte Anspruch besteht oder nicht. Der Beschwerdeführer wurde daher durch den angefochtenen Bescheid in seinem Anspruch auf Sachentscheidung verletzt. Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. November 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998070094.X00

Im RIS seit

15.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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