Index
41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz eines irakischen Staatsangehörigen mangels Prüfung der asylrelevanten Bedrohung des Beschwerdeführers bei offenem Bekenntnis zu seiner Homosexualität im Falle einer Rückkehr; keine Verpflichtung zur Geheimhaltung der Homosexualität im Herkunftsstaat zur Vermeidung einer VerfolgungSpruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen irakischen Staatsangehörigen, der am 20. Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
2. Mit Bescheid vom 16. November 2015 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch eines subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I. und II.). Es erteilte einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht, erließ eine Rückkehrentscheidung und sprach aus, dass die Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen unter Teilnahme des Beschwerdeführers als unbegründet ab.
3.1. Begründend führt es auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass der "homosexuell orientiert[e]" Beschwerdeführer weder vor der Ausreise aus dem Irak wegen seiner homosexuellen Orientierung einer individuellen Verfolgung durch Dritte oder durch staatliche Organe ausgesetzt gewesen sei, noch dass er im Falle einer Rückkehr in die Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer Verfolgung durch Dritte oder durch staatliche Organe wegen seiner homosexuellen Orientierung ausgesetzt wäre.
Zwar seien die homosexuelle Orientierung des Beschwerdeführers sowie sein vormaliges homosexuelles Beziehungsleben im Herkunftsstaat glaubwürdig, doch habe der Beschwerdeführer zunächst nur angegeben, auf Grund einer Bedrohung durch Angehörige der Terrororganisation IS seine Heimatstadt Mosul verlassen zu haben; Probleme wegen seiner sexuellen Orientierung in seiner Heimat habe er zunächst nicht behauptet. Er habe über sieben Jahre hinweg seine homosexuelle Orientierung in seiner Heimat ohne etwaige Bedrohungen oder Übergriffe durch Dritte oder durch staatliche Organe gelebt. Wenn der Beschwerdeführer vorbringe, dass er homosexuelle Beziehungen nur "im Geheimen" habe leben können, so habe die behauptete Geheim- bzw Zurückhaltung, weil über mehrere Jahre geübt, kein Ausmaß angenommen, das als maßgebliche Einschränkung des Ausdrucks seiner sexuellen Orientierung zu qualifizieren sei.
3.2. Zur Lage Homosexueller im Irak sei unter anderem festzustellen, dass weder der private noch der öffentliche Ausdruck einer homosexuellen Orientierung per se im Irak innerhalb der Jurisdiktionsgewalt der staatlichen Gerichte mit einer strafrechtlichen Sanktion verbunden sei. Tendenziell stehe die irakische Gesellschaft Angehörigen der LGBTI-Community skeptisch bis ablehnend gegenüber. Betroffene hätten für den Fall des Bekanntwerdens ihrer sexuellen Orientierung mit Vorurteilen, Ausgrenzung und Diskriminierung durch Dritte zu rechnen. Das irakische Rechtssystem biete keine expliziten Möglichkeiten, gegen derlei Reaktionen rechtlich vorzugehen. Die ablehnende Haltung könne ihren Niederschlag innerhalb familiärer Strukturen, bis hin zu sogenannten "Ehrenverbrechen", finden. In den Jahren 2009, 2012 und 2014 sei es insbesondere in Bagdad zu einem gezielten Vorgehen von Mitgliedern schiitischer Milizen gegen einzelne Angehörige der LGBTI-Community gekommen. Mangels staatlicher Reaktion auf solche Vorfälle sowie der geringen gesellschaftlichen Akzeptanz würden von NGOs vereinzelt eingerichtete Schutzeinrichtungen für Betroffene die einzige Möglichkeit darstellen, eine Unterstützung von Außenstehenden zu erhalten.
3.3. Da es zur Lage von Personen mit homosexueller Orientierung im Irak nur wenige aktuelle länderkundige Berichte gebe, bestellte das Bundesverwaltungsgericht für das Beschwerdeverfahren einen länderkundigen Sachverständigen für den Herkunftsstaat Irak.
Aus einer Zusammenschau des Inhalts der Länderberichte mit dem Befund des Sachverständigen ergäben sich die genannten Feststellungen. Hervorzuheben sei, dass daraus kein systematisches Vorgehen gegen bzw ein landesweites Bedrohungsszenario für Angehörige sexueller Randgruppen hervorgehe. Das Fehlen einer systematischen diskriminierenden Anwendung strafgesetzlicher Bestimmungen gegen Angehörige sexueller Randgruppen sei vom Ergebnis der ergänzenden Recherchen des länderkundigen Sachverständigen gestützt worden; dessen Bericht zeige mehr das Bemühen staatlicher Organe, möglichst nicht mit dem Thema nichtgesellschaftskonformer sexueller Orientierung bzw deren Proponenten in Berührung zu geraten als gegen solche Personen gezielt vorzugehen. Übergriffe und Drohungen gegen Angehörige sexueller Randgruppen – abgesehen vom familiären Umfeld der Betroffenen – seien vor allem Mitgliedern bewaffneter schiitischer Milizen zugeschrieben worden.
4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der eine Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die kostenpflichte Aufhebung des Erkenntnisses beantragt wird. Begründend wird unter anderem Folgendes ausgeführt:
Das Bundesverwaltungsgericht lasse einschlägige Länderinformationen der Staatendokumentation aus dem Jahr 2018 zum Irak gänzlich unberücksichtigt. Diese seien dem Bundesverwaltungsgericht mit Schriftsatz vom 16. Juli 2018 vorgelegt worden. Aus diesen sei aber zweifelsfrei zu entnehmen, dass sexuelle Minderheiten, insbesondere Homosexuelle massiver asylrelevanter Verfolgung im Irak ausgesetzt seien.
Die Ausführungen des Sachverständigen in seiner Recherche seien im Verfahren als unrichtig wiederlegt worden, wozu das Bundesverwaltungsgericht überhaupt nicht Stellung genommen habe. Der Gutachter sei überdies bereits erstinstanzlich aus der Sachverständigenliste der länderkundigen Sachverständigen gestrichen worden.
5. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt sowie eine Gegenschrift erstattet. Es hält dem Vorbringen in der Beschwerde im Wesentlichen Folgendes entgegen:
Der Rechercheauftrag sei an den länderkundigen Sachverständigen zu einem Zeitpunkt erteilt worden, als noch kein Streichungsverfahren anhängig gewesen sei. Maßgeblich sei jedoch, dass das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich frei in der Wahl der von ihm herangezogenen Beweismittel sei und deren Auswahl und Beweiswert im Rahmen seiner Beweiswürdigung, wenn auch in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise, zu treffen und abzuwägen habe. Der Beschwerdeführer hätte im Beweisverfahren die Gelegenheit gehabt, den Ergebnissen der Recherche inhaltlich entgegenzutreten und dies sei auch in der Beweiswürdigung berücksichtigt worden.
Die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes stütze sich schließlich vorrangig auf die Aussagen des Beschwerdeführers sowie den Inhalt der sonstigen Länderinformationen und nur ergänzend auf den Inhalt des Rechercheberichtes des länderkundigen Sachverständigen.
6. Der Beschwerdeführer erstattete eine Replik.
II. Erwägungen
Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
Ein solches willkürliches Verhalten ist dem Bundesverwaltungsgericht vorzuwerfen:
2. Mit Erkenntnis VfSlg 20.170/2017 hat der Verfassungsgerichtshof ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes aufgehoben, mit dem eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Abweisung eines Antrags gemäß §3 Abs1 AsylG 2005 eines irakischen Staatsangehörigen abgewiesen wurde. Auch in dem damaligen Fall hielt das Bundesverwaltungsgericht das Vorbringen des Beschwerdeführers im Hinblick auf seine homosexuelle Orientierung für glaubhaft und setzte sich daher im Weiteren mit der allgemein schwierigen Lage Homosexueller im Irak auseinander. Das Bundesverwaltungsgericht verkannte dabei die Ergebnisse seines eigenen Ermittlungsverfahrens und deren Bedeutung im Beschwerdefall. Im Einzelnen führte der Verfassungsgerichtshof aus:
"Die Einschätzung, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in den Irak – bei gewöhnlichem Leben seiner homosexuellen Orientierung – keiner Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt sei und dieser (wie auch vor seiner Ausreise) keinen maßgeblichen Einschränkungen in seinem Beziehungs- und Sexualleben unterliegen würde, widerspricht sowohl den Feststellungen der Länderberichte als auch den eindeutigen Ausführungen des Beschwerdeführers in den mündlichen Verhandlungen, in denen er ua wiederholt angab, dass homosexuelle Personen im Irak, wie auch er selbst, ihre Beziehungen aus Angst immer im Geheimen leben würden. Diese Beurteilung ist mit den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens nicht vereinbar und würde im Ergebnis dazu führen, dass der Beschwerdeführer gezwungen wäre, seine sexuelle Orientierung weiterhin im Geheimen – unter ständiger Angst entdeckt zu werden – zu leben, um sich nicht der Gefahr von Diskriminierung, strafgerichtlicher Verfolgung oder körperlicher Schädigung auszusetzen. Diese implizite Konsequenz aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, seine sexuelle Orientierung nicht oder nur im Geheimen zu leben, ist mit dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 7. November 2013 in den Rechtssachen C-199/12 bis C-201/12 (zur Auslegung der Richtlinie 2004/83/EG), Minister voor Immigratie en Asiel gegen X ua, nicht vereinbar. Nach Ansicht des Gerichtshofes der Europäischen Union dürfe von Personen mit homosexueller Orientierung nicht erwartet werden, dass sie ihre Homosexualität in ihrem Herkunftsland geheim halten oder Zurückhaltung beim Leben ihrer sexuellen Ausrichtung ('l'expression de son orientation sexuelle') üben, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden (vgl dazu auch VfGH 18.9.2014, E910/2014)."
3. Diese Erwägungen treffen im Grundsatz auf das nunmehr angefochtene Erkenntnis zu:
3.1. Das Bundesverwaltungsgericht hält zunächst das Vorbringen des Beschwerdeführers im Hinblick auf seine homosexuelle Orientierung für glaubhaft.
3.2. Zur Lage im Irak stellt es unter anderem fest, dass die irakische Gesellschaft Angehörigen der LGBTI-Community tendenziell skeptisch bis ablehnend gegenüberstehe. Für den Fall des Bekanntwerdens ihrer sexuellen Orientierung hätten Betroffene mit Vorurteilen, Ausgrenzung und Diskriminierung durch Dritte zu rechnen. Das irakische Rechtssystem biete keine expliziten Möglichkeiten, gegen derlei Reaktionen auf rechtlicher Ebene vorzugehen. Die ablehnende Haltung könne ihren Niederschlag innerhalb familiärer Strukturen finden, sofern die sexuelle Orientierung Betroffener als "unehrenhaft" erachtet werde, zur Ausstoßung oder zu sogenannten "Ehrenverbrechen" führen. Angehörige der LGBTI-Community könnten auch im Rahmen von Amtshandlungen zu Opfern polizeilicher Gewalt werden.
3.3. Angesichts dieser Feststellungen verneint das Bundesverwaltungsgericht eine asylrelevante Bedrohung des Beschwerdeführers in seinem Heimatstaat auf Grund seiner homosexuellen Orientierung deswegen, weil der Beschwerdeführer seine Neigungen vor der Ausreise mehrere Jahre hinweg ohne Bedrohungen oder Übergriffe durch Dritte oder durch staatliche Organe leben habe können. Wenn der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen hat, dass er seine homosexuelle Orientierung im Irak nur "im Geheimen" ausleben habe können, hält dem das Bundesverwaltungsgericht nur entgegen, dass er seine Beziehungen offenkundig in einer Form pflegen habe können, die grundsätzlich seinen Bedürfnissen entsprochen hätte. Vor dem Hintergrund der Länderinformationen sei zwar anzunehmen, dass der Beschwerdeführer in der Öffentlichkeit explizit wahrnehmbare Ausdrucksformen seiner sexuellen Orientierung vermieden habe, der Beschwerdeführer habe aber nicht dargetan, dass diese Form der Zurückhaltung in der Öffentlichkeit über jene Verhaltensregeln hinausgegangen sei, die in einer traditionell-muslimischen Gesellschaft grundsätzlich in dieser Hinsicht einzuhalten gewesen wären.
3.4. Damit verkennt das Bundesverwaltungsgericht aber den vom Gerichtshof der Europäischen Union und in der Folge vom Verfassungsgerichtshof als entscheidend hervorgehobenen Ansatz bei der Prüfung, ob eine asylrelevante Bedrohung auf Grund der sexuellen Orientierung vorliegt, in grundsätzlicher Weise. Es widerspricht der Anerkennung eines für die Identität so bedeutsamen Merkmals, auf das zu verzichten die Betroffenen nicht gezwungen werden dürfen, wenn von den Mitgliedern einer sozialen Gruppe, die die gleiche sexuelle Ausrichtung haben, verlangt wird, dass sie diese Ausrichtung geheim halten. Daher kann nicht erwartet werden, dass ein Asylwerber seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält, um eine Verfolgung zu vermeiden (EuGH 7.11.2013, verbRs C-199-201/12, X ua, Rz 70 f.; daran anknüpfend VfSlg 20.170/2017; siehe weiters VfGH 18.9.2014, E910/2014).
Vor diesem Hintergrund und angesichts der eigenen Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis über Verfolgungshandlungen gegenüber Menschen mit homosexueller Orientierung sowohl durch staatliche Organe wie durch Dritte hat es das Bundesverwaltungsgericht in gravierender Verkennung der Rechtslage unterlassen zu prüfen, ob der Beschwerdeführer bei offenem Bekenntnis zu seiner homosexuellen Orientierung im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat asylrelevanter Bedrohung ausgesetzt wäre (vgl auch, ebenfalls auf die Entscheidung des EuGH in der Rs C-199-201/12, X ua, bezugnehmend, VwGH 20.9.2018, Ra 2018/20/0043, Rz 14: Die Auffassung des EuGH "verkennend verneinte das BVwG eine bestehende Verfolgungsgefahr deshalb, weil der Revisionswerber seine sexuelle Orientierung offenbar bislang sehr diskret ausgelebt habe und insofern sein Sexualleben in Zukunft nicht ganz anders ausleben müsste".).
III. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
Schlagworte
Asylrecht, Homosexualität, EntscheidungsbegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2019:E291.2019Zuletzt aktualisiert am
07.06.2022