TE Vwgh Erkenntnis 1998/11/24 95/05/0066

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Veröffentlicht am 24.11.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AVG §66 Abs4;
AWG 1990 §28 Abs1;
AWG 1990 §29 Abs1 idF 1994/115 ;
VwGG §42 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der FFC Leasing- und Beteiligungsgesellschaft m.b.H in Wels, vertreten durch Dr. Christoph Schwab, Rechtsanwalt in Wels, Eisenhowerstraße 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Umwelt (nunmehr: für Umwelt, Jugend und Familie) vom 12. Jänner 1995, Zl. 06 3546/259-V/6/94-Str, betreffend Ansuchen um Errichtung und Betrieb einer Altkunststoffrecyclinganlage, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin richtete am 30. Juni 1994 an das Amt der Oö Landesregierung, Umweltabteilung, ein "Ansuchen nach Par. 29 AWG Errichtung und Betrieb einer Altkunststoffrecyclinganlage mit einer Kapazität von nicht mehr als 9000 Jahrestonnen". In der Einleitung wurde darauf hingewiesen, daß künftig nur sortenreine, vorwiegend in Betrieben anfallende Produktionsabfälle auf wirtschaftliche Art und Weise einer konventionellen stofflichen Verwertung zugeführt werden könnten und alle anderen gemischten Fraktionen mangels wirtschaftlicher Alternativen nur mehr einer thermischen Verwertung zugeführt werden. Dem dem Antrag angeschlossenen Bericht ist zu entnehmen, daß die Zulieferung von Kunststoffabfällen in Form gepreßter Ballen und in loser Schüttung erfolgt, wobei die Lieferanten verpflichtet sind, die Kunststoffprodukte gereinigt von gefährlichen, brennbaren, geruchsintensiven und sonstigen Stoffen zu liefern. In der Folge soll das Material zerkleinert und gereinigt und über ein Förderband einer Höchstdruckformen-Anlage zugeführt werden.

Mit Schreiben vom 3. August 1994 wies der Landeshauptmann von Oberösterreich zunächst darauf hin, daß aus den technischen Unterlagen nicht erkennbar sei, welches neue Produkt aus den angelieferten Kunststoffabfällen hergestellt werden solle und daß das Projekt den Anforderungen, wie sie im § 29 Abs. 3 AWG festgelegt sind, keineswegs entspreche. Außerdem wies der Landeshauptmann darauf hin, daß § 29 Abs. 1 Z. 3 AWG nur dann zur Anwendung gelange, wenn die Anlage eine Jahreskapazität von mindestens 10.000 Tonnen aufweise. Bei einer stofflichen Verwertung von Kunststoffabfällen (beispielsweise Herstellung eines neuen Kunststoffproduktes) sei § 29 AWG nicht anzuwenden.

Mit weiterem Schreiben vom 11. Oktober 1994 wies der Landeshauptmann von Oberösterreich die Beschwerdeführerin neuerlich darauf hin, daß dem Ansuchen keine ausreichenden Unterlagen im Sinne des § 29 AWG angeschlossen waren. Es wurde der Beschwerdeführerin Gelegenheit gegeben, die fehlenden Unterlagen binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens nachzureichen, widrigenfalls das Ansuchen gemäß § 13 AVG zurückgewiesen werden müßte.

Mit Bescheid vom 29. November 1994 wies der Landeshauptmann von Oberösterreich das Ansuchen der Beschwerdeführerin um Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer Altkunststoffrecyclinganlage gemäß § 13 Abs. 3 in Verbindung mit § 56 AVG und § 29 AWG zurück. In der Begründung wurde eine Reihe von Mängeln dieses Ansuchens aufgezählt und darauf hingewiesen, daß mit zwei Schreiben unter jeweiliger Fristsetzung die Beschwerdeführerin darauf aufmerksam gemacht wurde, daß das Projekt keine ausreichenden Unterlagen im Sinne des § 29 AWG beinhalte, weiters wurde auf die Rechtsfolge des § 13 Abs. 3 AVG hingewiesen. Beide Schreiben seien unbeantwortet geblieben. Die einem Ansuchen um Genehmigung einer Betriebsanlage anzuschließenden Beilagen seien Belege gemäß § 13 Abs. 3 AVG. Da die vom Gesetz (§ 29 Abs. 3 AWG) geforderten Unterlagen nicht beigebracht wurden, sei das Ansuchen zurückzuweisen gewesen. Wiederholt wurde auch der Hinweis, daß § 29 Abs. 1 Z. 3 AWG nur zur Anwendung gelange, wenn die Anlage eine Jahreskapazität von mindestens 10.000 Tonnen aufweise.

In ihrer Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, daß sie ausreichende Unterlagen vorgelegt hätte; allfällige Mängel hätten in einer Verhandlung beseitigt werden können.

Die belangte Behörde erhob intern, daß aufgrund des dem Antrag angeschlossenen technischen Berichtes, wonach es sich um Kunststoffabfälle handle, die gereinigt von gefährlichen, brennbaren, geruchsintensiven und sonstigen Stoffen seien, Kunststoffe der Schlüsselnummerngruppe 571 der ÖNORM S 2100 vorlägen, die keine gefährlichen Abfälle im Sinne der Festsetzungsverordnung BGBl. Nr. 49/1991 seien. Auch sonst seien den Unterlagen keine Hinweise darauf zu entnehmen, daß es sich um gefährlichen Abfall handle.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 29. November 1994 zur Gänze ersatzlos behoben. Das Projekt lasse sich dem Tatbestand des § 29 Abs. 1 Z. 3 AWG nicht unterordnen, weil die Anlage eine Jahreskapazität von weniger als 10.000 Tonnen aufweise und keine gefährlichen Abfälle behandelt würden. Es handle sich daher um keine Anlage, die nach dem AWG zu bewilligen wäre. Eine Entscheidung durch den Landeshauptmann von Oberösterreich als Abfallwirtschaftsbehörde sei durch eine unzuständige Behörde erfolgt, wobei dieser Mangel von Amts wegen aufgegriffen und der Bescheid ersatzlos behoben wurde.

Dagegen richtet sich die vorliegende, über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes im Hinblick auf den mangelhaft ausgeführten Beschwerdepunkt verbesserte Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich nunmehr erkennbar in ihrem Recht darauf verletzt, daß das Bewilligungsverfahren nach dem (Bundes-) AWG abgeführt werde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin hat sich selbst nicht festgelegt, an welche Behörde sie ihr Ansuchen richtet, weil sie als Adressaten das Amt der Landesregierung als Dienststelle sowohl des Landeshauptmannes als auch der Landesregierung gewählt hat. Dadurch, daß im Ansuchen "§ 29 AWG" angeführt wurde, erachtete sich der Landeshauptmann im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung für zuständig und erließ nach entsprechendem Vorhalteverfahren einen Zurückweisungsbescheid gemäß § 13 Abs. 3 AVG.

Allerdings betraf dieses Ansuchen eine Anlage zur thermischen Verwertung nicht gefährlicher Abfälle mit einer Jahreskapazität von 9.000 Tonnen.

§ 29 Abs. 1 AWG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 155/1994 lautet:

"Genehmigung für besondere Abfall- und Altölbehandlungsanlagen

§ 29. (1) Die Errichtung oder wesentliche Änderung sowie die Inbetriebnahme von:

1.

Anlagen von Gebietskörperschaften zur thermischen oder stofflichen Verwertung oder sonstigen Behandlung von gefährlichen Abfällen,

2.

sonstige Anlagen, deren Betriebszweck die Übernahme von nicht im eigenen Betrieb anfallenden gefährlichen Abfällen zur thermischen oder stofflichen Verwertung oder sonstigen Behandlung ist,

3.

Anlagen zur thermischen Verwertung oder sonstigen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen oder Altölen, ausgenommen zur stofflichen Verwertung, mit einer Jahreskapazität von mindestens 10.000 Tonnen,

4.

Deponien für gefährliche Abfälle mit einem Gesamtvolumen von mindestens 10.000 m3,

5.

Untertagedeponien für gefährliche Abfälle,

6.

Deponien für nicht gefährliche Abfälle mit einem Gesamtvolumen von mindestens 100.000 m3,

bedarf einer Genehmigung des Landeshauptmannes.

Für Anlagen gemäß Z 3 und 6 bleiben landesrechtliche Vorschriften, die sich nicht auf das Genehmigungsverfahren beziehen - unbeschadet der Regelung des Abs. 13 - unberührt."

Das vorliegende Projekt erfüllte keinen dieser Bewilligungstatbestände. Die Beschwerdeführerin hebt jetzt besonders hervor, daß eine thermische Verwertung vorgesehen sei und vermeint, daß damit jedenfalls die Bewilligungspflicht gemäß § 29 AWG gegeben wäre. Dies ist aber mit dem Gesetzeswortlaut nicht in Einklang zu bringen, wonach ausdrücklich die hier nicht erreichte Mindestmenge von 10.000 t Voraussetzung für die Bewilligungspflicht ist.

Da somit keine Bewilligungspflicht für das vorliegende Projekt nach dem (Bundes-)AWG vorlag, war der Landeshauptmann in Ausübung der mittelbaren Bundesverwaltung für die Entscheidung über das vorliegende Ansuchen der Beschwerdeführerin unzuständig. Die Unzuständigkeit ist von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen; Bescheide, die von einer unzuständigen Behörde erlassen wurden, sind jedenfalls rechtswidrig (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes6, Rz. 82 ff).

Der Rüge der Beschwerdeführerin, daß ihr die Rechtsauffassung der Berufungsbehörde nicht vorgehalten worden sei, ist zu entgegnen, daß das Parteiengehör im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG grundsätzlich bloß zur Tat-, nicht aber zur Rechtsfrage zu gewähren ist. Die rechtliche Würdigung des Parteienvorbringens im Antrag unterliegt jedenfalls nicht dem Parteiengehör (vgl. Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 708).

Selbst wenn man davon ausginge, daß Tatfragen zur Beurteilung der Zuständigkeit zu klären waren (die belangte Behörde hat immerhin ihre Fachabteilung herangezogen), ist nicht erkennbar, inwieweit der unterbliebene Vorhalt zu einem anderen Bescheid geführt hätte (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG): Auch in der Beschwerde wird das für die Position der Beschwerdeführerin entscheidende Sachverhaltselement, daß die zu behandelnden Abfälle gefährlich wären, nicht behauptet.

Die belangte Behörde hat somit zu Recht den Bescheid des Landeshauptmannes ersatzlos behoben. Über den Antrag wird die Landesregierung nach den Bestimmungen des Oö AWG zu entscheiden haben haben.

Die Beschwerde erwies sich daher zur Gänze als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. November 1998

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995050066.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

19.03.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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