Entscheidungsdatum
07.08.2019Index
41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
VStG §44a Z1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Luchner über die Beschwerde des AA, Adresse 1, Z, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 12.09.2018, Zl ***, betreffend eine Übertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs Abs 1 Z 2 VStG zur Einstellung gebracht.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Vorverfahren, Sachverhalt:
Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer spruchgemäß nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:
„Datum/Zeit: 31.12.2017, 17:00 Uhr
Ort: Y, Adresse 2
Sie haben mit dem Vorsatz, das Verfahren zur Erlassung oder die Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen hintanzuhalten, der Fremden (§ 2 Abs. 4 Z 1 FPG) BB, geb xx.xx.xxxx, Staatsangehörigkeit Afghanistan, den unbefugten Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Union erleichtert, indem Sie BB laut Ihren eigenen Angaben, welche sie am 31.12.2017 bei der Polizei X machten, in Z Aufenthalt gewährten und dann am 31.12.2017 mit dem Auto von Z nach Y transportierten. Sie wussten, dass BB sich unrechtmäßig in Österreich aufhält.“
Dem Beschuldigten wurde eine Übertretung nach § 120 Abs 3 Z 2 FPG zur Last gelegt und wurde ihm gemäß § 120 Abs 3 Z 2 FPG eine Geldstrafe in Höhe von Euro 1.000,00 sowie ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt.
Gegen dieses Strafverfahren hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben und in dieser ausgeführt wie folgt:
„Gegen den oben näher bezeichneten Bescheid erhebe ich hiermit innert offener Rechtsmittelfrist die
BESCHWERDE
an das Landesverwaltungsgericht Z.
Der gegenständliche Bescheid datiert vom 12.09.2018. Die Beschwerdeerhebung erfolgt daher jedenfalls innert offener Rechtsmittelfrist.
Sachverhalt
Am 31.12.2017 habe ich BB mit meinem PKW von Z nach Y zu einer Familienfeier in Y mitgenommen. Die Fahrt vom Hauptbahnhof Z bis nach Y, Adresse 3 dauerte maximal 90 Minuten. Laut CC dauert die Autofahrt eine Stunde und achtzehn Minuten. In Y bei der Familienfeier gab es einen Streit zwischen BB und ihrer Schwester, der zu einem Polizeieinsatz führte, anlässlich desselben BB festgenommen wurde. Ein oder zwei Tage nach dem Vorfall rief ich bei der Polizei an, da ich erfahren hatte, dass diese bei Bekannten nach mir gefragt hatte. Am Telefon wurde ich betreffend die Fahrt von Z nach Y und den Aufenthaltsstatus von BB befragt. Am 11.05.2018 gab ich bei der LPD Tirol, EGFA Fremdenpolizei eine mündliche Stellungnahme in dieser Sache ab. Am 12.09.2018 wurde der nunmehr bekämpfte Bescheid ausgestellt.
Beschwerdebegründung
§ 120 Abs. 3, Zif. 2 FPG normiert:
Wer mit dem Vorsatz, das Verfahren zur Erlassung oder die Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen hintanzuhalten, einem Fremden den unbefugten Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der europäischen Union wissentlich erleichtert, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbring1ichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen.
Ein mit dieser Definition korrespondierender Tatbestand liegt nicht vor. In dem Straferkenntnis fehlen relevante Ausführungen, wie sich der in Frage stehende Tatbestand nach Meinung der Behörde konstituiert. Die Entscheidung ist aus diesem nicht nachvollziehbar.
Zur Frage einer Hintanhaltung, wird auf die E des LVWG NÖ, 10.03.2014, ZI. LVwG-BN-13-1083 verwiesen:
„Hintanhalten im Sinn des § 120 Abs. 3Z2 FPG ist, im Gegensatz zu Erschweren, eine zumindest über längere Zeit anhaltende Vereitelung. Nicht rechtswidrig sind humanitäre Zuwendungen an einen Fremden oder Rechtshilfe. Hingegen wäre das Verstecken eines Fremden in seiner Wohnung, wenn es mit dem Ziel verfolgt wird, die polizeiliche Maßnahme hintanzuhalten und ein behördliches Verfahren zu verhindern, strafbar."
Auch dieses Zitat unterstreicht deutlich, dass ein Tatbestand im Sinne des § 120 Abs. 3, Zif. 2 FPG nicht vorliegt.
Relevante Feststellungen zu den Tatbestandsmerkmalen „erleichtern" und „hintanthalten" liegen nicht vor. Es genügt jedenfalls nicht, wenn die Behörde den Sachverhalt einigermaßen wiedergibt und dann zu dem Schluss gelangt, dass die „objektiven Tatbestandsmerkmale" erfüllt seien. Für eine solche rechtliche Würdigung ist zwingende Voraussetzung die umfassende Feststellung eines Sachverhalts, dem in der Folge auf nachvollziehbare Art und Weise der Tatbestand oder die Tatbestandsmerkmale zuzuordnen sind. Diesen gesetzlichen Anforderungen hat die Behörde mit der bekämpften Entscheidung nicht genügt. Es liegt darin auch eine Verletzung des Parteiengehörs, da für mich nicht erkennbar ist, welche Geschehnisse die Sicherheitsbehörde welchem Tatbestandsmerkmal zuordnen. Die Entscheidung ist mit formeller und materieller Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes behaftet.
Zu den in Anwendung des § 120 Abs. 3, Zif. 2 FPG - überflüssigen - Ausführungen der Behörde in Bezug auf die Bestimmung des § 5 VStG wird auf die E des LVwG OÖ, 03.08.2015, ZI: VStV/914301269143/2014 verwiesen:
„2. Dahingehend ist zu differenzieren. Einerseits setzt der Tatbestand Wissentlichkeit im Hinblick auf die Erleichterung des unbefugten Aufenthaltes voraus. Andererseits wird einleitend ein erweiterter Vorsatz {überschießende Innentendenz) im Vorsatzgrad des dolus eventualis gefordert. Dieser Vorsatz hat keinen Bezugspunkt im Tatbild.
2.1. § 5 Abs. 1 VStG legt fest, dass, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, fahrlässiges Verhalten zur Strafbarkeit genügt. Bei § 120 Abs. 3 22 FPG handelt es sich aber um eine Verwaltungsvorschrift im Sinne der zitierten Bestimmung. Es reicht daher nicht aus, wenn der Bf den ihm angelasteten Tatbestand der Förderung des unbefugten Aufenthaltes in Österreich in irgendeiner Form der Fahrlässigkeit verwirklicht hat, sondern er muss die Tat in der Vorsatzform der Wissentlichkeit mit einer überschießenden Innentendenz begangen haben.
2.2. Das VStG enthält keine ausdrückliche Regelung des Vorsatzes. Das Gesetz setzt aber in den Bestimmungen über die Tatbeteiligung (§ 7 VStG) und den Versuch (§ 8 VStG) die Strafbarkeit vorsätzlichen Handelns voraus. Ebenso geht § 5 leg cit selbst in Hinblick auf die Anordnung, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt, ersichtlich von einem Stufenverhältnis zwischen Fahrlässigkeit und Vorsatz aus. Der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge gilt in diesem Zusammenhang die Regelung des Vorsatzes in § 5 StGB der Sache nach auch für das VStG (VwSig 11.940 A/1985; VwGH 15.5.1991, 90/10/0152).
2.3. Der unter der Überschrift „ Vorsatz"stehende § 5 StGB lautet: „(1) Vorsätzlich handelt, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichem Tatbild entspricht; dazu genügt es, daß der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit
ihr abfindet.
(2) Der Täter handelt absichtlich, wenn es ihm darauf ankommt, den Umstand oder Erfolg zverwirklichen, für den das Gesetz absichtliches Handeln voraussetzt.
(3) Der Täter handelt wissentlich, wenn er den Umstand oder Erfolg, für den das Gesetz
Wissentlichkeit voraussetzt, nicht bloß für möglich hält, sondern sein Vorliegen oder Eintreten für gewiss hält".
Auch für das VStG bedeutet vorsätzliches Verhalten sohin das Wissen und Wollen der Tatbildverwirklichung (vgl. VwGH 23.1.1970, 0094/69; 17.2.1954, 1656/51: „Bedenken und Beschließen des Tatbestands"). Bezugspunkt des Vorsatzes sind jeweils alle Elemente des äußeren Tatbestandes (z.B. VwSig 7766 A/1970): Bei Handlungsdelikten hat der Tätervorsatz die gesamte - gesetzlich vertypte — Tathandlung zu umfassen; bei Erfolgsdelikten hat sich der Tatvorsatz auch auf den tatbildlichen Erfolg zu erstrecken.
In Einklang mit § 5 Abs 1 StGB gilt: Soweit die Verwaltungsgesetze keine besondere Vorsatzart voraussetzen, reicht eventualvorsätzliches Handeln. Der Täter handelt dolo eventuali, wenn er die Tatbildverwirklichung ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet. Der Täter muss also nicht nur das Risiko einer Tatbestandsverwirklichung ernstlich als möglich veranschlagen, er muss sich auch mit dem Umschlagen dieser Möglichkeit in die Wirklichkeit abfinden, also auf das Risiko der tatsächlichen Tatbildverwirklichung hinauf handeln (zB VwGH 20. 9. 2000, 2000/03/0239)"
Die lapidare Angabe in der Begründung, dass in meinem Fall „vom Vorsatz auszugehen wäre" wird den oben zitierten Anforderungen nicht gerecht. Die Angaben im Straferkenntnis, dass „für die Strafbarkeit Fahrlässigkeit genügt" ist im Fall der hieranzuwendenden Bestimmung objektiv falsch.
Ein Tatbestand im Sinne des § 120 Abs. 3, Zif. 2 FPG liegt nicht vor. Die Entscheidung der Erstbehörde ist nicht nachvollziehbar. Erkennbare Unterscheidungen zwischen Sachverhalt, Feststellungen, Beweiswürdigung und rechtlicher Beurteilung fehlen vollständig. Die Entscheidung ist nicht nachvollziehbar und mit wesentlicher materieller und formeller Rechtswidrigkeit behaftet.
Ich stelle daher die
Anträge
Das Landesverwaltungsgericht wolle
1) Das angefochtene Erkenntnis ersatzlos beheben
2) den angefochtenen Bescheid in Anwendung des § 28 Abs. 3 VwGVG aufheben und die
Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen
3) das Parteiengehör im Verfahren vor dem LVWG wahren
Z am 08.10.18 AA“
Der Anzeige der Landespolizeidirektion Tirol vom 03.02.2018 zur Zl *** vom 03.02.2018 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer der Freund von BB sei und von der Außerlandesbringung dieser Frau gewusst habe. BB sei im Dezember 2017 auf illegale Weise von Zagreb auf bisher unbekannte Weise wieder in das Bundesgebiet eingereiht und habe sich dort bis zum 31.12.2017 unrechtmäßig aufgehalten. AA habe die illegale Person in diesem Wissen unentgeltlich von Z nach Y zu ihrer Familie mitgenommen. Dort sei BB angetroffen und festgenommen worden. Der Beschwerdeführer habe eine Übertretung nach § 120 Abs 3 Z 2 FPG – Beihilfe, unbefugter Aufenthalt – Schlepperei einfach - gesetzt, er habe mit dem Vorsatz das Verfahren zur Erlassung oder zur Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen hintanzuhalten, der fremden BB den unbefugten Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Union erleichtert.
In einer weiteren Anzeige betreffend BB, geboren am xx.xx.xxxx, afghanische Staatsangehörige, ist ausgeführt, dass diese am 05.12.2017 durch einen unbegleiteten Flug nach Zagreb befördert worden sei, am 31.12.2017 sei sie von ihrem Freund AA von Z nach Y zu ihrer Schwerster gebracht worden, ihr Freund AA habe gewusst, dass sich die Beschwerdeführerin nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Die Beschuldigte (BB) sei vermutlich bereits am 12.12.2017 von Zagreb über Slowenien nach Österreich eingereist, das Transportmittel sei unbekannt. In der Zeit bis zu ihrem Aufgriff in Y habe sie sich laut Aussagen von AA in Z aufgehalten.
In einer Stellungnahme der Landespolizeidirektion Tirol, DD an EE PI X, hat dieser festgehalten, dass der Beschwerdeführer den Vorwurf nach § 120 Abs 3 FPG den Polizeibeamten gegenüber abgestritten habe. In der Stellungnahme der EE vom 13.05.2018 ist ausgeführt, dass dieser gewusst habe, dass BB sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. BB sei vermutlich bereits am 12.12.2017 von Zagreb über Slowenien nach Österreich eingereist, sie dürfte sich laut Aussagen vom AA in Z aufgehalten haben … AA habe angegeben, davon gewusst zu haben, dass BB für die Dauer von mindestens drei Wochen zuvor in Z aufgehalten habe, über den genauen Aufenthaltsort habe er keine Angaben gemacht. Am 15.05.2018 wurde der Beschuldigte von DD befragt. In dieser Befragung teilte er mit, dass er nicht gewusst habe, dass BB anfangt Dezember 2017 von Österreich nach Kroatien gebracht worden sei, weil sie dort einen Asylantrag gestellt hatte. Er konnte auch nicht mehr angeben, wann er BB im Dezember 2017 das erste Mal gesehen hatte, er wusste aber, dass er BB vor dem 31.12.2017, zuletzt zwei Monate zuvor, also ca Anfang November 2017, gesehen hatte. Er bestritt, dass er mit der Schwester von BB am 31.12.2017 telefoniert und ihr mitgeteilt habe, dass er kommen würde und eine Überraschung dabei habe. Er selbst habe die Polizei in X angerufen zwei Tage später, weil ihm sein Onkel mitgeteilt habe, dass die Polizei nach ihm gefragt habe. Er habe den Polizeibeamten mitgeteilt, dass er BB am 31.12.2017 am Bahnhof in Z getroffen habe und in der Folge gemeinsam mit ihr in seinem Auto nach Y gefahren sei. Er könne sich nicht daran erinnern, dass er der Polizei gesagt habe, dass er gewusst hätte, dass BB sich drei Wochen vorher schon in Z aufgehalten habe.
II. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verfahrensakt der belangten Behörde.
III. Rechtliche Beurteilung:
„Rechtswidrige Einreise und rechtswidriger Aufenthalt
§ 120.
[…]
(3) Wer […]
2. mit dem Vorsatz, das Verfahren zur Erlassung oder die Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen hintanzuhalten, einem Fremden den unbefugten Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Union wissentlich erleichtert,
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen.
[…]“
IV. Rechtliche Erwägungen:
In § 5 Abs 1 StGB ist ausgeführt, dass vorsätzlich handelt, wer einen Sachverhalt verwirklichen will der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernsthaft für möglich hält und sich mit ihr abfindet. Im ersten Halbsatz ist von direkten Vorsatz (dolus directus) und im zweiten Halbsatz von einem Eventualvorsatz oder einem bedingten Vorsatz (dolus eventualis) die Rede.
Beim Eventualvorsatz hält der Täter die Verwirklichung eines Tatbestandes ernsthaft für möglich, findet sich aber mit diesem Risiko ab.
Wird für die Verwirklichung einer Verwaltungsübertretung kein besonderer Vorsatz gefordert, so genügt dolus eventualis. (VwGH 25.09.1995, Zl 95/10/0076). Unter diesen bedingten Vorsatz versteht die herrschende Lehre und die Judikatur zum StGB, dass der Täter den tatbildmäßigen Erfolg zwar nicht bezweckt, wer einen Eintritt auch nicht als gewiss voraussieht, ihn aber ernstlich für möglich hält und somit sich nicht damit abfindet. Von der sogenannten bewussten Fahrlässigkeit unterscheidet sich der bedingte Vorsatz dadurch, dass der Täter sich trotz der erkannten Möglichkeit der Verwirklichung des Tatbildes zur Tat entschließt, weil er auch einen solchen nachteiligen Erfolg nach Ablauf der Ereignisse hinzunehmen gewillt ist. Darin liegt das sachlich entscheidende Merkmal des bedingten Vorsatzes. Der Täter muss die das Tatbild verwirklichende Sachverhaltsgestaltung positiv bewertet haben, bloße Gleichgültigkeit genügt nicht. Der Täter muss sich sohin mit den Möglichkeiten die aus seinem Verhalten entstehen könnten emotional auseinandergesetzt und ihre Verwirklichung bejaht haben (VwGH 20.06.1990, Zl 89/01/0068). Der für das „sich abfinden“ mit der Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbildes erforderliche positive Willensentschluss des Täters muss in der Entscheidung der Verwaltungsstrafbehörde stets durch entsprechende Sachverhaltsfeststellung untermauert werden.
Bezogen auf den gegenständlichen Fall ist auszuführen, dass es nicht möglich war im erstinstanzlichen Verfahren mit der nötigen Sicherheit zu kläre, ob der Beschwerdeführer BB drei Wochen vor ihrer Verhaftung durch die Polizei am 31.12.2017 bei sich untergebracht hatte bzw genaue Kenntnis hatte, wo sie ihren Aufenthalt in Z gehabt haben soll. Er selbst hat das verneint, es gibt keinen echten Nachweis zu dieser Frage, sondern lediglich Vermutungen. In einem Protokoll eines Telefonates das die PI X niedergeschrieben hat, hat der Beschuldigte angeblich selbst zugegeben, dass er gewusst habe, dass sich seine Freundin seit drei Wochen in Z aufgehalten habe, der BF hat jedoch ansonsten im gesamten erstinstanzlichen Verfahren bestritten solche Aussagen getätigt zu haben bzw angegeben, er habe nicht gewusst wo BB sich drei Wochen vorher in Z aufgehalten habe, er könne sich nicht erinnern. Dem BF dolus eventualis vorzuwerfen, ist jedoch mangels eines echten Beweises nicht möglich.
„Hintanhalten“ im Sinne des § 120 Abs 3 FPG ist eine zumindest über längere Zeit hinweg anhaltende Vereitelung eines Verfahrens oder von Maßnahmen zur Außerlandesbringung zu verstehen. Insbesondere wird eine beistandsmäßige Beihilfe dort vorliegen wo der tatsächliche Aufenthalt des Fremden verschleiert wird und zB Unterkünfte genutzt werden ohne, dass eine polizeiliche Meldung an diese Adresse vorliegt. Gleiches gilt wenn illegal aufhältige Fremde zum Schein angemeldet werden oder abgemeldet werden, obwohl sie an, an einer anderen Adresse wohnhaft sind.
Die belangte Behörde hat das Tatbestandsmerkmal des Hintanhaltens eines Verfahrens zur Erlassung oder zur Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht ausreichend dargelegt. Es ist aus dem vorliegenden erstinstanzlichen Verfahren nicht zu entnehmen, worin das Hintanhalten im Sinne des Gesetzes gelegen sein soll. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses gibt im Wesentlichen lediglich die gesetzlichen Bestimmungen des § 120 Abs 3 Z 2 FPG wieder und ergänzt diese mit der Feststellung, dass der Beschwerdeführer der BB in Z Aufenthalt gewährte und dann am 31.12.2007 mit dem Auto von Z nach Y transportiert habe. Er habe gewusst, dass sich BB unrechtmäßig in Österreich aufhalte.
Es ist aus diesem Tatvorwurf nicht zu erkennen, worin die Hintanhaltung eines Verfahrens zur Erlassung oder der Durchsetzung aufenhaltsbeendeter Maßnahmen gelegen sein soll. Auch ist nicht mit der nötigen Sicherheit bewiesen, dass der Beschwerdeführer BB tatsächlich den Aufenthalt in seiner Wohnung drei Wochen lang gewährt hat. Allein aus der Tatsache die bewiesen ist, nämlich dass der Beschwerdeführer BB in seinem Auto mit nach Y genommen hat, kann nicht geschlossen werden, dass er ein Verfahren zur Erlassung oder der Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen hintangehalten hat oder über längere Zeit hinweg vereitelt hat. Die Erfüllung des Tatbestandes des § 120 Abs 3 Z 2 FPG setzt einen zweifachen Vorsatz voraus und zwar einerseits den bedingten Vorsatz ein Verfahren zur Erlassung oder zur Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen hintanzuhalten und zweitens den qualifizierten Vorsatz der Wissentlichkeit hinsichtlich der Erleichterung des unbefugten Aufenthalts im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union. Die belangte Behörde hat sich in ihrem Straferkenntnis mit diesen subjektiven Voraussetzungen der Strafbarkeit nicht auseinandergesetzt, insbesondere hat sie sich nicht mit den subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen eines zweifachen und qualifizierten Vorsatzes auseinandergesetzt, sondern viel mehr ausgeführt, dass das psychologische Schuldelement eines zumindest fahrlässigen Verhaltens vorliegt. Dieses fahrlässige Verhalten ist aber im gegenständlichen Fall eben nicht ausreichend, sondern wie oben ausgeführt Vorsatz Grundbedingung einer Strafbarkeit.
Im gegenständlichen Fall ist als Tatzeit nur der 31.12.2017 um 17:00 Uhr gemeint, wäre der Tatvorwurf korrekt vorgehalten worden, so hätte die Wissentlichkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers schon drei Wochen vor dem 31.12.2017 bis zum 31.12.2017 lauten müssen.
Des Weiteren ist auszuführen, dass gemäß des § 44a Z 1 VStG der Spruch eines Straferkenntnisses wenn er nicht auf Einstellung lautet die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten hat. Es ist daher rechtlich geboten die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass 1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und 2. die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.
Im gegenständlichen Fall ist darauf zu verweisen, dass die Tatzeit nicht um Punkt 17:00 Uhr am 31.12.2017 hat stattfinden können, sondern bei dem Delikt des Hintanhaltens des Verfahrens zur Erlassung oder die Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen einen Zeitraum beinhaltet, der im gegenständlichen Fall drei Wochen gedauert haben soll, der allerdings im erstinstanzlichen Straferkenntnis nicht erwähnt worden ist. In der Aufforderung zur Rechtfertigung ist kein Tatzeitpunkt wie lang der angebliche Aufenthalt in der Wohnung des Beschwerdeführers gewährt wurde festgehalten, sondern lediglich der 31.12.2017, der jedoch diesen unbefugten Aufenthalt nicht ausreichend konkret beschreibt.
Da somit die Tat nie bezüglich der Tatzeit korrekt vorgeworfen wurde und der Vorwurf bezüglich des Tatzeitraumes nicht gegeben war und diesbezüglich keine einzige korrekte Verfolgungshandlung im Sinne des § 31 VStG gesetzt wurde, ist im gegenständlichen Fall davon auszugehen, dass Verfolgungsverjährung im Sinne des § 31 Abs 1 leg cit VStG eingetreten ist. Dem Beschwerdeführer hätte innerhalb eines Jahres ab 31.12.2017 der Tatzeitraum korrekt vorgeworfen werden müssen, was im gegenständlichen Fall nicht geschehen ist. Es ist daher Verfolgungsverjährung eingetreten und war das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG zur Einstellung zu bringen.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr.in Luchner
(Richterin)
Schlagworte
fehlender Vorsatz;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2018.17.2236.1Zuletzt aktualisiert am
22.08.2019