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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §309;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Dr. Fellner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde 1) des F K in A, und 2) der H-Gesellschaft mbH in W, beide vertreten durch Dr. Gerald Gärtner, Rechtsanwalt in Innsbruck, Bozner Platz 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom 10. März 1993, Zl 30.073-3/93, betreffend u. a. einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für 1984, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin bilden eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, an welcher der Erstbeschwerdeführer mit 99 % und die Zweitbeschwerdeführerin mit 1 % beteiligt sind. Die Gewinnermittlung erfolgt gemäß § 4 Abs 1 EStG 1972. Für das Jahr 1984 machten die Beschwerdeführer anläßlich der Errichtung eines Kleinkraftwerkes von den Teilherstellungskosten gemäß § 8 Abs 4 Z 4 EStG 1972 eine vorzeitige Abschreibung im Ausmaß von 60 % ua für duktile Schleudergußrohre geltend. Nach erklärungsgemäßer Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO ua für das Jahr 1984 vertrat anläßlich einer abgabenbehördlichen Prüfung der Prüfer die Auffassung, daß ein Elektrizitätswerk nicht als Sachgesamtheit, sondern in seine einzelnen Wirtschaftsgüter (zB Speicher, Druckrohrleitung, Maschinenhaus, maschinelle Anlagen, elektrische Ausrüstung usw) aufgefächert zu bilanzieren sei. Daraus ergebe sich, daß ua das Wirtschaftsgut Druckrohrleitung gesondert im Zeitpunkt der Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht zu aktivieren sei. Zur Frage des Zeitpunktes des Überganges der wirtschaftlichen Verfügungsmacht hinsichtlich dieser Druckrohrleitung vertrat der Prüfer insbesondere im Hinblick darauf, daß laut Punkt 10 des schriftlichen Auftragsschreibens vom 24. Oktober 1984 die förmliche Übernahme der Rohre erst 1985 erfolgt sei, die Ansicht, daß der Anschaffungszeitpunkt (erst) im Jahr 1985 anzunehmen sei, während die Beschwerdeführer davon ausgingen, daß die wirtschaftliche Verfügungsmacht diesbezüglich bereits 1984 übergegangen sei, weil die Rohrlieferung durch den Hersteller laut Rechnung vom 18. Dezember 1984 unzweifelhaft noch im Jahr 1984 erfolgt sei.
Das Finanzamt folgte der Ansicht des Prüfers und erließ nach Wiederaufnahme des Verfahrens ua einen entsprechenden neuen Sachbescheid betreffend Feststellung von Einkünften für 1984.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde eine ua dagegen erhobene Berufung ab. Begründend führte sie aus, die Grundlage des Auftrages zur Lieferung von duktilen Schleudergußrohren für die Wasserrohrleitungen bildeten ein Kostenangebot vom 21. Dezember 1983, eine Festlegung bei der Besprechung am 10. Februar 1984 im Hause der TIWAG, eine örtliche Baugeländebegehung und nachfolgende Besprechung am 15. Februar 1984, ein fernschriftliches Nachtragsangebot vom 27. Februar 1986 (richtig:1984), Erkenntnisse und Festlegungen im Zuge der örtlichen Baugeländebegehung und nachfolgender Abschlußbesprechung am 26. September 1984, ein Auftrag vom 24. Oktober 1984, ein Schreiben der Lieferfirma vom 5. Dezember 1984 und ein Schreiben des Erstbeschwerdeführers vom 19. Dezember 1984. Aus dem Auftragsschreiben vom 24. Oktober 1984, 20, ergebe sich, daß auch der Transport der Rohre Inhalt der Leistungsverpflichtung des Herstellers sei: "Der Transport aller Lieferteile des Auftragnehmers vom Herstellerwerk bis zum vorgesehenen Lagerplatz in A obliegt inklusive aller hiefür erforderlichen Nebenleistungen, wie zB Verpackung, Beladung, Transportüberwachung, Versicherungen etc dem Auftragnehmer."
Hingegen obliege den Beschwerdeführern die Entladung und Deponie am Lagerplatz sowie der Transport vom Deponieplatz zum Einbauort und der Einbau der Rohre. Für die Überwachung der sach- und fachgerechten Ausführung der Verlegearbeit einschließlich des Einbaues der erforderlichen Betonfestpunkte und der Rohreinbettung sowie der Einhaltung der vom Auftragnehmer festgelegten Verlegevorschriften werde durch den Auftragnehmer auf die Dauer der Rohrverlegungsarbeiten eine verantwortliche Aufsichtsperson gegen Kostenverrechnung beigestellt. Im Auftragsschreiben vom 24. Oktober 1984, 15, sei festgehalten, daß nach Abschluß der Rohrverlegung und erfolgreicher Druckprobe eine förmliche Übernahme der Leistungen des Auftragnehmers durch den Auftraggeber stattfinde. Die Gewährleistungsverpflichtung sei mit fünf Jahren vereinbart; die Frist beginne mit der Übernahme der Leistung. In einem Fernschreiben vom 7. Juni 1985 des Herstellers heiße es: "Da wir mit dem Transport des Rohrmaterials nunmehr begonnen haben und die letzten dn 200 auf dn 250 umdisponierten Rohre in Woche 25 produziert werden, bitten wir um Überweisung der vereinbarten 2,1 Millionen." In einer Auftragsbestätigung sei angeführt, daß die Ware auf Abruf im Juni bzw Juli 1985 lieferbar sei. Diese Auftragsbestätigung trage wie die am 26. November 1985 beim Vertreter des Erstbeschwerdeführers eingelangte Rechnung den Vermerk: "frei Baustelle unabgeladen". Es liege eine Rechnung einer Transportfirma vor, aus der sich ergebe, daß die Entladung der gelieferten Rohre vom 5. Juni bis 18. Juli 1985 erfolgt sei. Aus den Rechnungen des Herstellers ergebe sich, daß die Überwachung der Rohr-Verlegearbeiten von Juni bis Dezember 1985 erfolgt sei. Der steuerliche Vertreter des Herstellers habe mit Schreiben vom 29. Oktober 1987 mitgeteilt, die bestellten Rohre seien nach deren Produktion auf Grund der mit den Beschwerdeführern getroffenen Vereinbarung gesondert gelagert worden, wobei der Hersteller ein Außenlager der Tiroler Zollfreizone als Lagerort bestimmt habe. Aus den Einlagerungsanzeigen sei zu ersehen, daß die eingelagerten Rohre zum Teil auch von der Zollfreizone als "Kommission K... (Name des Erstbeschwerdeführers), A" bezeichnet worden seien. Da die Information über den Kunden aber für die Tiroler Zollfreizone ohne Bedeutung sei, sei dieser Hinweis nicht auf allen Eingangsanzeigen vermerkt. Durch die Lagerung der Ware in der Zollfreizone und dort an einem anläßlich eines Besuches des Erstbeschwerdeführers vereinbarten Platz sei die Verfügungsmacht und das Risiko auf den Erstbeschwerdeführer übergegangen. Diesem Schreiben seien Einlagerungsanzeigen der Tiroler Freihandelszone aus dem Jahr 1984 angeschlossen gewesen, die ausnahmslos an den Hersteller gerichtet gewesen seien und zum Teil den Vermerk "Kommission K..., A" getragen hätten. Die Lagerung sei auf Kosten des Herstellers, welcher auch die Lagerversicherung getragen habe, erfolgt. Über Befragung vom 8. Oktober 1987 habe der Erstbeschwerdeführer mitgeteilt, daß die gekauften Rohre laut Bestellung auf dem Werksgelände des Herstellers übergeben worden seien, er sei aber bei der Übergabe nicht persönlich anwesend gewesen.
Die belangte Behörde nahm in der Folge als erwiesen an, daß das Auftragsschreiben mit den beiden Ergänzungsschreiben den tatsächlichen Vertragsinhalt wiedergebe, nicht hingegen das Schreiben des steuerlichen Vertreters des Herstellers vom 29. Oktober 1987. Einerseits sei es ungewöhnlich, daß die Übergabe bereits auf dem Werksgelände des Herstellers erfolgt sein solle, andererseits sei nicht aufgeklärt worden, aus welchen Gründen von den anderslautenden, umfangreichen und zu den tatsächlichen Vorgängen zeitnah erfolgten Festlegungen der Vertragsbedingungen im Auftrag abgewichen worden sein solle. Auch aus der später erstellten Rechnung sei der Vermerk "frei Baustelle" ersichtlich, welcher wiederum für die Auftragserfüllung mit Transport spreche. Es sei daher davon auszugehen, daß der Vertragsinhalt sowohl die Produktion als auch die Lieferung der Rohre nach Osttirol umfaßt habe. Die Lagerung in der Zollfreizone sei aus innerbetrieblichen Gründen des Herstellers erfolgt, zumal die Zollfreizone auch anderen Unternehmen zusätzlichen Lagerplatz bereitstelle. Die Einlagerung sei auf Kosten des Herstellers erfolgt, dieser habe auch die Versicherung und damit das Risiko getragen. Nach den an den Hersteller gerichteten Einlagerungsanzeigen sei ausschließlich dieser berechtigt gewesen, die Rohre aus dem Lager zu entnehmen. Die Lieferung der Rohre nach A durch den Hersteller sei erst im Jahr 1985 erfolgt. Die förmliche Übergabe (nach der Druckprobe) und Auslösung des Beginnes der Gewährleistungsfrist seien ebenfalls 1985 erfolgt. Die Beschwerdeführer hätten die Rohre zu einer Rohrleitung vereinigt und damit eine Herstellung getätigt. Die Teilherstellungskosten dürften aber erst angesetzt werden, wenn die einzelnen Materialien in die Verfügungsmacht des Bestellers übergegangen seien. Dieser Übergang sei jedoch frühestens mit der Ablagerung nach dem Transport nach A erfolgt, weshalb die von den Beschwerdeführern begehrte Aktivierung (und vorzeitige Abschreibung) im Jahr 1984 nicht zulässig sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Die Beschwerdeführer meinen zunächst, es sei rechtlich durchaus möglich und zulässig, den Übergang der Verfügungsmacht am Kaufgegenstand in anderer Weise zu vereinbaren als die Transportfrage. Dies sei nach dem Vorbringen im Verwaltungsverfahren auch dadurch geschehen, daß neben den schriftlichen Vereinbarungen über die "Transportregelung" zur Wahrung der Interessen der Beschwerdeführer, die Verfügungsmacht über die Rohre verläßlich noch im Jahr 1984 zu erhalten, ergänzend - und nicht die schriftlichen Vereinbarungen abändernd - mündliche Vereinbarungen zur Frage des Besitzüberganges getroffen worden seien. In der Folge meinen die Beschwerdeführer, daß der Begriff der Verfügungsmacht nicht nach dem Steuerrecht, sondern nach den sachenrechtlichen Bestimmungen des ABGB zu qualifizieren sei, wonach jemand, der eine Sache in seiner Macht oder Gewahrsame habe, ihr Inhaber sei. Habe der Inhaber einer Sache den Willen, sie als die seinige zu behalten, so sei er ihr Besitzer.
Diese Argumentation führt die Beschwerde aber deshalb nicht zum Erfolg, weil mit ihr nicht dargetan wird, daß die Beschwerdeführer - unabhängig von ihrem Besitzwillen - die vom Hersteller in der Tiroler Zollfreizone eingelagerten Rohre tatsächlich in ihrer Gewahrsame hatten, somit über sie verfügen konnten. Soweit die Beschwerdeführer in weiterer Folge auf den Begriff des Eigentums eingehend meinen, selbst ohne körperliche Übergabe wäre Eigentumserwerb durch Besitzanweisung eingetreten, wird - abgesehen davon, daß es auf die Frage, wer zu welchen Zeitpunkten als Eigentümer der Rohre anzusehen war, nicht ankommt, weil Eigentum und Verfügungsmacht nicht notwendigerweise zusammenfallen müssen - von den Beschwerdeführern nicht dargetan, inwiefern der Dritte (gegenständlich die Tiroler Zollfreizone) - vereinbarungsgemäß - angewiesen worden wäre, die Sache (gegenständlich die Rohre) nicht für den Veräußerer, sondern für den Erwerber innezuhaben. Den vom steuerlichen Vertreter des Herstellers im Verwaltungsverfahren vorgelegten Einlagerungsanzeigen der Tiroler Zollfreizone ist vielmehr zu entnehmen, daß die darin näher bezeichneten Güter für Rechnung (darin enthaltend jeweils Lagerversicherung und Entgelt für die Einlagerung) des Herstellers auf Lager genommen wurden. Die Beschwerdeführer haben auch weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde behauptet, die Kosten der Einlagerung bezahlt oder eine Vereinbarung darüber geschlossen zu haben.
Damit ist aber auch die Rüge, die belangte Behörde habe aktenwidrig angenommen, die Einlagerung sei auf Kosten und Gefahr des Herstellers erfolgt, verfehlt. Mangels entsprechenden Sachvorbringens durfte die belangte Behörde auf Grund der ihr vorliegenden Urkunden davon ausgehen, daß die Einlagerung auf das (Kosten-)Risiko des einlagernden Herstellers erfolgte, zumal der Erstbeschwerdeführer in seinem Schreiben vom 19. Dezember 1984 an den Hersteller ausdrücklich festhält, daß die Übernahme der Rohrleitungen erst nach vorschreibungsgerechter Durchführung der (vereinbarungsgemäß erst im Jahr 1985 erfolgenden) Füll- bzw. Druckprobe erfolgen werde.
Das Beschwerdevorbringen ist daher insgesamt nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit in der Beurteilung der belangten Behörde, die Rohre seien erst 1985 in die Verfügungsmacht der Beschwerdeführer übergegangen, aufzuzeigen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
Wien, am 24. November 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1993140070.X00Im RIS seit
20.11.2000