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L6800 Ausländergrunderwerb, GrundverkehrNorm
B-VG Art10 Abs1 Z6Leitsatz
Keine Unsachlichkeit von Bestimmungen des Tiroler GrundverkehrsG betreffend den Entfall der grundverkehrsbehördlichen Genehmigungspflicht für juristische Personen mit Gründung und Sitz in einem EU-Mitgliedstaat oder Vertragsstaates des EWR-Abkommens; keine unsachliche "Inländerdiskriminierung" durch die Gleichstellung von juristischen Personen mit Mehrheitsbeteiligung von Drittstaatsangehörigen am Gesellschaftskapital oder Vermögen mit österreichischen juristischen PersonenRechtssatz
Abweisung eines - zulässigen - Antrags des Landesverwaltungsgerichts Tirol (LVwG) auf Aufhebung der Wortfolge "oder deren Gesellschaftskapital oder Anteile am Vermögen (wie Namens- oder Stammaktien, Stammeinlangen und ähnliche Rechte) mindestens zur Hälfte Ausländern gehören" in §2 Abs7 litb Tir GVG 1996 (TGVG) gemeinsam mit §12, §25 und §32 Abs1 lita TGVG idF LGBl 26/2017 (Gerichtsantrag).
Gemäß §3 Abs2 TGVG sind juristische Personen und sonstige Personengemeinschaften, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen EU-Mitgliedstaates oder eines anderen Vertragsstaates des EWR-Abkommens gegründet wurden und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in einem dieser Staaten haben ("EU/EWR-Gesellschaften"), österreichischen juristischen Personen bzw sonstigen rechtsfähigen Personengemeinschaften gleichgestellt, wenn der Rechtserwerb in Ausübung der Niederlassungsfreiheit nach Art49 AEUV bzw Art31 des EWR-Abkommens, des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art56 AEUV bzw Art36 des EWR-Abkommens, der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art63 AEUV bzw Art40 des EWR-Abkommens erfolgt. Demzufolge unterliegen juristische Personen aus dem EU/EWR-Ausland, an denen mehrheitlich Drittstaatsangehörige beteiligt sind - im Gegensatz zu juristischen Personen mit Sitz im Inland, an denen Drittstaatsangehörige in vergleichbarer Weise beteiligt sind - keiner grundverkehrsrechtlichen Genehmigungspflicht.
Wie die Materialien zu LGBl 95/2016 offenlegen, sind juristische Personen oder sonstige rechtsfähige Personengemeinschaften, die insbesondere die im Einklang mit Art54 AEUV formulierten Tatbestandsmerkmale des §3 Abs2 TGVG erfüllen, im Rahmen der Ausübung der im §3 Abs2 TGVG genannten Grundfreiheiten oder sonst staatsvertraglich verbürgter Freizügigkeitsrechte, unabhängig von der Staatsangehörigkeit allfälliger an der Gesellschaft beteiligter natürlicher Personen, "begünstigt". In einem Sachverhalt mit Bezug zu den Grundfreiheiten des AEUV besteht somit - nach dieser Rechtslage - kein Anwendungsbereich für eine Kontrolltheorie, wie sie etwa §2 Abs7 litb TGVG vorsieht.
Zudem bestimmt Art54 AEUV, über die Gleichstellungsverpflichtung des §3 Abs2 TGVG hinaus, dass jene Gesellschaften, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates gegründet wurden und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Union haben, im Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit, natürlichen Personen, die den Mitgliedstaaten angehören, gleichgestellt sind. Nach Ansicht des EuGH umfasst die Niederlassungsfreiheit zudem bereits das Recht auf Erwerb eines Grundstückes, das zu Zwecken der Wohnsitznahme durch den Unternehmer notwendig ist.
Demgegenüber wäre es im Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit grundsätzlich möglich, "Immobilieninvestitionen" (und somit den Erwerb von Baugrundstücken) im Verhältnis zu Drittstaaten zu beschränken. Da die Regelungen des Tiroler Ausländergrundstücksverkehrs - insbesondere die "Kontrolltheorie" der Begriffsdefinitionen - materiell betrachtet bereits vor dem Stichtag (31.12.1993) bestanden haben, hätten die Genehmigungsvorschriften für ausländische juristische Personen grundsätzlich beibehalten werden können. Damit wäre es dem Gesetzgeber möglich gewesen, Regelungen beizubehalten, die zum einen den Zielen des Ausländergrundstücksverkehrsrechts Rechnung tragen und zum anderen unterschiedslos auf Inländer und EU/EWR-Ausländer anwendbar sind.
Erfüllt eine juristische Person eines anderen EU-Mitgliedstaates oder Vertragsstaates des EWR-Abkommens die Voraussetzungen des §3 Abs2 TGVG (Gründung und Sitz der juristischen Person in einem EU-Mitgliedstaat oder Vertragsstaates des EWR-Abkommens) und übt sie den Rechtserwerb im Rahmen der Niederlassungsfreiheit nach Art49 ff AEUV aus, ist sie einer österreichischen juristischen Person gleichgestellt, unabhängig davon, ob an ihr Drittstaatsangehörige beteiligt sind oder nicht.
Demgegenüber wird eine juristische Person durch das TGVG benachteiligt, die zwar nach österreichischem Recht gegründet worden ist und deren Sitz im Inland liegt, die aber als "Ausländer" iSd §2 Abs7 litb TGVG gilt, weil an ihrem Gesellschaftskapital oder an ihrem Vermögen mindestens zur Hälfte Drittstaatsangehörige beteiligt sind.
Bei solchen Beteiligungsverhältnissen ist daher eine in Österreich gegründete Gesellschaft, die ihren Sitz im Inland hat, "Ausländer" iSd TGVG, eine "EU/EWR-Gesellschaft" hingegen einer inländischen Gesellschaft gleichgestellt. Nach dem TGVG unterliegt erstere bei Rechtserwerben an Baugrundstücken einer Genehmigungspflicht durch die Grundverkehrsbehörde gemäß §12 f iVm §25 Abs1 TGVG, letztere nicht.
Mit dieser Systematik ist zwar eine Schlechterstellung juristischer Personen mit Sitz in Österreich, deren Gesellschaftskapital oder deren Anteile am Vermögen mindestens zur Hälfte im Eigentum von Drittstaatsangehörigen stehen, gegenüber juristischen Personen mit vergleichbarer Drittstaatsbeteiligung, welche die Voraussetzungen des §3 Abs2 TGVG erfüllen, verbunden. Nach Auffassung des VfGH ist diese Unterscheidung allerdings sachlich gerechtfertigt:
Der VfGH zieht hiebei zunächst nicht in Zweifel, dass ein öffentliches Interesse daran besteht, Rechtserwerbe an bebauten Grundstücken durch Ausländer (im vorliegenden Fall durch Drittstaatsangehörige) einem Genehmigungsverfahren zu unterwerfen, in dessen Rahmen die Behörden den Grundstückerwerb - bei Nichtvorliegen näher bezeichneter Voraussetzungen - untersagen können (vgl §13 TGVG).
Hiebei ist auch auf Art10 Abs1 Z6 B-VG zu verweisen, der "Regelungen, die den Grundstücksverkehr für Ausländer und den Verkehr mit bebauten oder zur Bebauung bestimmten Grundstücken verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen", von der Kompetenz des Bundes ausnimmt. Aus dieser Bestimmung ist ersichtlich, dass die spezifische Behandlung des Ausländergrundverkehrs gegenüber dem Grundstücksverkehr zwischen Inländern bereits auf Verfassungsebene angelegt ist.
Da dieses Interesse an einer besonderen Regulierung des Ausländergrundverkehrs nun unabhängig davon besteht, ob der Grundstückserwerb durch eine natürliche oder durch eine juristische Person erfolgt, liegt es am Landesgesetzgeber, nähere Kriterien für die Bestimmung der Eigenschaft einer juristischen Person als In- oder Ausländer festzulegen. Die in §2 Abs7 litb TGVG (alternativ zur Sitztheorie) zum Ausdruck gebrachte Kontrolltheorie, welche die hinter der juristischen Person stehenden natürlichen Personen in die Betrachtung miteinbezieht, ist kein unsachliches Instrument zur Lösung dieser Aufgabe.
Im vorliegenden Fall handelt es sich zwar um eine besondere Konstellation, zumal die von §2 Abs7 litb TGVG als "Ausländer" qualifizierten juristischen Personen, am Maßstab des Gleichheitssatzes unter Umständen (nämlich dann, wenn ihr Sitz im Inland liegt) als "Inländer" anzusehen sind. Diese Unterscheidung hat aber weder Einfluss auf die Sachlichkeit der in §2 Abs7 litb TGVG niedergelegten Kriterien noch auf die Regelungsbedürftigkeit der demnach als "Ausländergrundverkehr" geltenden Transaktionen.
Wenn das LVwG Tirol schließlich vorbringt, dass es §2 Abs7 litb TGVG seit Erlassung des §3 Abs2 TGVG nicht mehr erlaubt, den Grundstückserwerb durch ausländische juristische Personen lückenlos zu regulieren - wie dies vom Tiroler Landesgesetzgeber mit der angefochtenen Bestimmung ursprünglich beabsichtigt wurde -, lässt auch dies keine Zweifel an der grundsätzlichen Sachlichkeit der Regelung aufkommen. Wie der VfGH bereits mehrfach festgehalten hat, ist die Frage, ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, nämlich nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes zu messen.
Schlagworte
Grundverkehrsrecht, Ausländergrunderwerb, Person juristische, Inländerdiskriminierung, EU-Recht, EWREuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2019:G216.2018Zuletzt aktualisiert am
28.08.2020