TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/25 W184 2190655-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.10.2018
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Entscheidungsdatum

25.10.2018

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §61

Spruch

W184 2190653-1/6E

W184 2190655-1/6E

W184 2190650-1/6E

W184 2190648-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner PIPAL als Einzelrichter über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , XXXX , alle StA. Aserbaidschan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.03.2018, Zl. 1175949505/171360282 (ad 1.), Zl. 1175949407/171360312 (ad 2.), Zl. 1175948410/171360325 (ad 3.), Zl. 1175948606/171360347 (ad 4.), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind ein Ehepaar und die Dritt- und Viertbeschwerdeführer sind deren gemeinsamen minderjährigen Kinder. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Aserbaidschans und brachten nach der Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 06.12.2017 die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz ein.

Eine EURODAC-Abfrage ergab keinen Treffer. Eine VIS-Abfrage führte zu dem Ergebnis, dass die Vertretungsbehörde Lettlands in Baku in Aserbaidschan den Beschwerdeführern ein Schengen-Visum der Kategorie C mit dem Gültigkeitszeitraum 14.11.2017 bis 06.12.2017 ausgestellt hatte.

Bei der Erstbefragung am 06.12.2017 gaben die Beschwerdeführer im Wesentlichen an, sie seien am 19.11.2017 bzw. am 02.12.2017 auf dem Luftweg nach Moskau gelangt und in weiterer Folge über Ungarn nach Österreich gefahren.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 12.12.2017 auf Art. 12 Abs. 2 bzw. Abs. 3 Dublin III-Verordnung gestützte Aufnahmeersuchen an Lettland. Mit am 29.12.2017 eingelangten Schreiben stimmte die lettische Dublin-Behörde den Aufnahmeersuchen gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-Verordnung ausdrücklich zu.

Am 15.01.2018 fand die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt statt. Der Erstbeschwerdeführer gab an, er sei in ärztlicher Behandlung und könne bereits ärztliche Dokumente vorlegen. Einen weiteren Befund, der seine rechte Niere betreffe, werde er jedoch erst am 22.01.2018 erhalten. Die Familie habe nie die Absicht gehabt, nach Lettland zu reisen, sie hätten die Visa jedoch durch soziale Kontakte bekommen. Er sei nie in Lettland gewesen und seine Frau habe Österreich als sicheren Wohnort empfohlen. Mit einer Überstellung nach Lettland sei er nicht einverstanden, weil er dort Angst hätte, dass man ihn zurück nach Aserbaidschan bringen könnte. Die Zweitbeschwerdeführerin brachte vor, dass sie ebenfalls in ärztlicher Behandlung stehe und sich bereits einer Biopsie an der rechten Brust unterzogen habe, weil der Verdacht auf eine Krebserkrankung bestehe. Am 19.01.2018 habe sie eine Befundbesprechung. Sie habe sich ein Visum für Lettland nur ausstellen lassen, damit die aserbaidschanische Regierung sie dort und nicht in Österreich suche, habe jedoch nie beabsichtigt, in Lettland zu bleiben. Österreich sei ihr Zielland gewesen, weil dieses Land nie in Korruptionsskandale verwickelt gewesen sei. Einer Überstellung nach Lettland werde sie nicht zustimmen, weil dieses Land Gesetze der EU verletze und die Menschenrechte nicht einhalte. Sie hätte in Lettland Angst um die Zukunft ihrer Kinder und vor einer drohenden Kettenabschiebung nach Aserbaidschan, wo sie nach der Wiedereinreise als Chefin einer Oppositionspartei verhaftet werden würde.

In einem im Akt aufliegenden Röntgenbefund des Erstbeschwerdeführers vom 28.12.2017 wurden die Diagnosen "bis 6 cm große komplexe Zyste an der rechten Niere", "Steatosis hepatis" (Fettleber), "grenzwertig große Milz" sowie "Prostatahyperplasie" (gutartige Vergrößerung der Vorsteherdrüse) gestellt. Aus einer vorgelegten Ambulanzkarte vom 09.01.2018 ist ersichtlich, dass der Erstbeschwerdeführer an Gastritis, Obstipation (Verstopfung), vertebrogener Schmerzsymptomatik der rechten unteren Extremität sowie einer Nierenzyste rechts leide. Als Therapie wurden eine klinische Untersuchung, die Durchführung eines Einlaufs, eine medikamentöse Behandlung, die Durchführung der Zuweisung des geplanten CTs zum Ausschluss weiterer abdomineller Beschwerdeursachen sowie eine Nikotin-Karenz und eine Gastroskopie sowie die Abklärung möglicher allergischer Ursachen empfohlen.

Die gutachterliche Stellungnahme einer Ärztin für Allgemeinmedizin sowie psychosomatische und psychotherapeutische Medizin vom 16.02.2018 kommt nach einer Untersuchung des Erstbeschwerdeführers zu der Schlussfolgerung, dass zwar eine Belastung vorliege, diese jedoch in Art, Dauer und Intensität derzeit noch nicht krankheitswertig sei.

Im Verwaltungsakt betreffend die Zweitbeschwerdeführerin findet sich ein Mammographiebefund eines Facharztes für Radiologie vom 29.12.2017, aus dem folgendes Ergebnis hervorgeht: "Invertierte Mamille rechts und fragliche Sekretion rechts, 10 mm großer echoarmer Herdbefund rechts bei 12 Uhr supraareolär, insuspekter fettig degenerierter Lymphknoten in der rechten Axilla, Dichtegrad 3". Ein Termin für die bioptische Abklärung wurde für den 10.01.2018 vereinbart. In einem weiteren Röntgenbefund des Facharztes für Radiologie vom 29.12.2017 wird ausgeführt, dass die Zweitbeschwerdeführerin an einem "bis zu 7 cm großen größenprogredienten subcutanen Lipom am linken Oberarm" leide, und es wurde eine MRT sowie die Kontastmittelgabe und die chirurgische Entferung angeraten. Vorgelegt wurden außerdem mehrere Zeitungsartikel in russischer Sprache bezüglich Korruption in der europäischen Politik.

Die gutachterliche Stellungnahme einer Ärztin für Allgemeinmedizin sowie psychosomatische und psychotherapeutische Medizin vom 30.01.2018 kommt nach einer Untersuchung der Zweitbeschwerdeführerin zu der Schlussfolgerung, dass die Sorgen der Zweitbeschwerdeführerin in Art, Dauer und Intensität adäquat und daher noch nicht krankheitswertig seien.

In einer Stellungnahme des bevollmächtigten Vertreters der Beschwerdeführer vom 26.02.2018 wird ausgeführt, dass die Zweitbeschwerdeführerin nicht in der Lage sei, ihre Biopsiebefunde an die Behörde nachzureichen, weil ihr die Unterlagen bisher nicht zugesendet worden seien und für sie eine Fahrt nicht leistbar sei.

Mit den angefochtenen Bescheiden wurden I. die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Lettland gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-Verordnung zur Prüfung des Antrages zuständig ist, sowie II. die Außerlandesbringung der Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Lettland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.

Diese Bescheide legen in der Begründung insbesondere auch ausführlich dar, dass in dem zuständigen Mitgliedstaat die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung sowie die Grund- und Gesundheitsversorgung im Wesentlichen unbedenklich sind und den Grundsätzen des Unionsrechts genügen. Im Einzelnen lauten die Länderfeststellungen folgendermaßen (unkorrigiert, gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):

"Allgemeines zum Asylverfahren

Antragsteller in Lettland 2015: 335

Die Daten werden auf die Endziffern 5 oder 0 auf- bzw. abgerundet. (Eurostat 3.3.2016a)

Erstinstanzliche Entscheidungen 2015:

Gesamt: 170

Flüchtlingsstuatus: 10

Subsidiärer Schutz: 15

Humanitäre Gründe: 0

Negativ: 150

...

(Eurostat 18.9.2015a; Eurostat 18.9.2015b; Eurostat 10.12.2015; Eurostat 3.3.2016b)

Das Amt für Staatsbürgerschaft und Migration (OCMA) untersteht dem lettischen Innenministerium und ist, in Kooperation mit der Grenzpolizei, in erster Instanz für das Führen von Asylverfahren zuständig (OCMA 20.4.2016a; vgl. LCFHR/UNHCR o.D.).

In Lettland gibt es ein Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit und der Möglichkeit auf kostenlose Rechtshilfe im Beschwerdeverfahren (OCMA 20.4.2016b; vgl. OCMA 20.4.2016c und LCFHR/UNHCR o.D.; für ausführliche Informationen siehe dieselben Quellen).

Quellen

Eurostat (3.3.2016a): Statistics explained, File: Asylum applicants (including first time asylum applicants), Q4 2014 - Q4 2015.png ...;

Eurostat (18.9.2015a): Statistics explained, File: First instance decisions by outcome and recognition rates, 1st quarter 2015.png

...;

Eurostat (18.9.2015b): Statistics explained, File:First instance decisions by outcome and recognition rates, 2nd quarter 2015.png

...;

Eurostat (10.12.2015): Statistics explained, File:First instance decisions by outcome and recognition rates, 3rd quarter 2015.png

...;

Eurostat (3.3.2016b): Statistics explained, File: First instance decisions by outcome and recognition rates, 4th quarter 2015.png

...;

LCFHR/UNHCR - Latvian Centre for Human Rights/UNHCR (o.D.): Seeking Asylum In Latvia ...;

OCMA - Office of Citizenship and Migration Affairs (20.4.2016a):

ABOUT OCMA ...;

OCMA - Office of Citizenship and Migration Affairs (20.4.2016b):

ASYLUM SEEKING ...;

OCMA - Office of Citizenship and Migration Affairs (20.4.2016c): THE

PROCEDURE OF GRANTING ASYLUM ...

Dublin-Rückkehrer

Asylwerber (AW), deren Verfahren aufgrund der Dublin-Verordnung in Lettland geführt werden muss, erhalten ein reguläres Asylverfahren (LCFHR/UNHCR o.D.).

Als EU-Mitgliedsstaat hält das Land die Dublin-III-VO ein (USDOS 13.4.2016).

Quellen

LCFHR/UNHCR - Latvian Centre for Human Rights/UNHCR (o.D.): Seeking Asylum In Latvia ...;

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Latvia ...

Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA)

UMA werden während des Asylverfahrens durch das Vormundschaftsgericht und/oder durch dessen bevollmächtigte Vertreter bzw. durch den Direktor eines Kinderbetreuungszentrums vertreten. Die Unterbringung erfolgt entweder bei einem vom Vormundschaftsgericht bestellten Vormund oder in einer Kinderbetreuungseinrichtung (LCFHR/UNHCR o.D).

Wenn Zweifel an der Minderjährigkeit eines Antragstellers bestehen, kann eine Altersfeststellung durchgeführt werden. Unter bestimmten Umständen dürfen Minderjährige zwischen 14 und 18 Jahren inhaftiert werden (EMN 29.12.2015).

Quellen

EMN - European Migration Network (29.12.2015): Ad-Hoc Query On foreigners who claim to be minors but whose age is not confirmed

...;

LCFHR/UNHCR - Latvian Centre for Human Rights/UNHCR (o.D.): Seeking Asylum In Latvia ...

Non-Refoulement

Ein Abschiebeauftrag oder eine Entscheidung zur zwangsweisen Außerlandesbringung eines negativ beschiedenen Asylwerbers kann aus humanitären Gründen aufgehoben oder verschoben werden (LCFHR/UNHCR o. D.).

Es gibt keine glaubhaften Beschwerden, dass die Behörden Asylwerber in Länder mit schlecht entwickelten Asylsystemen zurückschicken würden (USDOS 13.4.2016).

Quellen

LCFHR/UNHCR - Latvian Centre for Human Rights/UNHCR (o.D.): Seeking Asylum In Latvia ...;

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Latvia ...

Versorgung

Unterbringung

Nach Asylantragstellung werden AW in der Regel im Aufnahmezentrum Mucenieki in der Nähe von Riga untergebracht. Dort bekommt der Asylwerber alle grundlegenden Unterstützungsleistungen (LCFHR/UNHCR o. D.; vgl EMN 24.8.2015).

Asylwerber werden für die Dauer des Asylverfahrens im Asylaufnahmezentrum Mucenieki untergebracht. Es ist das einzige derartige Zentrum in Lettland und hat Platz für 150 Personen. Jeder bedürftige Asylwerber erhält eine Zuwendung von EUR 2,15 pro Tag für Essen und Produkte des täglichen Bedarfs. Das Zentrum kooperiert auch mit NGOs und Kommunen, die soziale Projekte umsetzen. Es gibt Zweierzimmer, Familienzimmer, Küche, Wäscherei, Fernsehzimmer, Freizeiteinrichtungen, usw. Spezielle Umbauten zur Unterbringung Behinderter wurden ebenfalls vorgenommen (OCMA 20.4.2016d).

Zusätzlich gibt es eine Unterbringungseinrichtung der Grenzpolizei für inhaftierte Fremde bzw. abzuschiebende Personen in Daugavpils. Dieses Zentrum wurde im Mai 2011 errichtet und ersetzt das alte Zentrum Olaine. Es hat eine Kapazität von 70 Plätzen, wobei die durchschnittliche Aufenthaltsdauer mit 2 Monaten angegeben wurde. Es gab seitens der Insassen kein Vorbringen über schlechte Behandlung. Die materiellen Bedingungen werden als ausgezeichnet beschrieben. Auch die medizinische Behandlung vor Ort wurde als adäquat angesehen (CoE 27.8.2013). Bei der Unterbringung von Asylwerbern wird nach den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen auf spezifische medizinische, psychologische, familiäre, altersmäßige und geschlechtsspezifische Bedürfnisse der AW Rücksicht genommen (EMN 2014).

Es gibt eine Reihe von Unterstützungsdiensten aus dem NGO-Bereich, etwa The Society Shelter "Safe House" zur Unterstützung von Opfern von Menschenhandel, Immigranten, AW und Schutzberechtigten; Resource Center for Women "Marta" zur Unterstützung von Frauen mit psychologischer, sozialer und Rechtsberatung; Latvian Human Aid Centre; Lettisches Rotes Kreuz zur Unterstützung mit Beratung, Information, Kleidung und Unterkunft; und IOM zur Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr (LCFHR/UNHCR o.D.).

Quellen

CoE - Council of Europe (27.8.2013): Report to the Latvian Government on the visit to Latvia carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 5 to 15 September 2011;

EMN - European Migration Network (2014): The Organisation of Reception Facilities for Asylum Seekers in different Member States - EMN - European Migration Network (25.8.2015): Ad-Hoc Query on the Organization of Reception Centers ...;

LCFHR/UNHCR - Latvian Centre for Human Rights/UNHCR (o.D.): Seeking Asylum In Latvia ...;

OCMA - Office of Citizenship and Migration Affairs (20.4.2016d):

Accommodation Centre for Asylum Seekers ...

Medizinische Versorgung

Im Zentrum Mucenieki werden AW auch psychosozial und medizinisch betreut (LCFHR/UNHCR o.D.).

Asylwerber, anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte nehmen nicht am öffentlichen Krankenkassensystem teil, da ein solches in Lettland in dieser Form nicht existiert. Die Ansprüche von AW werden durch verschiedene Gesetze definiert. Schutzberechtigte Personen haben dieselben Rechte in Bezug auf medizinische Versorgung wie andere legal aufhältige Drittstaatsangehörige (EMN 3.2.2012).

Quellen

EMN - European Migration Network (3.2.2012): Ad-Hoc Query on the System of Public Health Insurance for Asylum Seekers, Persons who have been Granted Asylum and Persons who have been Granted Subsidiary Protection ...;

LCFHR/UNHCR - Latvian Centre for Human Rights/UNHCR (o.D.): Seeking Asylum In Latvia ...

Schutzberechtigte

Anerkannte Flüchtlinge erhalten eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis in Lettland, subsidiär Schutzberechtigte erhalten eine befristete Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr (verlängerbar). Ein anerkannter Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigter genießt alle wirtschaftlichen, sozialen, individuellen und anderen Rechte und Freiheiten sowie Verpflichtungen gemäß Verfassung der Republik Lettland. Sie haben ein Recht auf Familienzusammenführung und eine Wohnunterstützung sowie auf eine Unterstützung zum Lernen der Landessprache (OCMA 20.4.2016b; vgl. LCFHR/UNHCR o.D.).

Das Taggeld für anerkannte Flüchtlinge wurde im Oktober 2015 von EUR 256 auf EUR 139 gesenkt, während der Mindestlohn in Lettland bei EUR 370 liegt (UNHCR 14.1.2016).

Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte nehmen nicht am öffentlichen Krankenkassensystem teil, da ein solches in Lettland in dieser Form nicht existiert. Schutzberechtigte Personen haben dieselben Rechte in Bezug auf medizinische Versorgung wie andere legal aufhältige Drittstaatsangehörige (EMN 3.2.2012).

Quellen

EMN - European Migration Network (3.2.2012): Ad-Hoc Query on the System of Public Health Insurance for Asylum Seekers, Persons who have been Granted Asylum and Persons who have been Granted Subsidiary Protection ...;

LCFHR/UNHCR - Latvian Centre for Human Rights/UNHCR (o.D.): Seeking Asylum In Latvia ...;

OCMA - Office of Citizenship and Migration Affairs (20.4.2016b):

ASYLUM SEEKING ...;

UNHCR - Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (14.1.2016): Volunteers tackle prejudice against refugees in Latvia

..."

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, worin im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass die Beschwerdeführer befürchten, bei einer Überstellung nach Lettland sofort weiter in ihren Heimatstaat Aserbaidschan abgeschoben zu werden, zumal Lettland und Aserbaidschan sehr gute Beziehungen zueinander pflegen würden. Die Beschwerdeführer könnten daher nicht davon ausgehen, dass ihr Asylantrag in Lettland korrekt abgehandelt werde. Zudem sei in der gegenständlichen Entscheidung nicht ausreichend geklärt worden, ob die medizinische Versorgung der Beschwerdeführer in Lettland gewährleistet wäre. Bei vollständiger Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts hätte die Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, dass sich Österreich im Sinn einer den Art. 3 und 8 EMRK konformen Auslegung der Bestimmungen der Dublin III-Verordnung für vertraglich zuständig erklären und von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müsste.

Die Beschwerdeführer sind laut Grundversorgungssystem seit April 2018 flüchtig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind ein Ehepaar und die Dritt- und Viertbeschwerdeführer sind deren gemeinsamen minderjährigen Kinder. Die Beschwerdeführer reisten mit einem gültigen lettischen Visum in das Gebiet der Mitgliedstaaten ein. Anschließend begaben sich die Beschwerdeführer nach Österreich und brachten am 06.12.2017 die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz ein. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 12.12.2017 auf Art. 12 Abs. 2 bzw. Abs. 3 Dublin III-Verordnung gestützte Aufnahmeersuchen an Lettland, welchen dieser Mitgliedstaat mit Schreiben vom 29.12.2017 gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-Verordnung ausdrücklich zustimmte.

Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Lettlands wieder beendet hätte, liegt nicht vor. Die Beschwerdeführer sind seit April 2018 flüchtig.

Besondere, in der Person der Beschwerdeführer gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Lettland sprechen, liegen nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen der angefochtenen Bescheide zur Lage im Mitgliedstaat an.

Zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer wird festgestellt, dass der Erstbeschwerdeführer an einer Nierenzyste, einer Fettleber, einer Vergrößerung der Milz, einer gutartigen Vergrößerung der Vorsteherdrüse sowie einer Verstopfung und an Gastritis leidet. Zur Behandlung der gesundheitlichen Beschwerden wurden die Durchführung eines Einlaufs, eine medikamentöse Therapie, die Durchführung eines geplanten CTs sowie eine Nikotin-Karenz und eine Gastroskopie angeordnet. Die Zweitbeschwerdeführerin leidet an einer rechtsseitigen Schlupfwarze mit einem damit verbundenen Sekret, einem geschwollenen Lymphknoten sowie einer gutartigen Fettgeschwulst am linken Oberarm. Der Zweitbeschwerdeführerin wurden ein weiterer Termin für eine bioptische Abklärung sowie die chirurgische Entfernung der Fettgeschwulst empfohlen.

Die Beschwerdeführer haben im Gebiet der Mitgliedstaaten keine Verwandten. Etwaige Schritte zur Integration in die österreichische Gesellschaft wurden noch nicht gesetzt.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus den Akten des Bundesamtes, insbesondere den Niederschriften.

Die Beschwerdeführer wiesen auf einzelne Missstände im zuständigen Mitgliedstaat hin. Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen der angefochtenen Bescheide, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen.

Der Gesundheitszustand der Beschwerdeführer ergibt sich aus deren eigenen Angaben und den vorgelegten medizinischen Unterlagen, insbesondere vorgelegten Röntgenbefunden vom 28.12.2017 und 29.12.2017, einer Ambulanzkarte des Erstbeschwerdeführers vom 09.01.2018 sowie einem Mammographiebefund der Zweitbeschwerdeführerin vom 29.12.2017. Eine behauptete Krebserkrankung blieb unbelegt.

Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer beruhen ebenfalls auf deren eigenen Angaben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 56/2018 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

...

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet."

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird."

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:

"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-Verordnung) lauten:

Art. 3 Abs. 1:

"(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird."

Art. 7 Abs. 1 und 2:

"(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt."

Art. 12 Abs. 1 und 2:

"(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig."

Art. 17 Abs. 1:

"(1) Abweichend von Art. 3 Abs. 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt."

Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung der gegenständlichen Asylverfahren pflichtet das Bundesverwaltungsgericht dem Bundesamt bei, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Lettlands ergibt. Dies folgt aus der Regelung des Art. 12 Abs. 2 Dublin III-Verordnung.

Zu einer Verpflichtung Österreichs, vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung Gebrauch zu machen, wird bemerkt:

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das Fremdenrechtspaket 2005 führen zu der damals geschaffenen Bestimmung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 Folgendes aus (952 BlgNR, 22. GP):

"Es ist davon auszugehen, dass diese Staaten Asylwerbern ein faires, den rechtsstaatlichen und völkerrechtlichen Vorschriften entsprechendes Asylverfahren einräumen. Im zweiten Erwägungsgrund der Präambel zur Dublin-Verordnung ist ausdrücklich festgehalten, dass sich die Mitgliedstaaten als "sichere Staaten" - insbesondere die Grundsätze des Non-Refoulements beachtend - für Drittstaatsangehörige ansehen. Daher normiert Abs. 3 eine Beweisregel, nach der der Asylwerber besondere Gründe vorbringen muss, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes sprechen. Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH 19.02.2004, 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Im Erkenntnis des VwGH vom 31.03.2005, 2002/20/0582, führt dieser - noch zum AsylG 1997 - aus, dass es für die Frage der Zulässigkeit einer Abschiebung in einen anderen Mitgliedstaat aufgrund des Dublin-Übereinkommens nicht darauf ankommt, dass dieser Mitgliedstaat dem Asylwerber alle Verfahrensrechte nach Art. 13 EMRK einräumt. Verlangt sei statt einer detaillierten Bewertung der diesbezüglichen Rechtslage des anderen Mitgliedstaats lediglich eine ganzheitliche Bewertung der möglichen Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch Österreich durch die Überstellung. Dabei ist auf die "real risk"-Judikatur des EGMR abzustellen. Die Gefahrenprognose hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen zu beziehen. Dies wird durch die neue Beweisregel des Abs. 3 für Verfahren nach § 5 hervorgehoben, wobei der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Behörde entweder notorisch von solchen Umständen - die nur nach einer entscheidenden Änderung zum jetzigen Zustand im jeweiligen Staat vorliegen können - weiß oder diese vom Asylwerber glaubhaft gemacht werden müssen."

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (z. B. VfGH 17.06.2005, B 336/05; 15.10.2004, G 237/03) und des Verwaltungsgerichtshofes (z. B. VwGH 17.11.2015, Ra 2015/01/0114; 23.01.2007, 2006/01/0949; 25.04.2006, 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären, etwa durch eine Kettenabschiebung.

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung auszuüben ist, hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S./Vereinigtes Königreich, befasst und, ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011, 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland, ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat (Rn. 82 bis 85), sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten (Rn. 86).

Zu einer möglichen Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK wurde im vorliegenden Fall Folgendes erwogen:

Gemäß Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK haben die Vertragsstaaten der EMRK aufgrund eines allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatzes - vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich der EMRK - das Recht, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu regeln. Jedoch kann die Ausweisung eines Fremden durch einen Vertragsstaat ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen und damit die Verantwortlichkeit dieses Staates nach der EMRK auslösen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Abschiebung mit einer realen Gefahr rechnen muss, im Zielstaat einer dem Art. 3 widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden. Unter diesen Umständen beinhaltet Art. 3 die Verpflichtung, die betreffende Person nicht in diesen Staat abzuschieben (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 30; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 124-125).

Es ist auch ständige Rechtsprechung des EGMR, dass die verbotene Behandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen muss, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Die Festsetzung dieses Mindestmaßes ist naturgemäß relativ; es hängt von allen Umständen des Einzelfalles ab, wie etwa der Dauer der verbotenen Behandlung, ihren physischen oder psychischen Auswirkungen und in manchen Fällen vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers, etc. Das Leid, das sich aus einer natürlich auftretenden Krankheit ergibt, kann von Art. 3 EMRK erfasst sein, wenn es durch eine Behandlung - seien es Haftbedingungen, eine Ausweisung oder sonstige Maßnahmen - verschlimmert wird, für welche die Behörden verantwortlich gemacht werden können (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 29; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 134).

Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR im Zusammenhang mit der Abschiebung von kranken Personen können von einer Ausweisung betroffene Ausländer grundsätzlich kein Bleiberecht in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates beanspruchen, um weiterhin in den Genuss von dessen medizinischer, sozialer oder sonstiger Unterstützung oder Dienstleistungen zu kommen. Die Tatsache, dass die Lebensverhältnisse einer Person einschließlich ihrer Lebenserwartung im Fall ihrer Abschiebung deutlich reduziert würden, reicht allein nicht aus, um zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu führen. Die Entscheidung, einen an einer schweren psychischen oder physischen Krankheit leidenden Ausländer in ein Land rückzuführen, in dem die Einrichtungen für die Behandlung dieser Krankheit schlechter als im Vertragsstaat sind, kann ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen, aber nur in einem ganz außergewöhnlichen Fall, in dem die gegen die Rückführung sprechenden humanitären Gründe zwingend sind ("a very exceptional case, where the humanitarian grounds against the removal are compelling"). Im Fall D./Vereinigtes Königreich ("St. Kitts"), EGMR 02.05.1997, 30240/96, lagen die ganz außergewöhnlichen Umstände darin, dass der Beschwerdeführer schwerkrank war und dem Tod nahe schien, für ihn in seinem Herkunftsstaat eine Pflege oder medizinische Versorgung nicht gewährleistet werden konnte und er dort keine Familie hatte, die ihn pflegen oder auch nur mit einem Mindestmaß an Lebensmitteln, Unterkunft oder sozialer Unterstützung versorgen hätte können (z. B. EGMR 30.06.2015, 39350/13, A.S., Rn. 31; 26.02.2015, 1412/12, M.T., Rn. 47; Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 42).

Der EGMR schloss nicht aus, dass es "andere ganz außergewöhnliche Fälle" geben kann, in denen die humanitären Erwägungen ähnlich zwingend sind. Er hielt es jedoch für geboten, die im Fall D./Vereinigtes Königreich festgelegte und in der späteren Rechtsprechung angewendete hohe Schwelle beizubehalten. Er erachtete diese Schwelle für richtig, weil der behauptete drohende Schaden nicht aus den absichtlichen Handlungen oder Unterlassungen staatlicher Behörden oder nichtstaatlicher Akteure resultiert, sondern aus einer natürlich auftretenden Krankheit und dem Fehlen ausreichender Ressourcen für ihre Behandlung im Zielstaat. Wenn die Behandlung im Zielstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver als im Aufenthaltsstaat ist, dann ist dies unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 43; 22.06.2004, 17868/03, Ndangoya; 06.02.2001, 44599/98, Bensaid, Rn. 38; vgl. auch VfGH 06.03.2008, B 2400/07, und EuGH 16.02.2017, C-578/16, PPU, CK u. a./Slowenien).

Zu diesen "anderen ganz außergewöhnlichen Fällen" präzisierte der EGMR seine Rechtsprechung im Fall Paposhvili (EGMR, Große Kammer, 13.12.2016, 41738/10, Rn. 183-192), in dem es um die beabsichtigte Abschiebung eines an einer lebensbedrohlichen Erkrankung, nämlich an chronischer lymphatischer Leukämie, leidenden Mannes von Belgien nach Georgien ging, folgendermaßen:

"183. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die "anderen ganz außergewöhnlichen Fälle" im Sinn des Urteils N. gegen das Vereinigte Königreich, Rn. 43, die ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen können, derart verstanden werden sollten, dass es dabei um Situationen im Zusammenhang mit der Abschiebung eines schwer kranken Menschen geht, in denen gewichtige Gründe für die Annahme vorliegen, dass dieser, auch wenn er sich nicht in unmittelbarer Lebensgefahr befindet, einer realen Gefahr ausgesetzt wäre, wegen des Fehlens einer geeigneten Heilbehandlung im Zielstaat oder des mangelnden Zugangs zu einer solchen Heilbehandlung eine ernste, schnelle und irreversible Verschlechterung des Gesundheitszustandes, die ein starkes Leid zur Folge hat, oder eine erhebliche Verringerung der Lebenserwartung zu erfahren. Der Gerichtshof betont, dass diese Situationen im Einklang stehen mit der hohen Eingriffsschwelle des Art. 3 EMRK in Fällen der Abschiebung schwer kranker Ausländer.

184. Was die Frage betrifft, ob die genannten Bedingungen in einer bestimmten Situation erfüllt sind, hält der Gerichtshof fest, dass er in Fällen der Abschiebung von Ausländern nicht selbst die Asylanträge prüft oder die Art und Weise, wie Staaten die Einreise, den Aufenthalt und die Abschiebung von Ausländern kontrollieren, überprüft. Nach Art. 1 EMRK liegt die Hauptverantwortung für die Umsetzung und Durchsetzung der verbürgten Rechte und Freiheiten bei den nationalen Behörden, die somit verpflichtet sind, im Lichte des Art. 3 EMRK die Befürchtungen der Beschwerdeführer zu prüfen und die Gefahren einzuschätzen, denen diese im Fall der Abschiebung in den Zielstaat ausgesetzt wären. Der Mechanismus der Beschwerde an den Gerichtshof ist subsidiär zu den nationalen Systemen zur Wahrung der Menschenrechte. Dieser subsidiäre Charakter ist in Art. 13 und Art. 35 Abs. 1 EMRK geregelt (siehe EGMR, Große Kammer, 21.01.2011, 30696/09, M.S.S., Rn. 286 f; Große Kammer, 23.03.2016, 43611/11, F.G., Rn. 117 f).

185. Folglich wird in derartigen Fällen die Verpflichtung der Behörden gemäß Art. 3 EMRK zum Schutz der Unversehrtheit der betroffenen Personen in erster Linie durch geeignete Verfahren, die eine derartige Prüfung ermöglichen, erfüllt (siehe sinngemäß EGMR, Große Kammer, 13.12.2012, 39630/09, El-Masri, Rn. 182; Große Kammer, 04.11.2014, 29217/12, Tarakhel, Rn. 104; Große Kammer, 23.03.2016, 43611/11, F.G., Rn. 117).

186. Im Rahmen dieser Verfahren ist es Sache der Beschwerdeführer, geeignete Beweise dafür vorzulegen, dass es gewichtige Gründe für die Annahme gibt, sie wären im Fall der Umsetzung der in Beschwerde gezogenen Maßnahme der realen Gefahr einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt (EGMR, Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 129; Große Kammer, 23.03.2016, 43611/11, F.G., Rn. 120). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass ein gewisses Maß an Spekulation dem vorbeugenden Zweck des Art. 3 EMRK innewohnt und dass es nicht darum geht, die Betroffenen dazu zu verpflichten, einen klaren Beweis für ihre Behauptung zu liefern, sie wären einer verbotenen Behandlung ausgesetzt (EGMR 04.09.2014, 140/10, Trabelsi, Rn. 130).

187. Werden solche Beweise erbracht, ist es Sache der Behörden des abschiebenden Staates, im Rahmen der innerstaatlichen Verfahren alle aufgeworfenen Zweifel zu beseitigen (EGMR, Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 129; Große Kammer, 23.03.2016, 43611/11, F.G., Rn. 120). Die behauptete Gefahr muss einer genauen Prüfung unterzogen werden (EGMR, Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 128; 28.06.2011, 8319/07, 11449/07, Sufi und Elmi, Rn. 214;

Große Kammer, 23.02.2012, 27765/09, Hirsi Jamaa u. a., Rn. 116;

Große Kammer, 04.11.2014, 29217/12, Tarakhel, Rn. 104), in deren Verlauf die Behörden des abschiebenden Staates die vorhersehbaren Folgen der Abschiebung für die betroffene Person im Zielstaat erwägen müssen im Lichte der dortigen allgemeinen Lage und der individuellen persönlichen Verhältnisse (EGMR 30.10.1991, 13163/87 u. a., Vilvarajah u. a., Rn. 108; Große Kammer, 13.12.2012, 39630/09, El-Masri, Rn. 213; Große Kammer, 04.11.2014, 29217/12, Tarakhel, Rn. 105). Die oben (Rn. 183-184) definierte Einschätzung der Gefahr muss daher allgemeine Quellen, z. B. Berichte der WHO oder von angesehenen nichtstaatlichen Organisationen, und die medizinischen Befunde über die betroffene Person berücksichtigen.

188. Wie der Gerichtshof oben (Rn. 173) festgestellt hat, geht es hier um die negative Verpflichtung, Personen nicht der Gefahr einer durch Art. 3 EMRK verbotenen Behandlung auszusetzen. Daraus folgt, dass die Auswirkungen der Abschiebung für die betroffene Person eingeschätzt werden müssen durch Vergleich des Gesundheitszustandes vor der Abschiebung und wie sich dieser nach der Abschiebung in den Zielstaat entwickeln würde.

189. Was die zu berücksichtigenden Faktoren betrifft, müssen die Behörden des abschiebenden Staates im Einzelfall prüfen, ob die im Zielstaat allgemein verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten in der Praxis ausreichend und geeignet für die Behandlung der Krankheit des Betroffenen sind, um zu verhindern, dass dieser einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wird (siehe oben, Rn. 183). Der Maßstab ist nicht das im abschiebenden Staat bestehende Behandlungsniveau; es geht nicht darum, zu ermitteln, ob die Heilbehandlung im Zielstaat gleichwertig oder schlechter wäre als die durch das Gesundheitswesen des abschiebenden Staates zur Verfügung gestellte Heilbehandlung. Es ist auch nicht möglich, aus Art. 3 EMRK ein Recht abzuleiten, im Zielstaat eine bestimmte Heilbehandlung zu erhalten, die für den Rest der Bevölkerung nicht verfügbar ist.

190. Die Behörden müssen auch prüfen, inwieweit die betroffene Person tatsächlich Zugang zu dieser Heilbehandlung und zu diesen Behandlungseinrichtungen im Zielstaat haben wird. Der Gerichtshof stellt in diesem Zusammenhang fest, dass er bereits bisher die Zugänglichkeit der Heilbehandlung geprüft hat (EGMR 16.04.2013, 17299/12, Aswat, Rn. 55; 14.04.2015, 65692/12, Tatar, Rn. 47-49) und auf die Notwendigkeit hingewiesen hat, die Kosten der Medikamente und der Heilbehandlung, das Vorhandensein eines sozialen und familiären Netzwerkes und die für den Zugang zu der erforderlichen Heilbehandlung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen (EGMR 15.11.2001, 47531/99, Karagoz; Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 34-41, mwN; 10.05.2012, 34724/10, E.O.).

191. Wenn nach Prüfung der relevanten Informationen ernsthafte Zweifel über die Auswirkungen der Abschiebung auf die betroffenen Personen bestehen bleiben, sei es wegen der allgemeinen Lage im Zielstaat oder wegen der individuellen Situation der Betroffenen, muss der abschiebende Staat - als Vorbedingung für die Abschiebung - vom Zielstaat individuelle und ausreichende Zusicherungen einholen, dass eine geeignete Heilbehandlung für die betroffenen Personen verfügbar und zugänglich sein wird, sodass sie sich nicht in einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Situation befinden (zum Thema individuelle Zusicherungen siehe EGMR, Große Kammer, 04.11.2014, 29217/12, Tarakhel, Rn. 120).

192. Der Gerichtshof betont, dass in Fällen betreffend die Abschiebung schwer kranker Menschen das Ereignis, welches die unmenschliche und erniedrigende Behandlung verursacht und die Verantwortlichkeit des abschiebenden Staates nach Art. 3 EMRK auslöst, nicht das Fehlen der medizinischen Infrastruktur im Zielstaat ist. Ebenso wenig geht es um irgendeine Verpflichtung des abschiebenden Staates, die Unterschiede zwischen seinem Gesundheitssystem und dem Behandlungsniveau im Zielstaat zu mildern durch die Bereitstellung einer kostenlosen und unbeschränkten Gesundheitsversorgung für alle Ausländer ohne Aufenthaltsrecht. Die Verantwortlichkeit des abschiebenden Staates nach der EMRK besteht in derartigen Fällen aufgrund einer Handlung - in diesem Fall der Abschiebung -, die dazu führen würde, dass eine Person der Gefahr einer durch Art. 3 EMRK verbotenen Behandlung ausgesetzt würde."

Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR hindert auch die Selbstmorddrohung einer Person den Vertragsstaat nicht an der Durchsetzung einer beabsichtigten Ausweisung, sofern konkrete Maßnahmen zwecks Verhütung der Ausführung der Drohung ergriffen werden. Dies gilt auch im Fall bereits früher begangener Selbstmordversuche (z. B. EGMR 30.04.2013, 75203/12, Kochieva u. a.; 03.05.2007, 31246/06, Goncharova und Alekseytsev; 04.07.2006, 24171/05, Karim).

Im vorliegenden Fall leidet der Erstbeschwerdeführer an einer Nierenzyste, einer Fettleber, einer Vergrößerung der Milz, einer gutartigen Vergrößerung der Vorsteherdrüse sowie einer Verstopfung und an Gastritis und es wurden die Durchführung eines Einlaufs, eine medikamentöse Therapie, die Durchführung eines geplanten CTs sowie eine Nikotin-Karenz und eine Gastroskopie angeordnet. Die Zweitbeschwerdeführerin leidet an einer rechtsseitigen Schlupfwarze mit einem damit verbundenen Sekret, einem geschwollenen Lymphknoten sowie einer gutartigen Fettgeschwulst am linken Oberarm. Der Zweitbeschwerdeführerin wurden ein weiterer Termin für eine bioptische Abklärung sowie die chirurgische Entfernung der Fettgeschwulst empfohlen.

Die gesundheitlichen Probleme der Beschwerdeführer weisen somit keinesfalls jene besondere Schwere auf, die nach der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK eine Abschiebung als eine unmenschliche Behandlung erscheinen ließe. Es ist insbesondere nicht anzunehmen, dass sich etwa die Beschwerdeführer in dauernder stationärer Behandlung befänden oder auf Dauer nicht reisefähig wären. Laut den Länderfeststellungen der angefochtenen Bescheide wird Asylwerbern und Schutzberechtigten im zuständigen Mitgliedstaat die notwendige medizinische Versorgung gewährt und können daher die erforderlichen Therapien auch in diesem Mitgliedstaat der Union erfolgen. In diesem Staat sind alle Krankheiten uneingeschränkt behandelbar. Nach der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK wäre es schließlich auch unerheblich, wenn etwa die Behandlung im Zielstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver wäre als im abschiebenden Staat.

Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Fall von bekannten Erkrankungen des Drittstaatsangehörigen durch geeignete Maßnahmen dem Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere wird kranken Personen eine entsprechende Menge der verordneten Medikamente mitgegeben. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt. Im Fall einer schweren psychischen Erkrankung und insbesondere bei Selbstmorddrohungen werden geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung einer Gesundheitsschädigung getroffen.

Insgesamt gesehen handelt es sich daher im vorliegenden Fall nach dem Maßstab der Rechtsprechung des EGMR um keinen "ganz außergewöhnlichen Fall", in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung zwingend sind.

Die allgemeinen Beschwerdeausführungen zu verschiedenen Problemen des Asylwesens in Lettland sind letztlich nicht geeignet, die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zu entkräften. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass die allgemeine Lage für nach Lettland überstellte Asylwerber keineswegs die reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßenden Behandlung glaubhaft erscheinen lässt. Insbesondere sind die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich und genügen den Grundsätzen des Unionsrechts.

Weder aus den Stellungnahmen des UNHCR noch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ergeben sich irgendwelche Hinweise darauf, dass etwa Lettland bei der Vollziehung der Dublin-Verordnung die Verpflichtungen nach der GFK, der EMRK oder nach dem Unionsrecht missachten oder unvertretbare rechtliche Sonderpositionen vertreten würde. Nicht zuletzt ist es vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Vorgaben in Gestalt der Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 gänzlich unwahrscheinlich, dass in Lettland Asylwerber infolge der Verweigerung staatlicher Unterstützung in eine Notlage geraten könnten. In den Art. 17ff der Aufnahmerichtlinie ist die Pflicht der Mitgliedstaaten statuiert, für ausreichende materielle Aufnahmebedingungen und eine medizinische Versorgung von kranken Asylwerbern zu sorgen. Es bestehen gegenwärtig keine Anzeichen dafür, dass etwa Lettland den diesbezüglichen Verpflichtungen nicht nachkäme.

Wie in den angefochtenen Bescheiden ausführlich und unter Heranziehung zahlreicher aktueller Berichte dargelegt wurde, sind in Lettland insbesondere auch der Refoulementschutz und die Versorgung der Asylwerber gewährleistet. Nach den Länderberichten zu Lettland kann keinesfalls mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ein Asylwerber im Fall einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat konkret Gefahr liefe, dort einer gegen das Folterverbot des Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden.

Die Beschwerdeführer stellten in Lettland noch gar keinen Asylantrag und konnten somit auch noch nicht damit rechnen, adäquat untergebracht und versorgt zu werden. Für die Annahme, dass sie nach der Überstellung nicht entsprechend versorgt werden könnten, ergeben sich aus den Länderberichten und aus dem Beschwerdevorbringen keine Anhaltspunkte.

Ein konkretes und detailliertes Vorbringen, das die Annahme rechtfertigen würde, Lettland würde im Hinblick auf bestimmte Asylwerber unvertretbare rechtliche Sonderpositionen einnehmen, wurde nicht erstattet. Insgesamt gesehen herrschen somit im Mitgliedstaat Lettland nach dem gegenwärtigen Informationsstand keineswegs derartige systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen, die mit der Situation in Griechenland vergleichbar wären.

Auch sonst konnten die Beschwerdeführer keine auf sie selbst bezogenen besonderen Gründe, die für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK sprächen, glaubhaft machen, weshalb die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zur Anwendung kommt, wonach Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung finden.

Jedenfalls haben die Beschwerdeführer die Möglichkeit, etwaige konkret drohende oder eingetretene Verletzungen ihrer Rechte, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinn des Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in Lettland und letztlich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, insbesondere auch durch Beantragung einer vorläufigen Maßnahme gemäß Art. 39 EGMR-VerfO, geltend zu machen.

Ein nach Art. 8 EMRK bzw. Art. 7 GRC schützenswertes Privat- oder Familienleben der Beschwerdeführer in Österreic

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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