Entscheidungsdatum
08.08.2019Index
50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde von AA, geboren am XX.XX.XXXX, Adresse 1, Z, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 2, Y, vom 02.07.2019 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom 04.06.2019, Zl ****, betreffend eine Übertretung der Gewerbeordnung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung,
zu Recht:
1. Hinsichtlich Spruchpunkt 1. wird die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als die verletzte Rechtsvorschrift § 366 Abs 1 Z 1 GewO 1994 lautet und gemäß § 366 Abs 1 Einleitungssatz GewO 1994 dafür eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 360,00 (im Uneinbringlichkeitsfall 33 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wird.
2. Dementsprechend wird der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gemäß § 64 Abs 2 VStG mit Euro 36,00 neu festgesetzt.
3. Hinsichtlich Spruchpunkt 2. wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.
4. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Im bekämpften Straferkenntnis wird Frau AA folgender Sachverhalt angelastet und Strafe über sie verhängt:
„Sie
1. haben zu einem unbestimmten Zeitpunkt, jedenfalls am 18.06.2018 im Zeitraum von 09:00 Uhr bis 17:00 Uhr beim Gasthof „CC“ in W Silikonsanierungen durchgeführt und dadurch das reglementierte Gewerbe nach § 94 Ziffer 38 Gewerbeordnung 1994 (GewO) (Platten- und Fliesenleger (Handwerk)) selbstständig, regelmäßig und in Gewinnerzielungsabsicht durchgeführt, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, obwohl Sie nicht im Besitz der entsprechenden Gewerbeberechtigung zum Tatzeitpunkt waren.
2. bieten vom Standort in Z, Adresse 1, zu einem unbestimmten Zeitpunkt, jedenfalls vor dem 03.01.2019 Tätigkeiten des reglementierten Gewerbes nach § 94 Ziffer 38 Gewerbeordnung 1994 (GewO) (Platten- und Fliesenleger (Handwerk)) an einen größeren Kreis von Personen an, indem Sie in der DD unter Punkt „Verschiedenes“ - nachstehenden Text: „Ihre Silikonfugen sind schimmlig, rissig oder undicht? Silikonfugensanierung! Tel. ****“ anbieten/anpreisen und dadurch für die Öffentlichkeit der Eindruck erweckt wurde, dass eine unter den Wortlaut der Ankündigung fallenden gewerblichen Tätigkeit Ihrerseits entfaltet wird, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.
Nach § 1 Abs. 4 zweiter Satz Gewerbeordnung 1994 (GewO) wird das Anbieten einer dem Gegenstand des Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen oder bei Ausschreibung der Ausübung des Gewerbes gleichgehalten.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 1 Abs. 4 zweiter Satz iVm § 366 Abs. 1 Ziffer 1 Gewerbeordnung 1994 (GewO) und § 94 Ziffer 38 Gewerbeordnung 1994 (GewO)
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe (€):
Gemäß:
Ersatzfreiheitsstraf e:
1.000,00
§ 366 Abs. 1 Einleitungssatz Gewerbeordnung 1994
93 Stunden
Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle die Ersatzfreiheitsstrafe.
Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
€ 100,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, wobei jedoch mindestens € 10,00 zu bemessen sind.
Bei Freiheitsstrafen ist zur Berechnung der Kosten ein Tag Freiheitsstrafe mit 100 Euro anzusetzen.
€ 0,00 als Ersatz der Barauslagen für
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher: € 1.100.00“
Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde, in welcher Frau AA durch ihren Rechtsvertreter im Wesentlichen ausführt, dass laut Auskunft der Wirtschaftskammer Platten- und Fliesenleger Platten und Fliesen aus Keramik, Naturstein, Beton und Kunststein als Wand- und Bodenbelag in Wohn- und Industriebauten sowie in öffentlichen Gebäuden bearbeiten und verlegen. Dabei verwenden sie Werkzeuge wie Fliesenschneider, Flex mit Diamantscheiben, Wasserwaagen, Zahnspachteln, Fliesenzangen, etc, aber auch Lasermessgeräte. Sie arbeiten auf Baustellen vor allem in Innenräumen, teilweise aber auch an Außenflächen. Bei der von der Beschwerdeführerin angebotenen Tätigkeit „Silikonfugenreinigung bzw –sanierung“ handle es sich sohin allenfalls um eine untergeordnete Tätigkeit von Platten- und Fliesenlegern, welche in der Tätigkeitsbeschreibung der Wirtschaftskammer nicht einmal angeführt würden. Dass sohin diese Tätigkeit, welche sich offenkundig insbesondere auch auf die Silikonfugenreinigung bezieht, unter das reglementierte Gewerbe nach § 94 Z 38 GewO 1994 fällt, werde ausdrücklich bestritten. Aufgrund dieses Sachverhaltes liege kein der Beschwerdeführerin vorwerfbares Verschulden vor. Sie habe vielmehr davon ausgehen können, dass die gegenständlichen Tätigkeiten nicht unter das gegenständliche reglementierte Gewerbe fallen. Es bestünde auch die Möglichkeit einer Ermahnung. Diese wäre ausreichend gewesen, um die Beschuldigte in spezial- und generalpräventiver Hinsicht von weiteren Tätigkeiten in diesem Bereich abzuhalten. Die Beschuldigte habe die diesbezügliche Tätigkeit ohnedies sofort nach Verständigung vom eingeleiteten Verfahren Anfang Jänner 2019 dauerhaft eingestellt. Es werde deshalb ersatzlose Aufhebung des Straferkenntnisses und Verfahrenseinstellung beantragt, in eventu Herabsetzung der Strafe.
In der mündlichen Verhandlung am 07.08.2019 gab die Beschwerdeführerin folgendes an:
„Mein Sohn ist im Herbst 2016 aus dem Haus ausgezogen, was zur Folge hatte, dass ich allein mit sämtlichen Kosten dagestanden bin. Im Frühjahr 2017 habe ich begonnen, in der DD die spruchgegenständlichen Inserate zu schalten. Da sich niemand gemeldet hatte, habe ich die Inserierungen immer wieder abgesetzt; die Inserate schaltete ich bis ins Jahr 2018, als ich die Probleme mit der Finanzpolizei bekam. Anfang Jänner 2019 ist die Finanzpolizei zu mir gekommen; bis dorthin, sohin auch das ganze Jahr 2018, hatte ich diese Inserate geschaltet. Wenn ich gefragt werde, ob ich das ganze Jahr 2018 durchgehend inseriert hatte, so führe ich an, dass die Inserate nur fallweise geschaltet waren und dies im Jahr 2018 stattfand. Wann das letzte Inserat im Jahr 2018 von mir geschaltet wurde, kann ich nicht mehr angeben.
Es ist aber natürlich schon so gewesen, dass sich dann vereinzelt Interessen auf die Inserate gemeldet haben und ich dann Aufträge übernommen hatte. Die Kundenkontakte wurden von mir nur über die Inserate in der DD hergestellt. Ich betone nochmals, dass ich im Jahr 2018 Inserate geschaltet hatte, ich aber nicht mehr angeben kann, wann das letzte Inserat von mir in der Zeitung erschienen ist.
Da ich seit 05.02.2004 über keine Gewerbeberechtigungen mehr verfügte, machte ich die Tätigkeiten von Anfang an in der Absicht, mir „schwarz“ etwas dazuzuverdienen.
Hauptsächlich wurde ich von Hausfrauen engagiert, die zu Hause die Silikonfugen nicht mehr sauber bekommen konnten, da diese entweder durch Schimmel oder durch Essigreiniger verfärbt waren. Ich habe dann mit Aceton die Fugen gereinigt, weil das die Farbe herausnimmt. Die Stellen, wo die Silikonfugen beschädigt waren bzw Schimmel von innen herausgewachsen ist, habe ich herausgeschnitten und neu mit Silikon ausgefüllt. Diese Tätigkeit hat nichts mit den Tätigkeiten zu tun, die ich früher im Rahmen des freien Gewerbes „Abdichter gegen Feuchtigkeit und Druckwasser“ ausgeübt hatte. Als Werkzeug brauchte ich dafür jeweils eine Dose mit Aceton, Putztücher, ein Messer, eine Silikonspritze und den Rest konnte ich mit den Fingern machen. An den Fliesen selbst habe ich nichts gemacht, ich habe weder Fliesen entfernt, noch neue Fliesen verklebt. Dafür hatte ich auch gar kein Werkzeug.
Beim Haus in der Adresse 1 in Z handelt es sich um ein sehr altes Haus, welches nicht gedämmt ist, was dazu führt, dass ich im Winter erhebliche Heizkosten habe. Das Haus wird mit einem Kachelofen beheizt; eigenen Wald haben wir keinen, das heißt, ich muss das ganze Holz zukaufen und aufgrund der schlechten Isolierung muss ich einzelne Räume noch elektrisch dazuheizen, was mir erhebliche Kosten verursacht. Aufgrund des Alters des Hauses fallen auch laufend Instandhaltungsarbeiten an, die auch ich bezahlen muss, dafür dass ich im Haus meines Sohnes gratis wohnen kann.
Aufgrund meiner Erkrankung der Wirbelsäule brauche ich regelmäßig Massagen, die von der TGKK nicht bezahlt werden. Ich lege zum Beweis für meine Erkrankung einen Arztbrief vor, der meine Erkrankung bestätigt; eine Kopie davon wird vom Verhandlungsleiter zum Akt genommen.
Wenn ich im erstinstanzlichen Verfahren meine monatlichen Fixausgaben mit Euro 700,-- angegeben habe, so setzen sich diese zusammen aus Euro 180,-- monatlich für Strom, Euro 1.200,-- jährlich für Gemeindeabgaben und Gebühren, Haushaltsversicherung in der Höhe von etwa Euro 400,-- pro Jahr, Rechtschutzversicherung in der Höhe von ca Euro 300,-- pro Jahr, die Unfallversicherung macht ungefähr 500,-- Euro pro Jahr aus; weiters die Euro 250,-- monatlich für die Kreditrückzahlung für den Hauskredit. Es wird darum ersucht, diese speziellen finanziellen Umstände bei der Strafbemessung extra zu berücksichtigen.“
II. Sachverhalt:
AA schaltete in den Jahren 2017 und 2018 in der DD unter der Rubrik „Verschiedenes“ wiederholt und in unregelmäßigen Abständen folgenden Text: „Ihre Silikonfugen sind schimmlig, rissig oder undicht? Silikonfugensanierung! Tel. ****“. Am 18.06.2018 führte sie beim Gasthof „CC“ in W Silikonsanierungen durch. Dafür wurden von ihr für die Zeit von 09:00 Uhr bis 17:00 Uhr acht Stunden geltend gemacht und zehn Stück Silikon á Euro 11,00, als stündliche Arbeitszeit inklusive Anfahrt wurden je Euro 28,00 verlangt, sohin zusammen Euro 244,00 zuzüglich des Materialaufwandes von Euro 110,00. Dafür wurden von ihr zusammen Euro 339,00 verlangt und ihr ausbezahlt.
Der Kundenkontakt wurde ausschließlich über die Inserate in der DD hergestellt. Meistens meldeten sich bei Frau AA Hausfrauen, die zu Hause die Silikonfugen nicht mehr sauber bekommen konnten, da diese entweder durch Schimmel oder durch Essigreiniger verfärbt waren. Die Beschuldigte reinigte dann die Fugen mit Aceton und schnitt die Stellen, wo die Silikonfugen beschädigt waren bzw Schimmel von ihnen herausgewachsen ist, heraus und füllte sie mit Silikon neu auf.
Frau AA stellte den Kunden nie Rechnungen aus, auch nicht auf deren Verlangen.
Wann das letzte Inserat in der DD im Jahr 2018 geschaltet war, konnte nicht festgestellt werden.
AA hatte in der Zeit von 24.04.2001 bis 05.02.2004 das freie Gewerbe „Abdichter gegen Feuchtigkeit und Druckwasser“ inne sowie in der Zeit vom 17.05.2002 bis 05.02.2004 das reglementierte Gewerbe „Platten- und Fliesenleger“.
Die monatliche Nettopension der Beschuldigten beträgt Euro 1.069,00, als geringfügig Beschäftigte verdient sie monatlich dazu noch Euro 430,00. Sie wohnt im Haus Adresse 1 in Z, welches von ihrem Sohn mit Hilfe eines Kredites erworben wurde. Sie bezahlt dafür an Kreditrückzahlung monatlich Euro 250,00, braucht dafür ihrem Sohn jedoch keine Miete für das Wohnen zu bezahlen. Es handelt sich dabei um ein altes Haus, welches nicht gedämmt ist und im Winter hohe Heizkosten verursacht. Aufgrund des Alters des Hauses fallen an diesem laufend Instandhaltungsarbeiten an, die auch von der Beschuldigten getragen werden, dafür dass sie keine Miete bezahlen muss. Die Fixausgaben für Energie, Abgaben und Versicherung samt der Kreditrückzahlung machen umgerechnet auf den Monat ca Euro 630,00 aus.
Aufgrund einer Erkrankung der Wirbelsäule benötigt die Beschwerdeführerin regelmäßig Massagen, die von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht ersetzt werden.
Über Frau AA scheinen zwei anrechenbare Verwaltungsstrafvormerkungen nach der Straßenverkehrsordnung auf.
III. Beweiswürdigung:
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt der Bezirkshauptmannschaft X und des Landesverwaltungsgerichtes Tirol sowie aus der glaubwürdigen Aussage der Beschuldigten in der mündlichen Verhandlung am 07.08.2019.
IV. Rechtslage:
Im gegenständlichen Fall ist folgende Bestimmung der Gewerbeordnung maßgeblich:
„I. Hauptstück§ 1.
(1) Dieses Bundesgesetz gilt, soweit nicht die §§ 2 bis 4 anderes bestimmen, für alle gewerbsmäßig ausgeübten und nicht gesetzlich verbotenen Tätigkeiten.
(2) Eine Tätigkeit wird gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist; hiebei macht es keinen Unterschied, ob der durch die Tätigkeit beabsichtigte Ertrag oder sonstige wirtschaftliche Vorteil im Zusammenhang mit einer in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fallenden Tätigkeit oder im Zusammenhang mit einer nicht diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeit erzielt werden soll.
(3) Selbständigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes liegt vor, wenn die Tätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt wird.
(4) Auch eine einmalige Handlung gilt als regelmäßige Tätigkeit, wenn nach den Umständen des Falles auf die Absicht der Wiederholung geschlossen werden kann oder wenn sie längere Zeit erfordert. Das Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen oder bei Ausschreibungen wird der Ausübung des Gewerbes gleichgehalten. Die Veröffentlichung über eine den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit in Registern gilt nicht als Ausübung, wenn die Veröffentlichung auf Grund von gesetzlichen Verpflichtungen erfolgt
(5) Die Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, liegt auch dann vor, wenn der Ertrag oder sonstige wirtschaftliche Vorteil den Mitgliedern einer Personenvereinigung zufließen soll.
(6) Bei Vereinen gemäß dem Vereinsgesetz 1951 liegt die Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, auch dann vor, wenn die Vereinstätigkeit das Erscheinungsbild eines einschlägigen Gewerbebetriebes aufweist und diese Tätigkeit - sei es mittelbar oder unmittelbar - auf Erlangung vermögensrechtlicher Vorteile für die Vereinsmitglieder gerichtet ist. Übt ein Verein gemäß dem Vereinsgesetz 1951 eine Tätigkeit, die bei Vorliegen der Gewerbsmäßigkeit in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fiele, öfter als einmal in der Woche aus, so wird vermutet, daß die Absicht vorliegt, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen.“
V. Erwägungen:
Die Tätigkeit des Platten- und Fliesenlegers umfasst einen weiten Bereich, unter anderem die in der Beschwerde aufgezählten Betätigungen. Dazu zählen aber auch die Reinigung und Sanierung von Betonfugen. Dies ergibt sich etwa aus § 5 Abs 2 Z 1 lit b der Platten- und Fliesenleger-Meisterprüfungsordnung, wo im Modul 3 bei der fachlich schriftlichen Prüfung die betrieblich notwendigen Kenntnisse aus dem Fachbereich Bindematerial (insbesondere Klebemörtel, Fugenmasse, Silikon, Abschlussschienen, Ytong oder ähnliches für Wannen- und Duschtasseneinbau, alternative Abdichtung) verlangt werden. Die Beschwerdeführerin besaß bis 05.02.2004 die Berechtigungen für das reglementierte Gewerbe „Platten- und Fliesenleger“ und das freie Gewerbe „Abdichter gegen Feuchtigkeit und Druckwasser“. Zur gegenständlich angelasteten Tatzeit lag jedenfalls keine Gewerbeberechtigung vor. Es ist deshalb bedeutungslos, wenn man die Silikonfugenreinigung bzw –sanierung nur als untergeordnete Tätigkeit des Platten- und Fliesenlegergewerbes ansehen würde, zumal diese genauso gewerbsmäßig ausgeübt wurde, was von der Beschuldigten der Finanzpolizei gegenüber bestätigt wurde, da sie sich ein Zusatzeinkommen zu ihrer Pension beschaffen wollte. Die Tatsache der unbefugten Gewerbeausübung ist jedenfalls gegeben und wurde von der Beschuldigten der Finanzpolizei bestätigt, dass es ihr bewusst war, dass es sich um Schwarzarbeit handelt. Der entsprechende Tatvorwurf besteht damit zu Recht. Auch wenn die Tätigkeit mehreren Gewerben zuordenbar sein sollte (Baumeister oder Wärme-, Kälte-, Schall- und Branddämmer), stellt im konkreten Fall das reglementierte Gewerbe des Platten- und Fliesenlegers ein Gewerbe dar, welches zu den von der Beschuldigten praktizierten Tätigkeiten berechtigt. Der Schuldspruch zu Spruchpunkt 1. erfolgte somit zu Recht.
Der Spruch hat die Anführung des Zeitpunktes der Begehung der Tat und, falls es sich um einen Zeitraum handelt, dessen Anfang und Ende in einer kalendermäßig eindeutig umschriebenen Art zu umfassen (VwGH 22.02.2006, 2005/17/0195; 20.11.2008, 2007/09/0255). Letzteres gilt insbesondere bei Dauerdelikten, bei denen ohnehin Anfang und Ende des strafbaren Verhaltens im Spruch anzuführen sind (VwGH 20.05.2010, 2008/07/0162 [„zumindest bis zum 14. Juli 2005“ unzureichend]).
Zu Tatvorwurf 1. wird die konkrete Tatzeit mit 18.06.2018, von 09:00 Uhr bis 17:00 Uhr, angeführt. Die erste Verfolgungshandlung war die Ladung vom 09.04.2019, somit innerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist.
Zu Tatvorwurf 2. wird die Tatzeit angegeben mit: „zu einem unbestimmten Zeitpunkt, jedenfalls vor dem 03.01.2019“. Unabhängig davon, ob diese Tatzeitumschreibung überhaupt den Konkretisierungserfordernissen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung entspricht, ist davon auszugehen, dass dazu bereits Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Bezüglich der Zeiten, zu denen das Inserat in der DD geschaltet war, existieren nur die Angaben der Beschuldigten. Demnach inserierte sie in den Jahren 2017 und 2018 zu unterschiedlichen, nicht näher bekannten Zeiten. Im Hinblick auf die einjährige Verfolgungsverjährungsfrist in Bezug auf die erste Verfolgungshandlung vom 09.04.2019 bedeutet das, dass der Nachweis für ein Inserat nach dem 09.04.2018 erbracht werden müsste, was aufgrund der gegebenen Beweislage nicht möglich ist. Es war deshalb aus diesem Grund der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt 2. Folge zu geben.
Hinsichtlich des Verschuldens ist Vorsatz gegeben, weil die Beschuldigte die Tätigkeit als Schwarzarbeit angelegt hatte und auch auf Verlangen keine Rechnungen ausstellte.
Die Beeinträchtigungsintensität einer derartigen Übertretung ist erheblich, weil befugte Gewerbebetreibende vor der Konkurrenz von Personen geschützt werden sollen, die die einschlägigen Voraussetzungen dafür nicht erfüllen und nicht die vorgeschriebenen Abgaben und Beiträge leisten.
Eine Anwendung des § 45 Abs 1 Z 4 VStG scheidet damit aus.
Da die Erstbehörde für beide (unterschiedlichen) Tatvorwürfe eine Gesamtstrafe verhängte, war vom Verwaltungsgericht eine Aufteilung derselben auf beide Fakten vorzunehmen, nachdem die Erstbehörde bei der Strafbemessung dazu keine Begründung abgab. Aufgrund des Umstandes, dass Spruchpunkt 1. eine einmalige Übertretung und Spruchpunkt 2. ein Dauerdelikt darstelle, nimmt das Verwaltungsgericht die Aufteilung der Strafen in der Weise vor, dass das Dauerdelikt schwerer bewertet wird mit dem wiederholten Anbieten der Tätigkeit durch Inserate in der DD, was auch Aufträge nach sich gezogen hatte. Es wurden deshalb von der Gesamtstrafe von Euro 1.000,00 Euro 360,00 Spruchpunkt 1. zugeordnet und der Rest Spruchpunkt 2. Aufgrund der Bestätigung von Spruchpunkt 1. unter Aufhebung von Spruchpunkt 2. verbleibt somit für die Beschuldigte eine Strafe in der Höhe von Euro 360,00, welche 10% des gesetzlichen Strafrahmens beträgt. Dies kann im Hinblick auf den hohen Verschuldensgrad nicht als überhöht angesehen werden, wenngleich der finanzielle Rahmen, mit dem Frau AA ihr Leben bestreiten muss, nicht außer Betracht geblieben ist. Aufgrund des Vorliegens von (nicht einschlägigen) Verwaltungsstrafvormerkungen konnte auch der Milderungsgrund der Unbescholtenheit nicht zum Tragen kommen.
Nachdem das Straferkenntnis nicht zur Gänze bestätigt wurde, waren keine Verfahrenskosten im Sinne des § 52 Abs 1 und 2 VwGVG vorzuschreiben.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Hinweis:
Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Hohenhorst
(Richter)
Schlagworte
Gewerbliche Tätigkeit ohne Gewerbeberechtigung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2019.25.1414.3Zuletzt aktualisiert am
26.08.2019