Entscheidungsdatum
23.03.2016Index
10/01 Bundes-VerfassungsgesetzNorm
B-VG Art140 Abs7Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat durch die Richterin Mag. Michaela Slama über die Beschwerden des G. F., geb xxx, 5020 Salzburg, vertreten durch das VertretungsNetz – Sachwalterschaft, Petersbrunnstraße 9, 5020 Salzburg, gegen die Bescheide des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 17.08.2015, Zahl 3/01-BMS/xxx102/7-2015, und vom 14.12.2015, Zahl 3/01-BMS/xxx102/8-2015,
zu Recht e r k a n n t:
1. Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG werden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Verfahrensgang:
1. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 17.8.2015 wurden die Anträge des Beschwerdeführers auf Gewährung Bedarfsorientierter Mindestsicherung für die Monate Juni bis August 2015 abgewiesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 14.12.2015 wurde dem Beschwerdeführer für die Monate September 2015, Oktober 2015 und Dezember 2015 keine Leistung nach dem Salzburger Mindestsicherungsgesetz zuerkannt und für den Monat November 2015 eine monatliche Geldleistung von € 41,50 zuerkannt.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen jeweils aus, dass der Beschwerdeführer aufgrund eines Beschlusses des Landesgerichts Salzburg vom 15.11.2012 weisungsgemäß in der Einrichtung H.J., I., 5020 Salzburg, wohnhaft sei. Im Falle einer derartigen Unterbringung sehe § 13 MSG ausdrücklich vor, dass für die Dauer des Aufenthalts des in einer therapeutischen Wohneinrichtung aufgrund einer gerichtlichen Weisung bei volljährigen Personen der Lebensunterhalt mit 12,5% des Mindeststandards gemäß § 10 Abs 1 Z 1 MSG zu bemessen sei und die Hilfe für den Wohnbedarf für die Aufenthaltsdauer mit Ausnahme jener Fälle, in welchen in absehbarer Zeit wieder ein Wohnbedarf in der konkreten Unterkunft bestehe oder die Erhaltung dieser Unterkunft wirtschaftlich sinnvoll erscheine, ruhe. Aus den den angefochtenen Bescheiden zu Grunde liegenden Berechnungsbögen geht hervor, dass der Beschwerdeführer nach dieser Bestimmung grundsätzlich eine Hilfe für den Lebensunterhalt in Höhe von € 103,50 zustehe, aber aufgrund der diesen Betrag übersteigenden Einkommen in den Monaten Juni 2015, Juli 2015, August 2015, September 2015, Oktober 2015 und Dezember 2015 kein Anspruch bestehe. Lediglich im Monat November 2015 betrage das anrechenbare Einkommen des Beschwerdeführers nur € 62,00, woraus sich ein Anspruch zur Hilfe zum Lebensunterhalt von € 41,50 ergebe.
2. Dagegen erhob der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Sachwalter fristgerecht Beschwerden und führte im Wesentlichen aus, dass die Anwendung des § 13 Abs 1 MSG im konkreten Fall verfassungswidrig sei, da dieser offensichtlich gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße. Im Gegensatz zu kranken Personen, die sich in einer Kranken- oder Kuranstalt aufhalten, oder aber auch zu einer renten- bzw. pensionsberechtigten Person, würde nämlich bedingt entlassenen Straftätern, die sich aufgrund einer gerichtlichen Weisung in der therapeutischen Einrichtung der H.J. Salzburg befinden, keinerlei Verpflegung geboten und die Unterkunft auch nicht kostenlos zur Verfügung gestellt. Der Beschwerdeführer sei auch nicht einer renten- bzw pensionsberechtigten Person im Sinne des § 324 Abs 4 ASVG mit der dort normierten Pensionsteilung gleichzustellen. Der Beschwerdeführer beziehe weder eine Pension noch biete die von ihm bewohnte Einrichtung das von der belangten Behörde angenommene Versorgungsausmaß. Die 24-Stunden-betreute Einrichtung J. "H. Salzburg" gewähre keinerlei Verpflegung für den Beschwerdeführer. In der Einrichtung "J." finde keine Vollversorgung der Bewohner statt, wie es zB in einem Seniorenheim gegeben sei.
3. Die belangte Behörde hat diese Beschwerden samt Verwaltungsakten dem erkennenden Gericht zur Entscheidung vorgelegt und angemerkt, dass zur Überprüfung der Verfassungskonformität des § 13 Abs 1 MSG aktuell fünf Beschwerden in gleichgelagerten Fällen beim Verfassungsgerichtshof anhängig seien.
4. Die H. GmbH legte über Ersuchen des Landesverwaltungsgerichtes mit E-Mail vom 3.3.2015 eine Stellungnahme zur aktuellen Verpflegungssituation sowie zum Wohnkostenbeitrag des Beschwerdeführers vor.
5. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg führte am 7.3.2016 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, in welcher der Sachwalter des Beschwerdeführers gehört wurde und die Rechtslage nach dem Erkenntnis des VfGH vom 10.12.2015, Zahl G 364/2015 ua erörtert wurde.
Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat darüber Folgendes erwogen:
1. Sachverhalt:
Nachstehender Sachverhalt wird als erwiesen festgestellt und dem gegenständlichen Erkenntnis zugrunde gelegt:
Der Beschwerdeführer, geboren am xxx in Hallein, ist österreichischer Staatsbürger. Er wurde mit Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 8.7.2010 in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Mit Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 15.11.2012 wurde er per 19.11.2012 unter Bestimmung einer Probezeit von fünf Jahren bedingt entlassen. Unter einem wurden ihm diverse Weisungen erteilt, darunter die Wohnsitzname in der 24-Stunden betreuten Wohneinrichtung J. Salzburg, I., 5020 Salzburg. Der Beschwerdeführer nahm nach seiner Entlassung am 19.11.2012 weisungsgemäß in der von der H. GmbH geführten und betreuten Wohneinrichtung J. Unterkunft. Er ist dort seit 22.11.2012 hauptwohnsitzlich gemeldet. Er wird in der Wohneinrichtung auch betreut, wobei die Betreuungskosten vom Bund getragen werden.
Dem Beschwerdeführer stehen in der Einrichtung eine vollmöblierte, barrierefreie Wohneinheit im Ausmaß von 30 m² inklusive Kühlschrank und Bad zur Einzelnutzung zur Verfügung, weiters eine vollausgestattete Gemeinschaftsküche inklusive Backrohr und Mikrowelle, eine Waschküche inklusive Waschmaschine und Wäschetrockner zur unentgeltlichen Nutzung, sowie diverse Gemeinschaftsräume (Raucherraum, Aufenthaltsraum, Radkeller) und ein Lift. Im hier verfahrensrelevanten Zeitraum Juni 2015 bis Dezember 2015 beliefen sich die Wohn- und Betriebskosten pro Monat auf € 355,30 brutto. An Heizkosten und Strompauschale wurden im verfahrensrelevanten Zeitraum monatlich € 31,80 brutto verrechnet. Die sich hieraus ergebende Gesamtsumme in Höhe von 387,10 brutto monatlich wurde laut Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 27.6.2013 gemäß § 179a Abs 2 des Strafvollzugsgesetzes für den verfahrensrelevanten Zeitraum zur Gänze vom Bund übernommen.
Dem Beschwerdeführer wird in der Einrichtung keinerlei Verpflegung geboten. Er muss sich diesbezüglich in allen Lebensbereichen selbständig versorgen. Für den Einkauf von Nahrungsmitteln, Bekleidung und sonstigen Gebrauchsartikeln des täglichen Bedarfs ist er eigenverantwortlich zuständig, ebenso für die Zubereitung von Nahrung und das Waschen der Wäsche, etc. Ein diesbezüglicher Antrag, dass auch die Verpflegungskosten vom Bund übernommen werden sollen, wurde mit dem bereits zitierten Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 27.6.2013 abgewiesen. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 9.8.2013, 8 Bs 149/13p, keine Folge gegeben. Gegen diese Entscheidung stand dem Beschwerdeführer kein weiteres Rechtsmittel zu. Es wurde jedoch eine Anregung an die Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof gerichtet, wozu diese mit Schreiben vom 19.12.2013, Gw 337/13m, mitteilte, dass nach Prüfung der Eingabe und des Bezug habenden Aktes kein Anlass zur Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gefunden werde.
Der Beschwerdeführer erhielt für die Teilnahme an den tagesstrukturellen Tätigkeiten im Arbeitsprojekt Reflex im verfahrensgegenständlichen Zeitraum folgende Aufwandsentschädigungen, welche jeweils im darauffolgenden Monat an den Beschwerdeführer ausbezahlt wurden:
- Mai 2015 € 118,00
- Juni 2015 € 139,00
- Juli 2015 € 142,00
- August 2015 € 132,00
- September 2015 € 117,00
- Oktober 2015 € 62,00
- November 2015 € 155,00.
-
Darüber hinaus bezieht der Beschwerdeführer erhöhte Familienbeihilfe.
2. Beweiswürdigung:
Zur Beweiswürdigung ist auszuführen, dass sich die obigen Feststellungen weitgehend aus den vorliegenden Verfahrensakten ergeben und sich mit den Ausführungen des Vertreters des Beschwerdeführers und der Vertreterin der belangten Behörde in der Beschwerdeverhandlung decken. Insbesondere wurde von keiner Partei bestritten, dass der Beschwerdeführer in der Einrichtung H. GmbH keine Verpflegung erhält. Sonstige entscheidungswesentliche Widersprüche sind nicht zutage getreten.
3. Rechtslage:
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG), BGBl Nr 1/1930 idgF lauten:
Artikel 140...
(7) Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, dass ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden.
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Salzburger Mindestsicherungsgesetzes (MSG), LGBl Nr 63/2010 idF LGBl Nr 90/2014 lauten:
Persönliche Voraussetzungen§ 4(1) Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz haben vorbehaltlich Abs 3 nur Personen, die ihren Hauptwohnsitz oder mangels eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Land Salzburg haben und zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind.
(2) Zum Personenkreis, die zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind, gehören:
1.
österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger;
(…)
(1) Bei der Bemessung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ist das Einkommen der Hilfesuchenden nach Maßgabe der folgenden Absätze zu berücksichtigen. Zum Einkommen zählen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert sowie eine allfällig gewährte (erweiterte) Wohnbeihilfe gemäß den Salzburger Wohnbauförderungsgesetzen.
(2) Nicht zum Einkommen zählen:
1.
Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967, außer es handelt sich um Zuwendungen aus dem Familienhospizkarenz-Härteausgleich (§ 38j FLAG 1967);
2.
Kinderabsetzbeträge (§ 33 Abs 3 EStG 1988);
3.
Pflegegelder nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften und andere pflegebezogene Geldleistungen für die Hilfe suchende Person;
4.
Einkünfte aus Ferialbeschäftigungen;
5.
Lehrlingsentschädigungen für Personen, die mit zumindest einer ihnen gegenüber unterhaltspflichtigen volljährigen Person im gemeinsamen Haushalt leben, bis zu einer Höhe von 150 €.
6.
Sonderzahlungen, die Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer als 13. und 14. Monatsbezug, gegebenenfalls in Teilzahlungen davon, neben dem laufenden Arbeitslohn erhalten;
7.
Sonderzahlungen, die Pensionistinnen oder Pensionisten als 13. und 14. Monatsbezug, gegebenenfalls in Teilzahlungen davon, neben dem laufenden Pensionsbezug erhalten.
(3) Auf Grund einer Unterhaltsverpflichtung zu leistende Zahlungen sind bei der Bemessung des Einkommens der Hilfe suchenden Person bis zur Grenze des Unterhaltsexistenzminimums gemäß § 291b EO in Abzug zu bringen.
(4) Hilfesuchenden, die Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit erzielen, ist ein Freibetrag einzuräumen. Eine Erwerbstätigkeit liegt vor, wenn eine Tätigkeit zum Zweck der Erzielung eines Entgelts am allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeübt wird. Die Höhe des Freibetrags beträgt je nach Ausmaß der Beschäftigung in Prozent des Mindeststandards gemäß § 10 Abs 1 Z 1:
1.
bei einer Beschäftigung bis zu 20 Wochenstunden 9 %,
2.
bei einer Beschäftigung über 20 Wochenstunden 18 %.
Die Landesregierung hat die sich danach ergebenden Beträge gemeinsam mit den jeweiligen Mindeststandards der Bedarfsorientierten Mindestsicherung gemäß § 10 Abs 4 im Landesgesetzblatt kundzumachen.
Hilfe für den Lebensunterhalt und den Wohnbedarf§ 10(1) Der monatliche Mindeststandard für die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs beträgt:
1.
für Alleinstehende oder Alleinerziehende 744,01 €;
2.
für Ehegatten, eingetragene Partner, in Lebens-
gemeinschaft lebende Personen oder volljährige
Personen, die mit anderen Volljährigen im
gemeinsamen Haushalt leben, je Person 75 % des Betrages gemäß Z 1;
3.
für minderjährige Personen, die mit zumindest
einer ihnen gegenüber unterhaltspflichtigen
oder volljährigen Person im gemeinsamen Haushalt
leben und für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe
besteht 21 % des Betrages gemäß Z 1.
(2) Die Mindeststandards nach Abs 1 gebühren zwölfmal pro Jahr. Zusätzlich ist für minderjährige Personen gemäß Abs 1 Z 3 in den Monaten März, Juni, September und Dezember eine Sonderzahlung in Höhe von 50 % des Mindeststandards gemäß Abs 1 Z 3 zu gewähren, soweit diese am Stichtag der Sonderzahlung bereits seit mindestens drei Monaten Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung bezogen haben; eine Unterbrechung des Bezugs der Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zufolge Erhalt von Sonderzahlungen bleibt dabei außer Betracht. Allfällige 13. und 14. Monatsbezüge minderjähriger Personen sind auf diese Sonderzahlung anzurechnen.
(3) Von den Mindeststandards gemäß Abs 1 Z 1 und 2 beträgt der Anteil zur Deckung des Wohnbedarfs 25 % (Wohngrundbetrag). Besteht kein oder ein geringerer Wohnbedarf oder ist dieser anderweitig gedeckt, sind die jeweiligen Mindeststandards um diese Anteile entsprechend zu reduzieren, höchstens jedoch um 25 %. Keine Hilfe für den Wohnbedarf gebührt für Hilfesuchende, die im gemeinsamen Haushalt mit zumindest einem Elternteil leben, wenn dieser Eigentümer oder Mieter der Unterkunft ist, selbst keine Leistungen nach dem 3. Abschnitt dieses Gesetzes bezieht und ein Anspruch auf Familienbeihilfe für die Hilfe suchende Person besteht.
(4) Der Mindeststandard nach Abs 1 Z 1 verändert sich jährlich um den gleichen Prozentsatz wie der Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende nach § 293 Abs 1 ASVG. Die jährlichen Anpassungen erfolgen auf der Grundlage des Betrages, der sich aus der Anpassung für den Vorzeitraum ergeben hat, und werden jeweils mit 1. Jänner wirksam. Geringfügige Betragsanpassungen bis zu 50 Cent zur Gewährleistung österreichweit einheitlicher Mindeststandards sind zulässig. Die Landesregierung hat die sich daraus ergebenden Mindeststandards gemäß Abs 1 im Landesgesetzblatt kundzumachen.
Aufenthalt in einer Kranken- oder Kuranstalt§ 13(1) Für die Dauer eines Aufenthalts in einer Kranken- oder Kuranstalt oder einer vergleichbaren stationären Einrichtung oder auf Grund einer gerichtlichen Weisung in einer therapeutischen Wohneinrichtung beträgt die Hilfe für den Lebensunterhalt in Prozent des Mindeststandards gemäß § 10 Abs 1 Z 1:
1.
bei volljährigen Personen 12,5 %,
2.
bei minderjährigen Personen 8,0 %.
Die Landesregierung hat die sich danach ergebenden Beträge gemeinsam mit den jeweiligen Mindeststandards der Bedarfsorientierten Mindestsicherung gemäß § 10 Abs 4 im Landesgesetzblatt kundzumachen.
(2) Die Hilfe für den Wohnbedarf ruht für die Dauer eines Aufenthaltes in einer unter Abs 1 fallenden Einrichtung, ausgenommen in den Fällen, in welchen in absehbarer Zeit wieder ein Wohnbedarf in der konkreten Unterkunft besteht oder die Erhaltung dieser Unterkunft wirtschaftlich sinnvoll erscheint.
(3) Die Abs 1 und 2 gelten nicht für den Aufnahme- und den Entlassungsmonat.
Die Mindeststandards betragen gemäß § 10 Abs 4 MSG iVm der Kundmachung der Salzburger Landesregierung LGBl 94/2014 für das Jahr 2015
1.
für Alleinstehende oder Alleinziehende
827,82 €;
2.
für Ehegatten, eingetragene Partner, in Lebensgemeinschaft lebende Personen
oder volljährige Personen, die mit anderen Personen im gemeinsamen Haushalt leben,
je Person
620,87 €;
3.
für minderjährige Personen, die mit zumindest einer ihnen gegenüber
unterhaltspflichtigen oder volljährigen Person im gemeinsamen Haushalt leben und für
die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht
173,84 €.
4. Erwägungen:
Mit Erkenntnis vom 10. Dezember 2015, G 364/2015 ua, hat der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge "oder auf Grund einer gerichtlichen Weisung in einer therapeutischen Wohneinrichtung" in § 13 Abs 1 MSG als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten.
Da der Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis nicht anderes ausgesprochen hat, ist die aufgehobene Bestimmung gemäß Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG weiterhin auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden.
In den gegenständlichen Verfahren, bei dem es sich um keine Anlassfälle handelt, ist bei der Bemessung der Mindestsicherungsleistung für den Beschwerdeführer für die Monate Juni bis Dezember 2015 die aufgehobene Wortfolge somit weiter anzuwenden.
Der Verfassungsgerichtshof ging im zitierten Erkenntnis davon aus, dass die aufgehobene Wortfolge die Bedarfsorientierte Mindestsicherung im Fall des Aufenthalts eines volljährigen Mindestsicherungswerbers "auf Grund einer gerichtlichen Weisung in einer therapeutischen Wohneinrichtung" ausnahmslos auf ein "Taschengeld" von 12,5% des Mindeststandards reduziere und zwar unabhängig davon, ob und in welchem Ausmaß die Kosten des Aufenthalts tatsächlich vom Bund getragen würden (RZ 24). Dies stelle aus näher dargestellten Gründen einen Verstoß gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz dar (RZ 33).
Angesichts der Aufhebung des § 13 Abs 1 MSG durch den Verfassungsgerichtshof verbietet sich die vom Landesverwaltungsgericht Salzburg in vergleichbaren Fällen bisher vorgenommene Interpretation, wonach die nunmehr aufgehobene Bestimmung nur für solche aufgrund einer gerichtlichen Weisung in einer therapeutischen Wohneinrichtung aufhältigen Personen anwendbar sei, denen in dieser Einrichtung volle Unterkunft und Verpflegung gewährt werde. Die Methode der verfassungskonformen Interpretation findet nämlich, wie jede andere Auslegungsmethode auch, ihre Grenzen im eindeutigen Wortlaut des Gesetzes (VwGH 24.2.2016, Ro 2016/10/0005-3).
Die Kundmachung der Aufhebung der Wortfolge "oder aufgrund einer gerichtlichen Weisung in einer therapeutischen Wohneinrichtung" in § 13 Abs 1 des Salzburger Mindestsicherungsgesetzes ist am 29.1.2016 erfolgt und damit am 30.1.2016 in Kraft getreten (LGBl Nr 5/2016). Der vorliegende Verfahrensgegenstand bezieht sich auf Sachverhalte, die - wie oben ausgeführt - vor dem In Kraft treten der Aufhebung, nämlich im Zeitraum Juni bis Dezember 2015, verwirklicht wurden. Die belangte Behörde ist daher im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass § 13 Abs 1 MSG idF LBGl Nr 90/2014 auf die gegenständlichen Beschwerdefälle anzuwenden ist und ist richtigerweise davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer entsprechend § 13 Abs 1 MSG idF LBGl Nr 90/2014 nur einen Anspruch auf 12,5% des Mindeststandards gemäß § 10 Abs 1 Z 1 MSG – das sind im Jahr 2015 € 103,50 – hat. Davon hat die belangte Behörde jeweils das anrechenbare Einkommen abgezogen und ist zu den in den beiden Bescheiden genannten Ergebnissen gekommen. Ein Berufsfreibetrag gemäß § 6 Abs 4 MSG wurde zu Recht nicht gewährt, da es sich bei dem vom Beschwerdeführer erzielten Einkommen aus der Teilnahme an tagesstrukturellen Tätigkeiten nicht um Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit im Sinne des § 6 Abs 4 MSG handelt, weil eine Arbeitstherapie keine am allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeübte Tätigkeit darstellt.
Die Beschwerden waren daher abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.
5. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Dass es sich bei den vorliegenden Fällen um keinen Anlassfall handelt, ergibt sich aus dem klaren Wortlaut des Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG und wird dazu auf das bereits oben zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 24.2.2016, Ro 2016/10/0005-3 verwiesen.
Schlagworte
Anlassfall, verfassungskonforme AuslegungAnmerkung
VfGH vom 10.6.2016, E 871/2016-5, Ablehnung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGSA:2016:405.9.11.1.5.2016..405.9.12.1.7.2016Zuletzt aktualisiert am
22.08.2019