Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12. August 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rathgeb als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Philemon M***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Jugendschöffengericht vom 3. Mai 2019, GZ 50 Hv 11/19d-68, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des Philemon M***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.
Danach hat er unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, und zwar einer undifferenzierten Schizophrenie,
I./ am 2. Jänner 2019 in W***** dem Straßenbahnlenker Stefan F***** mit Gewalt gegen dessen Person eine fremde bewegliche Sache, nämlich eine Weichenstange der W***** in nicht mehr festzustellendem, unter 100 Euro liegendem (US 19) Wert, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, indem er durch das Sprechfenster in die Fahrerkabine griff und mit einer aggressiven Haltung und den Worten „That´s my iron“ die Weichenstange herauszunehmen trachtete, wobei Stefan F***** diese gleichzeitig ergriff, beide mehrere Minuten rangelten und der Betroffene versuchte, Stefan F***** die Weichenstange gewaltsam zu entreißen, was ihm schließlich gelang und wodurch Stefan F***** eine Abschürfung am rechten Daumen sowie eine Prellung am rechten Unterarm erlitt, wobei die Tat ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Werts begangen wurde und nur unbedeutende Folgen nach sich zog (US 7);
II./ Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern versucht, und zwar
A./ am 2. Jänner 2019 in W*****
a./ die Polizeibeamten David S***** und Benjamin N***** „an der Beendigung des unter I./ angeführten Angriffs sowie des außer Verfolgung gesetzten Angriffs auf Marko B*****, der Stefan F***** zu Hilfe geeilt war“, indem er auf die Genannten einschlug und sich gewaltsam losriss, als sie versuchten, ihn aus der Straßenbahn zu bringen, die Beamten mit der Weichenstange attackierte, beim Versuch des Benjamin N*****, einen Armstreckhebel an ihm vorzunehmen, gezielt gegen das Schienbein des Genannten schlug, wodurch dieser eine handtellergroße Schwellung am Schienbein erlitt, sich sodann gegen die von beiden Polizeibeamten vorgenommene Fixierung mittels Armstreckhebel dadurch wehrte, dass er auf beide einschlug, wodurch Benjamin N***** eine Prellung am rechten Ringfinger und David S***** eine Zerrung am rechen Daumenmittelgelenk erlitt;
b./ die Polizeibeamten Markus W***** und Philip P***** an seiner Vorführung zur Vernehmung als Beschuldigter, seiner Fixierung und der Anbringung von Handfesseln, indem er wiederholt mit den Beinen in deren Richtung trat und versuchte, sie mit seinem Oberkörper zu rammen, nach kurzer Aufhebung der Fixierung vom Boden aufsprang und mit voller Wucht gegen die Zellentüre lief, sodass diese in Richtung der Beamten aufsprang, immer wieder mit dem Kopf gegen die Zellentür und gegen Philip P***** lief, um ein Schließen der Tür zu verhindern und im Zuge der Fixierung versuchte, Markus W***** durch Verdrehen seines Oberkörpers sowie seines Kopfes in den Fuß zu beißen;
B./ am 7. Jänner 2019 in E*****, indem er, nachdem er die Sicherheitskamera im Sicherheitshaftraum der Justizanstalt E***** verklebt und die Aufforderung der Justizwachebeamten, die Verklebung zu entfernen, verweigert hatte, sich gegen die Fixierung der einschreitenden Justizwachebeamten Mario Sc*****, Harald Fr*****, Rene Sc***** und Hans G*****, massiv zur Wehr setzte, um aus dem Haftraum zu gelangen und Harald Fr***** mehrfach in den Unterarm sowie Mario Sc***** in den Daumen biss, wodurch Harald Fr***** Prellungen und Bissspuren an der linken Hand sowie eine Abschürfung am rechten Knie und Mario Sc***** ein Hämatom am Daumen mit Nageltrepanation erlitt;
III./ Beamte während oder wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben oder der Erfüllung ihrer Pflichten vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar
A./ die Polizeibeamten David S***** und Benjamin N***** durch die zu II./A./a./ beschriebenen Tathandlungen, indem er ihnen die angeführten Verletzungen zufügte;
B./ die Justizwachebeamten Mario Sc***** und Harald Fr***** durch die zu II./B./ beschriebenen Tathandlungen, indem er ihnen die angeführten Verletzungen zufügte,
und somit Taten begangen, die ihm, wäre er zu den Tatzeiten zurechnungsfähig gewesen, als das Verbrechen des Raubes nach § 142 (zu ergänzen: Abs 1 und [vgl RIS-Justiz RS0131972]) Abs 2 StGB (I./) sowie die Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (II./) und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (III./) zuzurechnen wären.
Rechtliche Beurteilung
Die aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen schlägt fehl.
Die Subsumtionsrüge (Z 10, dSn Z 9 lit a), die in Bezug auf die Anlasstat I./ einen Rechtsfehler mangels Feststellungen zum Wert der mit Gewalt weggenommenen Weichenstange behauptet und eine rechtliche Beurteilung nach § 105 Abs 1 StGB anstrebt, lässt prozessordnungswidrig die methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz vermissen (vgl RIS-Justiz RS0116565). Denn der Beschwerdeführer erklärt nicht, weshalb die Feststellung, wonach die Tat „an einer Sache geringen Wertes“ begangen wurde (US 7), in Zusammenhalt mit der (dislozierten) Konstatierung, der Wert der Weichenstange sei „unter der Geringfügigkeitsgrenze von rund 100 Euro anzusetzen“ (US 19) sowie dem Referat im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), das zur Verdeutlichung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) herangezogen werden kann (RIS-Justiz RS0116587) und demzufolge der Betroffene eine Weichenstange „im nicht mehr festzustellenden Wert“ weggenommen hat (US 2), nicht bereits hinreichend deutlich die Annahme eines wirtschaftlich nicht völlig wertlosen Tatobjekts (vgl dazu Leukauf/Steininger/Messner, StGB4 § 127 Rz 6 f) zum Ausdruck bringen und einer Unterstellung der Tat unter § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB entgegenstehen sollte.
Mit dem Einwand, die Tatrichter hätten im Zweifel zugunsten des Betroffenen von einer „gänzlich wertlosen Sache“ ausgehen müssen, wird die Rüge erneut nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt (vgl RIS-Justiz RS0119884 [T4], RS0098325 [T5]).
Soweit der Beschwerdeführer das Fehlen von Beweisergebnissen zum Wert der weggenommenen Weichenstange und mangelnde „Hinweise auf diese Schlussfolgerungen im Urteil“ rügt (der Sache nach Z 5 vierter Fall), ist er auf die tatrichterliche Begründung auf US 14, die auf die Abschlussberichte ON 4, 29 und 34 Bezug nimmt, zu verweisen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Textnummer
E125889European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00086.19T.0812.000Im RIS seit
27.08.2019Zuletzt aktualisiert am
27.08.2019