Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Dr.Sutter (Vorsitz), Drin.Sadoghi und Maga.Haas in der Strafsache des K***** P***** und eines belangten Verbandes wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerden des K***** P*****, der *****, des *****, der *****, der *****, des ***** und der ***** gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 18.Februar 2019, AZ 21 HR 164/18h (ON 15 der Akten AZ 8 St 64/18x der Staatsanwaltschaft Graz), in nichtöffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
Die Beschwerden der *****, des *****, der *****, der *****, des ***** und der ***** werden zurückgewiesen.
Der Beschwerde des K***** P***** wird nicht Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
Text
begründung:
Bei der Staatsanwaltschaft Graz ist zum AZ 8 St 64/18x ein Ermittlungsverfahren gegen K***** P***** und die K***** P***** Baugesellschaft m.b.H. wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und weiterer strafbarer Handlungen nach dem FinStrG anhängig.
Auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung (ON 6, AS 4) ordnete die Staatsanwaltschaft am 2.November 2018 gemäß § 120 Abs 1 erster Satz StPO gegenüber Beamten der Steuerfahndung – Team Graz die Durchsuchung
1./ der Wohnräumlichkeiten des K***** P***** samt der dazugehörigen Nebengebäude und Kellerabteile in *****,
2./ der Firmenräumlichkeiten der K***** P***** Baugesellschaft m.b.H. samt der dazugehörigen Nebengebäude und Kellerabteile in ***** und *****
„zum Zwecke der Auffindung und Sicherstellung aller Geschäftsunterlagen und aller weiteren beweisrelevanten Gegenstände ab dem Jahr 2011 bis laufend, insbesondere Erlösaufzeichnungen aller Art, Belege, welche über die tatsächlichen Umsätze der Firma Aufschluss geben, Aufzeichnungen und Belege, die über die tatsächlichen Umsätze der Firma Aufschluss geben, Aufzeichnungen und Belege über Wareneinkäufe, Bauakten, Unterlagen über Einkommen und Vermögenszugänge der Gesellschafter, Sparbücher, Aufzeichnungen über Bargeldbewegungen und -verwendungen, Bankkonten, Bankschließfächer, EDV-Anlagen (Hard- und Software elektronischer Datenverarbeitungsanlagen und mobile Geräte wie Notebooks, PCs und Server, insbesondere die Daten aus dem zur Baustellenabrechnung verwendeten EDV-Programm etc.)“ an (ON 6, AS 5).
Daraufhin wurden am 8.November 2018 an den oben angeführten Adressen sowie – mit Zustimmung des Beschuldigten K***** P***** im Rahmen einer freiwilligen Nachschau (ON 7, AS 17 f) – in einem Lager an der Adresse ***** (ON 7, AS 17), Durchsuchungen durchgeführt und Unterlagen sowie elektronische Daten sichergestellt.
Der Durchsuchung der Geschäftsräumlichkeiten der K***** P***** Baugesellschaft m.b.H. an der Adresse ***** wohnte der Beschuldigte K***** P***** bei (ON 7, AS 7), der nach dem insoweit unwidersprochenen Inhalt der „Bestätigung gemäß § 111 Abs 4 der Strafprozessordnung (StPO) über die Sicherstellung nach § 110 StPO und gemäß § 122 Abs 3 StPO über die Durchsuchung (§ 120 StPO)“ nach dieser Folgendes angab (ON 7, AS 19):
„Es wird ein Widerspruch gegen die Sicherstellung gem. § 112 StPO gestellt betreffend alle Korrespondenzen (Schriftverkehr, Dokumente, emails) mit dem Steuerberater *****, der Steuerberatung *****, dem Rechtsvertreter ***** und der Wirtschaftsprüfung ***** und auch dem Rechtsvertreter *****.“
Weitere Widersprüche (insbesondere ein vom den Durchsuchungen an den Adressen in ***** und *****, zeitweilig beiwohnenden [s. ON 7, AS 51 f und AS 67] Verteidiger Rechtsanwalt Mag.***** erhobener Widerspruch) sind nicht aktenkundig.
Mit an den fallbearbeitenden Fahndungsprüfer J***** S***** gerichtetem E-Mail vom 19.November 2018 bezog sich die Steuerberaterin ***** – offenbar im Namen des Beschuldigten (arg: „… werden wir...“) – auf den im Zuge der Hausdurchsuchung vom 8.November 2018 erhobenen Widerspruch gegen die Sicherstellung (§ 112 StPO) und teilte mit, dass davon „betroffen“ die sichergestellten Unterlagen Kartons 9 bis 18 (laufende Nummer 47 bis 91) seien. Mit weiterem E-Mail vom 21.November 2018 gab sie bekannt, dass betreffend die Kartons 14, 15 und 18 „der Widerspruch gegen die Sicherstellung aufgehoben“ werde (ON 9, AS 5).
Die verbleibenden Unterlagen und Datenträger wurden daraufhin von der Steuerfahndung versiegelt der Staatsanwaltschaft übergeben. Diese beantragte am 29.November 2018 die Durchführung eines Sichtungsverfahrens gemäß § 112 Abs 2 StPO unter Beiziehung des Betroffenen sowie die beschlussmäßige Entscheidung, ob und gegebenenfalls welche Unterlagen im weiteren Ermittlungsverfahren zum Akt genommen werden dürfen (ON 1, AS 4).
Am 8.Jänner 2019 ersuchte die Haft- und Rechtsschutzrichterin, die sich am 11. Dezember 2018 im Beisein des Verteidigers Mag.***** von der Intaktheit der Siegel überzeugt hatte (ON 10), den Verteidiger, dem Gericht binnen 10 Tagen „die konkreten Namen und Anschriften jener Berufsgeheimnisträger bekannt zu geben, in deren Namen am 8.November 2018 im Zuge der durchgeführten Durchsuchung Widerspruch iSd § 112 StPO gegen die Sicherstellung erhoben wurde“, damit diese Personen in weiterer Folge vom Gericht zur Konkretisierung jener Aufzeichnungen oder Datenträger, deren Offenlegung eine Umgehung ihrer Verschwiegenheit bedeuten würde, aufgefordert werden könnten (ON 1, AS 8).
Mit Eingabe vom 21.Jänner 2019 gab der Verteidiger daraufhin seine sowie die Anschriften der *****, des *****, des ***** und der ***** bekannt und benannte (unter Adressbekanntgabe) mit weiterer Eingabe vom 28.Jänner 2019 als Berufsgeheimnisträger die ***** steuerberatungs gmbH, ***** (Steuerberaterin und Geschäftsführerin der ***** steuerberatungs gmbH), ***** (Steuerberater und Rechtsanwalt, Geschäftsführer der ***** steuerberatungs gmbH), die ***** GmbH sowie die ***** Rechtsanwälte OG.
Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 15) ordnete die Haft- und Rechtsschutzrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Graz am 18.Februar 2019 an, dass sämtliche (in der Folge detailliert aufgelistete) Unterlagen, Datenträger und elektronischen Dateien, die im Zuge der gerichtlich bewilligten Durchsuchung am 8.November 2018 in den Büro- und Geschäftsräumlichkeiten der „***** Bau GmbH“ an der Adresse ***** durch die Organe der Finanzstrafbehörde laut Verzeichnis der sichergestellten Unterlagen (AS 7 der ON 9) und laut Ausfolgung/Entlehnbeleg Hardware (AS 9 ff der ON 9) sichergestellt, versiegelt und dem Gericht übergeben wurden, gemäß § 112 Abs 1 und 2 StPO zum Akt genommen werden dürfen. Dies begründete die Erstrichterin unter Bezugnahme insbesondere auf die Entscheidungen des OGH, AZ 13 Os 94/17y (13 Os 95/17w, 13 Os 96/17t, 13 Os 97/17i) und des OLG Wien, AZ 17 Bs 27/18x zusammengefasst damit, dass der Rechtsschutz des § 112 StPO sich ausschließlich auf Sicherstellungen, die in den Räumlichkeiten des Berufsgeheimnisträgers vorgenommen werden, beziehe und nur Berufsgeheimnisträgern in Bezug auf solche Unterlagen bzw. Daten(träger) zukomme, die sich in deren Gewahrsame befinden. Fallbezogen seien von der Sicherstellung der Beschuldigte und das Bauunternehmen, die die Unterlagen in ihrer Verfügungsmacht hatten, betroffen gewesen; diesen komme aber kein Verschwiegenheitsrecht zu, weshalb ein Aufforderungsverfahren nach § 112 Abs 2 StPO habe unterbleiben können.
Dagegen richten sich die (in einem ausgeführten) Beschwerden des Beschuldigten K***** P*****, der *****, des *****, der ***** der *****, des ***** und der ***** Steuerberatungs GmbH (ON 17), jeweils vertreten durch Rechtsanwalt Dr.*****, die die Aufhebung des bekämpften Beschlusses und die Einleitung des Aufforderungsverfahrens nach § 112 (zu ergänzen: Abs 2) StPO anstreben. Sie argumentieren, dass sie als Geheimnisträger deshalb zum Widerspruch legitimierte Betroffene iS des § 112 Abs 1 StPO seien, weil der Beschuldigte, der die sichergestellten Unterlagen/Daten(träger) aufgrund einer besonderen Rechtsposition (nämlich jeweils zu besonderer Vertraulichkeit und zum Schutz vor Dritten verpflichtender Auftrags-, Verwahrungs- oder Treuhandverträgen mit den Geheimnisträgern) in seiner unmittelbaren Verfügungsmacht gehabt habe, als ihr verlängerter Arm agiert und ihnen die (mittelbare) Verfügungsmacht iS des § 112 StPO vermittelt habe. Das ihnen infolge ihrer mittelbaren Verfügungsmacht über die bei ihrem Mandanten sichergestellten Unterlagen weiterhin zustehende Widerspruchsrecht sei fallkonkret durch Rechtsanwalt Mag.*****, der ihre Anwesenheit substituiert habe, für sie ausgeübt worden.
1. Zu den Beschwerden der *****, des *****, der *****, der *****, des ***** und der *****:
Die ***** Beschwerden ***** sind unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 87 Abs 1 StPO steht gegen gerichtliche Beschlüsse der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten, soweit dessen Interessen unmittelbar betroffen sind, und jeder anderen Person, der durch den Beschluss unmittelbar Rechte verweigert werden oder Pflichten entstehen oder die von einem Zwangsmittel betroffen sind, Beschwerde an das Rechtsmittelgericht zu, soweit das Gesetz im Einzelnen nichts anderes bestimmt.
Nach dem Akteninhalt hat der Beschuldigte K***** P***** anlässlich der Durchsuchung der Geschäftsräumlichkeiten der K***** P***** Baugesellschaft m.b.H. an der Adresse ***** angegeben, „betreffend alle Korrespondenzen (Schriftverkehr, Dokumente, emails) mit dem Steuerberater *****, der Steuerberatung *****, dem Rechtsvertreter ***** und der Wirtschaftsprüfung ***** und auch dem Rechtsvertreter *****“ Widerspruch zu erheben (ON 7, AS 19). In dieser Erklärung kommt nicht zum Ausdruck, dass der Beschuldigte als Vertreter der *****, des *****, der *****, der *****, des ***** und der ***** unter Berufung auf deren gesetzlich anerkanntes Verschwiegenheitsrecht Widerspruch erhob. Derartiges behaupten im Übrigen auch die Beschwerdeführer nicht.
Ein Widerspruch der vorangeführten Geheimnisträger selbst – sei es im eigenen Namen oder (wie mehrfach in der Beschwerde behauptet: ON 17, AS 17 Mitte, AS 27 unten und AS 29 oben) des Rechtsanwalts ***** als deren Vertreter für diese – ist nicht aktenkundig und war auch nicht Gegenstand der erstgerichtlichen Entscheidung. Damit erübrigt sich fallkonkret aber eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Argument einer (aus einer „mittelbaren Verfügungsmacht“ über die sichergestellten Unterlagen/Daten[träger] abgeleiteten) Widerspruchslegitimation der Geheimnisträger selbst.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht nur in Ansehung des vorangeführten, vom Beschuldigten im eigenen Namen erhobenen Widerspruchs abgesprochen. Hierdurch sind aber ***** und die ***** weder beschwert noch sind deren Interessen unmittelbar betroffen, weshalb ihnen auch keine Beschwerdelegitimation zukommt (§ 87 Abs 1 StPO).
Konsequenz dessen ist die Zurückweisung ihrer Beschwerden (§ 89 Abs 2 StPO).
2. Zur Beschwerde des Beschuldigten K***** P*****:
Die (rechtzeitige und zulässige) Beschwerde des Beschuldigten K***** P***** hinwieder hat keinen Erfolg.
Gemäß § 157 Abs 1 Z 2 StPO sind Verteidiger, Rechtsanwälte, Patentanwälte, Verfahrensanwälte in Untersuchungsausschüssen des Nationalrats, Notare und Wirtschaftstreuhänder über das, was ihnen in dieser Eigenschaft bekannt geworden ist, zur Verweigerung der Aussage berechtigt. Dieses Recht darf bei sonstiger Nichtigkeit nicht umgangen werden, insbesondere nicht durch Sicherstellung und Beschlagnahme von Unterlagen oder auf Datenträgern gespeicherten Informationen oder durch Vernehmung der Hilfskräfte oder der Personen, die zur Ausbildung an der berufsmäßigen Tätigkeit teilnehmen. Dies gilt ebenso für Unterlagen und Informationen, die sich in der Verfügungsmacht des Beschuldigten oder eines Mitbeschuldigten befinden und zum Zwecke der Beratung oder Verteidigung des Beschuldigten durch eine der vorgenannten Personen von dieser oder vom Beschuldigten erstellt wurden (§ 157 Abs 2 StPO).
Werden dem § 157 Abs 1 Z 2 StPO unterfallende Informationen unter Missachtung des Verbots des § 157 Abs 2 StPO sichergestellt bzw. beschlagnahmt, stehen jedem davon Betroffenen die Rechtsmittel des Einspruchs wegen Rechtsverletzung gemäß § 106 Abs 1 Z 2 StPO, des Antrags auf gerichtliche Entscheidung über die Aufhebung oder Fortsetzung der Sicherstellung (§ 111 Abs 4 StPO) und der Beschwerde gemäß § 87 StPO offen. Sofern geschützte Unterlagen unrechtmäßig Eingang in die Hauptverhandlung finden, kann dies zur Nichtigkeit des Urteils (aus § 281 Abs 1 Z 2 oder Z 3 StPO; Hinterhofer/Oshidari, System des österreichischen Strafverfahrens [2017] Rz 7.145) führen. Das Sicherstellungs- bzw. Beschlagnahmeverbot, die Rechtsmittel gegen Sicherstellungen bzw. Beschlagnahmen und die Nichtigkeitssanktion bei rechtswidrigen Sicherstellungen bzw. Beschlagnahmen gelten unabhängig davon, ob sich die Unterlagen bzw. Datenträger beim Berufsgeheimnisträger selbst oder beim (Mit-)Beschuldigten befinden.
Ergänzend zu diesen Möglichkeiten, unter Verletzung des Umgehungsschutzes des § 157 Abs 2 StPO vorgenommene Sicherstellungen zu bekämpfen, normiert § 112 StPO ein Widerspruchs- und Sichtungsverfahren zur Prüfung, ob die Offenlegung sichergestellter schriftlicher Aufzeichnungen oder Datenträger die Umgehung eines gesetzlich anerkannten Verschwiegenheitsrechts bedeuten würde. Es handelt sich dabei um einen zusätzlichen Rechtsbehelf für einen exklusiven Personenkreis von Berufsgeheimnisträgern, um zu verhindern, dass die Strafverfolgungsbehörden überhaupt Kenntnis vom Inhalt der privilegierten Unterlagen und Datenträger, die im Besitz des Berufsgeheimnisträgers sind und häufig dem Aussageverweigerungsrecht unterliegen, erlangen (OLG Wien 17 Bs 27/18x). Solcherart stellt § 112 StPO – neben dem (höchstpersönlichen) Aussageverweigerungsrecht des Geheimnisträgers (§ 157 Abs 1 Z 2 StGB) und dem (mit Nichtigkeitssanktion versehenem) Umgehungsverbot (§ 157 Abs 2 StPO) – die „dritte Säule“ (vgl. Stricker, Das Umgehungsverbot [§ 157 Abs 2 StPO] nach dem StPRÄG 2016 I, ÖJZ 2018/67, 498 [499]) des Berufsgeheimnisschutzes in der StPO dar.
§ 112 Abs 1 StPO setzt den Widerspruch einer von der Sicherstellung betroffenen oder (dabei in deren Vertretung [Tipold/Zerbes in Fuchs/Ratz, WK StPO § 112 Rz 10/1 [Stand: 1.November 2015]; Fabrizy, StPO13 § 112 Rz 1]) anwesenden Person voraus, die sich auf ein gesetzlich anerkanntes Recht auf Verschwiegenheit beruft, das bei sonstiger Nichtigkeit nicht durch Sicherstellung umgangen werden darf. Von der Sicherstellung betroffen ist jene Person, welche die sichergestellten schriftlichen Aufzeichnungen oder Datenträger in ihrer Verfügungsmacht hat (OGH 13 Os 94/17y [13 Os 95/17w, 13 Os 96/17t, 13 Os 97/17i]; Tipold/Zerbes, aaO § 112 Rz 10/1). Gemäß § 112 Abs 2 erster Satz StPO ist der Betroffene aufzufordern, binnen einer angemessenen, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist jene Teile der Aufzeichnungen oder Datenträger konkret zu bezeichnen, deren Offenlegung eine Umgehung seiner Verschwiegenheit bedeuten würde. Daraus folgt, dass ein Widerspruch nach § 112 StPO nur bei Sicherstellung von schriftlichen Aufzeichnungen oder Datenträgern erhoben werden kann, die sich in der Verfügungsmacht eines in § 157 Abs 1 Z 1 bis Z 4 StPO und § 155 Abs 1 Z 1 StPO angeführten Geheimnisträgers befinden. Widerspruchslegitimiert ist daher entweder der Geheimnisträger selbst („die von der Sicherstellung betroffene Person“; Kroschl in Schmölzer/Mühlbacher, StPO Strafprozessordnung Praktikerkommentar § 112 Rz 1 f [Stand: März 2013]; Schmieder/Singer, Das neue Widerspruchsrecht nach § 112 StPO, JSt 2012, 176 ff; vgl. auch Hinterhofer/Oshidari, aaO Rz 7.206 f) oder eine Person, die das Anwesenheitsrecht des jeweiligen Geheimnisträgers substituiert („oder anwesende Person“; s. § 121 Abs 2 StPO; AB 1700 BlgNR 24.GP 2), und zwar nur unter Berufung auf das dem von der Sicherstellung betroffenen Geheimnisträger selbst zustehende Recht auf Verschwiegenheit (OLG Wien 17 Bs 27/18x m.d.H. auf die Äußerung der Bundesregierung vom 14.Juli 2017 zu den Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof G 83/2017 und G 86/2017 GZ BKA-604.549/00004-V/5/2017; ebenso OLG Graz 8 Bs 363/12m; idS auch Punkt I.3. des Einführungserlasses zu den durch das Bundesgesetz, mit dem das Strafregistergesetz 1968, das Tilgungsgesetz 1972 und die Strafprozessordnung 1975 geändert werden und das 2. Stabilitätsgesetz 2012 mit 1. Juni 2012 bzw. 1. September 2012 in Kraft tretenden Änderungen im Bereich der StPO, BMJ-S585.003/0003-IV 3/2012). Andere als in diesem Sinne von der Sicherstellung betroffene (oder in deren Vertretung anwesende) Personen sind hingegen zu einem Widerspruch nicht legitimiert (OGH 13 Os 94/17y u.a.; OLG Wien 17 Bs 27/18x; vgl. auch Tipold, Der Schutz von Geheimnissen in Papieren vor Durchsuchung – Gedanken zu § 112 StPO, JSt 2012, 134 [143]; aA Tipold/Zerbes, aaO § 112 StPO Rz 10/1 aE; Stricker, Schutz von Berufsgeheimnissen. Zum Widerspruch nach § 112 StPO, ÖJZ 2016/77, 539 [540 f]; Zerbes, Hotspot Anwaltsgeheimnis, in Jahrbuch Wirtschaftsstrafrecht und Organverantwortlichkeit 2016, 155 [158 f]; dies, Anwaltsgeheimnis: Wirkung und Fernwirkung des Umgehungsverbots. Zugleich Anmerkung zu OLG Linz 7 Bs 188/15v, ÖJZ 2016/23, 159 [163]). Einem Beschuldigten, dem nicht selbst ein gesetzlich anerkanntes Recht auf Verschwiegenheit zukommt, steht daher ein Widerspruch iS des § 112 StPO gegen die Sicherstellung in seiner Verfügungsmacht befindlicher schriftlicher Unterlagen und Datenträger nicht zu, mögen diese auch an sich dem Berufsgeheimnisschutz unterfallende Informationen beinhalten.
Daran ändert auch § 157 Abs 2 letzter Satz StPO nichts, wonach das Umgehungsverbot zum Schutz des Aussageverweigerungsrechts der in § 157 Abs 1 Z 2 StPO angeführten Personen ebenso für Unterlagen und Informationen gilt, die sich in der Verfügungsmacht des Beschuldigten oder eines Mitbeschuldigten befinden und zum Zwecke der Beratung oder Verteidigung des Beschuldigten durch eine in Abs 1 Z 2 genannte Person von dieser oder vom Beschuldigten erstellt wurden.
Diese Bestimmung wurde in Umsetzung der Richtlinie 2013/48/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.Oktober 2013 über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs (kurz: RL Rechtsbeistand) mit dem Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2016 I, BGBl I 2016/26, eingefügt und ist am 1.Oktober 2016 in Kraft getreten. Sie will gewährleisten, dass – entgegen der bis dahin geltenden Rechtslage (dazu Fabrizy, StPO12 § 157 Rz 23) – die Sicherstellung oder Beschlagnahme von Unterlagen oder Informationen, die für die Beratung oder Verteidigung des Beschuldigten – gleich ob durch den Verteidiger oder durch den Beschuldigten selbst – erstellt werden, auch beim Beschuldigten unzulässig und als Umgehung des Aussageverweigerungsrechts mit Nichtigkeit bedroht ist (ErläutRV 1058 BlgNR 25. GP 10). Solcherart wird nunmehr insofern ein Sicherstellungs- bzw. Beschlagnahmeverbot statuiert (Hinterhofer/Oshidari, aaO Rz 7.176), dessen gerichtlicher Schutz durch das oben (S. 6) bereits skizzierte Instrumentarium gewährleistet wird. Eine Erweiterung der Widerspruchslegitimation des § 112 Abs 1 StPO in dem Sinne, dass nunmehr einerseits auch ein (Mit-)Beschuldigter unter Berufung auf ein gesetzlich anerkanntes Recht auf Verschwiegenheit eines anderen gegen die Sicherstellung in seiner Verfügungsmacht bzw. andererseits ein Berufsgeheimnisträger unter Berufung auf sein gesetzlich anerkanntes Recht auf Verschwiegenheit gegen die Sicherstellung in der Verfügungsmacht des [Mit-]Beschuldigten befindliche schriftliche Unterlagen oder Datenträger Widerspruch erheben können soll, ist damit nicht verbunden (ebenso OLG Wien 17 Bs 27/18x mit ausführlicher Darlegung der Intention des historischen Gesetzgebers).
§ 157 Abs 2 StPO und § 112 StPO haben unterschiedliche Anwendungsbereiche und Zielsetzungen und können unabhängig voneinander zur Anwendung gelangen (so bereits OLG Wien 17 Bs 27/18x). Dies zeigt sich schon daran, dass sich § 157 Abs 2 letzter Satz StPO sich auch auf solche in der Verfügungsmacht des (Mit-)Beschuldigten befindliche Unterlagen und Informationen erstreckt, die der Beschuldigte zum Zwecke seiner Beratung oder Verteidigung selbst erstellt hat und einem Geheimnisträger noch gar nicht zugekommen sein müssen. Demgegenüber umfasst das Aussageverweigerungsrecht des § 157 Abs 1 Z 2 StPO nur das, was den dort genannten Geheimnisträgern in dieser Eigenschaft bekannt geworden ist. Der Rechtsschutz des § 112 StPO reicht wiederum nicht weiter als das Aussageverweigerungsrecht, dessen Absicherung er bezweckt. Insbesondere (aber nicht nur) wenn es um derartige, vom Beschuldigten selbst erstellte Unterlagen/Informationen geht, ist auch nicht nachvollziehbar, warum ein Berufsgeheimnisträger – vielleicht gar gegen die Interessen des Beschuldigten – über in dessen Verfügungsmacht befindliche schriftliche Aufzeichnungen oder Datenträger auf die in § 112 StPO vorgesehene Weise disponieren können soll. Das in § 157 Abs 1 Z 2 StPO normierte Aussageverweigerungsrecht der dort angeführten Berufsgeheimnisträger über das, was ihnen in dieser Eigenschaft bekannt geworden ist, sichert nämlich deren berufliche Verschwiegenheit (nicht als Selbstzweck, sondern) mit dem Ziel des Schutzes des Klienten vor verfassungswidrigem Zwang zur Selbstbelastung und damit dem verfassungsgesetzlich gesicherten Recht des Beschuldigten auf seine Verteidigung (Kirchbacher in Fuchs/Ratz, WK StPO § 157 Rz 9 [Stand: 1.Oktober 2013] und § 246 Rz 63 [Stand: 1.August 2009]; Tipold/Zerbes, aaO §§ 110 – 115 Rz 19 [Stand: 1.November 2015]; Fabrizy, StPO13 § 157 Rz 10). Dies zeigt sich deutlich daran, dass es zwar dem Verteidiger, Rechtsanwalt, etc. frei steht, trotz Entbindung von der beruflichen Verschwiegenheitspflicht seitens seines Mandanten von seinem höchstpersönlichen Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen (Kirchbacher, aaO § 157 Rz 18; Fabrizy, aaO § 157 Rz 18). Umgekehrt kann aber ein in § 157 Abs 1 Z 2 StPO genannter Berufsgeheimnisträger den Beschuldigten nicht daran hindern, über (grundsätzlich) der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen dem Beschuldigten und seinem Rechtsbeistand unterliegende Umstände auszusagen oder Unterlagen und Informationen, die sich in dessen Verfügungsmacht befinden und von denen er sich etwa eine Entkräftung der wider ihn erhobenen Vorwürfe erwartet, den Strafverfolgungsbehörden freiwillig herauszugeben, mögen sie auch zum Zwecke seiner Beratung oder Verteidigung von einer in § 157 Abs 1 Z 2 StPO genannten Person erstellt worden sein.
Bei Annahme, die Schutzbereiche des § 157 Abs 2 letzter Satz StPO und des § 157 Abs 1 Z 2 StPO iVm § 112 StPO würden sich überhaupt decken, wäre die Erhebung eines Widerspruchs durch den Berufsgeheimnisträger bei Sicherstellung von in der Verfügungsmacht des Beschuldigten befindlichen schriftlichen Aufzeichnungen/Datenträgern im Übrigen auch gar nicht verfahrensvorschriftenkonform umsetzbar. Denn damit der Berufsgeheimnisträger in einem solchen Fall ein Widerspruchsrecht ausüben kann, müsste er von der Sicherstellung wissen. Die in § 111 Abs 4 StPO vorgesehene Verständigung von der Sicherstellung setzt aber voraus, dass die Strafverfolgungsbehörden von der Existenz eines dem Schutz des § 157 Abs 1 Z 2 StPO unterfallenden Berufsgeheimnisses und dessen Träger Kenntnis haben. Diese Informationen wiederum wären aber – wenn der (hierzu nicht verpflichtete) Beschuldigte nicht kooperiert – anders als durch Einsicht in die Unterlagen/Daten nicht zu erlangen.
Wenn schließlich zur Begründung einer Widerspruchslegitimation auch des (von der Sicherstellung unmittelbar betroffenen) Beschuldigten von manchen (etwa von Stricker, ÖJZ 2016, 545) argumentiert wird, dass § 112 StPO einen über § 157 Abs 2 StPO hinausreichenden Schutz insofern bietet, als er nicht nur die Verwertung des dem Geheimnisschutz unterliegenden Materials, sondern bereits die Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden von diesen Informationen und deren Verwendung für weitere Ermittlungen oder als Beweis bei sonstiger Nichtigkeit verhindert (§ 112 Abs 2 letzter Satz StPO), ist dem (mit OLG Wien 17 Bs 27/18x) zu entgegnen, dass sich weder aus Art 6 Abs 3 EMRK noch aus Art 90 Abs 2 B-VG ein Recht des Beschuldigten auf die Einräumung bestimmter verfahrensrechtlicher Instrumente (hier eben: auf Durchführung eines Widerspruchs- und Sichtungsverfahrens), sondern „lediglich“ auf Sicherstellung angemessener verfahrensrechtlicher Schutzmaßnahmen ergibt (vgl. Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 [2016] 539 Rz 126; Hengstschläger/Leeb, Grundrechte [2012] Rz 24/20; EGMR 25.7.2013, 11082/06 u.a., Khodorkovskiy und Lebedev/Russland), das aber bereits durch das Sicherstellungsverbot in § 157 Abs 2 letzter Satz StPO (auf das sinnvollerweise bereits in der Anordnung der Sicherstellung hingewiesen werden sollte) und die für den Fall seiner Verletzung zur Verfügung stehenden (oben bereits dargestellten) Rechtsbehelfe gewährleistet ist.
Zusammenfassend ist daher – dem OLG Wien 17 Bs 27/18x folgend – festzuhalten, dass Voraussetzung für eine Widerspruchslegitimation (weiterhin) ist, dass ein in § 157 Abs 1 Z 1 bis 4 StPO oder § 155 Abs 1 Z 1 StPO angeführter Geheimnisträger Verfügungsmacht über die sicherzustellenden Unterlagen oder Datenträger hat. Legitimiert zur Erhebung eines Widerspruchs ist sodann entweder der von der Sicherstellung betroffene Geheimnisträger (Inhaber) selbst oder eine Person, die das Anwesenheitsrecht des Geheimnisträgers substituiert, und zwar nur unter Berufung auf das dem von der Sicherstellung betroffenen Geheimnisträger selbst zustehende Recht auf Verschwiegenheit.
Fallbezogen ergibt sich daraus, dass dem Beschuldigten K***** P*****, in dessen Verfügungsmacht sich die sichergestellten schriftlichen Aufzeichnungen und Datenträger befanden, schon wegen seiner fehlenden Berufsgeheimnisträgereigenschaft keine Widerspruchslegitimation zukam. Dass es seiner (bloß einen Pauschalverweis auf „Korrespondenzen“ iS von Schriftverkehr, Dokumente und E-Mails mit potentiellen Berufsgeheimnisträgern beinhaltenden) Erklärung ohnedies auch an der Berufung auf ein gesetzlich anerkanntes Recht auf Verschwiegenheit mangelte, sei lediglich der Vollständigkeit halber erwähnt.
Seiner Beschwerde war daher ein Erfolg zu versagen.
Oberlandesgericht Graz, Abteilung 1
Textnummer
EG00170European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0639:2019:0010BS00032.19V.0813.000Im RIS seit
28.08.2019Zuletzt aktualisiert am
28.08.2019