Entscheidungsdatum
01.07.2019Norm
BFA-VG §22a Abs1 Z1Spruch
W171 2144639-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX alias XXXX , StA Irak alias staatenlos, vertreten durch RA Mag. Frühwirth, gegen die Festnahme des Beschwerdeführers am 05.12.2016 und die Anhaltung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 05.12.2016, 06:20 Uhr, bis 07.12.2016, 07:06 Uhr, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und 2 iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.
II. Der Antrag auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer gelangte illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 29.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.2. Mit Bescheid vom 05.08.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Kroatien gemäß Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 22 Abs. 7 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Prüfung des Antrages zuständig sei, sowie gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gem. § 61 Abs. 2 FPG dessen Abschiebung nach Kroatien zulässig sei.
1.3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.09.2016, Zl. W233 2134670-1/3E wurde die Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
1.4. Am 23.11.2016 erteilte das BFA den Auftrag, den Beschwerdeführer festzunehmen und ins PAZ zu überstellen. Die Festnahme erfolgte am 05.12.2016.
1.5. Am 07.12.2016 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen eines begleiteten Charterflugs nach Kroatien abgeschoben.
1.6. Mit Schreiben vom 13.01.2017 brachte der Beschwerdeführer über die rechtsfreundliche Vertretung eine Beschwerde gegen die Festnahme, Anhaltung und erfolge Abschiebung ein. Diese wurde im Wesentlichen damit begründet, dass Kroatien keine Zuständigkeit nach der Dublin-Verordnung zukomme und keine illegale Einreise des Beschwerdeführers vorliege, weil dieser mit dem Flüchtlingsstrom über Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich gelangte. Zum Zeitpunkt der Einreise des Beschwerdeführers in das österreichische Bundesgebiet hätten die österreichischen Behörden die Einreise von Schutzsuchenden über die sogenannte "Balkanroute" zum Zwecke der Asylantragstellung in Österreich oder zum Zwecke der Durchreise durch Österreich zur Antragstellung in Deutschland zugelassen. Unter Bezugnahme auf das "Joint Statement" zwischen Österreich, Slowenien, Kroatien, Serbien und Mazedonien, wonach sich diese Staaten darauf geeinigt hätten, das Passieren ihrer Staatsgrenzen zur Weiterreise nach Österreich jenen Schutzsuchenden zu gestatten, die ihre Identität nachweisen können und in Griechenland registriert worden seien, stelle sich die Frage, ob das für eine Anwendung des in Artikel 13 Abs. 1 Dublin III-VO normierten Zuständigkeitskriterium des illegalen Grenzübertritts gegeben ist, wenn - wie im Fall der Beschwerdeführers - aus humanitären Gründen die Einreise in einen Mitgliedstaat oder die Durchreise durch einen Mitgliedstaat aufgrund der an diesen Staat gerichteten Zusicherung der Aufnahme eines Asylsuchenden eines anderen Mitgliedstaats gestattet werde. Es wäre somit nicht mit der zwischenstaatlichen Vereinbarung in Einklang zu bringen, könnten die österreichischen Behörden - nach zunächst erfolgter Zulassung der Einreise - schutzsuchende Menschen willkürlich wieder in die Staaten auf der "Balkanroute" abschieben, unter Hinweis darauf, dass diese für die Prüfung der Anträge zuständig seien.
Zwar wären das Bundesamt und Bundesverwaltungsgericht und auch der Verwaltungsgerichtshof (VwGH vom 07.09.2016, Ra 2016/19/0160) zunächst davon ausgegangen, dass in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden der Tatbestand der illegalen Einreise iSd Art. 13 Dublin III-VO erfüllt ist.
Im Zeitpunkt der Abschiebung hätte aber nicht davon ausgegangen werden dürfen, dass mit Kroatien eine Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgte. Die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers am 07.12.2016 sei trotz entsprechender Anordnung zur Außerlandesbringung unzulässig gewesen, da bereits seit 13.09.2016 ein Vorabentscheidungsverfahren in dieser Frage beim EuGH anhängig sei. Es wäre das Verfahren jedenfalls bis zur Entscheidung durch den EuGH gemäß § 38 AVG auszusetzen gewesen und wurde eine Vielzahl an Judikatur zu Vorfragen und dem Verlust der Gültigkeit von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen in bestimmten Konstellationen zitiert. Demnach wäre insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.11.2016, Zl. 2016/18/0224, in welchem sich dieser mit der vorliegenden Fallkonstellation befasst hat, die Abschiebung unzulässig und hätte daher auch die Festnahme und Anhaltung nicht erfolgen dürfen.
Der Beschwerdeführer stelle daher die Anträge, die Festnahme und Anhaltung für rechtswidrig zu erklären und der belangten Behörde aufzutragen, die Verfahrenskosten zu ersetzen.
1.7. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.11.2017, XXXX , wurde die Beschwerde gegen die am 07.12.2016 erfolgte Abschiebung nach Kroatien als unbegründet abgewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak bzw. staatenlos und besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.
Er stellte am 29.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid vom 05.08.2016 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen wurde, dass Kroatien gemäß Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 22 Abs. 7 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Prüfung des Antrages zuständig sei, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung des Antragstellers angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gem. § 61 Abs. 2 FPG dessen Abschiebung nach Kroatien zulässig sei. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.09.2016, Zl. W233 2134670-1/3E wurde die Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
Am 23.11.2016 wurde gegen den Beschwerdeführer ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG erlassen. Am 05.12.2016 wurde der Beschwerdeführer um 06:20 Uhr festgenommen und um 09:46 Uhr in ein Polizeianhaltezentrum überstellt.
Der Beschwerdeführer befand sich von 05.12.2016, 09:46 Uhr, bis 07.12.2016, 07:06 Uhr, in einem Polizeianhaltezentrum. Am 22.06.2017 wurde der Beschwerdeführer per Charterflug nach Kroatien abgeschoben.
Gegen den Beschwerdeführer wurde keine Schubhaft verhängt.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die am 07.12.2016 erfolgte Abschiebung wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.11.2017, XXXX , als unbegründet abgewiesen.
2. Beweiswürdigung:
Die Angaben zum Verfahrensgang ergeben sich aus den Verwaltungs- und Gerichtsakten.
Die gegen den Beschwerdeführer ergangene Anordnung zur Außerlandesbringung ergibt sich aus den im Akt aufliegenden Bescheid des BFA und dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.09.2016.
Die Angaben zur Festnahme, Anhaltung und Abschiebung des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Akteninhalt und einem Auszug aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.
Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.11.2017, XXXX , liegt ebenfalls im Akt auf.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchpunkt I.:
3.1.1. Gemäß § 9 Abs. 2 FPG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl; über Beschwerden gegen Entscheidungen der Landespolizeidirektionen entscheiden, soweit nicht anderes bestimmt ist, gemäß § 9 Abs. 1 FPG die Verwaltungsgerichte der Länder.
Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht u. a. über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Z 1) sowie über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG (§§ 34 - 47 BFA-VG) und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG (Z 3).
Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2) oder wenn gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3).
Während der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung VwGH 26.1.2001, 2000/02/0340, zu § 72 Abs. 1 FrG 1997 noch davon ausging, dass mit Anhaltung nur die Anhaltung in Schubhaft gemeint war, subsumierte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VwGH 19.5.2011, 2009/21/0214, zu § 82 Abs. 1 FPG aF eine Anhaltung ohne Erlassung eines Schubhaftbescheides ausdrücklich unter § 82 Abs. 1 Z 2 FPG, weil diese Bestimmung nicht nur für Beschwerden gegen die Anhaltung in Schubhaft, "sondern für jede Beschwerde, die sich gegen eine auf das FPG gestützte Anhaltung richtet," zur Verfügung stand. Gleiches hat auch für die Anfechtungsbefugnis gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG zu gelten, der ausweislich der Erläuterungen (RV 2144 BlgNR 24. GP) § 82 Abs. 1 FPG aF entspricht (vgl. Szymansiki, § 22a BFA-VG Anm. 1, in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht, 2014).
Die Beschwerde richtet sich ausdrücklich gegen Festnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers; es liegt daher eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 2 BFA-VG vor.
3.1.2. Gemäß § 39 FPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Fremden unter bestimmten Voraussetzungen zum Zwecke der Vorführung vor die Landespolizeidirektion festzunehmen und bis zu 24 Stunden anzuhalten.
Der Fremde hat gemäß § 82 FPG das Recht, das Landesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1) oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wurde oder wird (Z 2). Zur Entscheidung ist gemäß § 83 FPG in den Fällen des § 82 Z 2 FPG das Landesverwaltungsgericht zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Z 1 FPG richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme (vgl. Schmalzl in Schrefler-König/Szymanski [Hrsg.], Fremdenpolizei- und Asylrecht, FPG § 82 Anm. 5; § 83 Anm. 2; VwGH 27.05.2010, 2008/21/0602).
Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind nach § 40 Abs. 1 BFA-VG ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen, gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht (Z 1), wenn dieser Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt (Z 2) oder der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 3). In den Fällen der Abs. 1 und 2 kann gemäß § 40 Abs. 3 BFA-VG die Festnahme unterbleiben, wenn gewährleistet ist, dass der Fremde das Bundesgebiet unverzüglich über eine Außengrenze verlässt. Das Bundesamt ist gemäß § 40 Abs. 4 BFA-VG ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen. Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen der Abs. 1 Z 2 und 3 und Abs. 2 bis zu 48 Stunden und in den Fällen des Abs. 1 Z 1 bis zu 72 Stunden zulässig; darüber hinaus ist Freiheitsentziehung nur gemäß § 77 Abs. 5 FPG oder in Schubhaft gemäß § 76 FPG möglich. Dem festgenommenen Fremden ist die Vornahme der Festnahme über sein Verlangen schriftlich zu bestätigen.
Ein Festnahmeauftrag kann gemäß § 34 Abs. 3 BFA-VG gegen einen Fremden auch dann erlassen werden, wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 FPG oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 FPG vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor das Bundesamt erfolgt (Z 1), wenn er seiner Verpflichtung zur Ausreise (§§ 52 Abs. 8 und 70 Abs. 1 FPG) nicht nachgekommen ist (Z 2), wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll (Z 3) oder wenn er, ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung gemäß § 46 Abs. 2a FPG, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, zur Befragung zur Klärung seiner Identität und Herkunft, insbesondere zum Zweck der Einholung eines Ersatzreisedokumentes bei der zuständigen ausländischen Behörde durch die Behörde, nicht Folge geleistet hat (Z 4). Der Festnahmeauftrag ergeht laut § 34 Abs. 5 BFA-VG in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt; er ist aktenkundig zu machen. Die Anhaltung auf Grund eines Festnahmeauftrages darf 72 Stunden nicht übersteigen und ist nach Durchführung der erforderlichen Verfahrenshandlungen zu beenden. In den Fällen der Abs. 1 bis 4 ist dem Beteiligten gemäß § 34 Abs. 6 BFA-VG auf sein Verlangen sogleich oder binnen der nächsten 24 Stunden eine Durchschrift des Festnahmeauftrages zuzustellen. Das Bundesamt hat die Erlassung und den Widerruf eines Festnahmeauftrags gemäß § 34 Abs. 9 BFA-VG den Landespolizeidirektionen bekannt zu geben.
Der Beschwerdeführer wurde am 05.12.2016 um 06:20 Uhr auf Basis eines Festnahmeauftrags gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum überstellt. Es besteht daher kein Zweifel, dass die Sicherheitsorgane mit der Anhaltung des Beschwerdeführers bis zur Abschiebung am 07.12.2016 sowie mit der Verbringung zum Flughafen Wien-Schwechat am 22.06.2017 entsprechend den Aufträgen des Bundesamtes gehandelt haben (VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0025) und sich die in Beschwerde gezogene Anhaltung durch das Bundesamt gestützt auf die Bestimmungen der §§ 34, 40 BFA-VG auf den Zeitraum 05.12.2016, 06:20 Uhr, bis 07.12.2016, 07:06 Uhr, bezieht.
3.1.3. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zur Prüfung der Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 2 BFA-VG gegen die dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurechenbare Anhaltung gemäß § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG iVm § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG vom 05.12.2016, 09:46 Uhr, bis 07.12.2016, 07:06 Uhr, zuständig.
3.1.4. Die gesonderte Anfechtung eines Festnahmeauftrages kommt jedenfalls nach vollzogener Festnahme schon zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten nicht in Betracht (VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0025); bei der Überprüfung der Festnahme ist allerdings zu prüfen, ob die Festnahme rechtswidrig war, weil der zugrundeliegende Festnahmeauftrag nicht hätte ergehen dürfen oder weil er jedenfalls vor seinem Vollzug zu widerrufen gewesen wäre (VwGH 25.10.2012, 2010/21/0378).
Das Bundesamt erließ am 23.11.2016 einen Festnahmeauftrag gegen den Beschwerdeführer, der nicht österreichischer Staatsbürger und irakischer Staatsangehöriger ist, weil gegen den Beschwerdeführer eine durchsetzbare Ausweisung bestand. Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG sind somit erfüllt.
3.1.5. Nach Art. 5 Abs. 1 EMRK hat jedermann ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den Fällen des Abs. 1 lit. a bis f und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden.
Art. 1 PersFrBVG gewährleistet dieses Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) ebenfalls. Nach Art. 1 Abs. 2 PersFrBVG darf niemand aus anderen als den in diesem BVG genannten Gründen oder auf andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden. Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nach Art. 1 Abs. 3 PersFrBVG nur vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist. Er ist nur zulässig, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht. Nach Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG darf die persönliche Freiheit einem Menschen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.
Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen der § 40 Abs. 1 Z 1 gemäß Abs. 4 BFA-VG bis zu 72 Stunden zulässig.
Dabei handelt es sich aber - wie bei § 39 FPG (vgl. VwGH 12.09.2013, 2012/21/0204) - um eine Maximalfrist. Auch im Bereich fremdenpolizeilicher Festnahmen ist die Behörde schon aus verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtet, die Anhaltedauer so kurz als möglich zu halten und im Interesse einer kurzen Haftdauer die dafür notwendigen und ihr zumutbaren organisatorischen und personellen Maßnahmen zu treffen.
Der Beschwerdeführer wurde am 05.12.2016 um 06:20 Uhr auf Basis eines Festnahmeauftrags gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG festgenommen. Das Bundesamt hatte zum Zeitpunkt der Erlassung des Festnahmeauftrags am 23.11.2016 bereits den (nächstmöglichen) Flug und die Abschiebung organisiert; das Verfahren wurde sohin sehr zügig geführt. Die Anhaltung im Rahmen des § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG dauerte insgesamt weniger als 48 Stunden. Die Dauer der Anhaltung war damit nicht unverhältnismäßig.
Es ist daher - auch vor dem Hintergrund der tatsächlich erfolgten Abschiebung innerhalb der für die Anhaltung im Rahmen der Festnahme vorgesehenen Höchstfrist - der belangten Behörde nicht vorzuwerfen, wenn sie davon ausging, dass die Abschiebung tatsächlich in Frage kommt und innerhalb der vorgesehenen Frist bewerkstelligt werden konnte (vgl. zur Schubhaft VwGH 26.09.2007, 2007/21/0253; 23.10.2008, 2006/21/0128; 11.06.2013, 2013/21/0024).
3.1.6. Die gegenständliche Beschwerde wird - zusammengefasst - ausschließlich damit begründet, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers trotz der durchsetzbaren Anordnung zu seiner Außerlandesbringung nach Kroatien im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen der Republik Slowenien an den Gerichtshof der Europäischen Union (VRHOVNO SODISCE Republike SLOVENIE legte mit Beschluss [Zahl: C-490/16] dem EUGH Fragen hinsichtlich der Auslegung des Tatbestandes der "illegalen Einreise" nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO vor) sowie der Vorlage des VwGH zu Zl. EU 2016/0007,0008-1 (Ra 2016/19/0303 und 304) in einer "ähnlich gelagerte Konstellation" erfolgt ist. Da die Abschiebung rechtswidrig gewesen sei, seien auch die zu diesem Zweck erfolgte Festnahme und Anhaltung unzulässig und rechtswidrig gewesen.
Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige und durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung bestand. Eine neuerliche Überprüfung oder gar Revidierung einer rechtskräftigen Entscheidung einer erstinstanzlichen Behörde oder des Bundesverwaltungsgerichts ist im Beschwerdeverfahren gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und 2 BFA-VG nicht vorgesehen.
Darüber hinaus hat der EuGH inzwischen über das aufgezeigte Vorabentscheidungsersuchen Sloweniens sowie des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes in den Rechtssachen C-490/16, A.S., bzw. C-646/16, Jafari, mit Urteilen jeweils vom 26.07.2017 entschieden. Der EuGH hat dabei u.a. erkannt, dass Kroatien gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III - VO für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz von Personen zuständig ist, die seine Grenze während der "Flüchtlingskrise" der Jahre 2015 und 2016 in großer Zahl überschritten haben bzw. kann die Gestattung der Einreise durch Kroatien nicht als "Visum" iSd Art. 12 iVm Art. 2 lit m Dublin III - VO eingestuft werden. So ist ein derartiges humanitäres Überschreiten der Grenze zwangsläufig - obschon der Duldung, aber aufgrund des Fehlens der Einreisevoraussetzungen (hier: eines Visums) - als illegal im Sinne der Dublin III - VO zu werten. Vor diesem Hintergrund erwies sich die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Kroatien in jedem Fall als rechtmäßig.
Sonstige außergewöhnliche Umstände, die die Festnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers unzulässig machen könnten, sind im gegenständlichen Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde nicht geltend gemacht.
3.1.6. Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 2 iVm § 40 Abs. 1 Z 1 und § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II., Kostenentscheidung:
3.2.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).
Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegene Partei daher kein Kostenersatz, die belangte Behörde stellte keinen Antrag auf Kostenersatz.
3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Da der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG im gegenständlichen Fall die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und die Einvernahme der BF unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Wie zu Spruchpunkt I. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf Spruchpunkt I. nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.
Schlagworte
Abschiebung, Anhaltung, Außerlandesbringung, Dauer, Festnahme,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W171.2144639.1.00Zuletzt aktualisiert am
28.08.2019