Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §34 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde des HL in S, vertreten durch Dr. Herwig Hammerer, Rechtsanwalt in Krems, Utzstraße 13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 12. Mai 1998, Zl. Senat-KR-98-025/1, betreffend Verhängung einer Ordnungsstrafe in Angelegenheit Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich, daß der Beschwerdeführer gegen ein Verwaltungsstraferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Krems vom 31. März 1998, mit welchem über ihn wegen Übertretung des § 99 Abs. a lit. a Straßenverkehrsordnung 1960 eine Geldstrafe von S 13.000,-- verhängt worden war, ein am 15. April 1998 bei dieser Behörde eingelangtes Rechtsmittel erhoben hat.
Mit Bescheid vom 12. Mai 1998 erkannte die belangte Behörde den Beschwerdeführer für schuldig, sich in dieser Eingabe einer beleidigenden Schreibweise bedient und dadurch den im Schriftverkehr mit Behörden und öffentlichen Organen gebotenen und von jedermann zu wahrenden Anstand verletzt zu haben. Über den Beschwerdeführer wurde daher gemäß § 34 Abs. 3 AVG eine Ordnungsstrafe in der Höhe von S 1.000,-- verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Nach der unwidersprochen gebliebenen Darstellung im angefochtenen Bescheid haben die von der belangten Behörde als beleidigende Schreibweise aufgefaßten, im Rechtsmittel des Beschwerdeführers enthaltenen Wendungen, folgenden Wortlaut:
"Es ist nach wie vor nicht auszuschließen, daß entweder Ins. M. oder ein anderer das Gerät manipuliert hat"
"In meiner Stellungnahme vom 3. Nov. 1997 habe ich diesbezüglich Anträge auf Überprüfung gestellt, welche jedoch von der Behörde bewußt und in Schädigungsabsicht bis heute nicht bearbeitet wurden."
". . . daß Beamte welche sich im Dienst auf 'sog. Festln'
natürlich zur Überwachung befinden, sich dort vollaufen lassen"
". . . und nachher setzen sich diese Beamten bei Tag und Nacht
in einen Funkwagen und nehmen 'dienstlich' etwas wahr."
"GI D. stellte ein Verhalten an den Tag, wie es nur
offensichtlich 'Betrunkene' halten, stänkern, absichtlich
einschüchtern, anschreien"
". . . mußte sich beim Aussteigen aus dem Funkwagen am Fahrzeuge
anhalten und sein Barrett mehrmals richten, sonst wäre er sowieso
umgefallen"
"Offensichtlich ist, daß Hauptschüler, welche in den Dienst der
Polizei oder Gendarmerie kommen, nicht in der Lage sind, mit der
Macht, die übertragen wird, fertig zu werden."
". . . Überprüfung des Kontrollgerätes der
Bundespolizeidirektion St. Pölten durch einen Sachverständigen ohne Voranmeldung, damit Korruption vermieden wird."
Gemäß § 34 Abs. 2 AVG sind Personen, die die Amtshandlung stören oder durch ungeziemendes Benehmen den Anstand verletzen, zu ermahnen; bleibt die Ermahnung erfolglos, so kann ihnen nach vorausgegangener Androhung das Wort entzogen, ihre Entfernung verfügt und ihnen die Bestellung eines Bevollmächtigten aufgetragen werden oder gegen sie eine Ordnungsstrafe bis S 1.000,-- und, falls diese nicht einbringlich ist, Haft bis zu drei Tagen verhängt werden. Bei erschwerenden Umständen ist die selbständige oder gleichzeitige Verhängung einer Haftstrafe bis zur angegebenen Dauer zulässig. Nach § 34 Abs. 3 AVG können die gleichen Ordnungsstrafen von der Behörde gegen Personen verhängt werden, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes soll mit der Pönalisierung der beleidigenden Schreibweise in § 34 Abs. 3 AVG nicht die Möglichkeit einer Partei beschnitten werden, sachliche Kritik am Vorgehen oder Verhalten eines Behördenorganes zu äußern. Diese Strafbestimmung soll erreichen, daß die Kritik an einer Behörde oder an einem ihrer Organe sich auf die Sache beschränkt, in einer den Mindestanforderungen des Anstandes entsprechenden Form vorgebracht wird und nicht Behauptungen enthält, die einer Beweisführung nicht zugänglich sind. Die Bestrafung nach dieser Gesetzesstelle wendet sich nicht gegen den Inhalt des Vorbringens, sondern gegen die Form, in der dieses erfolgt. Niemand ist daran gehindert, einen Mißstand, der nach seiner Meinung bei einer Behörde (oder einem Behördenorgan) besteht, der Oberbehörde (oder dem Dienstvorgesetzten des Organs) zur Kenntnis zu bringen, damit sie Abhilfe schaffen. Er muß sich dabei nur in den Grenzen der Sachlichkeit halten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Mai .1992, Zl. 92/02/0098).
Der Beschwerdeführer hat selbst die "Punkte 5. Und 7. Des Spruches" "unangefochten" gelassen, woraus ersichtlich ist, daß er selbst hinsichtlich der damit gemeinten Formulierungen ("GI D. stellte ein Verhalten an den Tag, wie es nur offensichtlich 'Betrunkene' halten, stänkern, absichtlich einschüchtern, anschreien" und "Offensichtlich ist, daß Hauptschüler, welche in den Dienst der Polizei oder Gendarmerie kommen, nicht in der Lage sind, mit der Macht, die übertragen wird, fertig zu werden.") der Ansicht ist, er habe sich zumindest insoweit einer beleidigenden Schreibweise bedient. Aber auch die anderen von der belangten Behörde als beleidigend gewerteten Passagen verlassen im gegebenen Zusammenhang bei weitem den Boden einer sachlichen Kritik am Vorgehen und Verhalten der Behörden und ihrer Organwalter. Allgemein gehaltene Vorwürfe wie Manipulation, Unterstellung einer Schädigungsabsicht, Betrinken während der Dienstzeit und Korruption unterstellen eine niedrige Gesinnung und eine nach der Sittenordnung verpönte Vorgangsweise bzw. teilweise auch ein gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßendes Verhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/15/0125). Der belangten Behörde kann daher nicht mit Aussicht auf Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie ausgehend von diesem Sachverhalt zur Auffassung gelangte, daß sich der Beschwerdeführer einer beleidigenden Schreibweise bedient habe. Daß der Beschwerdeführer durch seine Bezichtigungen zum Teil auch einen strafgesetzlich zu ahndenden Tatbestand (Verleumdung) erfüllt haben und deshalb auch gerichtlich bestraft werden könnte, vermag die Rechtmäßigkeit der lediglich als Disziplinarmaßnahme zu wertenden Ordnungsstrafe (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S. 466, Anm. 1) nicht zu erschüttern.
Soweit der Beschwerdeführer die Höhe der verhängten Ordnungsstrafe bekämpft, ist ihm entgegenzuhalten, daß Ordnungsstrafen nicht unter die Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechtes fallen. Es ist daher nicht rechtswidrig, wenn Erwägungen im Sinne des § 19 Abs. 2 VStG unterlassen werden. Eine Verpflichtung der Behörde, auf Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Betroffenen Bedacht zu nehmen folgt auch nicht aus den allgemeinen Vorschriften des AVG über das Ermittlungsverfahren, weil diese Verhältnisse nicht zum maßgebenden Sachverhalt gehören. Die Vorschriften über das Ermittlungsverfahren kommen somit bei der Anordnung von Ordnungsstrafen nicht zur Anwendung. Maßgebend für das Ausmaß einer Ordnungsstrafe ist die Überlegung, welche Strafhöhe innerhalb des gesetzlichen Rahmens eine Änderung des Fehlverhaltens erwarten läßt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. November 1993, Zl. 89/14/0144, und vom 30. Mai 1994, 92/10/0469). Angesichts der in der Berufung des Beschwerdeführers in gehäufter Form und in mehrfacher Hinsicht enthaltenen beleidigenden Schreibweise erscheint es gerechtfertigt, davon auszugehen, daß nur durch eine empfindliche Strafe - soweit dies beim gegebenen Strafrahmen überhaupt möglich ist - der Beschwerdeführer in Hinkunft von einer derartigen Ausdrucksweise Abstand nehmen wird. Die im angefochtenen Bescheid verhängte Höchststrafe entspricht daher dem Gesetz.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 20. November 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998020320.X00Im RIS seit
20.11.2000