TE Vwgh Erkenntnis 2019/8/1 Ra 2019/02/0114

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Veröffentlicht am 01.08.2019
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §45 Abs3
VwGG §41
VwGG §42 Abs2 Z3 lita
VwGG §42 Abs2 Z3 litb
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §31 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des M in W, vertreten durch die Draxler Rechtsanwälte KG in 1010 Wien, Reichsratsstraße 11/5, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien vom 7. April 2018, Zl. VGW-001/042/2488/2018-2, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde iA Übertretung des TSchG (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis vom 12. Jänner 2018 legte der Magistrat der Stadt Wien - die belangte Behörde - dem Revisionswerber eine Übertretung des TSchG zur Last und verhängte über ihn eine Geldstrafe von EUR 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tag und 6 Stunden).

2 Dieses Straferkenntnis wurde dem Revisionswerber am Mittwoch, dem 17. Jänner 2018, zugestellt.

3 Mit dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) vom 7. April 2018 wurde die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als verspätet zurückwiesen. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, die vierwöchige gesetzliche Beschwerdefrist habe am 17. Jänner 2018 zu laufen begonnen und am 14. Februar 2018 geendet. Die Beschwerde sei am 14. Februar 2018 um 16.34 Uhr per E-Mail beim Verwaltungsgericht Wien eingebracht worden. Nach der im Internet und durch Anschlag an der Amtstafel des Verwaltungsgerichts Wien verlautbarten Kundmachung nach § 13 Abs. 2 und 5 AVG des Präsidenten des Verwaltungsgerichts Wien vom 9. Jänner 2015 seien die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit mit Montag bis Freitag von 7.30 Uhr bis 13.00 Uhr (...) festgelegt. Die Empfangsgeräte für Telefax und E-Mail seien auch außerhalb der Amtsstunden empfangsbereit, sie würden aber nur während der Amtsstunden betreut. Anbringen, die außerhalb der Amtsstunden an diese Empfangsgeräte übermittelt würden, könnten daher nicht entgegengenommen werden; diese Anbringen gälten daher auch dann, wenn sie bereits in den Verfügungsbereich des Verwaltungsgerichts Wien gelangt seien, erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht (und eingelangt).

5 Aufgrund der Aktenlage stehe unstrittig fest, dass die Beschwerde am letzten Tag der Beschwerdefrist, aber außerhalb der Amtsstunden des Verwaltungsgerichts Wien übermittelt worden sei. Die Beschwerde sei somit verspätet erhoben worden und daher zurückzuweisen.

6 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, ersatzweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben; weiters beantragte der Revisionswerber Kostenersatz. 7 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Rechtzeitigkeit der Einbringung der Beschwerde konzedierte und Schriftsatzaufwandersatz beantragte.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Der Revisionswerber bringt vor, das Verwaltungsgericht

übersehe, dass die gegenständliche Beschwerde nicht beim Verwaltungsgericht Wien, sondern gemäß §§ 12 iVm 20 VwGVG bei der belangten Behörde eingebracht worden sei. Die Kundmachung des Präsidenten des Verwaltungsgerichts sei daher nicht maßgeblich. Eine darauf gegründete Zurückweisung sei eine grobe Verkennung der Rechtslage. Zudem übersehe das Verwaltungsgericht, dass die Beschwerde bereits am 13. Februar 2018, und damit jedenfalls rechtzeitig, postalisch per Einschreiben aufgegeben worden sei. 10 Die Revision erweist sich als zulässig und im Ergebnis auch berechtigt.

11 Das Straferkenntnis der belangten Behörde wurde dem Revisionswerber unstrittig am 17. Jänner 2018 zugestellt. 12 Ausgehend davon endete die gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG vierwöchige Beschwerdefrist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannte - mit Ablauf des 14. Februar 2018. 13 Gemäß § 33 Abs. 3 AVG werden die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst iSd § 2 Z 7 ZustG (wozu gemäß § 3 Z 4 iVm § 12 Abs. 1 Postmarktgesetz die Österreichische Post gehört) zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) in die Frist nicht eingerechnet.

14 Beschwerden an das Verwaltungsgericht sind gemäß § 12 VwGVG grundsätzlich bei der belangten Behörde einzubringen. 15 Nach dem - mit der Aktenlage übereinstimmenden - Vorbringen des Revisionswerbers wurde die gegenständliche Beschwerde gegen das angefochtene Straferkenntnis sowohl postalisch als auch per E-Mail bei der belangten Behörde eingebracht.

16 Den vorliegenden Verwaltungsakten zufolge erfolgte die eingeschriebene Postaufgabe der Beschwerde am 14. Februar 2018. Der mit der Revision vorgelegten Bescheinigung der Postaufgabe ist dagegen ein mit 13. Februar 2018 datierter Stempelabdruck des Postamtes zu entnehmen. Jedenfalls erfolgte die Postaufgabe aber spätestens am 14. Februar 2018 und somit innerhalb der vierwöchigen Beschwerdefrist.

17 Wie der Revisionswerber zutreffend aufzeigt, hat das Verwaltungsgericht diese aktenkundigen Umstände in seiner Entscheidung gänzlich unberücksichtigt gelassen.

18 Soweit das Verwaltungsgericht in seiner Begründung auf die kundgemachte zeitliche Beschränkung der Entgegennahme schriftlicher Anbringen hinweist, geht diese Argumentation mit Blick auf die (auch) postalisch erfolgte Einbringung ins Leere. Im Übrigen aber ist dem auch entgegenzuhalten, dass es im gegenständlichen Fall nicht auf die Amtsstunden bzw. die diesbezüglich kundgemachte organisatorische Beschränkung der Entgegennahme von elektronischen Anbringen durch das Verwaltungsgericht iSd § 13 Abs. 2 AVG ankäme, sondern lediglich auf jene der belangten Behörde, bei der die Beschwerde einzubringen war.

19 Ob fallbezogen die (zusätzliche) Einbringung der Beschwerde per E-Mail bei der belangten Behörde aufgrund etwaiger kundgemachter organisatorischer Beschränkungen des elektronischen Verkehrs iSd § 13 Abs. 2 AVG rechtzeitig erfolgte, kann jedoch - wegen der ohnehin rechtzeitig erfolgten postalischen Einbringung -

dahinstehen.

20 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht vor der Zurückweisung einer Beschwerde als verspätet gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG verpflichtet ist, dem Beschwerdeführer eine nach dem Akteninhalt offenkundige Verspätung seines Rechtsmittels vorzuhalten. Unterlässt es dies und geht es von einer Versäumung der Rechtsmittelfrist aus, ohne dies dem Rechtsmittelwerber vorgehalten zu haben, hat es das Risiko einer Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses zu tragen (vgl. etwa VwGH 2.5.2016, Ra 2015/08/0142, mwN). Damit unterliegt das zur Frage der Rechtzeitigkeit erstattete Revisionsvorbringen auch nicht dem vor dem Verwaltungsgerichtshof herrschenden Neuerungsverbot (vgl. zu der auf das Revisionssystem insofern übertragbaren Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, VwGH 29.4.2011, 2011/02/0063; 25.4.2014, 2012/10/0060, jeweils mwN).

21 Indem das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall maßgebliche Umstände unberücksichtigt ließ und dem Revisionswerber die Feststellung der Versäumung der Beschwerdefrist vor Erlassung des zurückweisenden Beschlusses nicht vorgehalten hat, sind dem Verwaltungsgericht entscheidungsrelevante Verfahrensmängel unterlaufen, bei deren Vermeidung das Verwaltungsgericht zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.

22 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a, b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

23 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am 1. August 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019020114.L00

Im RIS seit

06.09.2019

Zuletzt aktualisiert am

06.09.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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