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Sozialversicherung - ASVG - AlVGNorm
ASVG §49 Abs3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Liska, Dr. Knell, Dr. Puck und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. Novak, über die Beschwerde der I G.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Christoph Raabe, Rechtsanwalt in Wien XIX, Grinzinger Allee 1 2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 15. Dezember 1986, Zl. MA 14- I 2/86, betreffend Beitragsnachentrichtung (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse in Wien X, Wienerbergstraße 15-19), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der mitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 3. Juni 1986 verpflichtete die mitbeteiligte Wiener Gebietskrankenkasse die Beschwerdeführerin, für die Zeit vom 1. Jänner 1981 bis 31. Dezember 1984 Beiträge und Umlagen in Gesamthöhe von S 660.880,59 an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zu entrichten. Nach der Bescheidbegründung habe die Kasse vom 18. November 1985 bis 12. Februar 1986 eine Beitragsprüfung durchgeführt und dabei festgestellt, daß die Beschwerdeführerin die an die in der Anlage namentlich angeführten Dienstnehmer in den Jahren 1981 bis 1984 ausbezahlten Schmutzzulagen in der Höhe von 25 % des Stundenlohnes (ab 1983 auch vom Weggeld) beitragsfrei gehalten habe. Diese Zulagen seien im Kollektivvertrag für das chemische Gewerbe nicht vorgesehen und stellten daher beitragspflichtiges Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG dar.
In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch wandte die Beschwerdeführerin zunächst ein, daß es sich bei der bezahlten Zulage nicht nur um eine reine Schmutzzulage, sondern um eine Imprägnierzulage handle, die als solche von ihr seit Jahrzehnten so bezeichnet werde. Diese Imprägnierzulage beinhalte sowohl die Abgeltung der Verschmutzung (wie etwa durch Grabarbeiten im Freien und durch Imprägniersalz und Teer), der Erschwernisse, die deshalb aufträten, weil diese Arbeiten bei fast jedem Wetter im Freien und in schwierigstem Gelände auszuführen seien, und schließlich die Abgeltung der Gefährdung durch das Arbeiten und Hantieren mit Imprägniersalz und durch den Transport bis zur Arbeitsstelle. Schmutzzulagen seien gemäß § 49 Abs. 3 Z. 2 ASVG (gemeint: in der Fassung der 41. Novelle, BGBl. Nr. 111/1986) dann beitragsfrei, wenn sie unter den Voraussetzungen der lit. a bis c der Z. 1 zustande gekommen seien und nach dem Einkommensteuergesetz steuerfrei gehalten werden könnten. Die bei vorherigen Beitragsprüfungen nie beanstandete Imprägnierzulage sei aufgrund von Vereinbarungen mit jener Gruppe von Arbeitern, die Freileitungsholzmaste imprägnierten, ausbezahlt worden. Die Höhe der Zulage von 25 % des Stundenlohnes entstehe durch die außergewöhnliche Belastung im Betrieb. Da auch Prämien bezahlt würden, handle es sich nicht um 25 % des Bruttolohnes, sondern um einen weit geringeren Anteil. Insbesondere unter Hinweis auf § 49 Abs. 3 Z. 1 lit. c ASVG (wiederum in der Fassung der 41. Novelle) werde vorgebracht, daß es in ganz Österreich keinen vergleichbaren Betrieb gebe.
In der Stellungnahme zum Einspruch verwies die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse auf den Rechtsirrtum der Beschwerdeführerin, der darin bestehe, daß sie nicht § 49 Abs. 3 Z. 2 ASVG in der bis 31. Mai 1985 geltenden Fassung der rechtlichen Beurteilung zugrundelege. Danach gälten Schmutzzulagen nicht als beitragspflichtiges Entgelt, wenn sie aufgrund gesetzlicher Vorschriften oder kollektivvertraglicher Regelungen gewährt würden und soweit sie von der Einkommensteuer befreit seien. Da die in Rede stehenden Dienstnehmer nach dem Kollektivvertrag für das chemische Gewerbe entlohnt würden, der jedoch keinerlei Bestimmungen über die Gewährung von Schmutz-, Erschwernis- oder Gefahrenzulagen vorsehe, sei die Voraussetzung einer Beitragsfreiheit derartiger Zulagen nicht gegeben.
In der Äußerung zu dieser Stellungnahme bestritt die Beschwerdeführerin nicht, daß die strittigen Zulagen nicht aufgrund kollektivvertraglicher Regelungen gewährt würden. Ein solcher Weg sei für die Beschwerdeführerin deshalb nicht möglich, da sie als einzelne Firma nicht kollektivvertragsfähig sei und die Art und Weise der auszuführenden Arbeiten auch keine Zuordnung zu einer anderen Gruppe von Firmen möglich mache. Die von ihr durchgeführte Imprägnierung von Holzleitungsmasten sei in dieser Art und Weise einzig in Österreich. Dies sei auch seit Jahrzehnten bei diversen Beitrags- und Steuerprüfungen anerkannt worden, insbesondere in bezug auf die Imprägnierzulage, die nie in Frage gestellt worden sei. Der Gesetzgeber habe darüber hinaus mit der Änderung des § 49 ASVG per 1. Juni 1985 und 1. Jänner 1986 eindeutig Klarheit geschaffen und die rechtlich logische, von der Beschwerdeführerin jahrelang geübte Vorgangsweise in den Gesetzestext aufgenommen und somit eindeutig festgehalten. Es erscheine der Beschwerdeführerin merkwürdig, daß die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse nun für die Jahre 1981 bis 1984 diese Vorgangsweise der Beschwerdeführerin nicht anerkenne, obwohl zum Zeitpunkt der Prüfung schon bekannt gewesen sei, wie der maßgebliche § 49 ASVG in Zukunft formuliert und somit ersichtlich gewesen sei, daß die Beschwerdeführerin nur das getan habe, was auch der Gesetzgeber für gut und richtig befunden habe. Die Beitragspflicht für die Imprägnierzulage könne nach Auffassung der Beschwerdeführerin nicht durch das formale Argument der fehlenden Festlegung im Kollektivvertrag gegeben sein, da die Beschwerdeführerin, wie bereits ausgeführt, einen Sonderfall darstelle und keine Möglichkeit habe, einen eigenen Kollektivvertrag zu bekommen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Einspruch gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet ab. Aufgrund der Aktenlage stehe fest, daß die Beschwerdeführerin an die in der Anlage zum bekämpften Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse genannten Dienstnehmer in den Jahren 1981 bis 1984 Zulagen ausbezahlt habe, die von ihr als Imprägnierzulagen bezeichnet worden seien und dazu dienen sollten, Verschmutzung, Erschwernisse und Gefährdungen, die durch die Imprägnierarbeiten entstünden, abzugelten. Weiters stehe fest, daß diese Zuwendungen weder aufgrund gesetzlicher Vorschriften noch kollektivvertraglicher Regelungen, sondern aufgrund von Vereinbarungen mit jenen Arbeitern, die Freileitungsholzmaste imprägnierten, erfolgt seien. Gemäß § 49 Abs. 3 Z. 2 ASVG in der bis 31. Mai 1985 geltenden Fassung seien Schmutzzulagen nur dann als beitragsfrei anzusehen, wenn sie aufgrund gesetzlicher Vorschriften oder kollektivvertraglicher Regelungen gewährt würden und soweit sie von der Einkommensteuer befreit seien. Aufgrund eines Einzeldienstvertrages oder einer Betriebsvereinbarung zustehende Schmutzzulagen seien daher als beitragspflichtiges Entgelt anzusehen. Ebenso stellten alle Erschwernis- und Gefahrenzulagen beitragspflichtiges laufendes Entgelt dar. Nach Auffassung der belangten Behörde seien daher die bezahlten "Imprägnierungszulagen", die zwecks Abgeltung von Verschmutzung, Erschwernis und Gefährdungen ausbezahlt worden seien, beitragspflichtig.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde hat der Beurteilung des Sachverhaltes mit Recht § 49 Abs. 3 Z. 2 ASVG in der bis einschließlich 31. Mai 1985 geltenden Fassung zugrundegelegt und demnach nicht auf die Novellierung dieser Bestimmung vorerst durch das Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 1985, BGBl. Nr. 205, und dann durch die 41. Novelle, BGBl. Nr. 111/1986, Bedacht genommen (vgl. dazu unter anderem das Erkenntnis vom 26. März 1987, Zl. 86/08/0175). Danach gelten Schmutzzulagen, wenn sie aufgrund gesetzlicher Vorschriften oder kollektivvertaglicher Regelungen gewährt werden und soweit sie von der Einkommensteuer (Lohnsteuer) befreit sind, nicht als Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 und 2 ASVG.
Daß die gewährten "Imprägnierzulagen" nicht aufgrund eines Kollektivvertrages gewährt wurden, stellt die Beschwerdeführerin nicht in Abrede. Sie meint aber, es könne "nicht die denkmögliche Interpretation der gesetzlichen Bestimmung des § 49 Abs. 3 Z. 2 ASVG von der Hand gewiesen werden, daß der Arbeitgeber (der Beschwerdeführer) die nun 'inkriminierte' Schmutzzulage 'aufgrund gesetzlicher Vorschriften', nämlich aufgrund der Bestimmung des § 68 Abs. 1 und 2 EStG 1972 gewährt hat, da eine ?kollektivvertragliche Regelung' im vorliegenden Fall denkunmöglich ist". Zu dieser Auffassung hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 22. November 1984, Zl 82/08/0229, vom 13. Dezember 1984, Zl. 82/08/0225, und vom 20. Dezember 1984, Zl. 83/08/0012) - verneinend - Stellung genommen. Der Gerichtshof hält diese Auffassung aufrecht und verweist zur näheren Begründung auf die zitierten Erkenntnisse. Da auch eine Unterstellung der gewährten "Imprägnierzulagen" unter eine andere Ziffer des § 49 Abs. 3 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung nicht in Betracht kommt (vgl. dazu unter anderem die Erkenntnisse vom 25. Mai 1987, Zl. 86/08/0100, und vom 26. März 1987, Zl. 86/08/0175), ist von der Beitragspflichtigkeit dieser Zulagen auszugehen.
Die Beschwerdeführerin meint aber, daß (zumindest hinsichtlich eines Teiles der vorgeschriebenen Beiträge) Verjährung nach § 68 Abs. 1 ASVG eingetreten sei, weil nicht die fünfjährige, sondern nur die zweijährige Verjährungsfrist Anwendung finde.
Nach dieser Bestimmung verjährt das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen binnen zwei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Diese Frist verlängert sich jedoch auf fünf Jahre, wenn der Dienstgeber oder eine sonst meldepflichtige Person (§ 36) keine oder unrichtige Angaben bzw. Änderungsmeldungen über die bei ihm beschäftigten Personen bzw. über deren jeweiliges Entgelt (auch Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2) gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als notwendig oder unrichtig hätte erkennen müssen. Die Verjährung des Feststellungsrechtes wird durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird. Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 22. November 1984, Zl. 83/08/0140, vom 25. April 1985, Zl. 84/08/0133 und vom 12. Dezember 1985, Zl. 85/08/0025) davon auszugehen, daß sich ein Meldepflichtiger alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse verschaffen muß und deren Mangel im Falle einer darauf zurückzuführenden Meldepflichtverletzung als Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt zu vertreten hat.
Die Beschwerdeführerin verneint nun eine solche Verletzung der ihr obliegenden Sorgfaltspflicht aus nachstehenden Gründen:
Nach § 68 Abs. 1 und 2 EStG 1972 seien Schmutzzulagen nach der im Abs. 1 dieser Gesetzesbestimmung genannten Weise nicht nur dann begünstigt, wenn sie aufgrund gesetzlicher Vorschriften oder kollektivvertraglicher Regelungen, sondern auch wenn sie innerbetrieblich für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern gewährt würden. Seien nun Schmutzzulagen grundsätzlich unter den beitragsfreien Bezügen des § 49 ASVG erwähnt und sei dem Arbeitgeber die (auf den ersten Blick nicht leicht erkennbare) divergierende Regelung zwischen § 68 EStG und § 49 Abs. 3 Z. 2 ASVG nicht bewußt geworden und seien überdies - nach den Einspruchsbehauptungen - die betreffenden Lohnkonten bei vorherigen Beitragsprüfungen diesbezüglich nie beanstandet worden, obwohl die strittigen Zulagen einer doch markanten Anzahl von Arbeitnehmern seit 1973 gewährt worden seien, dann könne man nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß der Arbeitgeber die Notwendigkeit der Meldung solcher Entgelte bei gehöriger Sorgfalt hätte erkennen müssen, und ihm vorwerfen, daß er hinsichtlich der fraglichen Beitragszeiträume von 1981 bis 1984 zur Einholung weiterreichender Erkundungen keinen Anlaß gesehen habe.
Dem kann nicht beigepflichtet werden. Die Beschwerdeführerin kann weder die "auf den ersten Blick nicht leicht erkennbare divergierende Regelung im § 68 EStG und § 49 Abs. 3 Z. 2 ASVG" noch die in der Beschwerde zum Ausdruck gebrachte Auffassung einer denkmöglichen Interpretation der Wendung "aufgrund gesetzlicher Vorschriften" exkulpieren, da schon der Wortlaut dieser Bestimmung ("und soweit") sie dazu hätte veranlassen müssen, sich hinsichtlich ihrer Interpretationsprobleme bei der Behörde und/oder einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Person oder Stelle Gewißheit zu verschaffen sowie bei einem Widerspruch deren Auffassungen sich mit der bei ihrer Stellung zu erwartenden Gewissenhaftigkeit mit dem Für und Wider der beiden Rechtsauffassungen eingehend auseinanderzusetzen (vgl. das schon genannte Erkenntnis vom 22. November 1984, Zl. 83/08/0140). Die Beschwerdeführerin hat nicht behauptet, einer solchen Erkundigungspflicht nachgekommen zu sein. Daß das bloße Nichtaufgreifen der Unrichtigkeit einer objektiv unrichtigen Beitragsmeldung durch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse nicht als Akzeptieren der Vorgangsweise aufgefaßt werden kann, hat der Verwaltungsgerichtshof im letztzitierten Erkenntnis ebenfalls schon ausgesprochen. Da jedenfalls durch die am 18. November 1985 begonnene Beitragsprüfung die Verjährung unterbrochen wurde (vgl. Erkenntnisse vom 9. Mai 1985, Zl. 85/08/0008, und vom 31. Mai 1972, Slg. Nr. 8245/A), ist der Verjährungseinwand unbegründet.
Aus den angeführten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Hinsichtlich der nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGB1. Nr. 45/1965, verwiesen.
Wien, am 14. April 1988
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1988:1987080052.X00Im RIS seit
16.09.2019Zuletzt aktualisiert am
16.09.2019