TE Vwgh Beschluss 1998/11/20 97/02/0376

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.11.1998
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §13 Abs1;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
StVO 1960 §29b Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, in der Beschwerdesache der DP in W, vertreten durch DDr. Elisabeth Steiner und Dr. Daniela Witt-Dörring, Rechtsanwälte in Wien I, Nibelungengasse 1/3/46, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 10. Juli 1997, Zl. MA 65 - BH/43/95, betreffend Versagung eines Ausweises nach § 29b Abs. 4 StVO, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführerin wurde ein Ausweis gemäß § 29b StVO vom "Amt der Steiermärkischen Landesregierung - Rechtsabteilung 11" (so die ausdrückliche Bezeichnung der ausstellenden Behörde), datiert mit 14. Juni 1985, ausgestellt. In diesem Ausweis wird auf Seite 1 festgestellt, daß die Beschwerdeführerin "dauernd stark gehbehindert" sei. Ferner wird auf der ersten Seite des Ausweises festgestellt, daß die Beschwerdeführerin ein dem (Grazer) Kennzeichen nach näher bestimmtes Kraftfahrzeug lenke.

Wie aus einem im Verwaltungsakte erliegenden, mit 20. Oktober 1994 datierten Aktenvermerk der Magistratsabteilung 46 des Wiener Magistrates hervorgeht, sei an diesem Tag die Beschwerdeführerin vor der zuletzt genannten Behörde erschienen und habe bekanntgegeben, daß sie nunmehr ein Fahrzeug mit einem näher genannten Wiener Kennzeichen lenke und den Wohnort an eine näher genannte Anschrift in Wien verlegt habe. Ferner wird in diesem Aktenvermerk beurkundet, daß die Beschwerdeführerin den neuen Zulassungsschein vorgelegt habe.

Dieser Aktenvermerk enthält unter Punkt 1 ein bereits vorgedrucktes Ersuchen um "Ausweiskorrektur", welches im Zuge des Ausfüllens des Formulars weder angekreuzt noch durchgestrichen wurde. Erkennbar (aufgrund eines Ankreuzens von Punkt 2 des in der unteren Hälfte dieses Aktenvermerkes vorgedruckten Textes) wird "um Ausstellung eines Ausweises (wobei das Wort 'Duplikatsausweises' auf 'Ausweises' geändert wurde) ersucht". Darunter findet sich die vorgedruckte Anweisung "An Kanzlei: Bitte entsprechen" sowie eine nicht lesbare Unterschrift, welche offenbar von der die Ausstellung des Ausweises genehmigenden Person der Behörde stammt (unter Beifügung des Datums). Schließlich enthält der Aktenvermerk darunter den Hinweis "Entsprochen" unter Beifügung des Datums und einer Paraphe. Am unteren Ende des Aktenvermerks wird von der Beschwerdeführerin bestätigt, am 20. Oktober 1994 einen "Duplikatsausweis" übernommen zu haben. Schließlich wurde noch eine Adressänderung (offenbar gemeint: der Beschwerdeführerin) am unteren Ende des Aktenvermerks handschriftlich festgehalten. Im rechten oberen Teil dieses Aktenvermerks finden sich die handschriftlichen Vermerke "Überprüfung" und "befristet bis 30.4.1995". Der zuletzt zitierte Hinweis soll offenbar - in Übereinstimmung mit den Begründungsausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid und mit den Beschwerdeausführungen - bedeuten, daß der "Duplikatsausweis" mit 30. April 1995 befristet wurde. Eine Kopie dieses Ausweises ist in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht enthalten.

Ferner findet sich unter ON 2 der vorgelegten erstinstanzlichen Verwaltungsakten eine Mitteilung der MA 46 an das Amt der Steiermärkischen Landesregierung, worin u.a. festgehalten wird, daß die Beschwerdeführerin nach Wien übersiedelt sei, der Ausweis vom 14. Juni 1985 von der MA 46 eingezogen und der Beschwerdeführerin ein neuer, näher bezeichneter Ausweis ausgestellt worden sei.

In der Folge veranlaßte die Behörde erster Instanz eine Überprüfung, ob die Kriterien für eine "dauernd starke Gehbehinderung" weiterhin vorlägen. Nach einem umfangreichen Ermittlungsverfahren erließ der Magistrat der Stadt Wien, MA 46, einen mit 20. November 1995 datierten Bescheid, mit dem das "Ansuchen" der Beschwerdeführerin "um Ausstellung eines Ausweises für dauernd stark gehbehinderte Personen" gemäß § 29b StVO abgewiesen wurde.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin in der Folge Berufung. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 10. Juli 1997 wurde nach einem umfangreichen ergänzenden Ermittlungsverfahren dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG "keine Folge" gegeben und der erstinstanzliche Bescheid "bestätigt".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der es jedoch aus nachfolgenden Gründen an der Berechtigung zu ihrer Erhebung fehlt:

Die Beschwerdeführerin bringt bereits einleitend in ihrer Beschwerde u.a. vor, sie habe "niemals" an die MA 46 einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises für dauernd stark gehbehinderte Personen gestellt, sondern lediglich ein Ersuchen um Änderung der Zulassungsdaten des am 14. Juni "1995" (gemeint wohl: "1985") der Beschwerdeführerin ausgestellten Ausweises für dauernd stark Gehbehinderte. Die Behörde erster Instanz habe von Amts wegen und nicht auf Antrag der Beschwerdeführerin ein Verfahren zur Feststellung dahingehend eingeleitet, ob zum damaligen Zeitpunkt "Oktober 1994" eine dauernd starke Gehbehinderung der Beschwerdeführerin noch vorgelegen habe, was schließlich negativ entschieden worden sei. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin seien die sich aus dem Gehbehindertenausweis im Sinne des § 29b StVO ergebenden Rechtsvorteile nicht auf den örtlichen Bereich der ausstellenden Behörde beschränkt, sondern würden über die Regelung des § 29b StVO hinaus im gesamten Bundesgebiet gelten. Der der Beschwerdeführerin durch die "Steiermärkische Landesregierung" am 14. Juni 1985 ausgestellte Gehbehindertenausweis stelle sich somit als ein in Rechtskraft erwachsener Bescheid dar (in diesem Zusammenhang verweist die Beschwerdeführerin auf die zum Bescheidcharakter der Führerscheinausstellung ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes), der mit Wirkung für das gesamte Bundesgebiet ausgestattet sei. Die Voraussetzungen für eine Verpflichtung der Ablieferung dieses Ausweises nach § 29b Abs. 4 letzter Satz StVO in der Fassung der 18. StVO-Novelle seien nicht gegeben, weil dies bedinge, daß sich seit Erlassung des Bescheides "eine wesentliche Besserung" des Leidenszustandes der Beschwerdeführerin ergeben habe. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin habe sich aber seit Ausstellung des Ausweises im Jahre 1985 ihr Leidenszustand nicht gebessert, sondern verschlechtert.

Die belangte Behörde geht in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, daß dem Antrag auf "Korrektur des Gehbehindertenausweises" durch Ausstellung eines bis 30. April 1995 befristeten Duplikatsausweises mit den neuen Zulassungsdaten entsprochen worden sei. Zugleich sei "hinsichtlich des Antrages auf Ausstellung eines (unbefristeten) Ausweises" das Ermittlungsverfahren zur Hauptfrage, ob im Zeitpunkt der Antragstellung (gemeint: am 20. Oktober 1994) eine dauernd starke Gehbehinderung für die Ausstellung des Ausweises vorgelegen sei, eingeleitet worden.

Die belangte Behörde geht im Zuge der im Beschwerdefall erstatteten Gegenschrift selbst offenbar nur von einem "Antrag auf Ausweiskorrektur" im Zuge des vorerwähnten Aktenvermerkes vom 20. Oktober 1994 aus. Eine Überprüfung habe aufgrund einer "deutlich sichtbaren Verbesserung der Gehfähigkeit" der Beschwerdeführerin stattgefunden.

Die belangte Behörde übersieht in der dargestellten Begründung des angefochtenen Bescheides, daß infolge der behördlichen Anordnungen sowie mit der Übernahme eines Duplikatsausweises durch die Beschwerdeführerin jedenfalls nach außen hin (auch) der Antrag auf "Ausstellung eines Ausweises" erledigt wurde. Nicht zu ersehen ist, daß die Behörde ihre Erledigung (Ausstellung des Duplikatsausweises) dahingehend einschränkte, daß sie mit dieser Ausstellung nur einen allfälligen Antrag auf "Ausweiskorrektur", nicht aber den erkennbar (durch entsprechendes Ankreuzen) gestellten Antrag auf "Ausstellung eines Ausweises" erledigen wollte. Daß die Beschwerdeführerin in weiterer Folge einen solchen Antrag auf Ausstellung eines Gehbehindertenausweises bei der Behörde gestellt hätte, wird von der belangten Behörde nicht behauptet und ist auch aus den vorgelegten Verwaltungsakten nicht ersichtlich.

In der Beschwerde weist die Beschwerdeführerin u.a. darauf hin, daß die Behörde nach Ausstellung des Duplikatsausweises das nachfolgende (Überprüfungs-)Verfahren "von Amts wegen" und nicht auf ihren Antrag hin, eingeleitet habe. Dieser Rechtsansicht schließt sich der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der dargestellten Aktenlage an. Selbst wenn die Beschwerdeführerin am 20. Oktober 1994 mehrere Anträge, darunter jenen auf "Ausstellung eines Ausweises" gestellt haben sollte, bringt die Behörde durch Ausstellung eines - wenngleich befristet gewesenen - Ausweises mit ausreichender Deutlichkeit nach außen zum Ausdruck, damit den Antrag auf Ausstellung eines Ausweises nach § 29b StVO bzw. die Anträge der Beschwerdeführerin erledigt zu haben. Ein weiterer Antrag auf Ausstellung eines Gehbehindertenausweises, der noch von der Behörde zu erledigen gewesen wäre, hat jedoch nicht existiert.

Es kann in diesem Zusammenhang die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage, ob dem im Jahre 1985 ausgestellten Ausweis (allenfalls auch dem im Jahre 1994 befristet ausgestellten Ausweis) Bescheidqualität analog der zur Lenkerberechtigung vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Judikatur zukomme, dahingestellt bleiben. Der im Jahre 1985 ausgestellte Ausweis wurde nämlich aufgrund der zwischenzeitig eingetretenen Änderungen betreffend das Kennzeichen des von der Beschwerdeführerin gelenkten Fahrzeuges und aufgrund der Verlegung des Wohnsitzes der Beschwerdeführerin von Graz nach Wien durch den wenngleich befristeten Ausweis aus dem Jahre 1994 ersetzt. Die Gültigkeit des zuletzt genannten Ausweises ist aber aufgrund der vermerkten Befristung gleichfalls abgelaufen gewesen, sodaß durch die von der Behörde im Beschwerdefall zu beurteilende Entscheidung nicht in die durch diese Ausweise zum Ausdruck kommenden Berechtigungen der Beschwerdeführerin eingegriffen wurde.

Gemäß § 29b Abs. 4 erster Satz StVO in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der 20. StVO-Novelle, BGBl. I Nr. 92/1998, hat die Behörde Personen, die dauernd stark gehbehindert sind, auf deren Ansuchen einen Ausweis über diesen Umstand auszufolgen.

Das Gesetz geht somit ausdrücklich vom Erfordernis eines Ansuchens (Antrags) jener Personen, die dauernd stark gehbehindert sind, für die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens aus, ohne daß ersichtlich wäre, daß der Behörde auch die Befugnis zur Erlassung derartiger Bescheide von Amts wegen zustünde. Der von der Beschwerdeführerin am 20. Oktober 1994 gestellte Antrag wurde von der Behörde - wie bereits dargelegt - aufgrund der Ausstellung eines - wenngleich befristeten - Gehbehindertenausweises aber bereits erledigt, ohne daß im vorliegenden Verfahren auf die Frage einer allfälligen Rechtswidrigkeit dieses Verwaltungsaktes näher einzugehen ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Beschluß vom 26. Jänner 1994, Zl. 93/01/1162, ausgeführt hat, kann eine Partei durch die Abweisung eines im Verwaltungsverfahren gar nicht gestellten Antrages (in der Regel) in keinem Recht verletzt sein. Dies trifft auch im Beschwerdefall zu. Der von der belangten Behörde bestätigte Spruch des erstinstanzlichen Bescheides vom 20. November 1995 bringt lediglich zum Ausdruck, daß das - jedoch nicht existierende - "Ansuchen um Ausstellung eines Ausweises für dauernd stark gehbehinderte Personen" gemäß § 29b StVO abgewiesen wird; die Begründung vermag keine über diesen ins Leere gegangenen Bescheid hinausreichende Wirkung zu entfalten.

Konnte jedoch die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in keinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt werden, so war die Beschwerde mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. November 1998

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997020376.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten