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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AKG 1992 §4 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, in der Beschwerdesache der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien X, Favoritenstraße 108/3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 27. August 1998, Zl. MA 63 - G 117/97, betreffend Aufhebung eines Verbotes der Beschäftigung Jugendlicher nach dem KJBG, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des magistratischen Bezirksamtes für den 13./14. Bezirk, Wien, vom 20. Februar 1997 wurde R.G. gemäß § 31 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 (kurz: KJBG), BGBl. Nr. 599/1987, die Beschäftigung Jugendlicher "auf Dauer" verboten.
Aufgrund einer gegen diesen Bescheid von R.G. eingebrachten Berufung hob die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos auf. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die Beschwerde ist nicht zulässig.
Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG wird in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- und Landesgesetzen bestimmt, unter welchen Voraussetzungen auch in anderen als in Abs. 1 angeführten Fällen Beschwerden gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden wegen Rechtswidrigkeit zulässig sind.
Zur Beschwerdelegitimation der beschwerdeführenden Kammer für Arbeiter und Angestellte (kurz: Arbeiterkammer) wird u.a. in der Beschwerde ausgeführt, es gehöre gemäß § 5 Abs. 2 Z. 2 des Arbeiterkammergesetzes 1992 (kurz: AKG), BGBl. Nr. 626/1991, zu den Aufgaben der gesetzlichen Interessenvertretung der Arbeitnehmer, Lehrlings- und Jugendschutzstellen einzurichten und durch diese insbesondere die Arbeits- und Wohnverhältnisse von Lehrlingen und jugendlichen Arbeitnehmern zu überprüfen und die Abstellung gesetzwidriger Zustände bei der zuständigen Behörde zu betreiben. Zu diesem Zweck sei den Arbeiterkammern ausdrücklich ein entsprechendes "Antragsrecht zur Einleitung von Verwaltungsverfahren" zuerkannt worden.
Die Wahrnehmung dieser Aufgaben durch die Arbeiterkammern, also in Verbindung mit dem KJBG Vorsorge zu treffen, daß Jugendliche nicht in Betrieben und Unternehmen beschäftigt werden, in denen die zum Schutz der Jugendlichen erlassenen Vorschriften beharrlich und massiv verletzt würden, könne aber nur dann dem Gesetzesauftrag entsprechend wahrgenommen werden, wenn den Arbeiterkammern im Rahmen der von diesen Kammern angestrengten Verwaltungsverfahren "volle Parteistellung" zukomme, sie also neben dem reinen Antragsrecht auch "volles Berufungsrecht" und das Recht zur Beschwerderhebung an die Höchstgerichte hätten.
Das Beschwerderecht der beschwerdeführenden Arbeiterkammer leite sich aus dem Arbeiterkammergesetz 1992 ab und basiere auf den Kompetenztatbeständen "Arbeitsrecht" und "Kammern für Arbeiter und Angestellte, mit Ausnahme solcher auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet" nach Art. 10 Abs. 1 Z. 1 B-VG. Diesen Kompetenztatbeständen liege "ein modernes Verständnis der Aufgaben und Funktionen der gesetzlichen Interessenvertretung der Arbeitnehmer" zugrunde, wie dies auch in den Erläuternden Bemerkungen zum Arbeiterkammergesetz 1992 zum Ausdruck komme. So werde ausgeführt, daß die "allgemeine Interessenfunktion" der Arbeiterkammern bedinge, daß grundsätzlich alles getan werden dürfe, was zur Interessenvertretung der Arbeitnehmer erforderlich und zweckmäßig sei (vgl. § 4 Abs. 1 AKG). Die Allgemeinheit der Aufgabenstellung entspreche den gleichartigen Regelungen der beruflichen Interessenvertretungen "anderer sozialer Gruppen" und damit dem Grundgedanken der gesetzlichen Interessenvertretung innerhalb einer pluralistischen Gesellschaft, wonach die sozialen Gruppen ihre Position "durch einen umfassend befugten, außerhalb der staatlichen Organisation stehenden Selbstverwaltungskörper" im Staat und in der Gesellschaft erbringen könnten. Eine "abschließende und punktweise Aufzählung einzelner Befugnisse und konkreter Formen der Umsetzung dieser Befugnisse" würde dieser allgemeinen Aufgabenstellung widersprechen und zu einer "unzulässigen Einschränkung der Selbstverwaltung" führen.
Sehe aber das AKG in seinem § 5 Abs. 2 Z. 2 ein "generelles Antragsrecht" der Arbeiterkammern vor, welches hinsichtlich des Jugendarbeitsschutzes in den §§ 28 und 31 KJBG konkretisiert werde, so setze diese Befugnis der Arbeiterkammern "volle Parteistellung" in einem von ihr eingeleiteten Verfahren nach § 31 KJBG voraus.
Gemäß § 4 Abs. 1 AKG BGBl. Nr. 626/1991, sind die Arbeiterkammern berufen, alle zur Interessenvertretung der Arbeitnehmer - einschließlich der zuvor als Arbeitnehmer beschäftigten Arbeitslosen und Pensionisten - erforderlichen und zweckmäßigen Maßnahmen zu treffen.
Gemäß § 5 Abs. 2 Z. 2 AKG können die Arbeiterkammern Lehrlings- und Jugendschutzstellen einrichten und durch diese insbesondere die Arbeits- und Wohnverhältnisse von Lehrlingen und jugendlichen Arbeitnehmern überprüfen und die Abstellung gesetzwidriger Zustände bei der zuständigen Behörde beantragen.
Gemäß § 31 Abs. 2 KJBG kann die Bezirksverwaltungsbehörde (Berghauptmannschaft) außer in den in Abs. 1 bezeichneten Fällen, nach Anhörung der gesetzlichen Interessenvertretung der Dienstgeber und der Dienstnehmer Dienstgebern und deren Bevollmächtigten die Beschäftigung von Jugendlichen auf bestimmte Zeit oder dauernd verbieten, wenn sie sich grober Pflichtverletzungen gegen die bei ihnen beschäftigten Jugendlichen schuldig gemacht haben oder gegen sie Tatsachen vorliegen, die sie in sittlicher Beziehung zur Beschäftigung Jugendlicher ungeeignet erscheinen lassen.
Der beschwerdeführenden Arbeiterkammer ist zu den dargestellten Ausführungen grundsätzlich entgegenzuhalten, daß der Gesetzgeber - trotz umfassender Gestaltung der Rechte einer gesetzlichen Interessenvertretung für Dienstnehmer im AKG - diesen Selbstverwaltungskörpern keine Gleichstellung mit Verfahrensparteien zur Wahrnehmung von "subjektiv-öffentlichen Rechten" im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG bei der Wahrnehmung von Interessen der Dienstnehmer in einschlägigen Bereichen des Verwaltungsrechts einräumte. Vielmehr kommt den Arbeiterkammern ein Beschwerderecht als sogenannten "Formalparteien" (Legalparteien) nach Art. 131 Abs. 2 B-VG nur dann zu, wenn dies in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- und Landesgesetzen bestimmt wird.
So hat etwa der Bundesgesetzgeber in § 4 Abs. 6 des Berufsausbildungsgesetzes, BGBl. Nr. 142/1969, ausdrücklich ein Beschwerderecht nach Art. 131 Abs. 2 B-VG gegen Berufungsbescheide betreffend ein Verbot des Ausbildens von Lehrlingen vorgesehen. Eine vergleichbare Regelung ist weder den von der beschwerdeführenden Arbeiterkammer vorgebrachten Bestimmungen des § 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 2 Z. 2 AKG noch dem § 31 Abs. 2 KJBG zu entnehmen. Die in diesen Bestimmungen enthaltenen Antrags- bzw. Anhörungsrechte der Arbeitkammern vermögen nicht die nach Art. 131 Abs. 2 B-VG geforderte gesetzliche Regelung einer Ermächtigung zur Beschwerdeerhebung zu ersetzen; auch aus den von der beschwerdeführenden Arbeitkammer genannten Kompetenzbestimmungen nach Art. 10 Abs. 1 Z. 11 B-VG ergibt sich ein solches Beschwerderecht der Arbeiterkammern nicht.
Die vorliegende Beschwerde war daher mangels entsprechender Beschwerdelegitimation der beschwerdeführenden Arbeiterkammer gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung durch einen gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat mit Beschluß zurückzuweisen.
Wien, am 20. November 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998020366.X00Im RIS seit
18.02.2002