TE Vwgh Beschluss 2019/8/2 Ra 2018/19/0615

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Veröffentlicht am 02.08.2019
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §11
MRK Art3
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des A R Z, vertreten durch Dr. Michael Herzer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 32/Mezzanin, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22. Oktober 2018, W131 2130246- 1/11E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 17. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er an, seine Mutter habe ihn in Koranschulen (u.a. in Pakistan) geschickt, um eine gute Ausbildung zu erhalten. Dort sei jedoch ständig vom "Heiligen Krieg" erzählt worden. Man habe versucht, ihn einer "Gehirnwäsche" zu unterziehen, weshalb er sich auf Anraten seiner Mutter und seines Onkels zur Flucht entschieden habe.

2 Mit Bescheid vom 13. Juni 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte das BFA mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

In der Begründung stützte sich das BVwG unter anderem auf das Vorhandensein einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Mazare Sharif.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 5 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst vorgebracht, die getroffenen Länderfeststellungen würden sich nicht mit der konkreten Situation des Revisionswerbers als Schüler einer Koranschule in Pakistan, die sich als Ausbildungslager der Taliban herausgestellt habe, auseinandersetzen.

6 Mit diesem Vorbringen entfernt sich die Revision vom festgestellten Sachverhalt, wonach dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers kein Glauben zu schenken sei und dem Revisionswerber aktuell keine Gefahr drohe, von den Taliban gesucht und aufgefunden zu werden, ohne dazu jedoch auszuführen, inwieweit die diesbezügliche Beweiswürdigung des BVwG fehlerhaft wäre (vgl. VwGH 12.6.2019, Ra 2019/01/0113; 26.3.2019, Ra 2018/19/0530, jeweils mwN).

7 Darüber hinaus macht die Revision zu ihrer Zulässigkeit geltend, der Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes lägen Länderfeststellungen zugrunde, die im Zeitpunkt der Entscheidung nicht die gebotene Aktualität aufgewiesen hätten. Die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 seien vom Bundesverwaltungsgericht zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. 8 In diesem Zusammenhang ist einerseits auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach den Richtlinien des UNHCR besondere Beachtung zu schenken ist ("Indizwirkung"). Diese Indizwirkung bedeutet zwar nicht, dass die Asylbehörden in Bindung an entsprechende Empfehlungen des UNHCR internationalen Schutz gewähren müssten. Allerdings haben die Asylbehörden (und dementsprechend auch das BVwG) sich mit den Stellungnahmen, Positionen und Empfehlungen des UNHCR auseinanderzusetzen und, wenn sie diesen nicht folgen, begründet darzulegen, warum und gestützt auf welche entgegenstehenden Berichte sie zu einer anderen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat gekommen sind (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533, mwN).

9 Darüber hinaus entspricht es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das Bundesverwaltungsgericht seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen hat. Eine Verletzung dieser Vorgabe stellt einen Verfahrensmangel dar. Es reicht jedoch nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH  5.4.2018, Ra 2018/19/0077; 23.1.2019, Ra 2019/19/0009, jeweils mwN).

10 Eine Relevanzdarstellung in diesem Sinn lässt sich dem Zulässigkeitsvorbringen (wie auch den weiteren Revisionsausführungen) nicht entnehmen. Vor dem Hintergrund der unbestritten gebliebenen Feststellungen des BVwG, wonach es sich bei dem Revisionswerber um einen gesunden, volljährigen und arbeitsfähigen Mann mit Arbeitserfahrung handle, vermag die Revision mit ihren Ausführungen zu den UNHCR-Richtlinien fallbezogen weder darzulegen, dass in der Stadt Mazar-e Sharif eine Situation vorläge, die eine Verletzung der nach Art. 3 EMRK garantierten Rechte des Revisionswerbers darstellen würde, noch dass ihm eine Ansiedlung in dieser Stadt nicht zumutbar wäre (vgl. in Bezug auf Mazar-e Sharif etwa VwGH 25.6.2019, Ra 2019/19/0144; 25.6.2019, Ra 2019/19/0121; 27.5.2019, Ra 2018/14/0418; 25.6.2019, Ra 2019/19/0067).

11 Soweit die Revision schließlich die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK angreift, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 25.04.2019, Ra 2019/19/0114, mwN). Die vom BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vorgenommene Interessenabwägung ist jedenfalls nicht als unvertretbar anzusehen.

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen. Wien, am 2. August 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018190615.L00

Im RIS seit

03.10.2019

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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